http://www.budopedia.de/api.php?action=feedcontributions&user=Werner+Lind&feedformat=atomBudopedia - Benutzerbeiträge [de]2024-03-28T14:26:43ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.31.1http://www.budopedia.de/index.php?title=Den&diff=16055Den2014-11-25T00:28:43Z<p>Werner Lind: </p>
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<div>{{Vorlage:Begriffsklärungshinweis}}<br />
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'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Werner Lind]]<br />
<br />
'''Den''' (jap.: 伝) bezeichnet die Übermittlung/Weitergabe einer Lehre (''[[oshi]]'') vom Meister (''[[sensei]]'') an den Schüler (''[[deshi]]'') und ist ein zentraler Begriff im alten Lizenzsystem ''[[menkyo]]'' für die vierstufige Überlieferung der Lehre (''[[shoden]]'', ''[[chūden]]'', ''[[okuden]]'' und ''[[kaiden]]''). Die Entwicklung erfolgt nach dem Prinzip des ''[[shuhari]]''.<br />
<br />
==Zwei Wege der Überlieferung==<br />
* '''[[Densho]]''' (伝書): wörtlich „Überlieferungschrift“ oder „geschriebene Weitergabe“, bezeichnet eine vom Lehrer (''sensei'') niedergeschriebene Schriftrolle (''makimono'') und ist als solche eine von mehreren Übertragungsarten der ''okuden'' (Hintergründe) in den alten Stilen (''koryū''). ''Den'' heißt „übermitteln“, „überliefern“ und ''sho'' bezeichnet ein Buch, ein Schriftstück oder einen geschriebenen Text.<br />
* '''[[Denshō]]''' (伝承): "Überlieferung" bezeichnet eine vom Meister überlieferte Lehre und ist als solche eine von mehreren Übertragungsarten der ''okuden''. Den heißt „übermitteln“, „überliefern“ und shō bezeichnet „zuhören“ oder „etwas bekommen“. ''Denshō'' ist nur für Schüler auf der Linie der ''[[uchi deshi]]'' (innere Schüler) bestimmt und resultiert letztendlich in der Übertragung einer Kampfkunst vom Lehrer auf den Schüler (''[[menkyo kaiden]]'' 免許皆伝 - Urkunde der endgültigen Meisterschaft). Diejenigen, die außerhalb der Übertragungslinie stehen (''soto deshi''), haben nur eine geringe Chance, den Kern einer Kampfkunst zu erfassen, da sie in der Übersetzung der formalen Techniken nicht unterrichtet werden. Sie lernen nur Formen. Für den uneingeweihten soto deshi bezeichnen die ''denshō'' lediglich vage Erläuterungen und rätselhafte Aphorismen: z.B. „Kämpfen gegen Osten“ oder „Blick in den Himmel“.<br />
<br />
Wenn die ''okuden'' preisgegeben werden, gleich ob durch schriftliche Überlieferung oder durch direkte Anleitung im Training, sind sie sicher nicht so kompliziert, dass sie den Verständnishorizont eines ''[[soto deshi]]'' (äußerer Schüler) überschreiten würden. Doch sie bedürfen nach wie vor der langjährigen Nähe zu einem ''[[sensei]]'', der sie im Verständnis des Schülers sichtbar machen kann und letztendlich in der Praxis übersetzt. Sie sind nichts anderes als die im Kern versteckte Essenz der Technik des ''[[kihon]]''. Versteckt sind sie nur deshalb, weil sie so einfach sind - sie sind das Zentrum einer Spirale, durch deren Windungen ein Übender zum Kern durchdringen muss.<br />
<br />
== Omote und Ura ==<br />
Die Techniken der Kampfkünste wurden vor allem in verschlüsselten Bewegungsabläufen (''kata'') überliefert, die vor Uneingeweihten geschützt und durch Verschlüsselung geheimgehalten wurden. Die Entschlüsselung der Techniken und ihrer philosophischen Inhalte bezeichnete man als ''okuden'' (versteckt Überliefertes, ''den''), die unentschlüsselten Formen selbst als ''omote'' (offensichtiche Vorderseite). Anfänger durften nur die Formen (''omote'') lernen, Fortgeschrittenen wurden manchmal auch die Forminhalte (''ura'') beigebracht. Übende, die sich besonders bemühten, erreichten die Stufe der technischen Experten (''kaiden''), während wenigen inneren Schülern (''[[uchi deshi]]'') durch das ''menkyo kaiden'' der Titel ''sensei'' zustand.<br />
<br />
=== Funakoshis Kommentar zum Bubishi ===<br />
Untenstehend Auszüge aus der lange Zeit geheimen (''[[gokuhi]]'' und ''[[hiden]]'') Abhandlung aus dem [[Bubishi]], ursprünglich in altchinesischer Sprache, die dem Original der „Anleitungen zum Karate“ von [[Funakoshi Gichin]] beigelegt war. Heute gilt als bewiesen, dass Funakoshi eine Kopie des Bubishi besaß, die er eingehend studierte. Hier ein Kommentar, der an die Philosophie des Bubishi anlehnt:<br />
<br />
* Diese Kunst soll man nur zum Wohle der Menschen anwenden und niemals, um ihnen Schaden zuzufügen. Nur derjenige, der mit seiner Seele die menschliche Natur versteht, kann der Lehre teilhaft werden.<br />
* Diese Kunst untergliedert sich in eine leichte (oberflächliche, ''omote'') und in eine schwere (tiefgehende, ''okuden''). Deshalb muss man, um die wahre Meisterschaft in vielen Formen zu erlangen, sie stets gleichzeitig im Zusammenhang mit der Lehre festigen. Wenn man hier unachtsam ist, wird man viele Schwierigkeiten haben, denn die unachtsamen Schüler verdienen es, dass man mit ihnen wie mit Verbrechern umgeht, die unschuldige Menschen geprügelt haben. Solche muss man in Ketten legen.<br />
* Bedenke, der Kampf ist kein Spiel mit einem Spielzeug! Sobald du die Lücke siehst, stoße in sie hinein. Sobald du siehst, dass der Gegner zurückweicht, setze ihm nach. Wichtig ist es, immer richtig zu berechnen. Sei stets darum besorgt, die geistige Berührung mit dem Gegner nicht zu verlieren.<br />
* Solche, die zufällig zusehen, machen sich lustig über meine kleinkarierte Kunst, dass ich immer wieder nach oben blicke und nach unten, nach rechts und nach links und dabei die Bewegungen des Gegners betrachte. Doch genau dies ist die echte Kunst des Nahkampfes.<br />
* Den Regeln zufolge muss man plötzlich einen Gegenangriff starten. Hat der Gegenangriff sein Ziel erreicht, so muss man den zurückweichenden Gegner hart verfolgen. Sobald der Gegner sich öffnet, schlag auf ihn ein. Versetze ihm einen Schlag, weiche zurück und nähere dich dann von neuem. Die Regel besagt, dass man sich dem Gegner abwechselnd nähern und von ihm zurückweichen soll. Oben müssen die Bewegungen an zwei flatternde Schmetterlinge erinnern; unten muss man wie ein geschickter Fischer handeln, der einen Fisch an der Angel hat.<br />
* Kräftig und ungestüm wie ein Tiger und ein Wolf; ungestüm wie ein wilder Tiger, so müssen wir uns im Zweikampf verhalten.<br />
* Sehr wichtig ist es, die Mittel zum Ansetzen der Kraft zu begreifen, das Gesetz der Kombination von Härte und Sanftheit, so wie die Wirklichkeit es erfordert. Das Harte geht über in das Sanfte, das Sanfte geht über in das Harte. Wo das Harte gebrochen wird, tritt das Sanfte zutage. Der Körper schwankt von einer Seite zur anderen, die Füße treten von einem Ort auf den anderen und tragen dabei den Körper - und so kannst du in tausend Tore eindringen. Doch die Gesetze des Angreifens und des Zurückweichens kann man nicht mit den üblichen Sinnen fassen.“<br />
<br />
Die acht Regeln als Anleitung zur Kunst des Kämpfens im ''[[báihèquán]]'' aus dem [[Bubishi]]:<br />
<br />
# Der Geist des Menschen ist eins mit Himmel und Erde.<br />
# Unser Blutkreislauf entspricht den Zyklen von Sonne und Mond.<br />
# Einatmung repräsentiert Weichheit (''jū''), Ausatmung repräsentiert Härte (''gō'').<br />
# Der Körper folgt der Zeit und passt sich Veränderungen an.<br />
# Die Techniken geschehen in der Abwesenheit von bewusstem Denken.<br />
# Zurückhaltung und Gestik bestimmen den Ausgang eines Zusammentreffens.<br />
# Sehe, was unsichtbar ist.<br />
# Erwarte, was unerwartet ist.<br />
<br />
=== Die Philosophie von Sūnzǐ ===<br />
Sūnzǐ oder Sunzu (jap. ''Shunzi'' oder ''Son Bu Shi'') oder Sun Tsu, war ein berühmter chinesischer General, der ein Standardwerk über die taktische Kriegsführung (Die Kunst des Krieges - ''Sūnzǐ bīngfǎ'', „Sun Zi über die Kriegskunst“) geschrieben hat. Seine Philosophie wurde im Bubishi aufgegriffen und zusammengefasst. Die untenstehenden Sätze galten über Jahrhunderte als die Maxime für alle Kampfkunstanhänger. Im Bubishi steht geschrieben:<br />
<br />
Son Bu Shi (Sunzi) spricht so:<br />
<br />
1. Wenn du dich selbst und deinen Gegner kennst, dann siegst du in zehn von zehn Kämpfen.<br />
2. Wenn du dich selbst kennst, aber deinen Gegner nicht kennst, dann siegst du einmal und verlierst du einmal.<br />
3. Wenn du weder dich selbst noch deinen Gegner kennst, dann verlierst du zehn von zehn Kämpfen.<br />
4. Sei ernstzunehmen aber flexibel, verwende Nachgiebigkeit so, dass du nicht ihr Opfer wirst.<br />
5. Zu gewinnen ohne zu kämpfen, ist das höchste Ziel eines Krieges.<br />
<br />
=== Bubishi - Artikel 16: Greifen und Befreien ===<br />
* Körpersprache und Täuschungsmanöver sind wichtige Punkte des Kämpfens. Lese in deinem Gegner und schaffe schwache Stellen.<br />
* Wenn du das Gleichgewicht deines Gegners störst, wirst du größere Chancen zum Sieg haben. Wachsamkeit und Wahrnehmung sind starke Waffen.<br />
* Wenn du von vorn angegriffen wirst, versuche die Leistengegend zu attackieren.<br />
* Wenn du dich gegen einen Griff von hinten ins Haar verteidigst, senke dich ab und drehe dich schnell in den Gegner, wobei deine Hände dein Gesicht schützen, dann stürme auf ihn zu und nehme ihm seine Balance.<br />
* Sollte jemand versuchen, auf deinen Fuß zu treten, bereite dich darauf vor, mit den Händen zu kontern.<br />
* Gegen starkes Ziehen an den Haaren, greife das Daumengelenk an und bringe ihn zu Boden.<br />
* Niedrige Konter sind die Regel bei hohen Angriffen.<br />
* Verwende hohe Konter gegen niedrige Angriffe.<br />
* Im Umgang mit einem fähigen Fußtechniker ist die Strategie sehr wichtig. Beschränke dich nicht nur darauf, sein Gleichgewicht zu stören. Versuche seine Absicht vorauszuahnen, unterbreche den Tritt und fange das Bein.<br />
* Sei schnell darin, Vorteil aus einem Gegner zu ziehen, der emotional, zu sehr aufgeregt oder verwirrt ist, indem du immer seine mentale Fassung abschätzt.<br />
* Wenn du von hinten angegriffen wirst, verwende deinen Gefühlssinn und seine Körpersprache, um seine Absichten vorauszuahnen. Gebe dein Bestes, um dich hiter deinen Gegner zu manövrieren.<br />
* Wenn du nach Osten angreifen willst, bewege dich zuerst nach Westen. Zeige niemals deine wahren Absichten. Wenn du dich entscheidest, dich direkt nach vorn zu bewegen, wisse immer, was hinter dir ist.<br />
* Wenn dich ein Angreifer beißt, greife direkt seine Kehle an.<br />
* Wenn du gewürgt wirst, kontere, indem du auf seine Ohren schlägst oder tief in seine Rippen stößt.<br />
* Wenn du einem Stampftritt ausweichst, gehe zur Seite und kontere mit derselben Technik.<br />
* Führe niemals eine Technik aus, wenn du aus dem Gleichgewicht bist, da ein fähiger Kämpfer aus dieser Situation mit ziemlicher Sicherheit Vorteile ziehen wird.<br />
* Ein überlegender Stratege verwendet zu seinem Vorteil eher Attacken verschiedener Level, als einzelne Tritte oder Schläge.<br />
* Wenn jemand deine Kleidung ergreift, stoße ihn mit dem Knie.<br />
* Einatmung repräsentiert Weichheit und Ausatmung Härte. Sei dir immer dieses Gleichgewichtes gewahr und nutze es zu deinem Vorteil.<br />
* Behalte dein Gleichgewicht während und nachdem du einen Gegner geworfen hast, da es unerläßlich wichtig ist, darauf mit einem beendenden Schlag zu folgen.<br />
* Beim Kampf gegen einen Gegner, der die Methode der Betrunkenen Faust verwendet, muß eine besondere Aufmerksamkeit vorhanden sein, da er unberechenbar ist. Da er sehr irreführende Beinmanöver gebraucht, schließ dieser Stil unorthodoxe Techniken mit ein.<br />
* Obwohl die tiefe Stellung eines Gegners seine Beweglichkeit einschränken und seine Fußtechniken behindern könnte, sei achtsam, da dies die Stärke seiner Hand verbessert. Versuche in die hohe Stellung eines Gegners hineinzugehen.<br />
* Es gibt bei hohen Fußtechniken einen gewißen Grad der eigenen Gefährdung, besonders der Genitalien. Achte darauf, dich nicht zu weit nach vorne oder nach hinten zu lehnen und schütze jederzeit deine Genitalien.<br />
* Wenn du den Fuß deines Gegners mit deinem eigenen Fuß fängst, schlage sofort mit deinen Händen. Dann führe sie von oben nach unten und ziehe seine Beine unter ihm weg.<br />
* Wenn du zu Boden gebracht wirst, mache jeden nur möglichen Versuch, die Genitalien deines Gegners anzugreifen.<br />
* Sollte dich jemand von hinten mit einer starken Umarmung angreifen, zerschmettere sein Gesicht mit deinem Hinterkopf ehe du konterst.<br />
* Ein sicherer Weg, Leute daran zu hindern, sich selbst in einem Kampf zu töten ist, ihre Halsschlagader anzugreifen.<br />
* Wenn ein Gegner in dich stürzt und deinen Unterkörper greift, verwende beide Hände, um auf seine Ohren zu schlagen oder attackiere die Spitze seines Kopfes.<br />
* Wenn du einen Gegner zu Boden bringen möchtest, bleibe in Bewegung und mache eine Finte zu seinem Schatten, ehe du den Wurf ansetzt.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Dentō]] | [[Kyūdan]] | [[Dankyū seido]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* Patrick McCarthy: ''Bubishi.'' Charles E. Tuttle Company.<br />
* Francis Didier: ''Karate dō - L´Esprit Guerrier.'' Sedirep 1988.<br />
* [[Werner Lind]]: ''Karate Grundlagen. Kihon, Kata, Kumite.'' BSK 2005.<br />
* Werner Lind: ''Budo - Der geistige Weg der Kampfkünste.'' O.W. Barth 1993.<br />
* Werner Lind: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK 2010.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Kyūdan]]<br />
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'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
<br />
==Bezeichnungen für Lehrer-Grade==<br />
<br />
Die Benennungsmotive für die Bezeichnungen und Titel der Lehrer leiten sich aus deren großer Lebenserfahrung, ihrer nachgewiesenen Lehrkompetenz, ihrer Stellung in einem hierarchischen Lehrsystem und / oder ihrer Vorbildwirkung ab. Je nach Situation und Qualifikation kann ein Lehrer unterschiedlich tituliert werden. Beispielsweise wird der Karate-Meister Kanazawa Hirokazu (geb. 1931) allgemein als sensei (Lehrer), hierarchisch als jūdan (10. Dan), hinsichtlich seiner Lehrkompetenz und Vorbildwirkung als hanshi (Gelehrter), sowie in Bezug auf seine Funktion in seiner Organisation als kanchō (Stilvorstand) bezeichnet<br />
<br />
===Sensei 先生===<br />
<br />
Der Begriff ''sensei'', dessen wörtliche Bedeutung „der vorher Geborene“ ist, bezeichnet im Japanischen prinzipiell einen Lehrer, der aufgrund seines Lebensalters einer jüngeren Generation, die er unterrichtet, an Kenntnissen, Fertigkeiten und Lebenserfahrung weit voraus ist.<br />
Obwohl der sensei immer ein Meister seines Faches ist, entspricht das Wort „sensei“ keinem akademischen Grad oder Titel, den man durch ein Universitätsstudium erlangen könnte. Die Bezeichnung ist vielmehr ein Ausdruck der Verehrung, mit dem man den Lehrer / Meister in dessen Gegenwart anspricht oder in seiner Abwesenheit über ihn spricht. Demzufolge wird im Japanischen in solchen Fällen das sonst übliche Personalsuffix „-san“ durch ein nachgestelltes „sensei“ ersetzt.<br />
In den Wegkünsten ist der sensei durch sein ganzheitliches Wirken innerhalb und außerhalb des dōjō, bei und jenseits der Übung der Formen ein Vorbild für seine Schüler, an dem diese sich orientieren, um auf ihrem eigenen Weg voranzuschreiten. Seine Lehre vermittelt ein sensei dabei nicht (nur) durch rational nachvollziehbare Erläuterungen, sondern (vor allem) durch nur intuitiv erfassbares rechtes Handeln. Damit der Schüler diese Lehre in ihrer Tiefe überhaupt verstehen kann, muss er sich um eine enge persönliche Bindung zum Meister bemühen, die die Voraussetzung für ein „Lehren von Herz zu Herz“ (ishin denshin) ist.<br />
<br />
* '''[[Rō sensei]]''' - Alter Lehrer. Auch wenn alternde Lehrer den physischen Anforderungen des alltäglichen Trainings nicht mehr entsprechen können, werden sie aufgrund ihrer großen Erfahrung und ihres Wissens hoch geschätzt.<br />
* '''[[Waka sensei]]''' - Junger Lehrer, der die Lehre vertritt und überliefert.<br />
* '''[[Ō sensei]]''' - Hervorragender, großartiger Lehrer. Besonders verehrungswürdige Lehrer werden in hohem Alter oder nach ihrem Ableben von den Nachfolgenden respektvoll mit ''ō sensei'' bezeichnet.<br />
<br />
===Shihan 師範===<br />
<br />
In der wörtlichen Übersetzung heißt der Begriff ''shihan'' „vorbildhafter Lehrer“ und deutet damit auf die hervorragende Ausbildung und Lehrbefähigung der unterrichtenden Person hin. Meistens ist ein shihan Inhaber eines siebten oder noch höheren Dan-Grades. Zum einen wird das Wort als Oberbegriff zu den Titeln ''renshi'', ''kyōshi'' und ''hanshi'' verwendet, in anderen Rangsystemen, in denen die drei zuletzt genannten Titel nicht vorkommen, bezeichnet man mit dem Begriff den oder die Hauptlehrer eines Stils oder einer Organisation. Dies erklärt sich aus der Tradition der ''koryū bujutsu'', in denen die Stilvorstände (''sōke'') sofern notwendig aus den Fortgeschrittensten einen Lehrmeister (''shihan'') benannten, der die Weitergabe der Tradition eines ''ryū'' lenkte. Gelegentlich erfährt der Begriff auch Differenzierungen:<br />
<br />
* '''[[Shihan dai]]''' - stellvertretender Lehrmeister<br />
* '''[[Saikō shihan]]''' - höchster Lehrmeister<br />
* '''[[Shuseki shihan]]''' - Hauptlehrmeister<br />
<br />
===Renshi 練士, Kyōshi 教士 und Hanshi 範士===<br />
<br />
Das gemeinsame Element dieser drei auf einander aufbauenden und im ''[[dankyū seido]]'' etablierten Lehrerlizenzen ist ''[[shi]]'' (士). Dieses Wort bedeutet, ethymologisch betrachtet, eine „Person, die von 1 bis 10 (von A bis Z) alles weiß“, und steht im Japanischen allgemein für „Gelehrter“ oder „Ehrenmann“. Als zusammenfassenden Begriff für alle Kategorien dieser Gruppe, gebraucht man die Bezeichnung ''shihan''.<br />
Nur im offiziellen Sprachgebrauch werden die drei Shihan-Titel bei der Namensnennung mit aufgeführt. In der direkten Kommunikation wird kein Meister mit renshi, kyōshi oder hanshi angesprochen. Insofern gleichen die Titel westlichen akademischen Graden wie „Magister artium“, „Doktor“ oder „Professor“.<br />
<br />
* '''[[Renshi]]''' - Das Wort ''renshi'' bedeutet demnach sinngemäß „Experte der Übung“ oder „Gelehrter des Trainingsprozesses“ und wird als Titel in vielen Stilen, Organisationen und Verbänden an den Inhaber eines ''yondan'', ''godan'' oder ''rokudan'' verliehen, wenn die entsprechende Person die technische Meisterschaft im jeweiligen Stil erreicht hat und über hinreichende Erfahrung als Kampfkunstlehrer verfügt.<br />
* '''[[Kyōshi]]''' - Erlangt der ''renshi'' später den Rang eines ''rokudan'', ''nanadan'' oder ''hachidan'', kann er zum ''kyōshi'' befördert werden. Während sich das Wort ''ren'' eher auf die technische Übung bezieht, meint ''kyō'' den Unterricht in seiner Gesamtheit. Ein ''kyōshi'' ist demnach nicht nur ein Experte in den technischen Belangen seiner Kunst, sondern verfügt auch über ein umfangreiches Wissen hinsichtlich ihrer theoretischen Hintergründe und ihrer historischen Wurzeln. Auch ist er in der Lage, eigene Schüler auf deren Weg zum Meister der Kampfkünste zu geleiten.<br />
* '''[[Hanshi]]''' - Erlangt ein ''kyōshi'' schließlich den Rang eines ''hachidan'', ''kudan'' oder ''jūdan'', kann er zum ''hanshi'' ernannt werden. Wörtlich bedeutet der Begriff ''hanshi'' „vorbildlicher, modellhafter Gelehrter“; die Attribute „vorbildlich“ und „modellhaft“ beziehen sich dabei nicht nur auf technische und didaktische Fähigkeiten oder auf ein besonders umfangreiches Wissen um die Kampfkünste, sondern vor allem auch auf die moralische Integrität der betreffenden Person und ihre unmittelbare Nähe zum Ideal des Weges.<br />
<br />
===Seijin 聖人, Tatsujin 達人 und Meijin 名人===<br />
<br />
Die Verbindung dieser Begriffe liegt in der japanischen Silbe ''jin'' (Mensch). Die daraus resultierenden Begriff seijin, tasujin und meijin stammen aus dem japanischen Konfuzianismus und bezeichnen Varianten des chinesischen jūnzĭ (edler Mensch), der von Konfuzius als höchste Instanz angesehen wurde. Mit ähnlicher Bedeutung kennt man im Zen-Buddhismus den rōshi und im Daoismus den zhènrén.<br />
In Japan vermischen sich die Religionen (''nihon shūkyōgaku'') und die Titel ihrer Meister wurden über die Religionsgrenzen hinweg auch in manchen japanischen Künsten (nihon bijutsu) gebraucht. Wegen ihrer speziellen Ausrichtung jedoch wurden diese Bezeichnungen in den Kampfkünsten (bugei) nur selten als verliehene Ehrentitel vergeben:<br />
<br />
* '''[[Seijin]]''' - Der „Weiser“ oder „heiliger Mensch“. Im Konfuzianismus ist der ''seijin'' dasselbe, wie der ''rōshi'' im ''zen'' oder der ''zhènrén'' im Daoismus.<br />
* '''[[Tatsujin]]''' - Der Begriff bedeutet sinngemäß „Mensch, der (technische und moralische) Ideale verwirklicht“ und wird allgemein mit „Virtuose“ oder „Experte“ übersetzt.<br />
* '''[[Meijin]]''' - Einen ähnlichen Bedeutungsinhalt hat der Begriff meijin, dessen wörtliche Übersetzung „edler Mensch“ ist und der sich auf den konfuzianischen jūnzĭ bezieht. In der Titulatur der IMAF (kokusai budōin kokusai budō renmei) ist meijin die höchstmögliche Rangbezeichnung und wird nur an Inhaber des Titels hanshi, die bereits den zehnten Dan (jūdan) in einer Kampfkunst erreicht haben, verliehen.<br />
<br />
===Shidōin 指導員===<br />
<br />
Mit dem Begriff shidōin oder dem Synonym shidōshi wird in den modernen Kampfkünsten häufig ein Übungsleiter bezeichnet, auf den die vorgenannten Bezeichnungen (noch) nicht zutreffen. In der Regel betrifft dies yūdansha im Rang eines sandan oder yondan, die die Befugnis erhalten, selbstständig Schüler zu unterrichten. Als Vorstufe zum shidōin wird der „Assistenzübungsleiter“ (fuku shidōin) betrachtet, der bei der Unterstützung eines selbstständigen Lehrers erste Unterrichtserfahrungen sammeln kann. In manchen Stilen bilden die Titel<br />
<br />
* '''[[Shidōin]]''' - Übungsleiter<br />
* '''[[Fuku shidōin]]''' - Assistenzübungsleiter<br />
<br />
===Sōke 宗家===<br />
<br />
Das Wort ''sōke'' bedeutet „Hauptfamilie“ und bezeichnete früher jene Mitglieder einer Familie, die innerhalb eines Klans (''[[uji]]'') die führende Rolle einnahmen. Die eigentliche Führungsposition war dabei dem männlichen Familienoberhaupt vorbehalten, der sie seinem ältesten Sohn vererbte. Falls notwendig konnte ein Nachfolger auch adoptiert werden. Wurde innerhalb des Klans ein ''ryū'' praktiziert, zeichnete das Familienoberhaupt auch dafür verantwortlich.<br />
Demzufolge steht das Wort ''sōke'' heute noch in manchen Kampfkünsten für den blutverwandten Haupterben einer Stiltradition. Dabei ist es nicht von erstrangiger Bedeutung, ob er diese selbst praktiziert. Er lenkt die Geschicke eines ''ryū'' und bestimmt - falls er selbst nicht (mehr) unterrichtet - einen Nachfolger und / oder einen Hauptlehrer (''shihan''). Heute wird das Wort häufig mit dem eigentlichen Begründer einer Stiltradition verwechselt, der in Japan jedoch mit den Begriffen „Urahn der Tradition“ (''ryūso''), „erste Generation“ (''shodai'') oder „neu geboren“ (''shosei'') bezeichnet wird.<br />
<br />
===Kanchō 館長, Kaichō 会長, Shibuchō 支部長 und Dōjōchō 道場長===<br />
<br />
Das gemeinsame Element dieser vier Begriffe ist das auslautende chō (長) was soviel wie „Leiter“ bedeutet. Demnach ist ein kanchō der „Direktor des Hauses“, wobei „Haus“ (''kan'') metaphorisch für „Stil“ oder „Verband“ verwendet wird. Fast synonym dazu ist der kaichō der „Vorsitzende einer Gesellschaft/Föderation“. Auf einer untergeordneten Ebene bezeichnet der Begriff shibuchō den Leiter einer Stilvertretung außerhalb des Haupt-Dōjō, also z.B. im Ausland, während dōjōchō das japanische Wort für den Leiter eines einzelnen Ortes der Wegübung (dōjō) ist.<br />
<br />
* '''Kanchō''' - Leiter eines Stils<br />
* '''Kaichō''' - Leiter einer Organisation<br />
* '''Shibuchō''' - Leiter einer Stilvertretung<br />
* '''Dōjōchō''' - Leiter eines dōjō<br />
<br />
==Bezeichnungen für Schüler-Grade==<br />
<br />
Das grundlegende Benennungsmotiv für Bezeichnungen der Kampfkunstschüler ist der zwischenmenschliche Aspekt des Lernprozesses (''hito to hito no aida''). Obwohl es auch im Japanischen Begriffe gibt, die wie das deutsche Wort „Schüler“ (''deshi'') auf die Zugehörigkeit zur Institution „Schule“ oder wie die englischen Wörter „disciple“ und „student“ (''gakusei'') auf die Haupttätigkeit, das „Lernen“, hinweisen, finden sie im Kampfkunstbereich keine gleichbedeutende Verwendung.<br />
<br />
===Deshi 弟子 und Hai 輩===<br />
<br />
In den japanischen Kampfkünsten werden die „Schüler“ unabhängig von ihrer Graduierung allgemein mit dem Begriff deshi bezeichnet. Dieses Wort ist eine Zusammensetzung der Zeichen für „jüngerer Bruder“ und „Kind“, wodurch sich ein deutlicher Bezug zum Lehrer (sensei) als dem Älteren und Erfahreneren ausdrückt. Wie bereits erwähnt, bedeutet der wichtigste japanische Begriff für einen Lehrer, sensei, (wörtlich „zuvor geboren“), was dieselbe Relation in umgekehrter Richtung vermittelt. Deshalb werden im Rangsystem (kyūdan) die Schülergrade (kyū) von oben nach unten und die Lehrergrade (dan) von unten nach oben gezählt.<br />
So wie das Wort deshi auf die Beziehung (shitei) eines Schülers zu seinem Lehrer verweist, stellt das Wort hai, das soviel wie „Kamerad“, „Genosse“ oder „Kollege“ bedeutet, die Beziehung des Schülers zu den Mitschülern in das Zentrum der Betrachtung.<br />
<br />
* '''[[Deshi]]''' - Schüler, Lernender unter einem Meister<br />
* '''[[Hai]]''' - Kamerad, Kollege eines Gleichgestellten<br />
<br />
===Jiki deshi 直弟子 und Mata deshi 又弟子===<br />
<br />
Der Begriff ''jiki'' bedeutet „direkt“ und verweist auf die unmittelbare Nähe eines Schülers zu seinem Lehrer bzw. darauf, dass der Schüler vom Meister selbst in einer Kunst unterwiesen wird. Im Gegensatz dazu erhält der „indirekte Schüler“ (mata deshi) seinen Unterricht hauptsächlich durch die Vermittlung von Schülern eines Meisters, ohne dass die äußere Beziehung zu letzterem in den Hintergrund rückt.<br />
Die globale Verbreitung der japanischen Kampfkünste und die weltweite Reputation der japanischen Lehrer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rührt unter anderem daher, dass einige wenige westliche Interessenten in Japan für eine gewisse Zeit als ''jiki deshi'' unterwiesen wurden, die nach der Rückkehr in ihre Heimatländer begannen, mata deshi auszubilden, ohne selbst als Meister aufzutreten. Die Struktur heutiger Kampfkunstgesellschaften und -Organisationen beruht insbesondere – wenn sie traditionell orientiert sind und einen Hauptlehrer haben - oft auf der ''jiki deshi'' / ''mata deshi'' Korrelation.<br />
<br />
'''[[Jiki deshi]]''' - Direkter Schüler eines Lehrers<br />
'''[[Mata deshi]]''' - Indirekter Schüler eines Lehrers<br />
<br />
===Uchi deshi 内弟子 und Soto deshi 弟子===<br />
<br />
Das Begriffspaar ''uchi'' und ''soto'' bedeutet „innen“ und „außen“ und stellt in Verbindung mit dem Wort ''deshi'' eine ähnliche Differenzierung der Schüler eines Lehrers dar, wie sie bei den Bezeichnungen ''jiki deshi'' und ''mata deshi'' bereits festgestellt wurde. Der Begriff ''uchi deshi'' (innerer Schüler) verweist eigentlich auf einen Schüler, der innerhalb der Hausgemeinschaft eines Lehrers lebt, in die er aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses und seines vom Meister erkannten Entwicklungspotentials aufgenommen wurde. ''Uchi deshi'' steht damit als Begriff für eine Person, die den Meister nicht nur im Kampfkunsttraining erleben, sondern auch bei seinen alltäglichen Verrichtungen begleiten und unterstützen darf, und somit die Möglichkeit besitzt, aus dessen gesamten Handeln und Wirken zu lernen.<br />
Im Gegensatz dazu meint das Wort ''soto deshi'' (äußerer Schüler) einen Übenden, der außerhalb einer solch engen Beziehung zum Lehrer steht und in der Regel nur technisch unterwiesen wird. Doch in der Geschichte der Kampfkünste ist oft zu beobachten, dass die ''soto deshi'' eine ähnlich große oder noch größere Bedeutung erreichten, als die ''uchi deshi''.<br />
<br />
* '''[[Uchi deshi]]''' - Innerer Schüler eines Lehrers<br />
* '''[[Soto deshi]]''' - Äußerer Schüler eines Lehrers<br />
<br />
===Senpai 先輩, Dōhai 同輩 und Kōhai 後輩===<br />
<br />
Diese Wörter bedeuten der Reihe nach „älterer Kamerad“, „gleichaltriger Kamerad“ und „jüngerer Kamerad, wobei der Bezug auf das Lebensalter nicht in jedem Fall wörtlich, sondern vielmehr übertragen hinsichtlich des Fortschritts auf dem Kampfkunstweg zu verstehen ist. Ausgangspunkt der Betrachtung ist dabei immer der eigene Fortschritt und die eigene Erfahrung. Schüler, die fortgeschrittener sind als man selbst, sind die ''senpai''. Mitübende, die über ungefähr denselben Erfahrungshorizont verfügen wie man selbst, werden als ''dōhai'' bezeichnet, während Schüler, denen man im Sinne des Weges voraus ist, ''kōhai'' genannt werden. Außer den unmittelbaren Anfängern in einer Kunst können daher alle Schüler eines Meisters zugleich ''senpai'', ''dōhai'' und ''kōhai'' sein.<br />
Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Beziehung der ''senpai'' zu den ''kōhai''. Die ''senpai'' stellen das Bindeglied zwischen den weniger erfahrenen Schülern und dem Meister bzw. seiner Lehre dar. Die Fortgeschrittenen haben die Aufgabe, darauf zu achten, dass sich die ''kōhai'' in das Regelgefüge der Kampfkunstschule (''dōjōkun'') gut eingliedern, und stehen diesen dabei mit Rat und Tat zur Seite. Durch ihre technische Überlegenheit sind die ''senpai'' als Übungspartner der ''kōhai'' in der Lage, diese im Training zur fördern und zu fordern; durch ihren geistigen Fortschritt auf dem Weg haben sie ein Bewusstsein entwickelt, das sie diese Überlegenheit nicht missbrauchen lässt.<br />
Die ''senpai'' haben die Aufsichtspflicht über die ''kōhai'', innerhalb und außerhalb des Trainings. Nur wenn diese wahrgenommen wird, kann eine Budō-Gemeinschaft funktionieren, andererseits verbraucht sie sich in ständigen Ungereimtheiten.<br />
<br />
* '''[[Senpai]]''' - Der Ältere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
* '''[[Dōhai]]''' - Der Gleichaltrige im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
* '''[[Kōhai]]''' - Der Jüngere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Menkyo]] | [[Dankyū seido]] | [[Kyūdan]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Graduierungssystem]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Ehrentitel_im_Bud%C5%8D&diff=16044Ehrentitel im Budō2014-11-24T02:58:53Z<p>Werner Lind: </p>
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<div>{{Vorlage: Überarbeiten}}<br />
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'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
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==Bezeichnungen für Lehrer-Grade==<br />
<br />
Die Benennungsmotive für die Bezeichnungen und Titel der Lehrer leiten sich aus deren großer Lebenserfahrung, ihrer nachgewiesenen Lehrkompetenz, ihrer Stellung in einem hierarchischen Lehrsystem und / oder ihrer Vorbildwirkung ab. Je nach Situation und Qualifikation kann ein Lehrer unterschiedlich tituliert werden. Beispielsweise wird der Karate-Meister Kanazawa Hirokazu (geb. 1931) allgemein als sensei (Lehrer), hierarchisch als jūdan (10. Dan), hinsichtlich seiner Lehrkompetenz und Vorbildwirkung als hanshi (Gelehrter), sowie in Bezug auf seine Funktion in seiner Organisation als kanchō (Stilvorstand) bezeichnet<br />
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===Sensei 先生===<br />
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Der Begriff ''sensei'', dessen wörtliche Bedeutung „der vorher Geborene“ ist, bezeichnet im Japanischen prinzipiell einen Lehrer, der aufgrund seines Lebensalters einer jüngeren Generation, die er unterrichtet, an Kenntnissen, Fertigkeiten und Lebenserfahrung weit voraus ist.<br />
Obwohl der sensei immer ein Meister seines Faches ist, entspricht das Wort „sensei“ keinem akademischen Grad oder Titel, den man durch ein Universitätsstudium erlangen könnte. Die Bezeichnung ist vielmehr ein Ausdruck der Verehrung, mit dem man den Lehrer / Meister in dessen Gegenwart anspricht oder in seiner Abwesenheit über ihn spricht. Demzufolge wird im Japanischen in solchen Fällen das sonst übliche Personalsuffix „-san“ durch ein nachgestelltes „sensei“ ersetzt.<br />
In den Wegkünsten ist der sensei durch sein ganzheitliches Wirken innerhalb und außerhalb des dōjō, bei und jenseits der Übung der Formen ein Vorbild für seine Schüler, an dem diese sich orientieren, um auf ihrem eigenen Weg voranzuschreiten. Seine Lehre vermittelt ein sensei dabei nicht (nur) durch rational nachvollziehbare Erläuterungen, sondern (vor allem) durch nur intuitiv erfassbares rechtes Handeln. Damit der Schüler diese Lehre in ihrer Tiefe überhaupt verstehen kann, muss er sich um eine enge persönliche Bindung zum Meister bemühen, die die Voraussetzung für ein „Lehren von Herz zu Herz“ (ishin denshin) ist.<br />
<br />
* '''[[Rō sensei]]''' - Alter Lehrer. Auch wenn alternde Lehrer den physischen Anforderungen des alltäglichen Trainings nicht mehr entsprechen können, werden sie aufgrund ihrer großen Erfahrung und ihres Wissens hoch geschätzt.<br />
* '''[[Waka sensei]]''' - Junger Lehrer, der die Lehre vertritt und überliefert.<br />
* '''[[Ō sensei]]''' - Hervorragender, großartiger Lehrer. Besonders verehrungswürdige Lehrer werden in hohem Alter oder nach ihrem Ableben von den Nachfolgenden respektvoll mit ''ō sensei'' bezeichnet.<br />
<br />
===Shihan 師範===<br />
<br />
In der wörtlichen Übersetzung heißt der Begriff ''shihan'' „vorbildhafter Lehrer“ und deutet damit auf die hervorragende Ausbildung und Lehrbefähigung der unterrichtenden Person hin. Meistens ist ein shihan Inhaber eines siebten oder noch höheren Dan-Grades. Zum einen wird das Wort als Oberbegriff zu den Titeln ''renshi'', ''kyōshi'' und ''hanshi'' verwendet, in anderen Rangsystemen, in denen die drei zuletzt genannten Titel nicht vorkommen, bezeichnet man mit dem Begriff den oder die Hauptlehrer eines Stils oder einer Organisation. Dies erklärt sich aus der Tradition der ''koryū bujutsu'', in denen die Stilvorstände (''sōke'') sofern notwendig aus den Fortgeschrittensten einen Lehrmeister (''shihan'') benannten, der die Weitergabe der Tradition eines ''ryū'' lenkte. Gelegentlich erfährt der Begriff auch Differenzierungen:<br />
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* '''[[Shihan dai]]''' - stellvertretender Lehrmeister<br />
* '''[[Saikō shihan]]''' - höchster Lehrmeister<br />
* [['''Shuseki shihan''']] - Hauptlehrmeister<br />
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===Renshi 練士, Kyōshi 教士 und Hanshi 範士===<br />
<br />
Das gemeinsame Element dieser drei auf einander aufbauenden und im ''[[dankyū seido]]'' etablierten Lehrerlizenzen ist ''[[shi]]'' (士). Dieses Wort bedeutet, ethymologisch betrachtet, eine „Person, die von 1 bis 10 (von A bis Z) alles weiß“, und steht im Japanischen allgemein für „Gelehrter“ oder „Ehrenmann“. Als zusammenfassenden Begriff für alle Kategorien dieser Gruppe, gebraucht man die Bezeichnung ''shihan''.<br />
Nur im offiziellen Sprachgebrauch werden die drei Shihan-Titel bei der Namensnennung mit aufgeführt. In der direkten Kommunikation wird kein Meister mit renshi, kyōshi oder hanshi angesprochen. Insofern gleichen die Titel westlichen akademischen Graden wie „Magister artium“, „Doktor“ oder „Professor“.<br />
<br />
* '''[[Renshi]]''' - Das Wort ''renshi'' bedeutet demnach sinngemäß „Experte der Übung“ oder „Gelehrter des Trainingsprozesses“ und wird als Titel in vielen Stilen, Organisationen und Verbänden an den Inhaber eines ''yondan'', ''godan'' oder ''rokudan'' verliehen, wenn die entsprechende Person die technische Meisterschaft im jeweiligen Stil erreicht hat und über hinreichende Erfahrung als Kampfkunstlehrer verfügt.<br />
* '''[[Kyōshi]]''' - Erlangt der ''renshi'' später den Rang eines ''rokudan'', ''nanadan'' oder ''hachidan'', kann er zum ''kyōshi'' befördert werden. Während sich das Wort ''ren'' eher auf die technische Übung bezieht, meint ''kyō'' den Unterricht in seiner Gesamtheit. Ein ''kyōshi'' ist demnach nicht nur ein Experte in den technischen Belangen seiner Kunst, sondern verfügt auch über ein umfangreiches Wissen hinsichtlich ihrer theoretischen Hintergründe und ihrer historischen Wurzeln. Auch ist er in der Lage, eigene Schüler auf deren Weg zum Meister der Kampfkünste zu geleiten.<br />
* '''[[Hanshi]]''' - Erlangt ein ''kyōshi'' schließlich den Rang eines ''hachidan'', ''kudan'' oder ''jūdan'', kann er zum ''hanshi'' ernannt werden. Wörtlich bedeutet der Begriff ''hanshi'' „vorbildlicher, modellhafter Gelehrter“; die Attribute „vorbildlich“ und „modellhaft“ beziehen sich dabei nicht nur auf technische und didaktische Fähigkeiten oder auf ein besonders umfangreiches Wissen um die Kampfkünste, sondern vor allem auch auf die moralische Integrität der betreffenden Person und ihre unmittelbare Nähe zum Ideal des Weges.<br />
<br />
===Seijin 聖人, Tatsujin 達人 und Meijin 名人===<br />
<br />
Die Verbindung dieser Begriffe liegt in der japanischen Silbe ''jin'' (Mensch). Die daraus resultierenden Begriff seijin, tasujin und meijin stammen aus dem japanischen Konfuzianismus und bezeichnen Varianten des chinesischen jūnzĭ (edler Mensch), der von Konfuzius als höchste Instanz angesehen wurde. Mit ähnlicher Bedeutung kennt man im Zen-Buddhismus den rōshi und im Daoismus den zhènrén.<br />
In Japan vermischen sich die Religionen (''nihon shūkyōgaku'') und die Titel ihrer Meister wurden über die Religionsgrenzen hinweg auch in manchen japanischen Künsten (nihon bijutsu) gebraucht. Wegen ihrer speziellen Ausrichtung jedoch wurden diese Bezeichnungen in den Kampfkünsten (bugei) nur selten als verliehene Ehrentitel vergeben:<br />
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* '''[[Seijin]]''' - Der „Weiser“ oder „heiliger Mensch“. Im Konfuzianismus ist der ''seijin'' dasselbe, wie der ''rōshi'' im ''zen'' oder der ''zhènrén'' im Daoismus.<br />
* '''[[Tatsujin]]''' - Der Begriff bedeutet sinngemäß „Mensch, der (technische und moralische) Ideale verwirklicht“ und wird allgemein mit „Virtuose“ oder „Experte“ übersetzt.<br />
* '''[[Meijin]]''' - Einen ähnlichen Bedeutungsinhalt hat der Begriff meijin, dessen wörtliche Übersetzung „edler Mensch“ ist und der sich auf den konfuzianischen jūnzĭ bezieht. In der Titulatur der IMAF (kokusai budōin kokusai budō renmei) ist meijin die höchstmögliche Rangbezeichnung und wird nur an Inhaber des Titels hanshi, die bereits den zehnten Dan (jūdan) in einer Kampfkunst erreicht haben, verliehen.<br />
<br />
===Shidōin 指導員===<br />
<br />
Mit dem Begriff shidōin oder dem Synonym shidōshi wird in den modernen Kampfkünsten häufig ein Übungsleiter bezeichnet, auf den die vorgenannten Bezeichnungen (noch) nicht zutreffen. In der Regel betrifft dies yūdansha im Rang eines sandan oder yondan, die die Befugnis erhalten, selbstständig Schüler zu unterrichten. Als Vorstufe zum shidōin wird der „Assistenzübungsleiter“ (fuku shidōin) betrachtet, der bei der Unterstützung eines selbstständigen Lehrers erste Unterrichtserfahrungen sammeln kann. In manchen Stilen bilden die Titel<br />
<br />
* '''[[Shidōin]]''' - Übungsleiter<br />
* '''[[Fuku shidōin]]''' - Assistenzübungsleiter<br />
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===Sōke 宗家===<br />
<br />
Das Wort ''sōke'' bedeutet „Hauptfamilie“ und bezeichnete früher jene Mitglieder einer Familie, die innerhalb eines Klans (''[[uji]]'') die führende Rolle einnahmen. Die eigentliche Führungsposition war dabei dem männlichen Familienoberhaupt vorbehalten, der sie seinem ältesten Sohn vererbte. Falls notwendig konnte ein Nachfolger auch adoptiert werden. Wurde innerhalb des Klans ein ''ryū'' praktiziert, zeichnete das Familienoberhaupt auch dafür verantwortlich.<br />
Demzufolge steht das Wort ''sōke'' heute noch in manchen Kampfkünsten für den blutverwandten Haupterben einer Stiltradition. Dabei ist es nicht von erstrangiger Bedeutung, ob er diese selbst praktiziert. Er lenkt die Geschicke eines ''ryū'' und bestimmt - falls er selbst nicht (mehr) unterrichtet - einen Nachfolger und / oder einen Hauptlehrer (''shihan''). Heute wird das Wort häufig mit dem eigentlichen Begründer einer Stiltradition verwechselt, der in Japan jedoch mit den Begriffen „Urahn der Tradition“ (''ryūso''), „erste Generation“ (''shodai'') oder „neu geboren“ (''shosei'') bezeichnet wird.<br />
<br />
===Kanchō 館長, Kaichō 会長, Shibuchō 支部長 und Dōjōchō 道場長===<br />
<br />
Das gemeinsame Element dieser vier Begriffe ist das auslautende chō (長) was soviel wie „Leiter“ bedeutet. Demnach ist ein kanchō der „Direktor des Hauses“, wobei „Haus“ (''kan'') metaphorisch für „Stil“ oder „Verband“ verwendet wird. Fast synonym dazu ist der kaichō der „Vorsitzende einer Gesellschaft/Föderation“. Auf einer untergeordneten Ebene bezeichnet der Begriff shibuchō den Leiter einer Stilvertretung außerhalb des Haupt-Dōjō, also z.B. im Ausland, während dōjōchō das japanische Wort für den Leiter eines einzelnen Ortes der Wegübung (dōjō) ist.<br />
<br />
* '''Kanchō''' - Leiter eines Stils<br />
* '''Kaichō''' - Leiter einer Organisation<br />
* '''Shibuchō''' - Leiter einer Stilvertretung<br />
* '''Dōjōchō''' - Leiter eines dōjō<br />
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==Bezeichnungen für Schüler-Grade==<br />
<br />
Das grundlegende Benennungsmotiv für Bezeichnungen der Kampfkunstschüler ist der zwischenmenschliche Aspekt des Lernprozesses (''hito to hito no aida''). Obwohl es auch im Japanischen Begriffe gibt, die wie das deutsche Wort „Schüler“ (''deshi'') auf die Zugehörigkeit zur Institution „Schule“ oder wie die englischen Wörter „disciple“ und „student“ (''gakusei'') auf die Haupttätigkeit, das „Lernen“, hinweisen, finden sie im Kampfkunstbereich keine gleichbedeutende Verwendung.<br />
<br />
===Deshi 弟子 und Hai 輩===<br />
<br />
In den japanischen Kampfkünsten werden die „Schüler“ unabhängig von ihrer Graduierung allgemein mit dem Begriff deshi bezeichnet. Dieses Wort ist eine Zusammensetzung der Zeichen für „jüngerer Bruder“ und „Kind“, wodurch sich ein deutlicher Bezug zum Lehrer (sensei) als dem Älteren und Erfahreneren ausdrückt. Wie bereits erwähnt, bedeutet der wichtigste japanische Begriff für einen Lehrer, sensei, (wörtlich „zuvor geboren“), was dieselbe Relation in umgekehrter Richtung vermittelt. Deshalb werden im Rangsystem (kyūdan) die Schülergrade (kyū) von oben nach unten und die Lehrergrade (dan) von unten nach oben gezählt.<br />
So wie das Wort deshi auf die Beziehung (shitei) eines Schülers zu seinem Lehrer verweist, stellt das Wort hai, das soviel wie „Kamerad“, „Genosse“ oder „Kollege“ bedeutet, die Beziehung des Schülers zu den Mitschülern in das Zentrum der Betrachtung.<br />
<br />
* '''[[Deshi]]''' - Schüler, Lernender unter einem Meister<br />
* '''[[Hai]]''' - Kamerad, Kollege eines Gleichgestellten<br />
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===Jiki deshi 直弟子 und Mata deshi 又弟子===<br />
<br />
Der Begriff ''jiki'' bedeutet „direkt“ und verweist auf die unmittelbare Nähe eines Schülers zu seinem Lehrer bzw. darauf, dass der Schüler vom Meister selbst in einer Kunst unterwiesen wird. Im Gegensatz dazu erhält der „indirekte Schüler“ (mata deshi) seinen Unterricht hauptsächlich durch die Vermittlung von Schülern eines Meisters, ohne dass die äußere Beziehung zu letzterem in den Hintergrund rückt.<br />
Die globale Verbreitung der japanischen Kampfkünste und die weltweite Reputation der japanischen Lehrer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rührt unter anderem daher, dass einige wenige westliche Interessenten in Japan für eine gewisse Zeit als ''jiki deshi'' unterwiesen wurden, die nach der Rückkehr in ihre Heimatländer begannen, mata deshi auszubilden, ohne selbst als Meister aufzutreten. Die Struktur heutiger Kampfkunstgesellschaften und -Organisationen beruht insbesondere – wenn sie traditionell orientiert sind und einen Hauptlehrer haben - oft auf der ''jiki deshi'' / ''mata deshi'' Korrelation.<br />
<br />
'''[[Jiki deshi]]''' - Direkter Schüler eines Lehrers<br />
'''[[Mata deshi]]''' - Indirekter Schüler eines Lehrers<br />
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===Uchi deshi 内弟子 und Soto deshi 弟子===<br />
<br />
Das Begriffspaar ''uchi'' und ''soto'' bedeutet „innen“ und „außen“ und stellt in Verbindung mit dem Wort ''deshi'' eine ähnliche Differenzierung der Schüler eines Lehrers dar, wie sie bei den Bezeichnungen ''jiki deshi'' und ''mata deshi'' bereits festgestellt wurde. Der Begriff ''uchi deshi'' (innerer Schüler) verweist eigentlich auf einen Schüler, der innerhalb der Hausgemeinschaft eines Lehrers lebt, in die er aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses und seines vom Meister erkannten Entwicklungspotentials aufgenommen wurde. ''Uchi deshi'' steht damit als Begriff für eine Person, die den Meister nicht nur im Kampfkunsttraining erleben, sondern auch bei seinen alltäglichen Verrichtungen begleiten und unterstützen darf, und somit die Möglichkeit besitzt, aus dessen gesamten Handeln und Wirken zu lernen.<br />
Im Gegensatz dazu meint das Wort ''soto deshi'' (äußerer Schüler) einen Übenden, der außerhalb einer solch engen Beziehung zum Lehrer steht und in der Regel nur technisch unterwiesen wird. Doch in der Geschichte der Kampfkünste ist oft zu beobachten, dass die ''soto deshi'' eine ähnlich große oder noch größere Bedeutung erreichten, als die ''uchi deshi''.<br />
<br />
* '''[[Uchi deshi]]''' - Innerer Schüler eines Lehrers<br />
* '''[[Soto deshi]]''' - Äußerer Schüler eines Lehrers<br />
<br />
===Senpai 先輩, Dōhai 同輩 und Kōhai 後輩===<br />
<br />
Diese Wörter bedeuten der Reihe nach „älterer Kamerad“, „gleichaltriger Kamerad“ und „jüngerer Kamerad, wobei der Bezug auf das Lebensalter nicht in jedem Fall wörtlich, sondern vielmehr übertragen hinsichtlich des Fortschritts auf dem Kampfkunstweg zu verstehen ist. Ausgangspunkt der Betrachtung ist dabei immer der eigene Fortschritt und die eigene Erfahrung. Schüler, die fortgeschrittener sind als man selbst, sind die ''senpai''. Mitübende, die über ungefähr denselben Erfahrungshorizont verfügen wie man selbst, werden als ''dōhai'' bezeichnet, während Schüler, denen man im Sinne des Weges voraus ist, ''kōhai'' genannt werden. Außer den unmittelbaren Anfängern in einer Kunst können daher alle Schüler eines Meisters zugleich ''senpai'', ''dōhai'' und ''kōhai'' sein.<br />
Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Beziehung der ''senpai'' zu den ''kōhai''. Die ''senpai'' stellen das Bindeglied zwischen den weniger erfahrenen Schülern und dem Meister bzw. seiner Lehre dar. Die Fortgeschrittenen haben die Aufgabe, darauf zu achten, dass sich die ''kōhai'' in das Regelgefüge der Kampfkunstschule (''dōjōkun'') gut eingliedern, und stehen diesen dabei mit Rat und Tat zur Seite. Durch ihre technische Überlegenheit sind die ''senpai'' als Übungspartner der ''kōhai'' in der Lage, diese im Training zur fördern und zu fordern; durch ihren geistigen Fortschritt auf dem Weg haben sie ein Bewusstsein entwickelt, das sie diese Überlegenheit nicht missbrauchen lässt.<br />
Die ''senpai'' haben die Aufsichtspflicht über die ''kōhai'', innerhalb und außerhalb des Trainings. Nur wenn diese wahrgenommen wird, kann eine Budō-Gemeinschaft funktionieren, andererseits verbraucht sie sich in ständigen Ungereimtheiten.<br />
<br />
* '''[[Senpai]]''' - Der Ältere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
* '''[[Dōhai]]''' - Der Gleichaltrige im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
* '''[[Kōhai]]''' - Der Jüngere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Menkyo]] | [[Dankyū seido]] | [[Kyūdan]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Graduierungssystem]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Ky%C5%ABdan&diff=16043Kyūdan2014-11-24T02:49:23Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>{{Vorlage:Begriffsklärungshinweis}}<br />
<br />
'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
<br />
Mit '''kyūdan''' (級段) bezeichnet man das aktuell gültige [[Graduierungssystem]] (siehe ''[[kyū]]'' und ''[[dan]]'') des ''[[budō]]''. ''Kyūdan'' ist ein Nachfolgesystem des 1883 von [[Kanō Jigorō]] im ''[[jūdō]]'' eingeführten ''[[dankyū seido]]'', das er aus dem alten Lizenzsystem (''[[menkyo]]'') des ''[[bujutsu]]'' abgeleitet und in eigenem Sinn interpretiert hat.<br />
<br />
== Kyūdan - Graduierungssystem im Budō ==<br />
Der Begriff ''kyūdan'' steht heute für die Gesamtheit der Graduierungen und für ihre Abhängigkeitsverhältnisse (''[[kōhai]]'', ''[[dōhai]]'' und ''[[senpai]]''), die in den meisten japanischen Kampfkunststilen (''[[ryū]]'') der Gegenwart und in ihren westlichen Ableitungen den Lernenden und Lehrenden aufgrund ihrer Qualifikationen zuerkannt werden.<br.>Obwohl im Detail beträchtliche Unterschiede zwischen den Graduierungssystemen der einzelnen Stile festzustellen sind, gibt es auch eine ganze Reihe von Parallelen. Das System ''kyūdan'' unterteilt sich grundsätzlich in die Schülerränge der ''[[kyū]]'' (''[[mudansha]]'') und in Schwarzgurtränge der ''[[dan]]'' (''[[yūdansha]]'' und ''[[kodansha]]''). Die Zuteilung eines ''kyū'' oder ''dan'' erfolgt durch ein Diplom (''[[gaku]]''), das vom Lehrer (''[[sensei]]'') an den Schüler (''[[deshi]]'') verliehen wird.<br />
<br />
=== Mudansha - Personen ohne Dan ===<br />
Die Schülerränge (''kyū'') klassifizieren sich in der Gruppe der ''[[mudansha]]'' (Personen ohne ''dan'') und sind in den meisten Systemen des ''[[budō]]'' in die Abschnitte Unterstufe (''gekyū''), Mittelstufe (''chūkyū'') und Oberstufe (''jōkyū'') unterteilt. Die ''kyū'' werden absteigend gezählt (9. bis 1. kyū), ein Beginner hat zunächst keinen ''kyū'' (''mukyū''). Die Zuordnungen der ''kyū'' zur Farbe des Gürtels (''[[obi]]''), durch den ein Übender seinen Grad ausweist, sind in den Budō-Organisationen weltweit unterschiedlich. Der zuerkannte ''kyū'' weist den Grad des Übenden aus, die zugeordnete Gürtelfarbe kann variieren.<br />
<br />
{|align="left style="border:1px solid #8888aa;background-color:#f7f8ff;margin:10px;padding:5px;font-size:100%;"<br />
|-----<br />
|colspan="2"|'''Mudansha - Personen ohne Dan'''<br />
<div style="font-size:92%"><br />
'''[[Mukyū]]''' - neue Schüler ohne Kyū-Rang<br />
* '''[[Gekyū]]''' (Unterstufe) - Schüler mit unteren Kyū-Rängen<br />
: - 9. Kyū (''[[kukyū]]'') - Weißgurt mit einem gelben Streifen<br />
: - 8. Kyū (''[[hachikyū]]'') - Weißgurt mit zwei gelben Streifen<br />
: - 7. Kyū (''[[nanakyū]]'') - Gelbgurt<br />
* '''[[Chūkyū]]''' (Mittelstufe) - Schüler mit mittleren Kyū-Rängen<br />
: - 6. Kyū (''[[rokukyū]]'') - Gelbgurt, mit orangefarbenen Streifen<br />
: - 5. Kyū (''[[gokyū]]'') - Orangegurt<br />
: - 4. Kyū (''[[yonkyū]]'') - Orangegurt mit grünem Streifen<br />
* '''[[Jōkyū]]''' (Oberstufe) - Schüler mit oberen Kyū-Rängen<br />
: - 3. Kyū (''[[sankyū]]'') - Grüngurt<br />
: - 2. Kyū (''[[nikyū]]'') - Blaugurt<br />
: - 1. Kyū (''[[ikkyū]]'') - Braungurt<br />
</div><br />
|}<br />
<br />
=== Dansha - Personen mit Dan ===<br />
Im Gegensatz zu den ''mudansha'' (Personen ohne ''dan'') bezeichente man mit ''[[dansha]]'' all jene, die berechtigt sind, einen schwarzen Gürtel (''[[kuro obi]]'') zu tragen. Die Dan-Grade werden von 1 bis 12 aufsteigend gezählt und unterteilen sich in die ''yūdansha'' (niedere Dangrade) und ''kodansha'' (hohe Dangrade). <br />
<br />
==== Yūdansha - niedere Dan-Grade ====<br />
Die ''[[yūdansha]]'' sind fortgeschrittene Schüler, die von einem Lehrer (''[[sensei]]'') aus der Stufe ''kodansha'' gefördert und als persönliche Schüler (''[[uchi deshi]]'') unterrichtet werden. Sie sind Träger des Schwarzgurtes (''kuro obi'') und enge Vertraute ihres ''[[sensei]]''. Ihre Aufgabe besteht darin, sich gesamtheitlich um ihre Kunst zu bemühen und im menschlichen und technischen Bereich zu wachsen. Von ihnen erwartet man, dass sie ''budō'' als ein lebenslanges Studium betrachten und nicht als Wettkampfsport.<br.>Die Graduierungen dieser Stufe bestehen aus den Kategorien ''omote'' und ''ura''. Mit ''[[omote]]'' bezeichnet man die Ausbildung im Vordergründigen (System und Technik), ''[[ura]]'' ist das intuitive Erspüren des Hintergründigen (''[[wabi]]'', ''[[sabi]]'', ''[[yūgen]]''), das nur über stätige Formwiederholungen (''[[kata]]'') erreichbar ist.<br.>Innerhalb dieser Kategorien werden traditionell in ''omote'' die Gruppen ''[[shoden]]'' (Graduierung ''[[shodan]]'') und ''[[chūden]]'' (Graduierung ''[[nidan]]'') klassifiziert und in ''ura'' die Gruppen ''[[okuden]]'' (Graduierung ''[[sandan]]'') und ''[[kaiden]]'' (Graduierung ''[[yondan]]''). <br />
<br />
{| align="left style="border:1px solid #8888aa;background-color:#f7f8ff;margin:10px;padding:5px;font-size:100%;"<br />
|-----<br />
|colspan="2"|'''Yūdansha - niedere Dan-Graden'''<br />
'''[[Omote]] - Vordergrund'''<br />
*'''[[Shoden]]''' (初伝) - Einweihung in das Formsystem<br />
<div style="font-size:91%"><br />
: - [[Shodan]] - 1. Schwarzgurtgrad<br />
*'''[[Chūden]]''' (中伝) - Einweihung in die Tradition <br />
: - [[Nidan]] - 2. Schwarzgurtgrad<br />
</div><br />
'''[[Ura]] - Hintergrund'''<br />
<div style="font-size:91%"><br />
*'''[[Okuden]]''' (奥伝) - Einweihung in die Hintergründe<br />
: - [[Sandan]] - 3. Schwarzgurtgrad<br />
*'''[[Kaiden]]''' (皆伝) - vollständige Einweihung<br />
: - [[Yondan]] - 4. Schwarzgurtgrad<br />
</div><br />
|}<br />
<br />
==== Kodansha - hohe Dangrade ====<br />
Die ''[[kodansha]]'' sind fortgeschrittene Grade für Meister und Lehrer (''[[sensei]]'')<br />
<br />
{| align="left style="border:1px solid #8888aa;background-color:#f7f8ff;margin:10px;padding:5px;font-size:100%;"<br />
|-----<br />
| colspan="2"|'''Kodansha - hohe Dan-Grade'''<br />
<div style="font-size:91%"><br />
*'''[[Renshi]] - erste Lehrer-Grade'''<br />
: - [[Godan]] - 5. Schwarzgurtgrad<br />
: - [[Rokkudan]] - 6. Schwarzgurtgrad<br />
*'''[[Kyōshi]] - fortgeschrittene Lehrer-Grade'''<br />
: - [[Shichidan]] - 7. Schwarzgurtgrad<br />
: - [[Hachidan]] - 8. Schwarzgurtgrad<br />
*'''[[Hanshi]] - höchste Lehrer-Grade'''<br />
: - [[Kudan]] (kyūdan) - 9. Schwarzgurtgrad<br />
: - [[Jūdan]] - 10. Schwarzgurtgrad<br />
</div><br />
|}<br />
<br />
== Geschichte der Rangssysteme ==<br />
Die Geschichte der Rangsysteme (in Reihenfolge ''[[menkyo]]'', ''dankyū seido'' und ''kyūdan'') ist untrennbar mit der Herausbildung der einzelnen Kampfkunststile (''ryū'') und der Weitergabe der im jeweiligen ''ryū'' etablierten Lehre (''oshi'') verbunden. Ausgangspunkt für die Entwicklung der heute üblichen Fortschrittshierarchie war die Vergabe von Schriftstücken (''sho''), die den Grad der bisher erfolgten Weitergabe (''den'') der Lehre zertifizierten. Diese ''[[densho]]'', die dem Übenden vormals häufig in Form von Schriftrollen (''[[makimono]]'') oder Diplomen (''[[gaku]]'') ausgehändigt wurden, können als Vorläufer heutiger Prüfungsurkunden angesehen werden.<br.>Anlässlich der 1100 Jahrfeier der Gründung der ehemaligen Hauptstadt Japans Heian-kyō ([[Kyōto]]) durch den [[Kanmu-Tennō]] und der damaligen ersten Einrichtung der „Halle der Kriegstugenden“ (''[[butokuden]]'') wurde durch das japanische Erziehungsministerium im Jahr 1895 die „Großjapanische Gesellschaft für Kriegstugenden“ (''dai nippon butokukai'', kurz ''[[butokukai]]'') mit Unterstützung des Meiji-Kaisers [[Mutsuhito]] ins Leben gerufen. Ziel dieser halbstaatlichen und stark nationalistisch orientierten Einrichtung war es, die in Japan existierenden Kampfkünste, die seit 1868 in der öffentlichen Wertschätzung stark gesunken waren, wieder zu fördern und zu einen, um der Welle der Verwestlichung ein japanisches Bollwerk entgegen zu setzen und die Kampfkraft der Armee und der Polizei zu stärken. Ein General der kaiserlichen Armee, Prinz [[Kuniyoshi Kuni no Miya]], wurde der erste Präsident der Gesellschaft. 1899 wurde der ''butokuden'' neu in Kyōto erbaut und war fortan die Haupttrainingsstätte und das Organisationszentrum der Gesellschaft. Aufgrund der politischen und finanziellen Förderung des ''dai nippon butokukai'' wurde er rasch für manche führende Kampfkunstmeister attraktiv, zumal er quasistaatliche Lehrlizenzen (''[[shihan menjō]]'') für Kampfkünste ausstellte: die Titel ''kyōshi'' und ''hanshi'' (ab 1934 zusätzlich den Titel ''renshi''). Im Jahr 1915 hatte die Gesellschaft bereits über 1,5 Millionen Mitglieder; bis 1942 verdoppelte sich diese Zahl. Zunächst galt es jedoch für die Offiziellen, die vielen verschiedenen Stile des ''[[bujutsu]]'' einer Revision hinsichtlich ihrer kämpferischen und erzieherischen Qualitäten zu unterziehen.<br />
<br />
== Graduierungen und Lizenzen im Karate ==<br />
Bis ins dritte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts waren in der okinawanischen Kampfkunst ''[[karate]]'' Graduierungen und Lehrlizenzen unbekannt. Ab 1879 gehörte die Ryūkyū-Inselgruppe offiziell zum japanischen Staat; der neue, von Reformwillen und Verachtung des althergebrachten geprägte Zeitgeist hielt nun auch hier Einzug. Der Kommissar für Erziehung in der Präfektur Okinawa, Ogawa Shintaro, wurde 1890 während der Musterung junger Männer für den Wehrdienst auf die besonders gute körperliche Verfassung einer Gruppe junger Männer aufmerksam. Diese gaben an, im ''karate'' unterrichtet zu werden. Daraufhin beauftragte die Lokalregierung den Meister [[Itosu Yasutsune]] damit, einen Lehrplan zu erstellen, der unter anderem einfache und grundlegende ''kata'' enthielt, bei deren Übung die gesundheitlichen Aspekte wie Haltung, Beweglichkeit, Gelenkigkeit, Atmung, Spannung und Entspannung gegenüber den kämpferischen Zielen in den Vordergrund gerückt wurden.<br.>Itosus Schüler, [[Funakoshi Gichin]], gab im Jahr 1901 für Ogawa eine Vorführung im ''karate''. Noch im gleichen Jahr wurde ''karate'' zu einem Unterrichtsfach an den okinawanischen Mittelschulen und zwischen 1906 und 1915 auf vielen Demonstrationen verschiedener Meister wie [[Mabuni Kenwa]], [[Motobu Chōki]] und [[Ōshiro Chōjo]] der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.<br.>1917, zwei Jahre nach dem Tod seines Lehrers Itosu, stellte Funakoshi Gichin zusammen mit [[Matayoshi Shinko]] ''karate'' zum ersten Mal in Japan vor, und zwar im [[Butokuden]], wovon er sich wahrscheinlich schon damals die Anerkennung und die Popularisierung seiner Kampfkunst versprach. Dies war zunächst noch nicht der Fall, doch nach dem Okinawa-Besuch des Kronprinzen Hirohito im Jahr 1921, dem zu Ehren neben anderen Meistern auch Funakoshi ''karate'' demonstrierte, erging eine offizielle Einladung an die Okinawanische Gesellschaft für Kampfkünste (''[[okinawa shōbukai]]''), ''karate jutsu'' auf der „Ersten Schau der Leibeserziehung“ vom 30. April bis zum 30. Mai 1922 im Ochanomizu-Distrikt Tōkyōs vorzustellen. Funakoshi Gichin, der seit 1912 der Präsident der ''okinawa shōbukai'' war, wurde für diese Aufgabe ausgewählt. Gemeinsam mit [[Gima Makoto]] bestritt er die Vorführung, die begeistert aufgenommen wurde und etliche Einladungen zu weiteren Demonstrationen nach sich zog. Die für die Zukunft des ''karate'' bedeutsamste dieser Vorführungen fand im [[Kōdōkan]] auf Betreiben von [[Kanō Jigorō]] vor über 200 Zuschauern statt. Kanō, zu diesem Zeitpunkt eine der wichtigsten Personen in der Kampfkunst- und Sportszene Japans, zeigte sich überaus interessiert am ''karate'', bat Funakoshi um Unterricht und bot ihm sogar an, dem ''kōdōkan'' als Vorsitzender einer Sektion ''karate'' beizutreten. Funakoshi lehnte zwar das Angebot ab, da er fürchtete, ''karate'' würde auf diese Weise immer im Schatten des ''[[jūdō]]'' stehen, fühlte sich jedoch durch Kanōs Interesse sehr geehrt und begann mit ihm einen regen Austausch von Informationen, Konzepten und Ideen.<br.>Aufgrund der großen Resonanz seiner Vorführungen entschloss sich Funakoshi entgegen seinen ursprünglichen Plänen, nicht wieder nach Okinawa zurückzukehren, sondern in Japan ''karate'' zu unterrichten und weiter bekannt zu machen. Noch 1922 veröffentlichte er sein erstes Buch mit dem Titel [[Ryūkyū Kenpō Karate]] und nahm viele neue Schüler an. Unter diesen war auch [[Ōtsuka Hironori]], der zu diesem Zeitpunkt 29 Jahre alt war, bereits ein ''[[menkyo kaiden]]'' im ''[[shintō yōshin ryū jūjutsu]]'' besaß und später zum Begründer des ''[[wadō ryū]]'' ''karate'' werden sollte. Aufgrund seiner Vorbildung eignete er sich in nur einem Jahr die 15 von Funakoshi unterrichteten ''kata'' an und lernte auch sonst sehr schnell. Ebenfalls kein „unbeschriebenes Blatt“ war [[Konishi Yasuhiro]], der Funakoshi 1923 um Unterricht bat. Konishi konnte wie Ōtsuka auf umfangreiche Erfahrungen im ''[[jūjutsu]]'' zurückblicken, war außerdem Kapitän der Kendō-Mannschaft an der Keio-Universität und unterrichtete bereits in einem eigenen ''[[dōjō]]'', dem [[Ryōbukan]], Kampfkunst. Konishi war zudem ein Mitglied des Butokukai.<br />
<br />
=== Karate im Butokukai ===<br />
Ein erstes äußeres Zeichen des Austauschs zwischen Funakoshi und Kanō war die Übernahme des Graduierungssystems ''[[dankyū seido]]'' ins ''karate''. Am 12. April 1924 graduierte Funakoshi als erster Karate-Lehrer überhaupt sieben seiner Schüler zum ersten Dan (''shodan''), darunter auch Gima und Ōtsuka.<br.>Konishi Yasuhiro vertiefte in den Zwanziger Jahren seine Karate-Studien bei Mabuni Kenwa, Higashionna Kanryō und Motobu Chōki. Genau wie Funakoshi an einer guten Reputation und breiten Wahrnehmung des ''karate'' interessiert war, bemühte er sich in der Folge um die Anerkennung des ''karate'' als eine japanische Kampfkunst beim ''butokukai''. Dazu galt es, einer Reihe von Kriterien zu entsprechen. Zum einen konnte es der nationalistisch orientierten Führung der Organisation nicht gefallen, eine Kampfkunst, die den Namen des Erbfeindes China im Namen trug, als japanisch zu registrieren. Deshalb übernahm Funakoshi eine [[Kanji]]-Schreibung für ''karate'' von [[Hanashiro Chōmo]] aus dem Jahr 1905, bei der die üblichen Zeichen (China-Hand) durch die für „leere Hand“ ersetzt wurden.<br.>Im Bestreben, die Kampfkünste zu vereinheitlichen und zu standardisieren, wurde weiterhin gefordert, die bisher übliche Bezeichnung ''[[karatejutsu]]'' analog zu ''[[jūdō]]'' und ''[[kendō]]'' in ''[[karatedō]]'' zu ändern. Daher bezeichnete Funakoshi die Kampfkunst im Titel seines dritten Buches 1935 als „Weg der leeren Hand“ (''karatedō''). Die Übernahme von Kanōs ''dankyū seido'' und der im ''jūdō'' getragenen Übungskleidung (''[[keikogi]]'') als ''[[karategi]]'' hatte Funakoshi als Voraussetzung bereits erfüllt. Noch offen blieb vorerst die Erstellung eines klar strukturierten Prüfungsprogramms, das der Meister schließlich 1936 vorlegte.<br.>Ebenfalls gefordert wurden klare Stilbezeichnungen, die es bis dato im ''karate'' nicht gab. Als Kanō Jigorō 1927 bei einem Okinawa-Besuch einer Karate-Demonstration beiwohnte, konnten zur Unterscheidung des Vorgeführten nur die Herkunftsorte der einzelnen Meister angegeben werden, was zur Prägung der Begriffe „Technik aus Shuri“ (''[[shurite]]''), „Technik aus Tomari“ (''[[tomarite]]'') und „Technik aus Naha“ (''[[nahate]]'') führte.<br.>Als [[Shinzato Jinan]], ein Schüler von [[Miyagi Chōjun]], bei einer Karate-Vorführung in Kyōto 1930 gefragt wurde, welchen Stil er betreibe, wusste er keine Antwort. Daraufhin benannte Miyagi seine Karate-Auffassung nach einem Artikel der Lehrschrift ''[[bubishi]]'' in „Hart-Weich-Schule“ (''[[gōjū ryū]]''). Bereits im Dezember 1933 wurde ''gōjū ryū'' als Unterabteilung der Sektion ''jūdō'' im ''[[dai nippon butokukai]]'' als japanisches ''[[budō]]'' registriert. Ein Jahr später gründete Konishi Yasuhiro als Synthese seiner umfangreichen Kampfkunsterfahrungen ein eigenes Karate-System, das ''[[shindō jinen ryū]]'', das ebenfalls im ''butokukai'' registriert wurde. Miyagi und Konishi waren in der Folge die ersten, denen eine mit dem Titel ''[[kyōshi]]'' verbundene Lehrlizenz für ''karate'' vom ''butokukai'' erteilt wurde. Während Miyagi dann mit der Leitung einer Zweigstelle des ''butokukai'' auf Okinawa betraut wurde, hatte Konishi die Oberaufsicht über die neue Sektion inne.<br.>Durch diese Entwicklung veranlasst, betitelten auch andere Meister ihre Karate-Auffassung, um im ''butokukai'' aufgenommen zu werden: Funakoshi Gichins ''karate'' hieß zum Beispiel fortan nach dem Pseudonym des Meisters ''[[shōtōkan ryū]]'', und Ōtsuka Hironori, der sich inzwischen von Funakoshi gelöst und eine eigene Lehrmeinung entwickelt hatte, nannte diese ''[[wadō ryū]]''. Beide erhielten im Jahr 1939 auf Betreiben Konishis vom [[butokukai]] die mit dem Titel des ''renshi'' verbundene Lehrlizenz. Funakoshi wurde zwei Jahre später anlässlich einer Demonstration im ''butokukai'' die Kyōshi-Lizenz verliehen. Von den auf Okinawa verbliebenen Meistern wurde dieser Prozess mit kritischen Augen betrachtet, nicht zuletzt deshalb, weil Konishi als ehemaliger Schüler von Funakoshi diesen beförderte. Gleichwohl lagen auch ihnen die Förderung und die Anerkennung ihrer Kunst in Japan am Herzen. 1936 wurde eigens aus diesen Gründen eine Konferenz vieler bedeutender Meister einberufen. Die meisten von ihnen sprachen sich für den neuen Namen „Weg der leeren Hand“, für die Festlegung allgemeingültiger Techniknamen und für die gemeinsame Entwicklung von verbindlich zu übenden Formen (''kata'') aus, wobei die alten aus China überlieferten ''kata'' bewahrt werden sollten.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Graduierungssystem]] | [[Menkyo]] | [[Dankyū seido]] | [[Ehrentitel im Budō]] |<br />
[[BSK-Graduierungen]] | [[Budō]] | [[Bujutsu]]<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Karate Grundlagen, Kihon, Kata, Kumite.'' BSK 2005.<br />
* Francis Didier: ''Karate dō - L´Esprit Guerrier.'' Sedirep 1988.<br />
* Werner Lind: ''Budo - Der geistige Weg der Kampfkünste.'' O. W. Barth 1993.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Graduierungssystem]]<br />
[[Kategorie: Japanische Kampfkunst]]<br />
[[Kategorie: Spellchecked]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Ehrentitel_im_Bud%C5%8D&diff=16042Ehrentitel im Budō2014-11-24T02:46:10Z<p>Werner Lind: </p>
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==Bezeichnungen für Lehrer-Grade==<br />
<br />
Die Benennungsmotive für die Bezeichnungen und Titel der Lehrer leiten sich aus deren großer Lebenserfahrung, ihrer nachgewiesenen Lehrkompetenz, ihrer Stellung in einem hierarchischen Lehrsystem und / oder ihrer Vorbildwirkung ab. Je nach Situation und Qualifikation kann ein Lehrer unterschiedlich tituliert werden. Beispielsweise wird der Karate-Meister Kanazawa Hirokazu (geb. 1931) allgemein als sensei (Lehrer), hierarchisch als jūdan (10. Dan), hinsichtlich seiner Lehrkompetenz und Vorbildwirkung als hanshi (Gelehrter), sowie in Bezug auf seine Funktion in seiner Organisation als kanchō (Stilvorstand) bezeichnet<br />
<br />
===Sensei 先生===<br />
<br />
Der Begriff ''sensei'', dessen wörtliche Bedeutung „der vorher Geborene“ ist, bezeichnet im Japanischen prinzipiell einen Lehrer, der aufgrund seines Lebensalters einer jüngeren Generation, die er unterrichtet, an Kenntnissen, Fertigkeiten und Lebenserfahrung weit voraus ist.<br />
Obwohl der sensei immer ein Meister seines Faches ist, entspricht das Wort „sensei“ keinem akademischen Grad oder Titel, den man durch ein Universitätsstudium erlangen könnte. Die Bezeichnung ist vielmehr ein Ausdruck der Verehrung, mit dem man den Lehrer / Meister in dessen Gegenwart anspricht oder in seiner Abwesenheit über ihn spricht. Demzufolge wird im Japanischen in solchen Fällen das sonst übliche Personalsuffix „-san“ durch ein nachgestelltes „sensei“ ersetzt.<br />
In den Wegkünsten ist der sensei durch sein ganzheitliches Wirken innerhalb und außerhalb des dōjō, bei und jenseits der Übung der Formen ein Vorbild für seine Schüler, an dem diese sich orientieren, um auf ihrem eigenen Weg voranzuschreiten. Seine Lehre vermittelt ein sensei dabei nicht (nur) durch rational nachvollziehbare Erläuterungen, sondern (vor allem) durch nur intuitiv erfassbares rechtes Handeln. Damit der Schüler diese Lehre in ihrer Tiefe überhaupt verstehen kann, muss er sich um eine enge persönliche Bindung zum Meister bemühen, die die Voraussetzung für ein „Lehren von Herz zu Herz“ (ishin denshin) ist.<br />
<br />
* '''[[Rō sensei]]''' - Alter Lehrer. Auch wenn alternde Lehrer den physischen Anforderungen des alltäglichen Trainings nicht mehr entsprechen können, werden sie aufgrund ihrer großen Erfahrung und ihres Wissens hoch geschätzt.<br />
* '''[[Waka sensei]]''' - Junger Lehrer, der die Lehre vertritt und überliefert.<br />
* '''[[Ō sensei]]''' - Hervorragender, großartiger Lehrer. Besonders verehrungswürdige Lehrer werden in hohem Alter oder nach ihrem Ableben von den Nachfolgenden respektvoll mit ''ō sensei'' bezeichnet.<br />
<br />
===Shihan 師範===<br />
<br />
In der wörtlichen Übersetzung heißt der Begriff ''shihan'' „vorbildhafter Lehrer“ und deutet damit auf die hervorragende Ausbildung und Lehrbefähigung der unterrichtenden Person hin. Meistens ist ein shihan Inhaber eines siebten oder noch höheren Dan-Grades. Zum einen wird das Wort als Oberbegriff zu den Titeln ''renshi'', ''kyōshi'' und ''hanshi'' verwendet, in anderen Rangsystemen, in denen die drei zuletzt genannten Titel nicht vorkommen, bezeichnet man mit dem Begriff den oder die Hauptlehrer eines Stils oder einer Organisation. Dies erklärt sich aus der Tradition der ''koryū bujutsu'', in denen die Stilvorstände (''sōke'') sofern notwendig aus den Fortgeschrittensten einen Lehrmeister (''shihan'') benannten, der die Weitergabe der Tradition eines ''ryū'' lenkte. Gelegentlich erfährt der Begriff auch Differenzierungen:<br />
<br />
* '''[[Shihan dai]]''' - stellvertretender Lehrmeister<br />
* '''[[Saikō shihan]]''' - höchster Lehrmeister<br />
* [['''Shuseki shihan''']] - Hauptlehrmeister<br />
<br />
===Renshi 練士, Kyōshi 教士 und Hanshi 範士===<br />
<br />
Das gemeinsame Element dieser drei auf einander aufbauenden und im ''[[dankyū seido]]'' etablierten Lehrerlizenzen ist ''[[shi]]'' (士). Dieses Wort bedeutet, ethymologisch betrachtet, eine „Person, die von 1 bis 10 (von A bis Z) alles weiß“, und steht im Japanischen allgemein für „Gelehrter“ oder „Ehrenmann“. Als zusammenfassenden Begriff für alle Kategorien dieser Gruppe, gebraucht man die Bezeichnung ''shihan''.<br />
Nur im offiziellen Sprachgebrauch werden die drei Shihan-Titel bei der Namensnennung mit aufgeführt. In der direkten Kommunikation wird kein Meister mit renshi, kyōshi oder hanshi angesprochen. Insofern gleichen die Titel westlichen akademischen Graden wie „Magister artium“, „Doktor“ oder „Professor“.<br />
<br />
* '''[[Renshi]]''' - Das Wort ''renshi'' bedeutet demnach sinngemäß „Experte der Übung“ oder „Gelehrter des Trainingsprozesses“ und wird als Titel in vielen Stilen, Organisationen und Verbänden an den Inhaber eines ''yondan'', ''godan'' oder ''rokudan'' verliehen, wenn die entsprechende Person die technische Meisterschaft im jeweiligen Stil erreicht hat und über hinreichende Erfahrung als Kampfkunstlehrer verfügt.<br />
* '''[[Kyōshi]]''' - Erlangt der ''renshi'' später den Rang eines ''rokudan'', ''nanadan'' oder ''hachidan'', kann er zum ''kyōshi'' befördert werden. Während sich das Wort ''ren'' eher auf die technische Übung bezieht, meint ''kyō'' den Unterricht in seiner Gesamtheit. Ein ''kyōshi'' ist demnach nicht nur ein Experte in den technischen Belangen seiner Kunst, sondern verfügt auch über ein umfangreiches Wissen hinsichtlich ihrer theoretischen Hintergründe und ihrer historischen Wurzeln. Auch ist er in der Lage, eigene Schüler auf deren Weg zum Meister der Kampfkünste zu geleiten.<br />
* '''[[Hanshi]]''' - Erlangt ein ''kyōshi'' schließlich den Rang eines ''hachidan'', ''kudan'' oder ''jūdan'', kann er zum ''hanshi'' ernannt werden. Wörtlich bedeutet der Begriff ''hanshi'' „vorbildlicher, modellhafter Gelehrter“; die Attribute „vorbildlich“ und „modellhaft“ beziehen sich dabei nicht nur auf technische und didaktische Fähigkeiten oder auf ein besonders umfangreiches Wissen um die Kampfkünste, sondern vor allem auch auf die moralische Integrität der betreffenden Person und ihre unmittelbare Nähe zum Ideal des Weges.<br />
<br />
===Seijin 聖人, Tatsujin 達人 und Meijin 名人===<br />
<br />
Die Verbindung dieser Begriffe liegt in der japanischen Silbe jin (Mensch). Die daraus resultierenden Begriff seijin, tasujin und meijin stammen aus dem japanischen Konfuzianismus und bezeichnen Varianten des chinesischen jūnzĭ (edler Mensch), der von Konfuzius als höchste Instanz angesehen wurde. Mit ähnlicher Bedeutung kennt man im Zen-Buddhismus den rōshi und im Daoismus den zhènrén.<br />
In Japan vermischen sich die Religionen (nihon shūkyōgaku) und die Titel ihrer Meister wurden über die Religionsgrenzen hinweg auch in manchen japanischen Künsten (nihon bijutsu) gebraucht. Wegen ihrer speziellen Ausrichtung jedoch wurden diese Bezeichnungen in den Kampfkünsten (bugei) nur selten als verliehene Ehrentitel vergeben:<br />
<br />
* '''[[Seijin]]''' - Der „Weiser“ oder „heiliger Mensch“. Im Konfuzianismus ist der ''seijin'' dasselbe, wie der ''rōshi'' im ''zen'' oder der ''zhènrén'' im Daoismus.<br />
* '''[[Tatsujin]]''' - Der Begriff bedeutet sinngemäß „Mensch, der (technische und moralische) Ideale verwirklicht“ und wird allgemein mit „Virtuose“ oder „Experte“ übersetzt.<br />
* '''[[Meijin]]''' - Einen ähnlichen Bedeutungsinhalt hat der Begriff meijin, dessen wörtliche Übersetzung „edler Mensch“ ist und der sich auf den konfuzianischen jūnzĭ bezieht. In der Titulatur der IMAF (kokusai budōin kokusai budō renmei) ist meijin die höchstmögliche Rangbezeichnung und wird nur an Inhaber des Titels hanshi, die bereits den zehnten Dan (jūdan) in einer Kampfkunst erreicht haben, verliehen.<br />
<br />
===Shidōin 指導員===<br />
<br />
Mit dem Begriff shidōin oder dem Synonym shidōshi wird in den modernen Kampfkünsten häufig ein Übungsleiter bezeichnet, auf den die vorgenannten Bezeichnungen (noch) nicht zutreffen. In der Regel betrifft dies yūdansha im Rang eines sandan oder yondan, die die Befugnis erhalten, selbstständig Schüler zu unterrichten. Als Vorstufe zum shidōin wird der „Assistenzübungsleiter“ (fuku shidōin) betrachtet, der bei der Unterstützung eines selbstständigen Lehrers erste Unterrichtserfahrungen sammeln kann. In manchen Stilen bilden die Titel<br />
<br />
* '''[[Shidōin]]''' - Übungsleiter<br />
* '''[[Fuku shidōin]]''' - Assistenzübungsleiter<br />
<br />
===Sōke 宗家===<br />
<br />
Das Wort sōke bedeutet eigentlich „Hauptfamilie“ und bezeichnete früher jene Mitglieder einer Familie, die innerhalb eines Klans (uji) die führende Rolle einnahmen. Die eigentliche Führungsposition war dabei dem männlichen Familienoberhaupt vorbehalten, der sie seinem ältesten Sohn vererbte. Falls notwendig konnte ein Nachfolger auch adoptiert werden. Wurde innerhalb des Klans ein ryū praktiziert, zeichnete das Familienoberhaupt auch dafür verantwortlich.<br />
Demzufolge steht das Wort sōke heute noch in manchen Kampfkünsten für den blutverwandten Haupterben einer Stiltradition. Dabei ist es nicht von erstrangiger Bedeutung, ob er diese selbst praktiziert. Er lenkt die Geschicke eines ryū und bestimmt – falls er selbst nicht (mehr) unterrichtet - einen Nachfolger und / oder einen Hauptlehrer (shihan). Heute wird das Wort häufig mit dem eigentlichen Begründer einer Stiltradition verwechselt, der in Japan jedoch mit den Begriffen „Urahn der Tradition“ (ryūso), „erste Generation“ (shodai) oder „neu geboren“ (shosei) bezeichnet wird.<br />
<br />
===Kanchō 館長, Kaichō 会長, Shibuchō 支部長 und Dōjōchō 道場長===<br />
<br />
Das gemeinsame Element dieser vier Begriffe ist das auslautende chō (長) was soviel wie „Leiter“ bedeutet. Demnach ist ein kanchō der „Direktor des Hauses“, wobei „Haus“ (kan) metaphorisch für „Stil“ oder „Verband“ verwendet wird. Fast synonym dazu ist der kaichō der „Vorsitzende einer Gesellschaft/Föderation“. Auf einer untergeordneten Ebene bezeichnet der Begriff shibuchō den Leiter einer Stilvertretung außerhalb des Haupt-Dōjō, also z.B. im Ausland, während dōjōchō das japanische Wort für den Leiter eines einzelnen Ortes der Wegübung (dōjō) ist.<br />
<br />
* '''Kanchō''' - Leiter eines Stils<br />
* '''Kaichō''' - Leiter einer Organisation<br />
* '''Shibuchō''' - Leiter einer Stilvertretung<br />
* '''Dōjōchō''' - Leiter eines dōjō<br />
<br />
==Bezeichnungen für Schüler-Grade==<br />
<br />
Das grundlegende Benennungsmotiv für Bezeichnungen der Kampfkunstschüler ist der zwischenmenschliche Aspekt des Lernprozesses (''hito to hito no aida''). Obwohl es auch im Japanischen Begriffe gibt, die wie das deutsche Wort „Schüler“ (''deshi'') auf die Zugehörigkeit zur Institution „Schule“ oder wie die englischen Wörter „disciple“ und „student“ (''gakusei'') auf die Haupttätigkeit, das „Lernen“, hinweisen, finden sie im Kampfkunstbereich keine gleichbedeutende Verwendung.<br />
<br />
===Deshi 弟子 und Hai 輩===<br />
<br />
In den japanischen Kampfkünsten werden die „Schüler“ unabhängig von ihrer Graduierung allgemein mit dem Begriff deshi bezeichnet. Dieses Wort ist eine Zusammensetzung der Zeichen für „jüngerer Bruder“ und „Kind“, wodurch sich ein deutlicher Bezug zum Lehrer (sensei) als dem Älteren und Erfahreneren ausdrückt. Wie bereits erwähnt, bedeutet der wichtigste japanische Begriff für einen Lehrer, sensei, (wörtlich „zuvor geboren“), was dieselbe Relation in umgekehrter Richtung vermittelt. Deshalb werden im Rangsystem (kyūdan) die Schülergrade (kyū) von oben nach unten und die Lehrergrade (dan) von unten nach oben gezählt.<br />
So wie das Wort deshi auf die Beziehung (shitei) eines Schülers zu seinem Lehrer verweist, stellt das Wort hai, das soviel wie „Kamerad“, „Genosse“ oder „Kollege“ bedeutet, die Beziehung des Schülers zu den Mitschülern in das Zentrum der Betrachtung.<br />
<br />
* '''[[Deshi]]''' - Schüler, Lernender unter einem Meister<br />
* '''[[Hai]]''' - Kamerad, Kollege eines Gleichgestellten<br />
<br />
===Jiki deshi 直弟子 und Mata deshi 又弟子===<br />
<br />
Der Begriff jiki bedeutet „direkt“ und verweist auf die unmittelbare Nähe eines Schülers zu seinem Lehrer bzw. darauf, dass der Schüler vom Meister selbst in einer Kunst unterwiesen wird. Im Gegensatz dazu erhält der „indirekte Schüler“ (mata deshi) seinen Unterricht hauptsächlich durch die Vermittlung von Schülern eines Meisters, ohne dass die äußere Beziehung zu letzterem in den Hintergrund rückt.<br />
Die globale Verbreitung der japanischen Kampfkünste und die weltweite Reputation der japanischen Lehrer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rührt unter anderem daher, dass einige wenige westliche Interessenten in Japan für eine gewisse Zeit als jiki deshi unterwiesen wurden, die nach der Rückkehr in ihre Heimatländer begannen, mata deshi auszubilden, ohne selbst als Meister aufzutreten. Die Struktur heutiger Kampfkunstgesellschaften und -Organisationen beruht insbesondere – wenn sie traditionell orientiert sind und einen Hauptlehrer haben – oft auf der jiki deshi / mata deshi Korrelation.<br />
<br />
'''[[Jiki deshi]]''' - Direkter Schüler eines Lehrers<br />
'''[[Mata deshi]]''' - Indirekter Schüler eines Lehrers<br />
<br />
===Uchi deshi 内弟子 und Soto deshi 弟子===<br />
<br />
Das Begriffspaar uchi und soto bedeutet „innen“ und „außen“ und stellt in Verbindung mit dem Wort deshi eine ähnliche Differenzierung der Schüler eines Lehrers dar, wie sie bei den Bezeichnungen jiki deshi und mata deshi bereits festgestellt wurde. Der Begriff uchi deshi (innerer Schüler) verweist eigentlich auf einen Schüler, der innerhalb der Hausgemeinschaft eines Lehrers lebt, in die er aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses und seines vom Meister erkannten Entwicklungspotentials aufgenommen wurde. Uchi deshi steht damit als Begriff für eine Person, die den Meister nicht nur im Kampfkunsttraining erleben, sondern auch bei seinen alltäglichen Verrichtungen begleiten und unterstützen darf, und somit die Möglichkeit besitzt, aus dessen gesamten Handeln und Wirken zu lernen.<br />
Im Gegensatz dazu meint das Wort soto deshi (äußerer Schüler) einen Übenden, der außerhalb einer solch engen Beziehung zum Lehrer steht und in der Regel nur technisch unterwiesen wird. Doch in der Geschichte der Kampfkünste ist oft zu beobachten, dass die soto deshi eine ähnlich große oder noch größere Bedeutung erreichten, als die uchi deshi.<br />
<br />
* '''[[Uchi deshi]]''' - Innerer Schüler eines Lehrers<br />
* '''[[Soto deshi]]''' - Äußerer Schüler eines Lehrers<br />
<br />
===Senpai 先輩, Dōhai 同輩 und Kōhai 後輩===<br />
<br />
Diese Wörter bedeuten der Reihe nach „älterer Kamerad“, „gleichaltriger Kamerad“ und „jüngerer Kamerad, wobei der Bezug auf das Lebensalter nicht in jedem Fall wörtlich, sondern vielmehr übertragen hinsichtlich des Fortschritts auf dem Kampfkunstweg zu verstehen ist. Ausgangspunkt der Betrachtung ist dabei immer der eigene Fortschritt und die eigene Erfahrung. Schüler, die fortgeschrittener sind als man selbst, sind die senpai. Mitübende, die über ungefähr denselben Erfahrungshorizont verfügen wie man selbst, werden als dōhai bezeichnet, während Schüler, denen man im Sinne des Weges voraus ist, kōhai genannt werden. Außer den unmittelbaren Anfängern in einer Kunst können daher alle Schüler eines Meisters zugleich senpai, dōhai und kōhai sein.<br />
Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Beziehung der senpai zu den kōhai. Die senpai stellen das Bindeglied zwischen den weniger erfahrenen Schülern und dem Meister bzw. seiner Lehre dar. Die Fortgeschrittenen haben die Aufgabe, darauf zu achten, dass sich die ''kōhai'' in das Regelgefüge der Kampfkunstschule (dōjōkun) gut eingliedern, und stehen diesen dabei mit Rat und Tat zur Seite. Durch ihre technische Überlegenheit sind die senpai als Übungspartner der kōhai in der Lage, diese im Training zur fördern und zu fordern; durch ihren geistigen Fortschritt auf dem Weg haben sie ein Bewusstsein entwickelt, das sie diese Überlegenheit nicht missbrauchen lässt.<br />
Die senpai haben die Aufsichtspflicht über die kōhai, innerhalb und außerhalb des Trainings. Nur wenn diese wahrgenommen wird, kann eine Budō-Gemeinschaft funktionieren, andererseits verbraucht sie sich in ständigen Ungereimtheiten.<br />
<br />
* '''[[Senpai]]''' - Der Ältere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
* '''[[Dōhai]]''' - Der Gleichaltrige im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
* '''[[Kōhai]]''' - Der Jüngere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Karate]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Graduierungen]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Ehrentitel_im_Bud%C5%8D&diff=16041Ehrentitel im Budō2014-11-24T02:31:33Z<p>Werner Lind: Die Seite wurde neu angelegt: „{{Vorlage: Überarbeiten}} '''Artikel von:''' Werner Lind<br.>'''Nachbearbeitet von:''' ==Bezeichnungen für Lehrer-Grade== Die Benennungsmotive für di…“</p>
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'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
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==Bezeichnungen für Lehrer-Grade==<br />
<br />
Die Benennungsmotive für die Bezeichnungen und Titel der Lehrer leiten sich aus deren großer Lebenserfahrung, ihrer nachgewiesenen Lehrkompetenz, ihrer Stellung in einem hierarchischen Lehrsystem und / oder ihrer Vorbildwirkung ab. Je nach Situation und Qualifikation kann ein Lehrer unterschiedlich tituliert werden. Beispielsweise wird der Karate-Meister Kanazawa Hirokazu (geb. 1931) allgemein als sensei (Lehrer), hierarchisch als jūdan (10. Dan), hinsichtlich seiner Lehrkompetenz und Vorbildwirkung als hanshi (Gelehrter), sowie in Bezug auf seine Funktion in seiner Organisation als kanchō (Stilvorstand) bezeichnet<br />
<br />
===Sensei 先生===<br />
<br />
Der Begriff ''sensei'', dessen wörtliche Bedeutung „der vorher Geborene“ ist, bezeichnet im Japanischen prinzipiell einen Lehrer, der aufgrund seines Lebensalters einer jüngeren Generation, die er unterrichtet, an Kenntnissen, Fertigkeiten und Lebenserfahrung weit voraus ist.<br />
Obwohl der sensei immer ein Meister seines Faches ist, entspricht das Wort „sensei“ keinem akademischen Grad oder Titel, den man durch ein Universitätsstudium erlangen könnte. Die Bezeichnung ist vielmehr ein Ausdruck der Verehrung, mit dem man den Lehrer / Meister in dessen Gegenwart anspricht oder in seiner Abwesenheit über ihn spricht. Demzufolge wird im Japanischen in solchen Fällen das sonst übliche Personalsuffix „-san“ durch ein nachgestelltes „sensei“ ersetzt.<br />
In den Wegkünsten ist der sensei durch sein ganzheitliches Wirken innerhalb und außerhalb des dōjō, bei und jenseits der Übung der Formen ein Vorbild für seine Schüler, an dem diese sich orientieren, um auf ihrem eigenen Weg voranzuschreiten. Seine Lehre vermittelt ein sensei dabei nicht (nur) durch rational nachvollziehbare Erläuterungen, sondern (vor allem) durch nur intuitiv erfassbares rechtes Handeln. Damit der Schüler diese Lehre in ihrer Tiefe überhaupt verstehen kann, muss er sich um eine enge persönliche Bindung zum Meister bemühen, die die Voraussetzung für ein „Lehren von Herz zu Herz“ (ishin denshin) ist.<br />
<br />
* '''[[Rō sensei]]''' - Alter Lehrer. Auch wenn alternde Lehrer den physischen Anforderungen des alltäglichen Trainings nicht mehr entsprechen können, werden sie aufgrund ihrer großen Erfahrung und ihres Wissens hoch geschätzt.<br />
* '''[[Waka sensei]]''' - Junger Lehrer, der die Lehre vertritt und überliefert.<br />
* '''[[Ō sensei]]''' - Hervorragender, großartiger Lehrer. Besonders verehrungswürdige Lehrer werden in hohem Alter oder nach ihrem Ableben von den Nachfolgenden respektvoll mit ō sensei bezeichnet.<br />
<br />
===Shihan 師範===<br />
<br />
In der wörtlichen Übersetzung heißt der Begriff shihan „vorbildhafter Lehrer“ und deutet damit auf die hervorragende Ausbildung und Lehrbefähigung der unterrichtenden Person hin. Meistens ist ein shihan Inhaber eines siebten oder noch höheren Dan-Grades. Zum einen wird das Wort als Oberbegriff zu den Titeln renshi, kyōshi und hanshi verwendet, in anderen Rangsystemen, in denen die drei zuletzt genannten Titel nicht vergeben werden, bezeichnet man mit dem Begriff den oder die Hauptlehrer eines Stils oder einer Organisation. Dies erklärt sich aus der Tradition der koryū bujutsu, in denen die Stilvorstände (sōke) sofern notwendig aus den Fortgeschrittensten einen Lehrmeister (shihan) benannten, der die Weitergabe der Tradition eines ryū lenkte. Gelegentlich erfährt der Begriff auch Differenzierungen:<br />
<br />
* '''[[Shihan dai]]''' - stellvertretender Lehrmeister<br />
* '''[[Saikō shihan]]''' - höchster Lehrmeister<br />
* [['''Shuseki shihan''']] - Hauptlehrmeister<br />
<br />
===Renshi 練士, Kyōshi 教士 und Hanshi 範士===<br />
<br />
Das gemeinsame Element dieser drei auf einander aufbauenden und im dankyū seido etablierten Lehrerlizenzen ist ''[[shi]]'' (士). Dieses Wort bedeutet, ethymologisch betrachtet, eine „Person, die von 1 bis 10 (von A bis Z) alles weiß“, und steht im Japanischen allgemein für „Gelehrter“ oder „Ehrenmann“. Als zusammenfassenden Begriff für alle Kategorien dieser Gruppe, gebraucht man die Bezeichnung shihan.<br />
Nur im offiziellen Sprachgebrauch werden die drei Shihan-Titel bei der Namensnennung mit aufgeführt. In der direkten Kommunikation wird kein Meister mit renshi, kyōshi oder hanshi angesprochen. Insofern gleichen die Titel westlichen akademischen Graden wie „Magister artium“, „Doktor“ oder „Professor“.<br />
<br />
* '''[[Renshi]]''' - Das Wort renshi bedeutet demnach sinngemäß „Experte der Übung“ oder „Gelehrter des Trainingsprozesses“ und wird als Titel in vielen Stilen, Organisationen und Verbänden an den Inhaber eines yondan, godan oder rokudan verliehen, wenn die entsprechende Person die technische Meisterschaft im jeweiligen Stil erreicht hat und über hinreichende Erfahrung als Kampfkunstlehrer verfügt.<br />
* '''[[Kyōshi]]''' - Erlangt der renshi später den Rang eines rokudan, nanadan oder hachidan, kann er zum kyōshi befördert werden. Während sich das Wort ren eher auf die technische Übung bezieht, meint kyō den Unterricht in seiner Gesamtheit. Ein kyōshi ist demnach nicht nur ein Experte in den technischen Belangen seiner Kunst, sondern verfügt auch über ein umfangreiches Wissen hinsichtlich ihrer theoretischen Hintergründe und ihrer historischen Wurzeln. Auch ist er in der Lage, eigene Schüler auf deren Weg zum Meister der Kampfkünste zu geleiten.<br />
* '''[[Hanshi]]''' - Erlangt ein kyōshi schließlich den Rang eines hachidan, kudan oder jūdan, kann er zum hanshi ernannt werden. Wörtlich bedeutet der Begriff hanshi „vorbildlicher, modellhafter Gelehrter“; die Attribute „vorbildlich“ und „modellhaft“ beziehen sich dabei nicht nur auf technische und didaktische Fähigkeiten oder auf ein besonders umfangreiches Wissen um die Kampfkünste, sondern vor allem auch auf die moralische Integrität der betreffenden Person und ihre unmittelbare Nähe zum Ideal des Weges.<br />
<br />
===Seijin 聖人, Tatsujin 達人 und Meijin 名人===<br />
<br />
Die Verbindung dieser Begriffe liegt in der japanischen Silbe jin (Mensch). Die daraus resultierenden Begriff seijin, tasujin und meijin stammen aus dem japanischen Konfuzianismus und bezeichnen Varianten des chinesischen jūnzĭ (edler Mensch), der von Konfuzius als höchste Instanz angesehen wurde. Mit ähnlicher Bedeutung kennt man im Zen-Buddhismus den rōshi und im Daoismus den zhènrén.<br />
In Japan vermischen sich die Religionen (nihon shūkyōgaku) und die Titel ihrer Meister wurden über die Religionsgrenzen hinweg auch in manchen japanischen Künsten (nihon bijutsu) gebraucht. Wegen ihrer speziellen Ausrichtung jedoch wurden diese Bezeichnungen in den Kampfkünsten (bugei) nur selten als verliehene Ehrentitel vergeben:<br />
<br />
* '''[[Seijin]]''' - Der „Weiser“ oder „heiliger Mensch“. Im Konfuzianismus ist der seijin dasselbe, wie der rōshi im zen oder der zhènrén im Daoismus.<br />
* '''[[Tatsujin]]''' - Der Begriff bedeutet sinngemäß „Mensch, der (technische und moralische) Ideale verwirklicht“ und wird allgemein mit „Virtuose“ oder „Experte“ übersetzt.<br />
* '''[[Meijin]]''' - Einen ähnlichen Bedeutungsinhalt hat der Begriff meijin, dessen wörtliche Übersetzung „edler Mensch“ ist und der sich auf den konfuzianischen jūnzĭ bezieht. In der Titulatur der IMAF (kokusai budōin kokusai budō renmei) ist meijin die höchstmögliche Rangbezeichnung und wird nur an Inhaber des Titels hanshi, die bereits den zehnten Dan (jūdan) in einer Kampfkunst erreicht haben, verliehen.<br />
<br />
===Shidōin 指導員===<br />
<br />
Mit dem Begriff shidōin oder dem Synonym shidōshi wird in den modernen Kampfkünsten häufig ein Übungsleiter bezeichnet, auf den die vorgenannten Bezeichnungen (noch) nicht zutreffen. In der Regel betrifft dies yūdansha im Rang eines sandan oder yondan, die die Befugnis erhalten, selbstständig Schüler zu unterrichten. Als Vorstufe zum shidōin wird der „Assistenzübungsleiter“ (fuku shidōin) betrachtet, der bei der Unterstützung eines selbstständigen Lehrers erste Unterrichtserfahrungen sammeln kann. In manchen Stilen bilden die Titel<br />
<br />
* '''[[Shidōin]]''' - Übungsleiter<br />
* '''[[Fuku shidōin]]''' - Assistenzübungsleiter<br />
<br />
===Sōke 宗家===<br />
<br />
Das Wort sōke bedeutet eigentlich „Hauptfamilie“ und bezeichnete früher jene Mitglieder einer Familie, die innerhalb eines Klans (uji) die führende Rolle einnahmen. Die eigentliche Führungsposition war dabei dem männlichen Familienoberhaupt vorbehalten, der sie seinem ältesten Sohn vererbte. Falls notwendig konnte ein Nachfolger auch adoptiert werden. Wurde innerhalb des Klans ein ryū praktiziert, zeichnete das Familienoberhaupt auch dafür verantwortlich.<br />
Demzufolge steht das Wort sōke heute noch in manchen Kampfkünsten für den blutverwandten Haupterben einer Stiltradition. Dabei ist es nicht von erstrangiger Bedeutung, ob er diese selbst praktiziert. Er lenkt die Geschicke eines ryū und bestimmt – falls er selbst nicht (mehr) unterrichtet - einen Nachfolger und / oder einen Hauptlehrer (shihan). Heute wird das Wort häufig mit dem eigentlichen Begründer einer Stiltradition verwechselt, der in Japan jedoch mit den Begriffen „Urahn der Tradition“ (ryūso), „erste Generation“ (shodai) oder „neu geboren“ (shosei) bezeichnet wird.<br />
<br />
===Kanchō 館長, Kaichō 会長, Shibuchō 支部長 und Dōjōchō 道場長===<br />
<br />
Das gemeinsame Element dieser vier Begriffe ist das auslautende chō (長) was soviel wie „Leiter“ bedeutet. Demnach ist ein kanchō der „Direktor des Hauses“, wobei „Haus“ (kan) metaphorisch für „Stil“ oder „Verband“ verwendet wird. Fast synonym dazu ist der kaichō der „Vorsitzende einer Gesellschaft/Föderation“. Auf einer untergeordneten Ebene bezeichnet der Begriff shibuchō den Leiter einer Stilvertretung außerhalb des Haupt-Dōjō, also z.B. im Ausland, während dōjōchō das japanische Wort für den Leiter eines einzelnen Ortes der Wegübung (dōjō) ist.<br />
<br />
* '''Kanchō''' - Leiter eines Stils<br />
* '''Kaichō''' - Leiter einer Organisation<br />
* '''Shibuchō''' - Leiter einer Stilvertretung<br />
* '''Dōjōchō''' - Leiter eines dōjō<br />
<br />
==Bezeichnungen für Schüler-Grade==<br />
<br />
Das grundlegende Benennungsmotiv für Bezeichnungen der Kampfkunstschüler ist der zwischenmenschliche Aspekt des Lernprozesses (hito to hito no aida). Obwohl es auch im Japanischen Begriffe gibt, die wie das deutsche Wort „Schüler“ (deshi) auf die Zugehörigkeit zur Institution „Schule“ oder wie die englischen Wörter „disciple“ und „student“ (gakusei) auf die Haupttätigkeit, das „Lernen“, hinweisen, finden sie im Kampfkunstbereich keine gleichbedeutende Verwendung.<br />
<br />
Deshi 弟子 und Hai 輩<br />
<br />
In den japanischen Kampfkünsten werden die „Schüler“ unabhängig von ihrer Graduierung allgemein mit dem Begriff deshi bezeichnet. Dieses Wort ist eine Zusammensetzung der Zeichen für „jüngerer Bruder“ und „Kind“, wodurch sich ein deutlicher Bezug zum Lehrer (sensei) als dem Älteren und Erfahreneren ausdrückt. Wie bereits erwähnt, bedeutet der wichtigste japanische Begriff für einen Lehrer, sensei, (wörtlich „zuvor geboren“), was dieselbe Relation in umgekehrter Richtung vermittelt. Deshalb werden im Rangsystem (kyūdan) die Schülergrade (kyū) von oben nach unten und die Lehrergrade (dan) von unten nach oben gezählt.<br />
So wie das Wort deshi auf die Beziehung (shitei) eines Schülers zu seinem Lehrer verweist, stellt das Wort hai, das soviel wie „Kamerad“, „Genosse“ oder „Kollege“ bedeutet, die Beziehung des Schülers zu den Mitschülern in das Zentrum der Betrachtung.<br />
<br />
• Deshi – Schüler, Lernender unter einem Meister<br />
• Hai – Kamerad, Kollege eines Gleichgestellten<br />
<br />
Jiki deshi 直弟子 und Mata deshi 又弟子<br />
<br />
Der Begriff jiki bedeutet „direkt“ und verweist auf die unmittelbare Nähe eines Schülers zu seinem Lehrer bzw. darauf, dass der Schüler vom Meister selbst in einer Kunst unterwiesen wird. Im Gegensatz dazu erhält der „indirekte Schüler“ (mata deshi) seinen Unterricht hauptsächlich durch die Vermittlung von Schülern eines Meisters, ohne dass die äußere Beziehung zu letzterem in den Hintergrund rückt.<br />
Die globale Verbreitung der japanischen Kampfkünste und die weltweite Reputation der japanischen Lehrer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rührt unter anderem daher, dass einige wenige westliche Interessenten in Japan für eine gewisse Zeit als jiki deshi unterwiesen wurden, die nach der Rückkehr in ihre Heimatländer begannen, mata deshi auszubilden, ohne selbst als Meister aufzutreten. Die Struktur heutiger Kampfkunstgesellschaften und -Organisationen beruht insbesondere – wenn sie traditionell orientiert sind und einen Hauptlehrer haben – oft auf der jiki deshi / mata deshi Korrelation.<br />
<br />
• Jiki deshi – Direkter Schüler eines Lehrers<br />
• Mata deshi – Indirekter Schüler eines Lehrers<br />
<br />
Uchi deshi 内弟子 und Soto deshi 弟子<br />
<br />
Das Begriffspaar uchi und soto bedeutet „innen“ und „außen“ und stellt in Verbindung mit dem Wort deshi eine ähnliche Differenzierung der Schüler eines Lehrers dar, wie sie bei den Bezeichnungen jiki deshi und mata deshi bereits festgestellt wurde. Der Begriff uchi deshi (innerer Schüler) verweist eigentlich auf einen Schüler, der innerhalb der Hausgemeinschaft eines Lehrers lebt, in die er aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses und seines vom Meister erkannten Entwicklungspotentials aufgenommen wurde. Uchi deshi steht damit als Begriff für eine Person, die den Meister nicht nur im Kampfkunsttraining erleben, sondern auch bei seinen alltäglichen Verrichtungen begleiten und unterstützen darf, und somit die Möglichkeit besitzt, aus dessen gesamten Handeln und Wirken zu lernen.<br />
Im Gegensatz dazu meint das Wort soto deshi (äußerer Schüler) einen Übenden, der außerhalb einer solch engen Beziehung zum Lehrer steht und in der Regel nur technisch unterwiesen wird. Doch in der Geschichte der Kampfkünste ist oft zu beobachten, dass die soto deshi eine ähnlich große oder noch größere Bedeutung erreichten, als die uchi deshi.<br />
<br />
• Uchi deshi – Innerer Schüler eines Lehrers<br />
• Soto deshi – Äußerer Schüler eines Lehrers<br />
<br />
Senpai 先輩, Dōhai 同輩 und Kōhai 後輩<br />
<br />
Diese Wörter bedeuten der Reihe nach „älterer Kamerad“, „gleichaltriger Kamerad“ und „jüngerer Kamerad, wobei der Bezug auf das Lebensalter nicht in jedem Fall wörtlich, sondern vielmehr übertragen hinsichtlich des Fortschritts auf dem Kampfkunstweg zu verstehen ist. Ausgangspunkt der Betrachtung ist dabei immer der eigene Fortschritt und die eigene Erfahrung. Schüler, die fortgeschrittener sind als man selbst, sind die senpai. Mitübende, die über ungefähr denselben Erfahrungshorizont verfügen wie man selbst, werden als dōhai bezeichnet, während Schüler, denen man im Sinne des Weges voraus ist, kōhai genannt werden. Außer den unmittelbaren Anfängern in einer Kunst können daher alle Schüler eines Meisters zugleich senpai, dōhai und kōhai sein.<br />
Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Beziehung der senpai zu den kōhai. Die senpai stellen das Bindeglied zwischen den weniger erfahrenen Schülern und dem Meister bzw. seiner Lehre dar. Die Fortgeschrittenen haben die Aufgabe, darauf zu achten, dass sich die kōhai in das Regelgefüge der Kampfkunstschule (dōjōkun) gut eingliedern, und stehen diesen dabei mit Rat und Tat zur Seite. Durch ihre technische Überlegenheit sind die senpai als Übungspartner der kōhai in der Lage, diese im Training zur fördern und zu fordern; durch ihren geistigen Fortschritt auf dem Weg haben sie ein Bewusstsein entwickelt, das sie diese Überlegenheit nicht missbrauchen lässt.<br />
Die senpai haben die Aufsichtspflicht über die kōhai, innerhalb und außerhalb des Trainings. Nur wenn diese wahrgenommen wird, kann eine Budō-Gemeinschaft funktionieren, andererseits verbraucht sie sich in ständigen Ungereimtheiten.<br />
<br />
• Senpai – Der Ältere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
• Dōhai – Der Gleichaltrige im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
• Kōhai – Der Jüngere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft<br />
<br />
<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Karate]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
<br />
[[Undō]]<br />
ū ō<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Kata-Liste (Karate)]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Ehrentitel_im_Budo&diff=16040Ehrentitel im Budo2014-11-24T02:11:59Z<p>Werner Lind: Weiterleitung nach Ehrentitel im Budō erstellt</p>
<hr />
<div>#Redirect[[Ehrentitel im Budō]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Titel_im_Bud%C5%8D&diff=16039Titel im Budō2014-11-24T02:10:34Z<p>Werner Lind: Weiterleitung nach Ehrentitel im Budō erstellt</p>
<hr />
<div>#Redirect[[Ehrentitel im Budō]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Graduierungen&diff=16038Graduierungen2014-11-24T02:04:03Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>{{Vorlage: Überarbeiten}}<br />
<br />
'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' <br />
<br />
'''Graduierungen''' bezeichnen pyramidenmäßig aufgebaute Fortschrittsstrukturen eines japanischen Stils (''[[ryū]]''), in die sich seine Übenden hierachisch einordnen. Sie sind in ihrem Wesen historisch, traditionell und psychologisch bedingt und regeln in eigener Weise die Lern- und Lehrstrukturen einer Budō-Gemeinschaft.<br.>Mit Wurzeln in der japanischen Lebensweise gibt es ähnliche Beziehungen auch in der Gesellschaft. Sie stehen für die Abhängigkeitsverhältnisse der Bürger untereinander (''[[kōhai]]'', ''[[dōhai]]'' und ''[[senpai]]'') und im Lern- und Lehrprozess für das Verhältnis (''[[shitei]]'') zwischen Lehrer (''[[sensei]]'') und Schüler (''[[deshi]]'').<br.>In diesem Sinn gelten sie auch in den japanischen Budō-Stilen und werden dort analog zum Gesellschaftsleben verstanden. Sie regeln zunächst das Oben und Unten, das Mit- und Nebeneinander in den menschlichen Beziehungen.<br.>Für das ''[[bujutsu]]'' gab es dafür bereits im frühen japanischen Mittelalter das System ''[[menkyo]]'', dessen Rangordnungen sich jedoch von Stil zu Stil unterschieden. [[Jigorō Kanō]] überarbeitete 1883 das Menkyo-System und gründete das ''[[dankyū seido]]''. Später bezeichnete man die Graduierungen und Ränge im ''budō'' schlicht als ''[[kyūdan]]''.<br.>Rangsysteme gibt es heute in allen budō-verwandten Disziplinen und Sportarten - von traditionellen Systemen bis zum Kickboxen. Doch die meisten weisen lediglich den technischen Stand ihrer Mitglieder aus, der auf der Basis einer Prüfungsordnung ermittelt wird.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Menkyo]] | [[Dankyū seido]] | [[Kyūdan]] |<br />
[[Menjō]] | [[Shuhari und Kyūdan]] | [[Prüfungen]] | [[Titel im Budō]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Shuhari]]<br />
[[Kategorie: Kyūdan]]<br />
[[Kategorie: Japanische Kampfkunst]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=N%C3%A8iji%C4%81&diff=16030Nèijiā2014-11-20T23:58:49Z<p>Werner Lind: /* Die Entstehung der Stile */</p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
Das innere ''[[quánfǎ]]'' (auch: „Innere Schulen des ''quánfǎ''“) bezeichnet die [[Daoismus|daoistisch]] geprägten Schulen der ''nèijiā'' (chin.: 内家). Die ''nèijiā'' bestehen aus daoistischen Konzepten des ''quánfǎ'', die sich bereits im 13. Jh. auf der Grundlage des ''[[wǔdāngpai]]'' entwickelten. Als Gründungsvater wird [[Zhāng Sān Fēng]] (1279 - 1368) genannt, dessen Konzept in allen späteren Stilen der ''nèijiā'' wieder zu finden ist.<br.>Es ist umstritten, ob sie aus dem ''[[shǎolín quánfǎ]]'' stammen oder ob sie sich aus eigener Kraft entwickelten, um die daoistischen Werte neu zu beleben. Jedenfalls griffen diese Systeme die daoistischen Philosophien auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Ihre Formen (''[[tàolù]]'') enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes, auf dessen Grundlage der Zugang zur vitalen Energie (''[[qì]]'') möglich wird.<br.>Ihre traditionelle Entstehungsgeschichte gründet sich auf einer Legende, laut der der daoistischer Eremit Zhāng Sān Fēng in den Bergen von Wǔdāng (chin.: 武當山 / 武当山 - [[Wǔdāngshān]]) den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtet haben soll. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels ausweichen konnte, erkannte er, dass das Ausweichen der rohen Körperkraft überlegen ist. Die weiche Kraft des Ausweichens kombinierte er mit den Grundlagen der daoistischen Philosophie und gründete den Kampfstil ''wǔdāngpai'', den Ursprung aller inneren Systeme. Später entwickelte das ''wǔdāngpai'' örtliche Stile und beeinflusste in Folge die Entstehung mehrerer großer Systeme, die sich im ganzen Land verbreiteten.<br />
<br />
== Allgemeines zur ''nèijiā'' ==<br />
Obwohl der Einfluss des Daoismus auf die frühen Kampfkünste Chinas gewaltig war, gewannen im 6. Jahrhundert die buddhistischen Richtungen überhand und gründeten im Shǎolín-Kloster ([[Shǎolínsì]]) eine eigene große Kampfkunsttradition, die die Grundlage für die ''[[wàijiā]]'' (äußere Schule) bildete. Doch diese war nicht von allem bereits Bestehenden getrennt, sondern übernahm viele der daoistischen Ideen. Ob die daoistischen Systeme (''nèijiā'') neben den buddhistischen weiterexistierten, ob sie für einige Jahrhunderte miteinander verschmolzen, um später wieder neu aufzuerstehen, oder ob sie aus der buddhistischen Tradition erwuchsen, um die alten daoistischen Werte wieder neu zu entdecken und sich dadurch von den Shǎolín-Richtungen zu unterscheiden, kann heute nicht geklärt werden. Sicher ist, dass sie einen großen Einfluss auf die Shǎolín-Systeme ausübten.<br />
<br />
== Die Entstehung der Stile ==<br />
Die erste Erwähnung der wieder auferstandenen daoistischen [[Kampfkunst]], die sich zur Unterscheidung vom bereits bestehenden ''shaolin quanfa'' als ''nèijiā'' (innere Schule) bezeichnete, finden wir im 13. Jahrhundert n.Chr., als der Eremit [[Zhāng Sān Fēng]] im Wǔdāng-Gebirge (Bergregion südlich von Beijing in der Provinz Hubei) eines Tages während seiner Meditation den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtete. Man glaubt, dass dieser Mann vorher in einem der Shǎolín-Klöster lebte und sich zumindest intensiv mit dem ''shǎolín quánfǎ'' auseinandersetzte. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels, der allmählich ermüdete, beständig auswich, soll Zhāng Sān Fēng erkannt haben, dass das Ausweichen der Schnelligkeit überlegen ist. Auf den Grundlagen der daoistischen Philosophie gründete er den Kampfstil ''wǔdāngpai'', den Vorfahren aller Stile der inneren Richtungen. Später zerfiel dieser Stil in mehrere Zweige, die jedoch als Oberbegriff die Bezeichnung ''wǔdāngpai'' (Stil vom Wǔdāng-Gebirge) beibehielten.<br.>Zhāng Sān Fēngs System betonte in der Ausführung die daoistische Lehre von der Harmonie, von der Einheit zwischen Körper und Geist und vom beständigen Wandel (''[[Dào (Prinzip)|dào]]'', ''[[Yīn und Yáng|yīn]]/[[Yīn und Yáng|yáng]]'' und ''[[qì]]'') und war im Vergleich zum Shǎolín-System weniger körperbetont. Zhāng Sān Fēngs Kampfkunst drückte damit eine jahrtausendealte Idee aus, und selbst wenn es stimmt, dass sie zuerst im Shǎolín-Kloster geübt wurde, liegt hier sicherlich nicht der Ursprung der inneren Systeme, sondern nur ein Berührungspunkt.<br />
<br />
== Das Prinzip der inneren Kraft ==<br />
Daher bleibt die heute vielverbreitete Theorie, dass die inneren (weichen) Systeme (''nèijiā'') sich aus dem ''[[shǎolín quánfǎ]]'' abgeleitet hätten, nach wie vor unbestätigt und unwahrscheinlich. Vielmehr griffen sie die alte daoistische Philosophie auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Die ''dào'' ( ''lù'' und ''[[Kata (Form)|kata]]'') dieser Systeme enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes ab, auf dessen Grundlagen der Zugang zum ''[[qì]]'' (vitale Energie) möglich wird. Die Bewegungen zeichnen sich durch ausgewogene Stellungen und weniger Dynamik aus. Ihr höchstes Prinzip ist die Entwicklung von ''qì'', das durch den Einklang zwischen Geist und Körper zugelassen werden kann. Es gibt mehrere große Schulen, die sich im Laufe ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflusst haben: Wǔdāngpai, aus dem sich das ''[[tàijíquán]]'', das ''[[bāguàquán]]'', das ''[[xíngyìquán]]'', das ''ziyanmen'' und das Liuhe Bafa entwickelten. Ihr Ursprung begründet sich in der daoistischen Philosophie. Über die Meister [[Yara Chatan]], [[Higashionna Kanryō]], [[Miyagi Chōjun]] und [[Uechi Kanbun]] beeinflussten sie die [[Okinawanische Kampfkunst|okinawanischen Schulen]] des ''[[shōrei ryū]]''.<br />
<br />
== Prinzipien der ''nèijiā'' ==<br />
Kraftübertragung, die nicht der Verbesserung der Effektivität der Technik dient, ist nutzlos. Die fünf Sinne werden so weit verfeinert, bis der 6. Sinn entsteht. Alle Übungen werden mit extremer Konzentration durchgeführt. Nachgiebigkeit und Gewandtheit besiegen immer die rohe Kraft. Alle Bewegungen verschmelzen zu einer einzigen, unendlichen Bewegung. Es gibt keinen Bruch im Denken und Handeln. Die Bewegungen sind flüssig und rund. Höchstmögliche Entspannung und Qì-Kontrolle. Harmonie des Menschen durch Kontrolle von Atmung und Geist. Kombination von Sanftheit und Härte.<br />
<br />
== Der Einfluss der Tierformen ==<br />
Bereits seit [[Huá Tuó]] existiert die Idee der Beobachtung von Tierbewegungen (''[[wǔqínxì]]'' und ''[[wǔxíngxì]]'') in den daoistischen Richtungen (''[[dàojiā]]'' 道家 - „Schule (''jiā'') des Weges (''dào'')“ und ''[[dàojiào]]'' 道教 - „Lehre (''jiào'') des Weges (''dào'')“), die sich neben einer Vielzahl von anderen Übungen des Qigong in den verschiedenen Kampfkunstkonzepten fortsetzte. Auf jeden Fall ist die Beobachtung von Tieren sowohl in den inneren als auch in den äußeren Richtungen zum Nährboden zahlreicher Techniken geworden, die sich auch in den heutigen ''dào'' (''kata'') wiederfinden. Viele chinesische Stile imitieren nur ein bestimmtes Tier, andere verbinden die Bewegungen verschiedener Tiere. Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Im ''xíngyìquán'' z.B. sind die Tierformen in 12 verschiedene Tierstile (''[[shíèrxíngquán]]'') eingeteilt, die als ''dào'' geübt werden: [[Lóng|Drache]], [[Hū|Tiger]], [[Hóu|Affe]], Pferd, Falke, Schwalbe, Adler, [[Xióng|Bär]], Schildkröte, [[Shé|Schlange]], [[Bào|Leopard]], und Küken. Darüberhinaus werden in den verschiedenen Stilen auch noch andere Tierverfahren geübt wie Leguan, Hahn, Habicht, Lerche, Auster, Kamel und der mythische Vogel Tai.<br />
<br />
== Systeme der ''nèijiā'' ==<br />
<br />
Heute sagen manche, die Systeme der ''nèijiā'' hätten sich allesamt aus dem ''[[shǎolín quánfǎ]]'' abgeleitet. Doch diese Theorie ist nicht bestätigt. Im [[Shǎolínsì|Shǎolín-Kloster]] verbanden sich daoistische und buddhistische Ideologien zu einem gemeinsamen Konzept und entwickelten viele Ausdrucksformen. Einige davon sind unten dargestellt:<br />
<br />
* '''[[Tàijíquán]]''' (T´ai chi Ch´uan) - Zhāng Sān Fēngs<br />
* '''[[Bāguàquán]]''' (Pakua Ch´uan) - Dong Hai Quan<br />
* '''[[Xíngyìquán]]''' (Hsing I Ch´uan) - Chi Chi Ki<br />
* '''[[Liangyiquan]]''' (Liang I Ch´uan) - unbekannt<br />
* '''[[Szuhsiangquan]]''' - unbekannt<br />
* '''[[Taiyiquan]]''' (T´ai I Ch´uan) - Chen Wang Ting<br />
* '''[[Zìránmén ]]''' (Tzujanmen) - Du Xin Wu <br />
* '''[[Liùhébāfǎ ]]''' (Luihopafa) - Wu I Hwei<br />
<br />
Aus der oberen Liste etablierten sich die Hauptsysteme der ''nèijiā''. Wir wollen sie hier noch einmal aufführen und kurz erläutern:<br />
<br />
* '''[[Tàijíquán]]''' (太極拳) - basierend auf dem Prinzip des ''[[tàijí]]''. Innerhalb dieses Prinzips gibt es viele Konzepte, aus denen vor allem fünf Stile gewonnen werden: ''chén tàijíquán'', ''yáng tàijíquán'', ''wú tàijíquán'', ''wǔ tàijíquán'' und ''sūn tàijíquán''.<br />
* '''[[Xíngyìquán]]''' (形意拳) - das ''xíngyìquán'' baut auf den fünf Wandlungsphasen (''[[wǔxíng]]'') der chinesischen Kosmologie (Erde, Wasser, Holz, Feuer, Metall) auf und begründet seine Formen (''[[xíng]]'') auf dem Verhaltensstudium von zwölf Tieren (''[[shíèrxíngquán]]'': Drache (''[[lóng]]'' - 龍), Tiger (''[[hū]]'' - 虍), Affe (''[[hóu]]'' - 猴), Pferd (mǎ - 马) , Leguan, Hahn (''gōngjī'' - 公鸡), Falke, Schwalbe (''yàn'' - 燕), Schlange (''[[shé]]'' - 蛇), Kranich (''[[hè]]'' - 鶴), Adler (''yīng'' - 鹰) und Bär (''[[xióng]]'' - 熊)). Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Das System hat seine Wurzeln im ''[[Yìjīng]]'' (I Ging) und beeinflusste die Gründung des späteren ''bāguàquán''.<br />
* '''[[Bāguàquán]]''' (八卦拳) - das ''bāguàquán'' ist eines der größten Systeme des daoistischen chinesischen Boxens, als Folge von Beeinflussungen aus dem älteren ''xíngyìquán''. Es begründet seine esoterischen Wurzeln auf dem Prinzip der ''[[bāguà]]'' aus dem ''yìjīng''. Sein kämpferisches Konzept ist vom ''tàijíquán'' abgeleitet. ''Bāguàquán'' wurde erst um 1790 entwickelt. Es enthält sehr schnelle Kreis- und Drehbewegungen und ebenso schnelle Fußtechniken. Bevorzugt wird jedoch die offene Hand.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Quánfǎ]] | [[Nánquán]] | [[Wàijiā]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
<br />
<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Chinesische Kampfsysteme]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Zh%C4%81ng_S%C4%81n_F%C4%93ng&diff=16029Zhāng Sān Fēng2014-11-20T23:55:46Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>{{Vorlage: Überarbeiten}}<br />
<br />
'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
'''Zhāng Sān Fēng''' (chin.: 张三丰 oder 張三豐) war der legendärer Begründer (1279 - 1368) der ''[[wǔdāngpai]]'' (''[[nèijiā]]'') auch bekannt unter dem Beinamen Zhāng Jūnbǎo oder dem Ehrennamen Dangchu Zhenren („der wahre Mensch aus der Höhle“ sinngemäß der „vollkommene Weise“). Als Sohn eines Beamten erhielt er eine klassische Ausbildung und lernte wahrscheinlich das ''[[shǎolín quánfǎ]]''. Später ging er als Mönch in das [[Daoismus|daoistische]] Kloster der „Weißen Wolke“, in den Wǔdāng-Bergen der Provinz Húběi.<br />
<br />
===Leben und Wirken===<br />
<br />
Laut der Legende beobachtete er dort den Kampf zwischen einem Kranich und einer Schlange. Der Kranich verteilte kräftige Fußtritte und Schnabelhiebe, während er sich mit kreisenden Flügelschlägen verteidigte. Die Schlange hingegen behielt ihre Kampfstellung mit hoch über dem Rumpf erhobenem Kopf bei, und während sie den Angriffen des Kranichs mit wenigen Bewegungen auswich, wartete sie darauf, dass sich der Gegner eine Blöße gab, um dann plötzlich vorzustoßen. Das inspirierte Zhang San Feng dazu, das wǔdāngpai zu gründen Er nannte seinen Schule anfangs „Vögel und Schlangen“, später aber spaltete sich die Schule in mehrere Richtungen, und der gesamte Stil erhielt die Bezeichnung ''wǔdāngpai''.<br.>Laut den Legenden hat er sich besonders mit der negativen Stimulation von Vitalpunkten (''[[diǎnxué]]'') beschäftigt. Er soll an zum Tode verurteilten Sträflingen seine neuen Methoden getestet haben. Später hat er eine eigene Bronze-Statue angefertigt, die seine wichtigsten Punkte zeigte, doch sie ist verschollen.<br.>Erst relativ spät wurde das Gerücht in die Welt gesetzt, er habe auch das ''[[tàijíquán]]'' gegründet, was man heute allerdings mit großer Sicherheit wiederlegen kann. Nichtsdestotrotz ist diese Legende bis heute stark verbreitet.<br.>Da sich die Legende von Zhāng Sān Fēng über einen Zeitraum von fast 200 Jahren erstreckt, wird vermutet, dass sein Name stellvertretend für mehrere Kampfkunstexperten steht. Vielleicht hat er überhaupt nicht existiert und wurde erfunden, um dem mächtigen Shaolin-Kloster einen ebenbürtigen Gründer der ''[[nèijiā]]'' entgegenzusetzen.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Nèijiā]] | [[Quánfǎ]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
* Edward G. Chang – Klassische chinesische Atem- und Bewegungsübungen, Heyne,<br />
* Chiang/Kobayashi – Die Schwertkunst des Tai Chi Chuan, Irisiana,<br />
* Foen Tjoeng Lie.– Tai Ji Quan, Falken Verlag,<br />
* Gabi Lind/Moni Lind – Tàijíquán- und Qìgōng Lexikon, Kolibri,<br />
* Metzger/Zhou – Tàijíquán/Qìgōng, BLV,<br />
* Jwing Ming Yang – Advanced Yang Style Tai Chi Chuan, YMAA Verlag,<br />
* Jwing Ming Yang – Tai Ji Chin na, YMAA Verlag,<br />
* Jwing Ming Yang – The Road of Chinese Chi Kung, YMAA Verlag,<br />
* James Mac Ritchie – Qi Gong, Fischer<br />
<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Nèijiā]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Zh%C4%81ng_S%C4%81n_F%C4%93ng&diff=16028Zhāng Sān Fēng2014-11-20T23:54:17Z<p>Werner Lind: </p>
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'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
'''Zhāng Sān Fēng''' (chin.: 张三丰 oder 張三豐) war der legendärer Begründer (1279 - 1368) der ''[[wǔdāngpai]]'' (''[[nèijiā]]'') auch bekannt unter dem Beinamen Zhāng Jūnbǎo oder dem Ehrennamen Dangchu Zhenren („der wahre Mensch aus der Höhle“ sinngemäß der „vollkommene Weise“). Als Sohn eines Beamten erhielt er eine klassische Ausbildung und lernte wahrscheinlich das ''[[shǎolín quánfǎ]]''. Später ging er als Mönch in das [[Daoismus|daoistische]] Kloster der „Weißen Wolke“, in den Wǔdāng-Bergen der Provinz Húběi.<br />
<br />
<br />
<br />
Laut der Legende beobachtete er dort den Kampf zwischen einem Kranich und einer Schlange. Der Kranich verteilte kräftige Fußtritte und Schnabelhiebe, während er sich mit kreisenden Flügelschlägen verteidigte. Die Schlange hingegen behielt ihre Kampfstellung mit hoch über dem Rumpf erhobenem Kopf bei, und während sie den Angriffen des Kranichs mit wenigen Bewegungen auswich, wartete sie darauf, dass sich der Gegner eine Blöße gab, um dann plötzlich vorzustoßen. Das inspirierte Zhang San Feng dazu, das wǔdāngpai zu gründen Er nannte seinen Schule anfangs „Vögel und Schlangen“, später aber spaltete sich die Schule in mehrere Richtungen, und der gesamte Stil erhielt die Bezeichnung ''wǔdāngpai''.<br.>Laut den Legenden hat er sich besonders mit der negativen Stimulation von Vitalpunkten (''[[diǎnxué]]'') beschäftigt. Er soll an zum Tode verurteilten Sträflingen seine neuen Methoden getestet haben. Später hat er eine eigene Bronze-Statue angefertigt, die seine wichtigsten Punkte zeigte, doch sie ist verschollen.<br.>Erst relativ spät wurde das Gerücht in die Welt gesetzt, er habe auch das ''[[tàijíquán]]'' gegründet, was man heute allerdings mit großer Sicherheit wiederlegen kann. Nichtsdestotrotz ist diese Legende bis heute stark verbreitet.<br.>Da sich die Legende von Zhāng Sān Fēng über einen Zeitraum von fast 200 Jahren erstreckt, wird vermutet, dass sein Name stellvertretend für mehrere Kampfkunstexperten steht. Vielleicht hat er überhaupt nicht existiert und wurde erfunden, um dem mächtigen Shaolin-Kloster einen ebenbürtigen Gründer der ''[[nèijiā]]'' entgegenzusetzen.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Nèijiā]] | [[Quánfǎ]] |<br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
* Edward G. Chang – Klassische chinesische Atem- und Bewegungsübungen, Heyne,<br />
* Chiang/Kobayashi – Die Schwertkunst des Tai Chi Chuan, Irisiana,<br />
* Foen Tjoeng Lie.– Tai Ji Quan, Falken Verlag,<br />
* Gabi Lind/Moni Lind – Tàijíquán- und Qìgōng Lexikon, Kolibri,<br />
* Metzger/Zhou – Tàijíquán/Qìgōng, BLV,<br />
* Jwing Ming Yang – Advanced Yang Style Tai Chi Chuan, YMAA Verlag,<br />
* Jwing Ming Yang – Tai Ji Chin na, YMAA Verlag,<br />
* Jwing Ming Yang – The Road of Chinese Chi Kung, YMAA Verlag,<br />
* James Mac Ritchie – Qi Gong, Fischer<br />
<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Nèijiā]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Zh%C4%81ng_S%C4%81n_F%C4%93ng&diff=16027Zhāng Sān Fēng2014-11-20T23:50:10Z<p>Werner Lind: </p>
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'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
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'''Zhāng Sān Fēng''' (chin.: 张三丰 oder 張三豐) war der legendärer Begründer (1279 - 1368) der ''[[wǔdāngpai]]'' (''[[nèijiā]]'') auch bekannt unter dem Beinamen Zhāng Jūnbǎo oder dem Ehrennamen Dangchu Zhenren („der wahre Mensch aus der Höhle“ sinngemäß der „vollkommene Weise“). Als Sohn eines Beamten erhielt er eine klassische Ausbildung und lernte wahrscheinlich das ''[[shǎolín quánfǎ]]''. Später ging er als Mönch in das [[Daoismus|daoistische]] Kloster der „Weißen Wolke“, in den Wǔdāng-Bergen der Provinz Húběi.<br />
<br />
<br />
<br />
Laut der Legende beobachtete er dort den Kampf zwischen einem Kranich und einer Schlange. Der Kranich verteilte kräftige Fußtritte und Schnabelhiebe, während er sich mit kreisenden Flügelschlägen verteidigte. Die Schlange hingegen behielt ihre Kampfstellung mit hoch über dem Rumpf erhobenem Kopf bei, und während sie den Angriffen des Kranichs mit wenigen Bewegungen auswich, wartete sie darauf, dass sich der Gegner eine Blöße gab, um dann plötzlich vorzustoßen. Das inspirierte Zhang San Feng dazu, das wǔdāngpai zu gründen Er nannte seinen Schule anfangs „Vögel und Schlangen“, später aber spaltete sich die Schule in mehrere Richtungen, und der gesamte Stil erhielt die Bezeichnung ''wǔdāngpai''.<br.>Laut den Legenden hat er sich besonders mit der negativen Stimulation von Vitalpunkten (''[[diǎnxué]]'') beschäftigt. Er soll an zum Tode verurteilten Sträflingen seine neuen Methoden getestet haben. Später hat er eine eigene Bronze-Statue angefertigt, die seine wichtigsten Punkte zeigte, doch sie ist verschollen.<br.>Erst relativ spät wurde das Gerücht in die Welt gesetzt, er habe auch das ''[[tàijíquán]]'' gegründet, was man heute allerdings mit großer Sicherheit wiederlegen kann. Nichtsdestotrotz ist diese Legende bis heute stark verbreitet.<br.>Da sich die Legende von Zhāng Sān Fēng über einen Zeitraum von fast 200 Jahren erstreckt, wird vermutet, dass sein Name stellvertretend für mehrere Kampfkunstexperten steht. Vielleicht hat er überhaupt nicht existiert und wurde erfunden, um dem mächtigen Shaolin-Kloster einen ebenbürtigen Gründer der nèijiā entgegenzusetzen.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' | <br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
<br />
Edward G. Chang – Klassische chinesische Atem- und Bewegungsübungen, Heyne, Chiang/Kobayashi – Die Schwertkunst des Tai Chi Chuan, Irisiana, Foen Tjoeng Lie.– Tai Ji Quan, Falken Verlag, Gabi Lind/Moni Lind – Tàijíquán- und Qìgōng Lexikon, Kolibri, Metzger/Zhou – Tàijíquán/Qìgōng, BLV, Jwing Ming Yang – Advanced Yang Style Tai Chi Chuan, YMAA Verlag, Jwing Ming Yang – Tai Ji Chin na, YMAA Verlag, Jwing Ming Yang – The Road of Chinese Chi Kung, YMAA Verlag, James Mac Ritchie – Qi Gong, Fischer<br />
<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Nèijiā]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=X%C3%ADngy%C3%ACqu%C3%A1n&diff=16026Xíngyìquán2014-11-20T23:17:53Z<p>Werner Lind: </p>
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<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
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'''Xíngyìquán''' (chin.: 形意拳) bezeichnet eine der drei grundlegenden Systeme innerhalb der ''[[nèijiā]]'' (auch: „Innere Schulen des ''[[quánfǎ]]''“) aus China. Die weiteren sind ''[[tàijíquán]]'' und ''[[bāguàquán]]''. <br />
<br />
Das ''xíngyìquán'' baut auf den fünf Wandlungsphasen (''[[wǔxíng]]'') der chinesischen Kosmologie (Erde, Wasser, Holz, Feuer, Metall) auf und begründet seine Formen (''[[xíng]]'') auf dem Verhaltensstudium von zwölf Tieren, den sogenannten ''[[shíèrxíngquán]]'': Drache (''[[lóng]]'' - 龍), Tiger (''[[hū]]'' - 虍), Affe (''[[hóu]]'' - 猴), Pferd (mǎ - 马) , Leguan, Hahn (''gōngjī'' - 公鸡), Falke, Schwalbe (''yàn'' - 燕), Schlange (''[[shé]]'' - 蛇), Kranich (''[[hè]]'' - 鶴), Adler (''yīng'' - 鹰) und Bär (''[[xióng]]'' - 熊). Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Das System hat seine Wurzeln im ''[[Yìjīng]]'' (I Ging) und beeinflusste die Gründung des späteren ''bāguàquán''.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Quánfǎ]] | [[Nèijiā]]<br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
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[[Kategorie: Chinesische Kampfkunst]]<br />
[[Kategorie: Tierstil]]<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=T%C3%A0ij%C3%ADqu%C3%A1n&diff=16025Tàijíquán2014-11-20T23:17:23Z<p>Werner Lind: </p>
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'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
'''Tàijíquán''' (chin.: 太极拳 / 太極拳) bezeichnet eine der drei grundlegenden Systeme innerhalb der ''[[nèijiā]]'' (auch: „Innere Schulen des ''[[quánfǎ]]''“) aus China, zu denen auch ''[[xíngyìquán]]'' und ''[[bāguàquán]]'' gehören. Tàijíquán basiert auf der Theorie des ''[[tàijí]]''. Auf diesem Prinzip beruhen vor allem fünf Stile: ''[[chén tàijíquán]]'', ''[[yáng tàijíquán]]'', ''[[wú tàijíquán]]'', ''[[wǔ tàijíquán]]'' und ''[[sūn tàijíquán]]''.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Nèijiā]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
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[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]<br />
[[Kategorie: Chinesische Kampfkunst]]<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=G%C5%8Dngf%C5%AB&diff=16024Gōngfū2014-11-20T23:15:56Z<p>Werner Lind: </p>
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<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
'''Gōngfū''' (chin.: 功夫) bezeichnet eine besondere Fähigkeit, die durch viel Zeit und Mühe erlangt wird. Der Begriff wird mit „harte Arbeit“ übersetzt. Im Westen als ''kungfu'' bezeichnet und fälschlich als „Kampfkunst“ interpretiert. '''Kungfu''' ist die phonetische Umschrift von ''gōngfū'' im Wade-Giles-System und hat sich seit ca. 1960 in westlichen Ländern als Begriff für die chinesischen Kampfkünste (''[[quánfǎ]]'') etabliert. <br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Quánfǎ]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
<br />
<br />
[[Kategorie: Chinesische Kampfkunst]]<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=G%C5%8Dngf%C5%AB&diff=16023Gōngfū2014-11-20T23:14:24Z<p>Werner Lind: </p>
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'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
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'''Gōngfū''' (chin.: 功夫) bezeichnet eine besondere Fähigkeit, die durch viel Zeit und Mühe erlangt wird. Der Begriff wird mit „harte Arbeit“ übersetzt. Im Westen als ''kungfu'' bezeichnet und fälschlich als „Kampfkunst“ interpretiert. '''Kungfu''' ist die phonetische Umschrift von ''gōngfū'' im Wade-Giles-System und hat sich seit ca. 1960 in westlichen Ländern als Begriff für die chinesischen Kampfkünste (''[[quánfǎ]]'') etabliert. <br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Quánfǎ]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
<br />
<br />
[[Kategorie: China]]<br />
[[Kategorie: Chinesische Kampfkunst]]<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=G%C5%8Dngf%C5%AB&diff=16022Gōngfū2014-11-20T23:13:01Z<p>Werner Lind: </p>
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'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
'''Gōngfū''' (chin.: 功夫) bezeichnet eine besondere Fähigkeit, die durch viel Zeit und Mühe erlangt wird. Der Begriff wird mit „harte Arbeit“ übersetzt. Im Westen als ''kungfu'' bezeichnet und fälschlich als „Kampfkunst“ interpretiert. '''Kungfu''' ist die phonetische Umschrift von ''gōngfū'' im Wade-Giles-System und hat sich seit ca. 1960 in westlichen Ländern als Begriff für die chinesischen Kampfkünste (''[[quánfǎ]]'') etabliert. <br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Quánfǎ]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=N%C3%A8iji%C4%81&diff=16008Nèijiā2014-11-19T00:00:51Z<p>Werner Lind: </p>
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<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
Das innere ''[[quánfǎ]]'' (auch: „Innere Schulen des ''quánfǎ''“) bezeichnet die [[Daoismus|daoistisch]] geprägten Schulen der ''nèijiā'' (chin.: 内家). Die ''nèijiā'' bestehen aus daoistischen Konzepten des ''quánfǎ'', die sich bereits im 13. Jh. auf der Grundlage des ''[[wǔdāngpai]]'' entwickelten. Als Gründungsvater wird [[Zhāng Sān Fēng]] (1279 - 1368) genannt, dessen Konzept in allen späteren Stilen der ''nèijiā'' wieder zu finden ist.<br.>Es ist umstritten, ob sie aus dem ''[[shǎolín quánfǎ]]'' stammen oder ob sie sich aus eigener Kraft entwickelten, um die daoistischen Werte neu zu beleben. Jedenfalls griffen diese Systeme die daoistischen Philosophien auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Ihre Formen (''[[tàolù]]'') enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes, auf dessen Grundlage der Zugang zur vitalen Energie (''[[qì]]'') möglich wird.<br.>Ihre traditionelle Entstehungsgeschichte gründet sich auf einer Legende, laut der der daoistischer Eremit Zhāng Sān Fēng in den Bergen von Wǔdāng (chin.: 武當山 / 武当山 - [[Wǔdāngshān]]) den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtet haben soll. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels ausweichen konnte, erkannte er, dass das Ausweichen der rohen Körperkraft überlegen ist. Die weiche Kraft des Ausweichens kombinierte er mit den Grundlagen der daoistischen Philosophie und gründete den Kampfstil ''wǔdāngpai'', den Ursprung aller inneren Systeme. Später entwickelte das ''wǔdāngpai'' örtliche Stile und beeinflusste in Folge die Entstehung mehrerer großer Systeme, die sich im ganzen Land verbreiteten.<br />
<br />
== Allgemeines zur ''nèijiā'' ==<br />
Obwohl der Einfluss des Daoismus auf die frühen Kampfkünste Chinas gewaltig war, gewannen im 6. Jahrhundert die buddhistischen Richtungen überhand und gründeten im Shǎolín-Kloster ([[Shǎolínsì]]) eine eigene große Kampfkunsttradition, die die Grundlage für die ''[[wàijiā]]'' (äußere Schule) bildete. Doch diese war nicht von allem bereits Bestehenden getrennt, sondern übernahm viele der daoistischen Ideen. Ob die daoistischen Systeme (''nèijiā'') neben den buddhistischen weiterexistierten, ob sie für einige Jahrhunderte miteinander verschmolzen, um später wieder neu aufzuerstehen, oder ob sie aus der buddhistischen Tradition erwuchsen, um die alten daoistischen Werte wieder neu zu entdecken und sich dadurch von den Shǎolín-Richtungen zu unterscheiden, kann heute nicht geklärt werden. Sicher ist, dass sie einen großen Einfluss auf die Shǎolín-Systeme ausübten.<br />
<br />
== Die Entstehung der Stile ==<br />
Die erste Erwähnung der wieder auferstandenen daoistischen [[Kampfkunst]], die sich zur Unterscheidung vom bereits bestehenden Shaolin quanfa als ''nèijiā'' (innere Schule) bezeichnete, finden wir im 13. Jahrhundert n.Chr., als der Eremit Zhāng Sān Fēng im Wǔdāng-Gebirge (Bergregion südlich von Beijing in der Provinz Hubei) eines Tages während seiner Meditation den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtete. Man glaubt, dass dieser Mann vorher in einem der Shǎolín-Klöster lebte und sich zumindest intensiv mit dem ''shǎolín quánfǎ'' auseinandersetzte. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels, der allmählich ermüdete, beständig auswich, soll Zhāng Sān Fēng erkannt haben, dass das Ausweichen der Schnelligkeit überlegen ist. Auf den Grundlagen der daoistischen Philosophie gründete er den Kampfstil ''wǔdāngpai'', den Vorfahren aller Stile der inneren Richtungen. Später zerfiel dieser Stil in mehrere Zweige, die jedoch als Oberbegriff die Bezeichnung ''wǔdāngpai'' (Stil vom Wǔdāng-Gebirge) beibehielten.<br.>Zhāng Sān Fēngs System betonte in der Ausführung die daoistische Lehre von der Harmonie, von der Einheit zwischen Körper und Geist und vom beständigen Wandel (''[[Dào (Prinzip)|dào]]'', ''[[Yīn und Yáng|yīn]]/[[Yīn und Yáng|yáng]]'' und ''[[qì]]'') und war im Vergleich zum Shǎolín-System weniger körperbetont. Zhāng Sān Fēngs Kampfkunst drückte damit eine jahrtausendealte Idee aus, und selbst wenn es stimmt, dass sie zuerst im Shǎolín-Kloster geübt wurde, liegt hier sicherlich nicht der Ursprung der inneren Systeme, sondern nur ein Berührungspunkt.<br />
<br />
== Das Prinzip der inneren Kraft ==<br />
Daher bleibt die heute vielverbreitete Theorie, dass die inneren (weichen) Systeme (''nèijiā'') sich aus dem ''[[shǎolín quánfǎ]]'' abgeleitet hätten, nach wie vor unbestätigt und unwahrscheinlich. Vielmehr griffen sie die alte daoistische Philosophie auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Die ''dào'' ( ''lù'' und ''[[Kata (Form)|kata]]'') dieser Systeme enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes ab, auf dessen Grundlagen der Zugang zum ''[[qì]]'' (vitale Energie) möglich wird. Die Bewegungen zeichnen sich durch ausgewogene Stellungen und weniger Dynamik aus. Ihr höchstes Prinzip ist die Entwicklung von ''qì'', das durch den Einklang zwischen Geist und Körper zugelassen werden kann. Es gibt mehrere große Schulen, die sich im Laufe ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflusst haben: Wǔdāngpai, aus dem sich das ''[[tàijíquán]]'', das ''[[bāguàquán]]'', das ''[[xíngyìquán]]'', das ''ziyanmen'' und das Liuhe Bafa entwickelten. Ihr Ursprung begründet sich in der daoistischen Philosophie. Über die Meister [[Yara Chatan]], [[Higashionna Kanryō]], [[Miyagi Chōjun]] und [[Uechi Kanbun]] beeinflussten sie die [[Okinawanische Kampfkunst|okinawanischen Schulen]] des ''[[shōrei ryū]]''.<br />
<br />
== Prinzipien der ''nèijiā'' ==<br />
Kraftübertragung, die nicht der Verbesserung der Effektivität der Technik dient, ist nutzlos. Die fünf Sinne werden so weit verfeinert, bis der 6. Sinn entsteht. Alle Übungen werden mit extremer Konzentration durchgeführt. Nachgiebigkeit und Gewandtheit besiegen immer die rohe Kraft. Alle Bewegungen verschmelzen zu einer einzigen, unendlichen Bewegung. Es gibt keinen Bruch im Denken und Handeln. Die Bewegungen sind flüssig und rund. Höchstmögliche Entspannung und Qì-Kontrolle. Harmonie des Menschen durch Kontrolle von Atmung und Geist. Kombination von Sanftheit und Härte.<br />
<br />
== Der Einfluss der Tierformen ==<br />
Bereits seit [[Huá Tuó]] existiert die Idee der Beobachtung von Tierbewegungen (''[[wǔqínxì]]'' und ''[[wǔxíngxì]]'') in den daoistischen Richtungen (''[[dàojiā]]'' 道家 - „Schule (''jiā'') des Weges (''dào'')“ und ''[[dàojiào]]'' 道教 - „Lehre (''jiào'') des Weges (''dào'')“), die sich neben einer Vielzahl von anderen Übungen des Qigong in den verschiedenen Kampfkunstkonzepten fortsetzte. Auf jeden Fall ist die Beobachtung von Tieren sowohl in den inneren als auch in den äußeren Richtungen zum Nährboden zahlreicher Techniken geworden, die sich auch in den heutigen ''dào'' (''kata'') wiederfinden. Viele chinesische Stile imitieren nur ein bestimmtes Tier, andere verbinden die Bewegungen verschiedener Tiere. Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Im ''xíngyìquán'' z.B. sind die Tierformen in 12 verschiedene Tierstile (''[[shíèrxíngquán]]'') eingeteilt, die als ''dào'' geübt werden: [[Lóng|Drache]], [[Hū|Tiger]], [[Hóu|Affe]], Pferd, Falke, Schwalbe, Adler, [[Xióng|Bär]], Schildkröte, [[Shé|Schlange]], [[Bào|Leopard]], und Küken. Darüberhinaus werden in den verschiedenen Stilen auch noch andere Tierverfahren geübt wie Leguan, Hahn, Habicht, Lerche, Auster, Kamel und der mythische Vogel Tai.<br />
<br />
== Systeme der ''nèijiā'' ==<br />
<br />
Heute sagen manche, die Systeme der ''nèijiā'' hätten sich allesamt aus dem ''[[shǎolín quánfǎ]]'' abgeleitet. Doch diese Theorie ist nicht bestätigt. Im [[Shǎolínsì|Shǎolín-Kloster]] verbanden sich daoistische und buddhistische Ideologien zu einem gemeinsamen Konzept und entwickelten viele Ausdrucksformen. Einige davon sind unten dargestellt:<br />
<br />
* '''[[Tàijíquán]]''' (T´ai chi Ch´uan) - Zhāng Sān Fēngs<br />
* '''[[Bāguàquán]]''' (Pakua Ch´uan) - Dong Hai Quan<br />
* '''[[Xíngyìquán]]''' (Hsing I Ch´uan) - Chi Chi Ki<br />
* '''[[Liangyiquan]]''' (Liang I Ch´uan) - unbekannt<br />
* '''[[Szuhsiangquan]]''' - unbekannt<br />
* '''[[Taiyiquan]]''' (T´ai I Ch´uan) - Chen Wang Ting<br />
* '''[[Zìránmén ]]''' (Tzujanmen) - Du Xin Wu <br />
* '''[[Liùhébāfǎ ]]''' (Luihopafa) - Wu I Hwei<br />
<br />
Aus der oberen Liste etablierten sich die Hauptsysteme der ''nèijiā''. Wir wollen sie hier noch einmal aufführen und kurz erläutern:<br />
<br />
* '''[[Tàijíquán]]''' (太極拳) - basierend auf dem Prinzip des ''[[tàijí]]''. Innerhalb dieses Prinzips gibt es viele Konzepte, aus denen vor allem fünf Stile gewonnen werden: ''chén tàijíquán'', ''yáng tàijíquán'', ''wú tàijíquán'', ''wǔ tàijíquán'' und ''sūn tàijíquán''.<br />
* '''[[Xíngyìquán]]''' (形意拳) - das ''xíngyìquán'' baut auf den fünf Wandlungsphasen (''[[wǔxíng]]'') der chinesischen Kosmologie (Erde, Wasser, Holz, Feuer, Metall) auf und begründet seine Formen (''[[xíng]]'') auf dem Verhaltensstudium von zwölf Tieren (''[[shíèrxíngquán]]'': Drache (''[[lóng]]'' - 龍), Tiger (''[[hū]]'' - 虍), Affe (''[[hóu]]'' - 猴), Pferd (mǎ - 马) , Leguan, Hahn (''gōngjī'' - 公鸡), Falke, Schwalbe (''yàn'' - 燕), Schlange (''[[shé]]'' - 蛇), Kranich (''[[hè]]'' - 鶴), Adler (''yīng'' - 鹰) und Bär (''[[xióng]]'' - 熊)). Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Das System hat seine Wurzeln im ''[[Yìjīng]]'' (I Ging) und beeinflusste die Gründung des späteren ''bāguàquán''.<br />
* '''[[Bāguàquán]]''' (八卦拳) - das ''bāguàquán'' ist eines der größten Systeme des daoistischen chinesischen Boxens, als Folge von Beeinflussungen aus dem älteren ''xíngyìquán''. Es begründet seine esoterischen Wurzeln auf dem Prinzip der ''[[bāguà]]'' aus dem ''yìjīng''. Sein kämpferisches Konzept ist vom ''tàijíquán'' abgeleitet. ''Bāguàquán'' wurde erst um 1790 entwickelt. Es enthält sehr schnelle Kreis- und Drehbewegungen und ebenso schnelle Fußtechniken. Bevorzugt wird jedoch die offene Hand.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Quánfǎ]] | [[Nánquán]] | [[Wàijiā]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
<br />
<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Chinesische Kampfsysteme]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=N%C3%A8iji%C4%81&diff=16007Nèijiā2014-11-18T23:38:24Z<p>Werner Lind: ''Kursiver Text''</p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
Das innere ''[[quánfǎ]]'' (auch: „Innere Schulen des ''quánfǎ''“) bezeichnet die [[Daoismus|daoistisch]] geprägten Schulen der ''nèijiā'' (chin.: 内家). Die ''nèijiā'' bestehen aus daoistischen Konzepten des ''quánfǎ'', die sich bereits im 13. Jh. auf der Grundlage des ''[[wǔdāngpai]]'' entwickelten. Als Gründungsvater wird [[Zhāng Sān Fēng]] (1279 - 1368) genannt, dessen Konzept in allen späteren Stilen der ''nèijiā'' wieder zu finden ist.<br.>Es ist umstritten, ob sie aus dem ''[[shǎolín quánfǎ]]'' stammen oder ob sie sich aus eigener Kraft entwickelten, um die daoistischen Werte neu zu beleben. Jedenfalls griffen diese Systeme die daoistischen Philosophien auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Ihre Formen (''[[tàolù]]'') enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes, auf dessen Grundlage der Zugang zur vitalen Energie (''[[qì]]'') möglich wird.<br.>Ihre traditionelle Entstehungsgeschichte gründet sich auf einer Legende, laut der der daoistischer Eremit Zhāng Sān Fēng in den Bergen von Wǔdāng (chin.: 武當山 / 武当山 - [[Wǔdāngshān]]) den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtet haben soll. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels ausweichen konnte, erkannte er, dass das Ausweichen der rohen Körperkraft überlegen ist. Die weiche Kraft des Ausweichens kombinierte er mit den Grundlagen der daoistischen Philosophie und gründete den Kampfstil ''wǔdāngpai'', den Ursprung aller inneren Systeme. Später entwickelte das ''wǔdāngpai'' örtliche Stile und beeinflusste in Folge die Entstehung mehrerer großer Systeme, die sich im ganzen Land verbreiteten.<br />
<br />
== Allgemeines zur ''nèijiā'' ==<br />
Obwohl der Einfluss des Daoismus auf die frühen Kampfkünste Chinas gewaltig war, gewannen im 6. Jahrhundert die buddhistischen Richtungen überhand und gründeten im Shǎolín-Kloster ([[Shǎolínsì]]) eine eigene große Kampfkunsttradition, die die Grundlage für die ''[[wàijiā]]'' (äußere Schule) bildete. Doch diese war nicht von allem bereits Bestehenden getrennt, sondern übernahm viele der daoistischen Ideen. Ob die daoistischen Systeme (''nèijiā'') neben den buddhistischen weiterexistierten, ob sie für einige Jahrhunderte miteinander verschmolzen, um später wieder neu aufzuerstehen, oder ob sie aus der buddhistischen Tradition erwuchsen, um die alten daoistischen Werte wieder neu zu entdecken und sich dadurch von den Shǎolín-Richtungen zu unterscheiden, kann heute nicht geklärt werden. Sicher ist, dass sie einen großen Einfluss auf die Shǎolín-Systeme ausübten.<br />
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== Die Entstehung der Stile ==<br />
Die erste Erwähnung der wieder auferstandenen daoistischen [[Kampfkunst]], die sich zur Unterscheidung vom bereits bestehenden Shaolin quanfa als ''nèijiā'' (innere Schule) bezeichnete, finden wir im 13. Jahrhundert n.Chr., als der Eremit Zhāng Sān Fēng im Wǔdāng-Gebirge (Bergregion südlich von Beijing in der Provinz Hubei) eines Tages während seiner Meditation den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtete. Man glaubt, dass dieser Mann vorher in einem der Shǎolín-Klöster lebte und sich zumindest intensiv mit dem ''shǎolín quánfǎ'' auseinandersetzte. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels, der allmählich ermüdete, beständig auswich, soll Zhāng Sān Fēng erkannt haben, dass das Ausweichen der Schnelligkeit überlegen ist. Auf den Grundlagen der daoistischen Philosophie gründete er den Kampfstil ''wǔdāngpai'', den Vorfahren aller Stile der inneren Richtungen. Später zerfiel dieser Stil in mehrere Zweige, die jedoch als Oberbegriff die Bezeichnung ''wǔdāngpai'' (Stil vom Wǔdāng-Gebirge) beibehielten.<br.>Zhāng Sān Fēngs System betonte in der Ausführung die daoistische Lehre von der Harmonie, von der Einheit zwischen Körper und Geist und vom beständigen Wandel (''[[Dào (Prinzip)|dào]]'', ''[[Yīn und Yáng|yīn]]/[[Yīn und Yáng|yáng]]'' und ''[[qì]]'') und war im Vergleich zum Shǎolín-System weniger körperbetont. Zhāng Sān Fēngs Kampfkunst drückte damit eine jahrtausendealte Idee aus, und selbst wenn es stimmt, dass sie zuerst im Shǎolín-Kloster geübt wurde, liegt hier sicherlich nicht der Ursprung der inneren Systeme, sondern nur ein Berührungspunkt.<br />
<br />
== Das Prinzip der inneren Kraft ==<br />
Daher bleibt die heute vielverbreitete Theorie, dass die inneren (weichen) Systeme (''nèijiā'') sich aus dem ''[[shǎolín quánfǎ]]'' abgeleitet hätten, nach wie vor unbestätigt und unwahrscheinlich. Vielmehr griffen sie die alte daoistische Philosophie auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Die ''dào'' ( ''lù'' und ''[[Kata (Form)|kata]]'') dieser Systeme enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes ab, auf dessen Grundlagen der Zugang zum ''[[qì]]'' (vitale Energie) möglich wird. Die Bewegungen zeichnen sich durch ausgewogene Stellungen und weniger Dynamik aus. Ihr höchstes Prinzip ist die Entwicklung von ''qì'', das durch den Einklang zwischen Geist und Körper zugelassen werden kann. Es gibt mehrere große Schulen, die sich im Laufe ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflusst haben: Wǔdāngpai, aus dem sich das ''[[tàijíquán]]'', das ''[[bāguàquán]]'', das ''[[xíngyìquán]]'', das ''ziyanmen'' und das Liuhe Bafa entwickelten. Ihr Ursprung begründet sich in der daoistischen Philosophie. Über die Meister [[Yara Chatan]], [[Higashionna Kanryō]], [[Miyagi Chōjun]] und [[Uechi Kanbun]] beeinflussten sie die [[Okinawanische Kampfkunst|okinawanischen Schulen]] des ''[[shōrei ryū]]''.<br />
<br />
== Prinzipien der ''nèijiā'' ==<br />
Kraftübertragung, die nicht der Verbesserung der Effektivität der Technik dient, ist nutzlos. Die fünf Sinne werden so weit verfeinert, bis der 6. Sinn entsteht. Alle Übungen werden mit extremer Konzentration durchgeführt. Nachgiebigkeit und Gewandtheit besiegen immer die rohe Kraft. Alle Bewegungen verschmelzen zu einer einzigen, unendlichen Bewegung. Es gibt keinen Bruch im Denken und Handeln. Die Bewegungen sind flüssig und rund. Höchstmögliche Entspannung und Qì-Kontrolle. Harmonie des Menschen durch Kontrolle von Atmung und Geist. Kombination von Sanftheit und Härte.<br />
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== Der Einfluss der Tierformen ==<br />
Bereits seit [[Huá Tuó]] existiert die Idee der Beobachtung von Tierbewegungen (''[[wǔqínxì]]'' und ''[[wǔxíngxì]]'') in den daoistischen Richtungen (''[[dàojiā]]'' 道家 - „Schule (''jiā'') des Weges (''dào'')“ und ''[[dàojiào]]'' 道教 - „Lehre (''jiào'') des Weges (''dào'')“), die sich neben einer Vielzahl von anderen Übungen des Qigong in den verschiedenen Kampfkunstkonzepten fortsetzte. Auf jeden Fall ist die Beobachtung von Tieren sowohl in den inneren als auch in den äußeren Richtungen zum Nährboden zahlreicher Techniken geworden, die sich auch in den heutigen ''dào'' (''kata'') wiederfinden. Viele chinesische Stile imitieren nur ein bestimmtes Tier, andere verbinden die Bewegungen verschiedener Tiere. Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Im ''xíngyìquán'' z.B. sind die Tierformen in 12 verschiedene Tierstile (''[[shíèrxíngquán]]'') eingeteilt, die als ''dào'' geübt werden: [[Lóng|Drache]], [[Hū|Tiger]], [[Hóu|Affe]], Pferd, Falke, Schwalbe, Adler, [[Xióng|Bär]], Schildkröte, [[Shé|Schlange]], [[Bào|Leopard]], und Küken. Darüberhinaus werden in den verschiedenen Stilen auch noch andere Tierverfahren geübt wie Leguan, Hahn, Habicht, Lerche, Auster, Kamel und der mythische Vogel Tai.<br />
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== Systeme der ''nèijiā'' ==<br />
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Heute sagen manche, die Systeme der ''nèijiā'' hätten sich allesamt aus dem ''[[shǎolín quánfǎ]]'' abgeleitet. Doch diese Theorie ist nicht bestätigt. Im [[Shǎolínsì|Shǎolín-Kloster]] verbanden sich daoistische und buddhistische Ideologien zu einem gemeinsamen Konzept und entwickelten viele Ausdrucksformen. Einige davon sind unten dargestellt:<br />
<br />
* '''[[Tàijíquán]]''' (T´ai chi Ch´uan) - Zhāng Sān Fēngs<br />
* '''[[Bāguàquán]]''' (Pakua Ch´uan)- Dong Hai Quan<br />
* '''[[Xíngyìquán]]''' (Hsing I Ch´uan)- Chi Chi Ki<br />
* '''[[Liangyiquan]]''' (Liang I Ch´uan)- unbekannt<br />
* '''[[Szuhsiangquan]]''' - unbekannt<br />
* '''[[Taiyiquan]]''' (T´ai I Ch´uan) - Chen Wang Ting<br />
* '''[[Ziyanmen]]''' (Tzujanmen)- unbekannt<br />
* '''[[Liuhe Bafa]]''' (Luihopafa)- Wu I Hwei<br />
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Aus der oberen Liste etablierten sich die Hauptsysteme der ''nèijiā''. Wir wollen sie hier noch einmal aufführen und kurz erläutern:<br />
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* '''[[Tàijíquán]]''' (太極拳) - basierend auf dem Prinzip des ''[[tàijí]]''. Innerhalb dieses Prinzips gibt es viele Konzepte, aus denen vor allem fünf Stile gewonnen werden: ''chén tàijíquán'', ''yáng tàijíquán'', ''wú tàijíquán'', ''wǔ tàijíquán'' und ''sūn tàijíquán''.<br />
* '''[[Xíngyìquán]]''' (形意拳) - das ''xíngyìquán'' baut auf den fünf Wandlungsphasen (''[[wǔxíng]]'') der chinesischen Kosmologie (Erde, Wasser, Holz, Feuer, Metall) auf und begründet seine Formen (''[[xíng]]'') auf dem Verhaltensstudium von zwölf Tieren (''[[shíèrxíngquán]]'': Drache (''[[lóng]]'' - 龍), Tiger (''[[hū]]'' - 虍), Affe (''[[hóu]]'' - 猴), Pferd (mǎ - 马) , Leguan, Hahn (''gōngjī'' - 公鸡), Falke, Schwalbe (''yàn'' - 燕), Schlange (''[[shé]]'' - 蛇), Kranich (''[[hè]]'' - 鶴), Adler (''yīng'' - 鹰) und Bär (''[[xióng]]'' - 熊)). Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Das System hat seine Wurzeln im ''[[Yìjīng]]'' (I Ging) und beeinflusste die Gründung des späteren ''bāguàquán''.<br />
* '''[[Bāguàquán]]''' (八卦拳) - das ''bāguàquán'' ist eines der größten Systeme des daoistischen chinesischen Boxens, als Folge von Beeinflussungen aus dem älteren ''xíngyìquán''. Es begründet seine esoterischen Wurzeln auf dem Prinzip der ''[[bāguà]]'' aus dem ''yìjīng''. Sein kämpferisches Konzept ist vom ''tàijíquán'' abgeleitet. ''Bāguàquán'' wurde erst um 1790 entwickelt. Es enthält sehr schnelle Kreis- und Drehbewegungen und ebenso schnelle Fußtechniken. Bevorzugt wird jedoch die offene Hand.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Quánfǎ]] | [[Nánquán]] | [[Wàijiā]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
<br />
<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Chinesische Kampfsysteme]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Kime&diff=16004Kime2014-11-11T01:05:05Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Werner Lind]]<br />
<br />
'''''Kime''''' (jap.: 決め) bedeutet „Entscheidung“ (entscheidende Technik). Der Begriff bezeichnet den Moment der Übertragung des ''[[ki]]'' durch eine Technik mit destruktiver Wirkung auf ein Ziel und wird auch noch mit Brennpunkt, Kraftkonzentration oder Zentrum der Kraft übersetzt. Mit ''kime'' meint man das Zusammenwirken der körperlichen und geistigen Kraft (''ki'') in einer Handlung. Seine Verwirklichung setzt die Dreieinheit (''[[sanmi ittai]]'') zwischen Geist (''[[shin]]''), Technik (''[[gi]]'') und Körper (''[[tai]]'') voraus, die in den Kampfkünsten als ''[[shingitai]]'' bezeichnet wird.<br />
<br />
==Definition des Kime==<br />
[[Bild:Kime.jpg|thumb|right|200px|Bruchtest]]<br />
''Kime'' ist der äußere Ausdruck der in einer Übung erreichten inneren Kontrolle des ''ki'' / ''[[qì]]'' und hat seinen Ursprung in einer inneren Verfassung (''[[shisei]]''), die man ''[[aiki]]'' nennt. ''Aiki'' steht für die in allen Wegübungen (''[[Dō (Weg)|dō]]'') angestrebte innere Haltung, die nach den Prinzipien des Weges zu verwirklichen ist. Darin ist ''[[ai]]'' das Prinzip der Liebe (''[[jin]]''), der Harmonie und Anpassung, eines der Grundkonzepte in allen asiatischen [[Budō]]-Künsten, das darauf verweist, dass auch die Wirkung der bloßen Technik (''[[shōsa]]'') im ''budō'' nicht allein durch das Wollen zu erreichen ist, sondern einer inneren Übung zur Anpassung und Selbsterkenntnis (Budō-Psychologie) bedarf.<br />
''Aiki'' steht für die durch wahre Selbsterkenntnis erreichte Harmonie in der inneren Verfassung (''[[shitei]]''). Trotz der in den Kampfkünsten erworbenen Fähigkeiten (''[[waza]]''), ermöglicht ''aiki'' ein Dasein ohne die Absicht des Tötens (''[[ahimsâ]]'') oder Verletzens und die Erkenntnis der rechten Haltung gegenüber der Welt. ''Aiki'' ist die durch Selbsterkenntnis erreichte Kontrolle (''[[sun dome]]'') des inneren ''ki'', ohne die eine Projektion nach außen (''kime'') in der Technik nicht möglich ist. Die Wirkung der Technik hat daher ihren Ursprung in der Verwirklichung der psychischen und physischen Gleichgewichtsmitte (''[[hara]]''), also im „Zulassen“ nicht im „Machen“".<br />
Letztlich bedeutet ''aiki'' die höchste Harmonie des bewussten Daseins überhaupt, die aus der Verbindung zwischen den Prinzipien Liebe (Bewahren, Achten, Vertrauen) und Energie (Streben, Erreichen, Wirken) besteht. Das rechte Verhältnis zwischen ''ai'' und ''ki'' (''aiki'' oder ''[[kiai]]'') ermöglicht bewusstem Leben, sich in seiner von der Natur auferlegten Doppelbestimmung (Streben und Achten, ''[[mosshoseki]]'') sinngerecht zu entfalten. Die höchste Wirkung des ''aiki'' (''kiai'', die höchste Form des ''kime'') resultiert letztendlich aus einer inneren Verfassung, die dem Wirken der Natur entspricht.<br />
<br />
==Formen des Kime==<br />
Die Anwendung von ''kime'' in den Techniken der Kampfkünste hat daher nichts mit der rohen Körpertechnik (''[[shōsa]]'') zu tun, sondern entspricht demselben philosophischen Prinzip, das dem gesamten ''budō'' zugrunde liegt: das Erreichen einer inneren Verfassung (''[[shisei]]''), durch die nach dem Beispiel des Wirkens der Natur (''[[dào]]'') wahrhaftige Handlung (''[[ikken hissatsu]]'') möglich wird. Daher ist die Verwendung von Körperkraft in der Technik nicht die einzige, sondern nur eine Möglichkeit. Kime-Techniken können in den Kampfkünsten auf mehrere Weisen ausgeführt werden:<br />
<br />
{|align="left style="border:1px solid #8888aa;background-color:#f7f8ff;margin:10px;padding:5px;font-size:100%;"<br />
|-----<br />
|colspan="2"|'''Kime - Die Entscheidung'''<br />
<div style="font-size:92%"><br />
Im ''[[karate]]'' lassen sich mehrer Technik-Gruppen klassifizieren,<br.>innerhalb derer negative Energie im ''kime'' übertragen werden kann:<br />
<br />
*Lange Distanz (''[[tō ma]]'')<br />
: - ''[[Atemi waza]]'' - Schläge, Stöße, Tritte<br />
*Mittlere Distanz (''[[chūkan ma]]'')<br />
: - ''[[Atemi waza]]'' - Schläge, Stöße, Tritte<br />
*Kurze Distanz (''[[chika ma]]'')<br />
: - ''[[Atemi waza]]'' - Schläge, Stöße, Tritte<br />
: - ''[[Tuite waza]]'' - Fingergriffe<br />
: - ''[[Nage waza]]'' - Würfe<br />
: - ''[[Kansetsu waza]]'' - Gelenkverdrehungen<br />
: - ''[[Shime waza]]'' - Würgen<br />
*Kombinierte Methoden (''[[awase]]'')<br />
: - ''[[Katame waza]]'' - Immobilisieren<br />
: - ''[[Hodoki waza]]'' - Befreiungen<br />
</div><br />
|}<br />
<br />
In den modernen Kampfkünsten ist ''[[Schock-Kime]]'' (''[[atemi waza]]'') die meist gebrauchte Form der Energieübertragung. Dies vor allem deshalb, weil viele Übende glauben, dass sie ohne Training am ''[[makiwara]]'' ''Ki''-Übertragungen verstehen könnten und Überraschungen erleben, wenn sie tatsächlich ein Ziel treffen sollen. Diese Anwendungsmethoden der mechanischen Schocktechniken lassen sich nicht über das alleinige Körperprinzip erreichen, denn ihre Grundlage liegt außer im ''Makiwara''-Training auch in den psychischen Bereichen des ''Ki''-Umgangs. Daher ist eine spezielle Übung über das ''[[Kihon]]''-Training hinaus nötig. Diese Techniken enthalten verschiedene Formen der Kraftanwendung (''[[muchimi]]'', ''[[chiru]]'' ''[[no chan-chan]]'', ''[[nujisashi]]'' und ''[[chinkuchi kakin]]'') und haben in den ''[[Kata (Form)|kata]]'' eine große Anzahl von Verfahren entwickelt, die in verschiedenen Kata-Anwendungen (''[[ōyō]]'') verwirklicht werden und über die herkömmlichen Verfahren der ''Kihon''-Übung hinausgehen müssen. In den ''[[okinawa]]nischen'' Kampfkünsten gibt es dafür eine spezielle Terminologie, die den Fortschrittsgrad dieser Formen des ''Kime'' bezeichnet. Als Überbegriff wird dafür die Bezeichnung ''[[shimeijurasan]]'' gebraucht, die gleichzeitig für die stetige Perfektion des optischen ''Kata''-Aspektes gebraucht wird.<br />
<br />
===Siehe auch:===<br />
[[Ki]]| [[Kiai]] | [[Atemi]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* Francis Didier: ''Karate dō - L´Esprit Guerrier.'' Sedirep 1988.<br />
* [[Werner Lind]]: ''Karate Grundlagen, Kihon, Kata, Kumite.'' BSK 2005.<br />
* Werner Lind: ''Budo - Der geistige Weg der Kampfkünste.'' O. W. Barth 1993.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
[[Kategorie: Ki]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=W%C3%A0iji%C4%81&diff=16003Wàijiā2014-11-08T23:33:06Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]], [[Karate Kumite]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
Die Systeme der '''wàijiā''' (chin.: 外家) bezeichnen direkte Ableitungen aus dem ''shǎolínquán'', die ab 1673 von vertriebenen Shǎolín-Mönchen in den Zweigstellen des Shǎolín-Klosters unterrichtet wurden. Dort entwickelten sie extrem kämpferische Stile und gründeten geheime Bruderschaften (''huìdǎng''), die gegen die Herrschaft der Mandschu konspirierten. <br />
In der Folgezeit verlagerten sich die Kampfkonzepte aus den Klöstern zunehmend mehr in Privatschulen (''guān''). Dort entstanden Strömungen und Stile des ''[[shǎolín quánfǎ]]'', die vor allem eine schnell erreichbare Kampffähigkeit beabsichtigten. Den ''guān'' standen meist gut ausgebildete Lehrer (''[[shīfu]]'') vor, die den Widerstand gegen die Mandschu organisierten. Vor allem auf der Fähigkeit zum Kämpfen begründen sich die „äußeren Schulen“ (''wàijiā''). Im Rahmen der ''wàijiā'' entstanden im Süden die Stile des ''[[nánquán]]'' („Faust des Südens“) und im Norden die Systeme des ''[[běitǔi]]'' („Bein des Nordens“). Die Begriffe unterscheiden lediglich die geografische Lage nördlich und südlich des ''chángjiāng'' (langer Fluss, auch ''yángzǐjiāng'' / ''jang-tsekiang'') und begründen ihre Verfahren auf den Gegebenheiten des Landes.<br />
<br />
== Die Entstehung der Schulen ==<br />
Die heutigen „äußeren (harten) Systeme“ (''wàijiā'') stehen repräsentativ für das im ''shǎolín'' ursprünglich entwickelte Konzept. Durch die Zerstörung des Klosters im 16. Jahrhundert verließen viele Kampfkunstexperten das Kloster und siedelten sich in verschiedenen Teilen des Landes an. Sie unterrichteten das ''[[shǎolín quánfǎ]]'' in privaten Schulen (''[[guān]]'') und gründeten viele neuen Stile.<br />
Während der Ming Dynastie verbreitete sich das ''shǎolín quánfǎ'' im ganzen Land, und überall entstanden hervorragende Schulen, welche die 170 Tierverfahren (Wuxingxi) verbesserten und erweiterten. Anfangs lebten sie in friedlicher Koexistenz zusammen, doch bald entbrannte ein heißer Konkurrenzkampf zwischen den weltlichen Schulen und dem Shaolin Kloster, der das Prestige des Klosters stark schädigte. Viele Mönche verließen daraufhin das Kloster und eröffneten Privatschulen. Manche von ihnen gingen nach Japan, wie der berühmte Chen Juan Bing, der im Jahre 1558 im Shokokuji-Tempel von [[Edo]] eine [[Jūjutsu]]-Schule gründete, die auf dem ''shǎolín quánfǎ'' aufgebaut ist.<br />
<br />
Nach ihrer Verbreitung außerhalb des Tempels teilte sich das ''shǎolín quánfǎ'', analog zur Entwicklung des ''[[chán]]'', in die „Nördlichen Schulen“ (''[[běitǔi]]'') und in die „Südlichen Schulen“ (''[[nánquán]]''). Bezeichnend für die Nördlichen Schulen (Bein des Nordens) sind höhere Stellungen, schnelle Stoß- und Schlagtechniken, hohe Fußtritte, Sprünge und flüssige Bewegungen. Die Südlichen Schulen (Faust des Südens) bevorzugen Fausttechniken und festere Stände. Doch die Unterteilung in Nord und Süd ist ebenso wie die Unterteilung in Innen und Außen sehr umstritten (Einleitung).<br />
''Nanquan Beitui'' (Faust des Südens und Fuß des Nordens) ist ein Begriff, der die gesamten Stile des äußeren ''[[quánfǎ]]'' umfasst. Er bezieht sich auf die geografische Lage nördlich und südlich des Changjiang (Yang tse kiang) und begründet sich folgendermaßen: Der Süden ist das Land der Pfirsiche und der Reiskultur, wo die Menschen einen Teil ihres Lebens im Wasser verbringen. Die Haltungen sind statischer, das ''quánshù'' (anderer Begriff für ''quánfǎ'') bevorzugt daher die oberen Gliedmaßen zum Abwehren und zum Angreifen. Bezeichnend dafür ist die südliche Cai-Schule, die viele Techniken mit den oberen Extremitäten ausführt und wenig Beinarbeit leistet. Der Norden dagegen ist das Land der großen Räume, die Nomaden und Jäger benutzten Pferde. Das ''quánfǎ'' verwendet lange „fliegende“ Techniken, akrobatische Tritte und zahlreiche Ausweichbewegungen.<br />
<br />
==== Nánquán - Faust des Südens ====<br />
Der chinesische Süden ist das Land der Pfirsiche und der Reiskultur. Die dort ansässigen Menschen verbrachten einen großen Teil ihres Lebens auf Booten oder im Wasser. Entsprechend der geographischen Gegebenheiten wurden in diesen Systemen überwiegend Handaktionen in der Nahdistanz verbunden mit festen Stellungen gelehrt. Die Fußtechniken wurden weniger betont.<br.>Den Ursprung der südlichen Systeme (''nánquán'' 南拳) vermutet man in der Initiative von legendären Vorvätern, die man als „[[Fünf Alte]]“ bezeichnet. Sie konnten angeblich dem dem Angriff (1673) der Ming auf das Shǎolín-Kloster entkommen und gründeten in der Provinz ''Guǎngdōng'' einen Geheimbund (''huìdǎng''), der den Widerstand gegen die Mandschu durch die Ausbildung einer extremen Kampfkraft ihrer Mitglieder unterstüzte. Dadurch entstanden zunächst die fünf Hauptsysteme (''guǎngdōng wǔdàmíngjiā'') des außershǎolínischen ''quánfǎ'':<br />
<br />
* '''[[Hóngjiā]]''' 洪家 (''hunggar'') - „Schule des Meisters Hóng“ ([[Hóng Xí Guān]]), südliche Schule (''nánquán'') des ''quánfǎ'' aus [[Guǎngdōng]] mit Ursprung im ''shǎolín quánfǎ''. Der Stil entstand als revolutionäres Kampfsystem der ''huìdǎng'', lehrt die fünf Shǎolín-Tierformen (''wǔqínquán'') und kombiniert sie mit den fünf Elementen (''wūdà'').<br />
* '''[[Liújiā]]''' 劉家 (''laugar'') - „Schule der Familie Liú“ äußerer südchinesischer Stil des ''quánfǎ'', der den Nahkampf betont. Das System gehört zu den fünf großen außershǎolínischen Methoden und stammt von [[Liú Sān Yǎn]] (Liú mit den drei Augen, traditionell: 劉三眼; vereinfacht 刘三眼) aus der Provinz Guǎngdōng oder nach einer anderen These von [[Liú Qing Shan]], aus der Qing-Dynastie (1644 - 1911). Heute wird der Stil in Guǎngdōng (Léizhōu, Gāozhōu) und in [[Guǎngxī]] (Qīnzhōu) geübt und entwickelte mehrere Unterformen.<br />
* '''[[Càijiā]]''' 蔡家 (''choygar'') - „Schule der Familie Cài“, südlicher Stil (''nánquán'') des ''quánfǎ'' der äußeren Schulen (''wàijiā''), einer der maßgeblichen Stile der außershǎolínischen Systeme des ''shǎolín quánfǎ''.<br />
* '''[[Lǐjiā]]''' 李家 (''leigar'') - „Schule der Familie Lǐ“, südlicher Stil (''nánquán'') des ''quánfǎ'', eines der fünf großen Systeme des ''shǎolín quánfǎ''. Das System stammt aus der Provinz Guǎngdōng und wurde von [[Lǐ Yǒu Shān]] (李友山, kantonesisch Lei Yau Saan) gegründet, dessen Vorname auch als Xi Kai oder Ying Hui angegeben wird.<br />
* '''[[Mòjiā]]''' 莫家 (''mokgar'') - „Schule der Familie Mò“, südchinesischer Stil des ''quánfǎ'', ein System von einem der „fünf Patriarchen“ des Shǎolín-Klosters. Es geht auf [[Mò Qīng Jiǎo]] (traditionell: 莫清矯; vereinfacht: 莫清矫) zurück und verbreitete sich in der Provinz Guǎngdōng. Der Stil ist bekannt für seine Handtechniken im Nahkampf und für seine starken Fußtechniken.<br />
<br />
In den südlichen Provinzen [[Fújiàn]] und [[Guǎngdōng]] entstanden bereits seit dem 8. Jh. mehrere Ableger des Shǎolín-Klosters. Doch bald entbrannte ein gegenseitiger Konkurrenzkampf, der viele Kampfexperten veranlasste, die Kloster zu verlassen und Privatschulen (''guān'') zu gründen. Dort entwickelten sie eigene Konzepte, deren Kämpfer die Opposition der ''huìdǎng'' gegen die Mongolen unterstützten.<br.>Neben vielen weiteren Stilen wurden vor allem ''[[báihèquán]]'' („weiße Kranichfaust“), ''[[yǒngchūnquán]]'' (''[[wingchun]]'' 詠春) und ''[[báiméiquán]]'' („weiße Augenbraue“) entwickelt. Manche chinesischen Meister gingen nach Japan, wie der bekannte [[Chén Yuán Bīn]], der im Jahre 1638 im Tempel [[Shōkokuji]] (nahe [[Kyōto]]) eine Schule gründete, die aufbauend auf den Ring-, Hebel- und Greiftechniken des ''shǎolín quánfǎ'' das japanische ''[[jūjutsu]]'' entwickelte.<br />
<br />
==== Běitǔi - Bein des Nordens ====<br />
Das ''quánfǎ'' aus dem Norden Chinas (''[[běitǔi]]'' 北腿) stammt hauptsächlich aus der Provinz [[Héběi]], in der sich bereits seit dem 8. Jh. mehrere Kopien des Shǎolín-Klosters etablierten. Man vermutet, dass es auch über die Grenzen Chinas hinaus viele solcher Kloster gab. In Korea nannte man sie ''solin'', in Vietnam - ''thieulam'' und auf [[Okinawa]] - ''shōrin''. Bekannt wurde das Kloster am Ufer des Sees Honglong, das 1341 erbaut wurde.<br.>Bezeichnend für die nördlichen Schulen sind hohe Stellungen, schnelle Stoß- und Schlagtechniken, Fußtritte, Sprünge und flüssige Bewegungen. Das ''běitǔi'' verlässt sich traditionell auf eine flexible Fußarbeit und das Durchbrechen der gegnerischen Abwehr aus der langen Distanz. Die Beine rutschen, gleiten, drehen und verschieben sich in einem beständigen Fluss. Fast gegen jede Aktion des Gegners werden Fußtritte eingesetzt. In den nördlichen Systemen werden zuerst Bewegungen mit weicher Kraft gelehrt, dann geht man langsam zu harten Techniken über und endet in einer Mischung von hart und weich. Man sagt, dass die großzügigen Platzverhältnisse und das Kämpfen zu Pferd die Entwicklung der weiten Distanz förderten.<br.>Die bekanntesten Stile des Nordens (''běitǔi''), die zu den äußeren Methoden (''wàijiā'') gehören, sind ''[[chángquán]]'' (lange Faust), ''[[tánglángquán]]'' (Gottesanbeterin), ''[[luóhànquán]]'' (Arhatboxen), ''[[hóuquán]]'' (Affenstil) u. a.<br />
<br />
== Geistige Grundlagen ==<br />
Das Ziel der Übungen im [[Shǎolínsì|Shǎolín-Kloster war]] die Erleuchtung (''satori''). Auf dem Weg zu diesem Ziel spielte seit [[Bodhidharma]] das Körperprinzip (''[[yìjīnjīng]]'') eine wichtige Rolle. Die Erleuchtung geht von der körperlichen und geistigen Persönlichkeitsmitte (chin. qihai dāntián, jap. ''kikai tanden'') aus, aus der heraus der Übende sich darum bemüht, über die elementar vitalen Kräfte (''[[qì]]'') seines Organismus zu verfügen. Um dies zu erreichen, entwickelten die Mönche des Shǎolín eine Körperschule (''[[qìgōng]]''), durch die sie sich den Zugang zu der natürlichen Bewegungsautomatik erüben konnten. Dies konnte jedoch nur dann gelingen, wenn diese „natürlichen Anlagen“ von den störenden Einflüssen des objektiven Bewusstseins befreit wurden. Dem Erreichen dieses Zieles diente die stetige Wiederholung gleicher Bewegungsabläufe (dào), mit einer nach innen (auf den ''[[dantian]]'') gerichteten aufmerksamen Konzentration. Dazu wurden die taolu (jap. kata) verwendet. Anfangs waren diese auch im Shǎolín nicht kampforientiert. Sie ergänzten die zen-buddhistische Meditationsschule und dienten dem Zweck, die Harmonie zwischen Körper und Geist zu vervollkommnen. Bald jedoch stellte sich heraus, dass dieses ebenfalls meditative Ziel die höchste Bewusstseinsstufe für den Kampf darstellte. So entstand das ''shǎolín quánfǎ'' (jap. ''[[kenpō]]''), und die Mönche setzten es ein, um sich gegen ihre Feinde zu wehren.<br />
<br />
Sowohl die daoistischen als auch die buddhistischen Systeme suchten Mittel und Wege, durch die sie sich den Zugang zu den vitalen Kräften des Lebens verschafften, die durch den bewusst eingesetzten Willen nicht abrufbar waren. Man wusste, dass diese vitalen Kräfte (qi, jap. ki) jenseits jener Grenze lagen, die durch rein physisches Training erreicht werden konnte.<br />
Die zur Erleuchtung beitragenden Körperübungen der zenorientierten Künste starteten aus der Vorstellung von einem körperlichen und geistigen Energiezentrum (''[[hara]]''), dem man durch suggestive Bekenntnis alle Handlungsteuerungen überträgt, die dem rationalen Bewusstsein nach und nach entzogen werden. Man entdeckte, dass der Mensch im Vertrauen in diese Mitte lernen konnte, erneut über seine elementar vitalen Kräfte zu verfügen, von denen man anhand von Tierbeobachtungen wusste, dass sie die rational gesteuerten Aktivitäten in vielen Hinsichten übersteigen. Zu diesem Zweck entwickelte man neben der Meditation eine gymnastische Körperschule, in der man durch Automation die Bewegungssteuerung dem energetischen Persönlichkeitszentrum übertrug, was man dann durch Wiederholungen gleicher Bewegungsabläufe immer mehr auszubauen versuchte.<br />
Man wusste, dass der Zugang zu diesen Kräften nicht zu schaffen war, indem man sich bewusst darum bemühte. Der Mensch kann im Gegensatz zum Tier diese natürliche Energiequelle nicht nutzen, weil ihm dazu seine eigene „Bewusstgewordenheit“ im Wege steht. Daher war es nötig, eine innere Haltung (''[[shisei]]'') zu erreichen, in der ein Ausgleich zwischen rationalem und intuitivem Erkennen der Wirklichkeit möglich wurde. Die Bemühung, die Handlungsweise des Dao zu verstehen und in der eigenen Haltung zu verwirklichen, führte letztendlich zu dem umfangreichen Komplex von Körperübungen, die im modernen ''[[budō]]'' durch das Dō gekennzeichnet sind.<br />
Die Fähigkeit, die natürliche Vitalenergie (Qi) zu benutzen, die jedes Tier besaß, war beim Menschen durch den Anspruch seines egozentrischen Ich auf Vorrangigkeit verbaut. Man musste sich also von den beständig falschen Schlüssen der fixierenden Ratio, von den störenden Einflüssen aus dem Ichgefühl und von den Vorurteilen des logischen Denkens befreien und einen Geist (Mushin - der absichtslose Geist) verwirklichen, der in der Lage war, Zusammenhänge intuitiv zu erspüren. In unzähligen Studien wurde dazu das Verhalten verschiedener Tiere (Wuqinxi) beobachtet. Man ahmte die Weise eines Tieres nach und versuchte zu verstehen, was das Tier dazu veranlaßte, das zu tun, was es tat, und wie es in den Handlungen seine energetische Energie verwendete. Deshalb sind die meisten heute existierenden Kampfkunst Kata abgeleitete Tierbewegungen.<br />
Auf diese Weise begannen sich die Konturen des Weges (dō) in den Übungsformen der Kampfkünsten abzuzeichnen. Man brauchte das Körperprinzip, um den Zugang zur Vitalenergie zu schaffen und die Perfektion der inneren Haltung, weil die Ich-Haltung diesen Weg verhinderte. Aus diesem Grund enthalten alle Wegübungen die Technik (''[[waza]]''), den Geist (''[[shin]]'') und die Energie (Ki) als wichtigste Schwerpunkte der Übung.<br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Quánfǎ]] | [[Nánquán]] | [[Nèijiā]] <br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
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[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Chinesische Kampfsysteme]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=D%C3%A0o_(Prinzip)&diff=15979Dào (Prinzip)2014-10-28T02:23:54Z<p>Werner Lind: </p>
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<div>'''Artikel aus:'''[[Lexikon der Kampfkünste]]'''<br.>Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
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'''Dào (dǎo)''' (chin.: 道), auch '''tao''', jap.: ''[[Dō (Weg)|dō]]'' (Weg) ist ein Begriff aus dem [[Chinesischer Daoismus|chinesischen Daoismus]]. ''Dào'' bezeichnet die Natur, die übergeordnete Gesetzmäßigkeit des Universums, die nicht erfassbare Ordnung aller sichtbaren Veränderungen, die alle Dinge dem ewigen Werden und Vergehen unterwirft.<br />
<br />
Der Begriff ''dào'' (''dǎo'') bezeichnet die Wirkungsweise der Natur, die übergeordnete Gesetzmäßigkeit des Universums, die logisch nicht erfassbaren Antriebe und Veränderungen, die alle den natürlichen Prozessen, dem ewigen Werden und Vergehen des Lebens unterworfen sind. Mit ''dào'' versucht man, eine Erklärung des existenziellen Seins abzugeben. Das Prinzip ist in allen Kulturen der Welt bekannt und hat Religionen und existentielle Philosophien hervorgebracht, wird aber unterschiedlich interpretiert. In den südostasiatischen Philosophien versteht man darunter das Anpassen an die natürlichen Gesetze. In Europa versteht man darunter (seit Newton) das Unterwerfen der Natur.<br.>Die grundlegende Charakteristik des ''dào'' ist das „Nichts“ (''wújí'', jap. ''mukyoku''). Der Mensch aber kann das „Nichts“ nicht erfassen und die Wirkungsweisen der darin enthaltenen „Leere“ des Seins nicht logisch begreifen. Im „Nichts“ des ''dào'' existieren jedoch aktive kosmische Energien (''[[qì]]''), die die Prozesse des Universums und die Wandlungsrhythmik des „Werdens und Sterbens“ aller Lebewesen lenken. Sie zu verstehen und durch eine entsprechende Übung im persönlichen Leben zu verwirklichen, ermöglicht ein Herauslösen aus dem persönlichen Ich, das der Anpassung an die natürlichen Gesetze stets im Wege steht.<br.>Im Japanischen wird das Prinzip als ''[[dō]]'' (Weg) bezeichnet und als philosophische Grundlage auf die Kampfkünste des ''budō'' übertragen. <br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Daoismus]] | [[Chinesischer Daoismus]] | [[Dō (Weg)]] |<br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
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[[Kategorie:Daoismus]]<br />
[[Kategorie:Chinesischer Daoismus]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Shintai&diff=15965Shintai2014-10-24T22:08:44Z<p>Werner Lind: </p>
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'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
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'''Shintai''' (jap.: 神体) sind Objekte, die in einem Shintō-Schrein als heilige Reliqien verehrt werden, da sie die Seelen (''[[mitama]]'') der Götter (''[[kami]]'') des ''[[shintō]]'' beherbergen. Sie werden am ''[[shinza]]'' (神座, Kami-Sitz) aufbewahrt.<br />
<br />
===Etymologie===<br />
<br />
Der Begriff shintai (auch go shintai, 御神) ist die sino-japanische Lesung des Wortes mitama shiro (auch yori shiro) und steht symbolisch für den „Wohnort der Geister“ und deren Seelen (mitama).<br />
<br />
===Shintai in den Shintō-Tempeln===<br />
<br />
Die shintai werden in der Haupthalle des Tempels (hondō / honden) in der vorderen Seite (shinza) aufbewahrt, stets abgeschirmt von den Blicken der Besucher. Laien ist der Zugang grundsätzlich verwehrt, da die Reliqien stets in Schutzhüllen verkleidet sind und keine Betrachtung ermöglichen.<br />
<br />
Im hondō können mehrere kami verehrt werden. In diesem Fall teilen sie sich dasselne shintai. Manche Kami verfügen auch über mehrere ursprüngliche shintai. Es befinden sich dann verschiedene Aspekte ihrer mitama darin.<br />
<br />
===Erläuterung===<br />
<br />
Entsprechen der japanischen Mythologie sind die shintai zumeist Reproduktionen der alten kaiserlichen Throninsignien (''[[sanshū no jingi]]'' - Schwert, Spiegel und Edelstein). Doch es kann sich auch um jeden anderen Gegenstand handeln, der vom jeweiligen Tempel als heilig erklärt wurde. Entsprechend entstanden im Laufe der Zeit viele heilige Objekte in den Tempeln (gohei - rituelle Stäbe, kaiga / shinzō - Skulpturen, u.a. Diese wurden allesamt im Zuge der Politisierung des shintō (''shinbutsu bunri'') zerstört. <br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:'''<br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
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ū ō<br />
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=== Weblinks ===<br />
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[[Kategorie: Shintō]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Shinshin&diff=15964Shinshin2014-10-23T22:26:20Z<p>Werner Lind: </p>
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'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
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Der Begriff '''Shinshin''' (jap.: 心身) bedeutet „Körper und Geist“ und ist ein Prinzip aus ''[[shingitai]]''. Er bezeichnet die Verbindung der Ganzkörperbewegung (''shitai undō'') mit allen dem Menschen zur Verfügung stehenden geistigen Kontrollinstanzen (''shin''). Dadurch verändert sich die körperliche Übung (''keiko'') in ein anhaltendes psycho-physisches Studium der Selbstbetrachtung. <br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:'''<br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
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[[Undō]]<br />
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ū ō<br />
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=== Weblinks ===<br />
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[[Kategorie: shingitai]]<br />
[[Kategorie: hara]]<br />
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'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
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Der Begriff '''Shinshin''' (jap.: 心身) bedeutet „Körper und Geist“ und ist ein Prinzip des ''[[shingitai]]''. Er bezeichnet die Verbindung der Ganzkörperbewegung (''shitai undō'') mit allen dem Menschen zur Verfügung stehenden geistigen Kontrollinstanzen (''shin''). Dadurch verändert sich die körperliche Übung (''keiko'') in ein anhaltendes psycho-physisches Studium der Selbstbetrachtung. <br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:'''<br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
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[[Undō]]<br />
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ū ō<br />
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=== Weblinks ===<br />
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[[Kategorie: ]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Hara&diff=15962Hara2014-10-23T22:11:00Z<p>Werner Lind: /* Shingitai - Die Dreieinheit */</p>
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<div>'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
[[Datei:Tanden.JPG|200px|thumb|right|''Hara'']]<br />
Der Begriff '''Hara''' (jap.: 腹 oder 腹), wird im japanischen Alltangsverständnis zunächst mit „Bauch“ (''fukubu'' oder ''onaka'') übersetzt und meint die Körpergegend vom Magen (''I'', 胃) bis einschließlich Unterleib (''tanden''). Über den körperlichen Begriff hinaus ist ''hara'' jedoch auch ein zentrales Prinzip der japanischen Lebensart, mit weitreichender Bedeutung im Alltag und in den Künsten (''geidō'').<br.>In [[China]] wird der verallgemeinernde Bauchbegriff nicht direkt verwendet, dafür umso mehr das Prinzip ''[[dāntián]]'' (jap.: ''[[tanden]]''), womit die Mitte (chin.: ''[[zhōng]]'', jap.: ''[[naka]]'') des ''hara'' bezeichnet wird. Die Bezeichnung ''hara'' ist in Japan ein Alltagsbegriff, der in der detallierten Betrachtung eigentlich das differenzierendere ''tanden'' meint.<br />
<br />
==Etymologie des Begriffes==<br />
Es gibt zwei ''kanji'', mit denen man heute den Begriff schreiben kann. Beide bedeuten ''hara'', doch in der näheren Betrachtung unterscheiden sie sich voneinander. Beide können in unterschiedlichen Übungen (''[[qìgōng]]'' und ''[[bujutsu]]'') zur Steigerung der inneren Vitalkraft (''[[ki]]'', chin.: ''[[qì]]'') oder der äußeren Wirkungskraft (''[[jutsu]]'') verwendet werden.<br />
# '''Hara''' (肚, Erdmitte) - Im '''alten''' ''kanji'' für ''hara'' bedeutet das rechte Radikal „Erde“, das linke „geöffneter Körper“. Das Zeichen drückt sowohl die Zentriertheit als auch das Bodenverhaftete des Menschen im ''hara'' aus und wurde von Dürckheim kongenial als „Erdmitte“ übersetzt.<br />
# '''Hara''' (腹, Bauch) - Die kalligraphische Deutung des '''neuen''' ''kanji'' von ''hara'' bezeichnet ein „Anschwellen des Körpers“ oder ein Behältnis, in dem alle lebenswichtigen Energien aufgenommen, kontrolliert und angewendet werden können.<br />
<br />
==Ausdrucksformen des Hara==<br />
Das körperliche Menschenbild ist in den weltlichen Kulturen von unterschiedlichen Mentalitäten geprägt. Im Westen begann durch die Lehren von [[Isaac Newton]] früh eine überbetonte Verselbständigung des Ich, das durch Erkenntnisse aus den Wissenschaften die '''Unterwerfung der Natur''' anstrebte. Die asiatischen Kulturen hingegen lehrten die '''Anpassung an die Natur'''. Sie lehrten die Überwindung des Ich und ein Leben in Konformität mit den Gesetzen der Natur.<br.>Dadurch entstanden unterschiedliche Körperideale und Mentaltitäten. Auch die Inhalte, Absichten und Übungsformen begannen sich grundlegend zu unterscheiden.<br />
<br />
===Hara in der japanischen Lebensart===<br />
Die Lehre über ''hara'' als psycho-physische Übung wird bereits in die japanische Erziehung als grundlegendes Prinzip integriert. Von klein an werden japanische Kinder zum ''hara'' gemahnt und in diesem Kontext erzogen. In demselben Sinn werden spätere Schüler der Kampfkünste dazu angehalten, ihre Kraft aus der Lendengegend über die Hüftbewegung zu entwickeln und nicht über die Schultern. Damit soll im Hintergrund der Übung ein Ausgleich zwischen den schädlichen Wachstumstendenzen des Ich und den natürlichen Anlagen des Lebens erreicht und durch Übung korrigiert werden.<br.>Jede Aktivität entsteht im ''hara''. ''Hara'' ist der Sitz der Seele, das Medium aller Beweggründe, Gefühle und Absichten, eine übergeordnete Leitinstanz des japanischern Lebens und die intuitive Erkenntnis aller Wahrnehmungen. Das Prinzip des ''hara'' ist keineswegs nur Theorie, sondern wird in der praktischen Übung des ''[[geidō]]'' zum Zentrum jeder Übung. ''Hara'' ist die Grundsubstanz jeder Wegkunst, durch die die Einheit von Geist, Technik und Körper (''[[shingitai]]'') herangebildet werden kann.<br.>Fortschritt in den Wegkünsten definiert sich im Grunde genommen im Erreichen einer höhere Verwirklichungsstufe des ''hara'', weshalb ''hara'' das Zentrum jeder körperlichen und geistigen Übung sein muss. Aussagen wie ''hara wo neru'' („den Bauch üben“), oder ''hara gei'' („die Bauch-Kunst“) sind in Japan so selbstverständlich, dass der Japaner sie überhaupt nicht gesondert erwähnt. Es ist unausgesprochen selbstverständlich, das in allen Wegkünsten, gleich ob Kampfkunst, Zen, Blumenstecken oder Teetrinken, ''hara'' das zentrale Übungsprinzip ist.<br.>Das im Ausdruck sichtbare Gleichgewicht eines Menschen (der vollendete ''hara'') wird in den asiatischen Kulturen keineswegs als naturgegebene Veranlagung, sondern als das Ergebnis einer lebenslangen Übung (''[[keikō]]'') in einer Wegkunst (''geidō'') begriffen.<br />
<br />
===Hara im Westen===<br />
In allen Kulturen der Welt kennt man Unterschiede im körperlichen Erscheinungsbild der Menschen. Der körperliche Ausdruck des Menschen ist in allen Kulturen ein Abbild seiner inneren Beschaffenheit und zeugt von seiner persönlichen Weise, dem Leben zu begegnen.<br.>Fragt man in den westlichen Kulturen nach dem Sitz des Lebens, werden die Menschen mentalitätsbedingt auf den Bereich des Kopfes oder des Herzens deuten. Stellt man diese Frage in den ostasiatischen Kulturen, deuten die Menschen auf den Bauch.<br.>''Hara'' hat im ostasiatischen Raum eine vollkommen andere Bedeutung als im Westen. In Japan bezeichnet ''hara'' den individuellen Ausdruck eines Menschen bezüglich seiner inneren Grundbeschaffenheit und deutet stets darauf hin, ob ein Mensch in seiner „Mitte“ (''[[naka]]'') ist oder nicht. Das westliche Menschenbild hingegen zeugt von einer starken Ich-Kultur und zieht den Schwerpunkt in die Brust. So ist der moderne Körperfetischist (z.B. ein Bodybuilder) nicht bloß ein körperbetonter Mensch. Sein Ich manifestiert sich oberhalb seiner „Erdmitte“ im überbetonten Brust-Schulter Bereich, in dem sich sein Selbstgefühl konzentriert. Unterbewusst oder bewusst lehnt er die Einordnung in ein naturgemäßes Leben ab, sein dezentriertes Ich stellt sich darüber und will gelten.<br.>Als Zentrum des intuitiven Wahrnehmens, Handelns und Ausdrucks ist der Bauch jedoch auch in der westlichen Kultur nicht unbekannt. Wir haben in bestimmten Situationen „Bauchschmerzen“ oder „Schmetterlinge im Bauch“ und entscheiden zuweilen „aus dem Bauch heraus“. Vom Ich-Kult befreite Menschen, wie z. B. Priester oder erfahrene Handwerker erlauben ihrer inneren Haltung, sich zu setzen, und versammelt sich auch körperlich viel weiter unten - sie passen sich seiner von der Natur auferlegten Bestimmung an und vereinigen im Gleichgewicht in sich beide Bestimmungspole des menschlichen Lebens - '''Streben''' und '''Achten''' (''[[mosshōseki]]'').<br />
<br />
==Das kombinierte Konzept - Shingitai und Hara==<br />
Das Konzept über den energetischen Mittelpunkt des Menschen (''hara'') stammt aus den frühen chinesischen Philosophien des [[Daoismus]]. Bereits 5000 v.Chr. stellten die Chinesen die Abhängigkeit des Menschen von den natürlichen Gesetzen des „Lebens und Sterbens“ fest und gründeten körperlich/geistige Übungen (''[[qìgōng]]''), durch die eine bestmögliche Vereinbarkeit des Menschen mit den naturbestimmten Lebensgesetzen zu verwirklichen war. Dabei ging es um die Anpassung des Menschen an die Gesetze der Natur, wodurch eine perfekte '''Lebensharmonie''' und gleichzeitig eine höchstmögliche '''Wirkungsweise''' erreicht werden konnte.<br />
Die Übung des ''hara'' kann nur über ein intensives Studium desselben verstanden und in die Trainings übertragen werden. Dabei geht es stets um die Integration dieser hintergründigen Prinzipien in das Training der Technik. Neben vielen anderen betrachten wir folgend die philosophischen Prinzipien ''shingitai'' und ihre Umsetzung in die praktische Übung.<br />
<br />
===[[Shingitai]] - Die Dreieinheit===<br />
In den japanischen Künsten definiert sich ''hara'' als '''Mitte''' (''[[naka]]'') des Menschen und bildet ein gesamtmenschliches Kontrollzentrum in der die Zusammenführung von Geist (''[[shin]]''), Technik (''[[gi]]'') und Körper (''[[tai]]'') als ''[[shingitai]]'' oder ''[[sanmi ittai]]'' bezeichnet wird. Dieses psycho-physische Konzept zielt auf die '''Ganzwerdung des Menschen''' (''[[shinshin]]''), durch die Übung einer äußeren Technik (''gi'') und bildet das Zentrum aller japanischen Wegkünste (''[[geidō]]''). Erst in diesem Sinn ist das Sprichwort „ob Teetrinken, Blumenstecken oder Sitzen, es ist immer das gleiche“ oder „was richtig geschieht, muss immer mit ''hara'' geschehen“, zu verstehen.<br.>Das Ziel jeder Übung im ''[[budō]]'' ist die Dreieinheit (''sanmi ittai''), zunächst zwischen Körper (''tai / karada'') und Geist (''shin / kokoro''), wodurch es möglich wird, den so genannten Geist-Körper (''shintai'') zu verwirklichen. Dazu braucht der Übende die Anleitung zum richtigen Verständnis seiner Technik (''gi / waza''). Das daraus resultierende Prinzip bezeichnet man als ''shingitai'' (die Einheit von Geist, Technik und Körper). Die Verwirklichung dieser Philosophie in der Praxis geschieht in der kontemplativen Auseinandersetzung mit der Technik in der Übung unter der Anleitung eines ''sensei''. Darin ist die Technik nur Mittel zum Zweck - das Ziel ihrer Übung ist nach wie vor die Einheit von Körper, Geist und Handlung.<br />
<br />
* '''[[Shin]]''' - die Bezeichnung ''shin'' (''[[kokoro]]'') bedeutet "Geist", "Herz" oder "Gemüt". In den Kampfkünsten steht der Begriff für die geistige Haltung und bildet eines der drei grundlegenden Prinzipien in der Verwirklichung von ''hara''.<br.>Der Geist des Weges hat nur wenig mit der theoretischen Philosophie zu tun. Er bedarf des Antriebs zum inneren Kampf um eigenes Denken und Erkennen. Der Weg (''dō'') ist eine beständige Suche nach Wahrheit und kein Nachahmen von vorgedachtem Wissen. Wahrheit ist kein Fakt, sondern eine Relation. Der Sinn des Weges zu ihr liegt im '''Werden''', nicht im '''Erreichen'''. <br />
* '''[[Gi]]''' - der Begriff ''gi'' (''[[waza]]'') bedeutet „Technik“, „Fähigkeit“, „Kunstgriff“. In den Wegkünsten (''geidō'') steht der Begriff für die Übung der körperlichen Technik und bildet damit eines der drei Grundelemente in der Verwirklichung des ''hara''.<br.>''Gi''/''waza'' bedeutet aber nicht nur Technik, sondern kann sich unter korrekter Anleitung in die Interpretation ''[[jutsu]]'' (technische Kunst) erweitern. In diesem Fall wird die Technik '''Mittel zum Zweck''' und dient der Ganzwerdung des Menschen.<br />
* '''[[Tai]]''' - in allen Künsten gibt es ein Instrument, mit dem die jeweilige Kunst zum Ausdruck gebracht wird. In der Literatur ist es die Sprache, in der Malerei der Pinsel, in der Musik z.B. die Flöte - in den Kampfkünsten ist es der Körper, ''tai'' (''karada'').<br.>Der Körper muss für seine auszuführenden Aufgaben trainiert sein und seiner Bestimmung gerecht werden. Er muss durch Training das Prinzip ''hara'' verstehen und anwenden lernen. Im ''karate'' besteht seine erste Herausforderung in der Verwirklichung des Prinzips ''[[yōi]]'' und seinen körperlichen Ausdrucksformen (''[[yōi shizentai]]'', ''[[yōi dachi]]'' und ''[[yōi gamae]]'').<br />
<br />
===Hara - Die Erdmitte===<br />
Zunächst aber muss auf der Basis der Ganzkörperbewegung (''[[shitai undō]]'') die Technik perfektioniert werden. Alle im ''[[geidō]]'' zu erzielenden Persönlichkeitswerte hängen von der Verwirklichung dieses Prinzips ab. Das verbindende Element zwischen Körper und Geist (''[[shinshin]]'') wird in der Philosophie der Körpermitte (''hara'') gesehen. ''Hara'' ist der Sitz der Energie (''[[ki]]''), das Zentrum der Bewegung (''[[undō]]'') und der innerste Kern unseres Selbst. Die gesamte Philosophie des ''budō'' kreist um die Lehre des ''hara'' und ist in den Weglehren unverzichtbar.<br.>In allen Weglehren des ''budō'' geht es nicht um die Übung bloser Körpertechniken, sondern um die Vereinheitlichung von Geist, Technik und Körper '''durch''' das Training der Techniken. Dadurch führt der Lehrer seine Schüler auf einen '''Inneren Weg'''.<br />
<br />
* '''[[Shisei]]''' - die '''Haltung''' ist eine der Ausdrucksformen von ''hara'' und bezieht sich auf die Haltung des Körpers. Aus der in ihrem Mittelpunkt verankerten Gestalt erwächst der obere Körper auf seiner vertikalen Achse in vollkommenem Gleichgewicht nach oben. Der Nacken ist gerade, die Schultern entspannt, während sich die Schwerkraft nach unten senkt und im Bauch (''hara'') versammelt. Man entwickelt das Gefühl einer schweren Kugel in der Bauchgegend, deren Eigengewicht den Stand verankert und die den Oberkörper trägt. Sowohl im Stand als auch in der Bewegung geht es darum, dieses körperliche Gefüge zu erhalten, um die Kraft der Mitte voll zur Geltung kommen zu lassen.<br.>Die Mitte ist das Zentrum der Kraft und das Zentrum des Gleichgewichtes. Durch den Einsatz der Hüfte kommt diese Kraft zur Geltung, indem durch den richtigen Umgang mit dem Schwerezentrum das Gleichgewicht im Stand und in der Bewegung gewahrt wird.<br />
* '''[[Kinchō/Kanwa]]''' - bezeichnet das Verhältnis zwischen '''Spannung und Entspannung''' in allen Handlungen. Unter Berücksichtigung der rechten Haltung (''shisei'') bewegt sich der Körper in der auszuführenden Aktion - immer ausgehend von ''hara'' - entweder in einer Hüftdrehung oder in einem Hüftschub. Um darin höchstmögliche Kraft zu entwickeln, bedarf es des rechten Spannungsverhältnisses der Muskeln in der Bewegung. Grundsätzlich wird jede Bewegung in der Entspannung ausgeführt, um eine maximale Endgeschwindigkeit der Technik (und somit kinetische Energie) zu erreichen, die am Ende durch ein kurzzeitiges Anspannen in destruktive Energie umgesetzt wird.<br />
* '''[[Kokyū]]''' - bezeichnet den Vorgang der '''Atmung'''. In allen Techniken des ''karate'' ist die Atmung von entscheidender Bedeutung. Im unmittelbaren Handlungsvorgang bestimmt sie das „Geben und Nehmen“, das „Spannen und Entspannen“ und den psychologischen Aspekt der Technik. Die Atmung ist nicht nur ein körperlicher Vorgang, sondern kommuniziert mit den psychologischen Strukturen des Menschen: so heißt Einatmen grundsätzlich „Nehmen“ und Ausatmen grundsätzlich „Geben“. Auch ungeübte Menschen verwenden unbewusst dieses Prinzip (z.B. beim Holzhacken - niemand spaltet einen Holzklotz, während er einatmet).<br />
<br />
==Hara in der Übung==<br />
[[Datei:DantianMensch.JPG|240px|thumb||right|Tanden oder Dantian]]<br />
In den Kampfkünsten stehen deshalb die Prinzipien der Haltung (''shisei''), der rechten Spannung (''kinchō'') und der Atmung (''kokyū'') in beständiger Relation zueinander. Wenn man entspannt und aufrecht ist und das Zwerchfell während der Einatmung nach unten zieht, drückt sich der Bauch ganz natürlich nach vorne. Der Atem strömt in den Bauch, in das Zentrum der Kraft (''hara''). Wenn wir ausatmen, drückt das Zwerchfell nach oben, und die Luft strömt heraus. Der Atem strömt in den Bauch, in das Zentrum der Kraft (''hara'').<br />
Der körperliche Ausdruck des Menschen ist stets ein Abbild seiner inneren Haltung (''shisei'') und zeugt von seiner persönlichen Weise, dem Leben zu begegnen. Darin besteht die Lehre des ''budō''. Deshalb sollten ernsthafte Übende schon als Anfänger in den Budō-Künsten sich darum bemühen, zumindest die über die Sinnesreize empfangenen Wahrnehmungen auf die richtige Weise zu tragfähigen Erkenntnissen zu kombinieren. Auch wenn der Anfänger unter der kritischen Anleitung seines Lehrers stätig gegen seine Selbstgefälligkeit kämpfen muss, lernt er in der Zeit Situationen einzuschätzen und versteht letztlich, wann er von anderen gebraucht wird, wann er stört, wie er sich in Situationen heraus- und hineinbegeben muss, wie er eine Situation durch Bekenntnis mitverantworten kann, und wie er überhaupt von einem passiven Mitläufer zu einem aktiven Mitgestalter wachsen kann. Schlüsselpunkte eines solchen Studiums sind Folgende:<br />
<br />
===[[Tanden]] - der Mittelpunkt des Hara===<br />
Der Begriff ''tanden'' bezeichnet den Unterbauch als Schwerkraftzentrum des ''hara''. Im ''tanden'' befindet sich etwa 2 cm unter dem Nabel ''[[kikai]]'' (Meer der Energie), das Energiezentrum des ''hara''.<br.>Der japanische Begriff ''tanden'' leitet sich aus dem chinesischen Wort ''[[dāntián]]'' ab und bezeichnet den Unterbauch des ''hara'' als das Schwerkraftzentrum des Menschen. Während in der chinesischen Ursprungslehre mehrere ''tanden'' existieren, steht in den japanischen Weglehren das untere ''tanden'' im Mittelpunkt der Betrachtung.<br.>Im unteren ''tanden'' wird ein Mittelpunkt klassifiziert, den man als „Meer der Energie“ (''kikai'') bezeichnet. Dieser ist gleichzeitig der sechste Akupunkturpunkt auf dem Renmai-Meridian. Das gesamte Feld des ''tanden'' umfasst noch weitere drei Vitalpunkte, unter deren Hinzunahme dieses Körpergebiet mit einer Beuteltasche verglichen wird, wodurch der Übende lernt, vitale Energie (''ki'') zu sammeln und durch sie zu wirken. Bleibt dieses Reservoir leer, ist die Handlung wirkungslos.<br.>Die japanische Philosophie über ''tanden'' (Unterleib) und ''kikai'' (Meer der Energie) stammt ursprünglich aus China, wo man dafür die Parallelbegriffe ''dāntián'' und ''qihai'' verwendet. Dantian bedeutet im Chinesischen wörtlich „Zinnoberfeld“ und bezeichnet mehrere wichtige Körpergebiete zur Speicherung der Lebensenergie (''ki''). Zinnober war früher ein wertvoller Stoff und galt darüber hinaus in seiner alchimistischen Deutung als Stoff der Unsterblichkeit.<br.>Fortschritt im ''budō'' definiert sich im Grunde genommen im Erreichen einer höhere Verwirklichungsstufe des ''hara'', weshalb ''hara'' das Zentrum jeder körperlichen und geistigen Übung sein muss. ''Hara wo neru'', d.h. „den Bauch üben", oder ''hara gei'' ist so selbstverständlich in den Wegkünsten enthalten, dass der Japaner es überhaupt nicht mehr gesondert erwähnt. Gleich welche Übung man wählt, ob es Kampfkunst, Zen, Blumenstecken oder Teetrinken ist, nie wird die Technik ohne ''hara'' geübt.<br.>Das Ziel ist immer der ganze Mensch. Daher kommt das Sprichwort „ob Teetrinken, Blumenstecken oder Sitzen, es ist immer das gleiche" oder „was richtig geschieht, muss immer mit hara geschehen.“<br.>''Hara'' bezeichnet die Organisation des Menschen auf seiner vertikalen Achse in Bezug auf seine Körperhaltung (''shisei''), Spannung (''kinchō'') und Atmung (''kokyū''). Die Verwirklichung von ''hara'' ist in allen ostasiatischen Wegkünsten ein Zeugnis von menschlicher Reife. Jede Wegübung (''dō'') - also auch ''budō'' - zielt dementsprechend vor allem auf die Persönlichkeitsbildung und auf die Entwicklung der inneren Werte des Übenden. Ohne ''hara'' wird die Kampfkunst zum Wettkampfsport.<br />
[[Datei:Hara.JPG|250px|thumb|right|Hara im Konzept "Yōi"]]<br />
===[[Yōi]] - Der psycho-physische Ausdruck des Hara===<br />
Die Entwicklung von vitaler Energie (''ki'') beginnt immer im Körper (Rumpf). ''Ki'' wird vom ''hara'' ausgehend in die Extremitäten gelenkt. Das Sich-Befinden in der persönlichen Mitte, die auf einer vertikalen Achse zentriert, mit entspannter Stärke und Aufmerksamkeit gefüllt ist und in ruhiger Atmung verharrend die vitalen Kräfte sammelt, kontrolliert und lenkt, bildet die erste Voraussetzung zur Entwicklung von ''kime'' in den Handlungen. Dieses konzentrierte Verharren in der eigenen Persönlichkeitsmitte erzeugt das Gefühl von präsenter Stärke des GANZEN. Es ist die Grundlage der stabilen Körperhaltung in den Ständen und organisiert sämtliche Spannungsverhältnisse auf der vertikalen Achse des Körpers. Sie sollte in der Bereitschaftshaltung (''[[yōi gamae]]'') geübt und später in alle Stände, (''[[tachi]]'') Bewegungen (''[[sabaki]]'') und Techniken (''[[waza]]'') übertragen werden.<br />
<br />
===[[Naka]] - Die Mitte===<br />
''Naka'', das „Prinzip der Mitte“ bestimmt weitgehend das gesamte ostasiatische Leben und weiterführend alle Bereiche der asiatischen Kampfkünste. Bereits im alten China, das man nach wie vor als „Land der Mitte“ bezeichnet, empfand sich der Mensch selbst als Mittelpunkt und organisierte sein Leben ausgehend aus seiner persönlichen Mitte (chin.: ''[[zhōng]]''), die er in seinem ''dāntián'' lokalisierte.<br.>Diese Theorie übertrug sich im ostasiatischen Raum und begründete in Japan das Prinzip der Mitte. Der Mensch als Individuum begriff sich darin immer selbst als das Zentrum seiner Wirkungskreise, musste aber durch zusätzliche energetische Übungen seine persönliche Mitte (''hara'') finden, wahrnehmen und kontrollieren lernen, um in der Welt wirkungsvoll handeln zu können. Ausgehend von der Mitte werden die Richtungen (''hōmen'') entwickelt.<br />
<br />
===[[Hōmen]] - Die Richtungs- und Raumorientierung===<br />
In Japan bezeichnet man die Mitte als ''naka'', die sich im Bauch (''hara'') des Menschen befindet, aus der heraus er sich grundsätzlich in die Richtungen der vier Weltpole bewegt: nach vorn, zurück, nach links und nach rechts. Die gesamte Bewegungstheorie des ''budō'' ist auf diesem Prinzip aufgebaut. Der Übende konzentriert sich auf seinen Bauch (''hara'') und dessen Zentrum (''tanden'') und baut von dort ausgehend jede Technik und Bewegung auf.<br.>Das ''[[karategramm]]'' und das ''[[enbusen]]'' beruhen auf dieser Theorie.<br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Tanden]] | [[Kikai]] | [[Ki]] | [[Naka]] | [[Shingitai]] | [[Dāntián]] | [[Zhōng]] | [[Qìhăi]]<br.>[[Yōi]] | [[Yōi shizentai]] | [[Yōi dachi]] | [[Yōi gamae]] | [[Hō]]<br.><br />
[[Ablage Hara]] <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Karlfried Graf Dürckheim]]: ''Hara - Die Erdmitte des Menschen.''<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Budo - der geistige Weg der Kampfkünste.'' Scherz 1991.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2007.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
<br />
[[Kategorie: Japanische Lebensart]]<br />
[[Kategorie: Hara]]<br />
[[Kategorie: Shingitai]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Hara&diff=15961Hara2014-10-23T22:10:06Z<p>Werner Lind: /* Hara - Die Erdmitte */</p>
<hr />
<div>'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
[[Datei:Tanden.JPG|200px|thumb|right|''Hara'']]<br />
Der Begriff '''Hara''' (jap.: 腹 oder 腹), wird im japanischen Alltangsverständnis zunächst mit „Bauch“ (''fukubu'' oder ''onaka'') übersetzt und meint die Körpergegend vom Magen (''I'', 胃) bis einschließlich Unterleib (''tanden''). Über den körperlichen Begriff hinaus ist ''hara'' jedoch auch ein zentrales Prinzip der japanischen Lebensart, mit weitreichender Bedeutung im Alltag und in den Künsten (''geidō'').<br.>In [[China]] wird der verallgemeinernde Bauchbegriff nicht direkt verwendet, dafür umso mehr das Prinzip ''[[dāntián]]'' (jap.: ''[[tanden]]''), womit die Mitte (chin.: ''[[zhōng]]'', jap.: ''[[naka]]'') des ''hara'' bezeichnet wird. Die Bezeichnung ''hara'' ist in Japan ein Alltagsbegriff, der in der detallierten Betrachtung eigentlich das differenzierendere ''tanden'' meint.<br />
<br />
==Etymologie des Begriffes==<br />
Es gibt zwei ''kanji'', mit denen man heute den Begriff schreiben kann. Beide bedeuten ''hara'', doch in der näheren Betrachtung unterscheiden sie sich voneinander. Beide können in unterschiedlichen Übungen (''[[qìgōng]]'' und ''[[bujutsu]]'') zur Steigerung der inneren Vitalkraft (''[[ki]]'', chin.: ''[[qì]]'') oder der äußeren Wirkungskraft (''[[jutsu]]'') verwendet werden.<br />
# '''Hara''' (肚, Erdmitte) - Im '''alten''' ''kanji'' für ''hara'' bedeutet das rechte Radikal „Erde“, das linke „geöffneter Körper“. Das Zeichen drückt sowohl die Zentriertheit als auch das Bodenverhaftete des Menschen im ''hara'' aus und wurde von Dürckheim kongenial als „Erdmitte“ übersetzt.<br />
# '''Hara''' (腹, Bauch) - Die kalligraphische Deutung des '''neuen''' ''kanji'' von ''hara'' bezeichnet ein „Anschwellen des Körpers“ oder ein Behältnis, in dem alle lebenswichtigen Energien aufgenommen, kontrolliert und angewendet werden können.<br />
<br />
==Ausdrucksformen des Hara==<br />
Das körperliche Menschenbild ist in den weltlichen Kulturen von unterschiedlichen Mentalitäten geprägt. Im Westen begann durch die Lehren von [[Isaac Newton]] früh eine überbetonte Verselbständigung des Ich, das durch Erkenntnisse aus den Wissenschaften die '''Unterwerfung der Natur''' anstrebte. Die asiatischen Kulturen hingegen lehrten die '''Anpassung an die Natur'''. Sie lehrten die Überwindung des Ich und ein Leben in Konformität mit den Gesetzen der Natur.<br.>Dadurch entstanden unterschiedliche Körperideale und Mentaltitäten. Auch die Inhalte, Absichten und Übungsformen begannen sich grundlegend zu unterscheiden.<br />
<br />
===Hara in der japanischen Lebensart===<br />
Die Lehre über ''hara'' als psycho-physische Übung wird bereits in die japanische Erziehung als grundlegendes Prinzip integriert. Von klein an werden japanische Kinder zum ''hara'' gemahnt und in diesem Kontext erzogen. In demselben Sinn werden spätere Schüler der Kampfkünste dazu angehalten, ihre Kraft aus der Lendengegend über die Hüftbewegung zu entwickeln und nicht über die Schultern. Damit soll im Hintergrund der Übung ein Ausgleich zwischen den schädlichen Wachstumstendenzen des Ich und den natürlichen Anlagen des Lebens erreicht und durch Übung korrigiert werden.<br.>Jede Aktivität entsteht im ''hara''. ''Hara'' ist der Sitz der Seele, das Medium aller Beweggründe, Gefühle und Absichten, eine übergeordnete Leitinstanz des japanischern Lebens und die intuitive Erkenntnis aller Wahrnehmungen. Das Prinzip des ''hara'' ist keineswegs nur Theorie, sondern wird in der praktischen Übung des ''[[geidō]]'' zum Zentrum jeder Übung. ''Hara'' ist die Grundsubstanz jeder Wegkunst, durch die die Einheit von Geist, Technik und Körper (''[[shingitai]]'') herangebildet werden kann.<br.>Fortschritt in den Wegkünsten definiert sich im Grunde genommen im Erreichen einer höhere Verwirklichungsstufe des ''hara'', weshalb ''hara'' das Zentrum jeder körperlichen und geistigen Übung sein muss. Aussagen wie ''hara wo neru'' („den Bauch üben“), oder ''hara gei'' („die Bauch-Kunst“) sind in Japan so selbstverständlich, dass der Japaner sie überhaupt nicht gesondert erwähnt. Es ist unausgesprochen selbstverständlich, das in allen Wegkünsten, gleich ob Kampfkunst, Zen, Blumenstecken oder Teetrinken, ''hara'' das zentrale Übungsprinzip ist.<br.>Das im Ausdruck sichtbare Gleichgewicht eines Menschen (der vollendete ''hara'') wird in den asiatischen Kulturen keineswegs als naturgegebene Veranlagung, sondern als das Ergebnis einer lebenslangen Übung (''[[keikō]]'') in einer Wegkunst (''geidō'') begriffen.<br />
<br />
===Hara im Westen===<br />
In allen Kulturen der Welt kennt man Unterschiede im körperlichen Erscheinungsbild der Menschen. Der körperliche Ausdruck des Menschen ist in allen Kulturen ein Abbild seiner inneren Beschaffenheit und zeugt von seiner persönlichen Weise, dem Leben zu begegnen.<br.>Fragt man in den westlichen Kulturen nach dem Sitz des Lebens, werden die Menschen mentalitätsbedingt auf den Bereich des Kopfes oder des Herzens deuten. Stellt man diese Frage in den ostasiatischen Kulturen, deuten die Menschen auf den Bauch.<br.>''Hara'' hat im ostasiatischen Raum eine vollkommen andere Bedeutung als im Westen. In Japan bezeichnet ''hara'' den individuellen Ausdruck eines Menschen bezüglich seiner inneren Grundbeschaffenheit und deutet stets darauf hin, ob ein Mensch in seiner „Mitte“ (''[[naka]]'') ist oder nicht. Das westliche Menschenbild hingegen zeugt von einer starken Ich-Kultur und zieht den Schwerpunkt in die Brust. So ist der moderne Körperfetischist (z.B. ein Bodybuilder) nicht bloß ein körperbetonter Mensch. Sein Ich manifestiert sich oberhalb seiner „Erdmitte“ im überbetonten Brust-Schulter Bereich, in dem sich sein Selbstgefühl konzentriert. Unterbewusst oder bewusst lehnt er die Einordnung in ein naturgemäßes Leben ab, sein dezentriertes Ich stellt sich darüber und will gelten.<br.>Als Zentrum des intuitiven Wahrnehmens, Handelns und Ausdrucks ist der Bauch jedoch auch in der westlichen Kultur nicht unbekannt. Wir haben in bestimmten Situationen „Bauchschmerzen“ oder „Schmetterlinge im Bauch“ und entscheiden zuweilen „aus dem Bauch heraus“. Vom Ich-Kult befreite Menschen, wie z. B. Priester oder erfahrene Handwerker erlauben ihrer inneren Haltung, sich zu setzen, und versammelt sich auch körperlich viel weiter unten - sie passen sich seiner von der Natur auferlegten Bestimmung an und vereinigen im Gleichgewicht in sich beide Bestimmungspole des menschlichen Lebens - '''Streben''' und '''Achten''' (''[[mosshōseki]]'').<br />
<br />
==Das kombinierte Konzept - Shingitai und Hara==<br />
Das Konzept über den energetischen Mittelpunkt des Menschen (''hara'') stammt aus den frühen chinesischen Philosophien des [[Daoismus]]. Bereits 5000 v.Chr. stellten die Chinesen die Abhängigkeit des Menschen von den natürlichen Gesetzen des „Lebens und Sterbens“ fest und gründeten körperlich/geistige Übungen (''[[qìgōng]]''), durch die eine bestmögliche Vereinbarkeit des Menschen mit den naturbestimmten Lebensgesetzen zu verwirklichen war. Dabei ging es um die Anpassung des Menschen an die Gesetze der Natur, wodurch eine perfekte '''Lebensharmonie''' und gleichzeitig eine höchstmögliche '''Wirkungsweise''' erreicht werden konnte.<br />
Die Übung des ''hara'' kann nur über ein intensives Studium desselben verstanden und in die Trainings übertragen werden. Dabei geht es stets um die Integration dieser hintergründigen Prinzipien in das Training der Technik. Neben vielen anderen betrachten wir folgend die philosophischen Prinzipien ''shingitai'' und ihre Umsetzung in die praktische Übung.<br />
<br />
===[[Shingitai]] - Die Dreieinheit===<br />
In den japanischen Künsten definiert sich ''hara'' als '''Mitte''' (''[[naka]]'') des Menschen und bildet ein gesamtmenschliches Kontrollzentrum in der die Zusammenführung von Geist (''[[shin]]''), Technik (''[[gi]]'') und Körper (''[[tai]]'') als ''[[shingitai]]'' oder ''[[sanmi ittai]]'' bezeichnet wird. Dieses psycho-physische Konzept zielt auf die '''Ganzwerdung des Menschen''' (''[[shintai]]''), durch die Übung einer äußeren Technik (''gi'') und bildet das Zentrum aller japanischen Wegkünste (''[[geidō]]''). Erst in diesem Sinn ist das Sprichwort „ob Teetrinken, Blumenstecken oder Sitzen, es ist immer das gleiche“ oder „was richtig geschieht, muss immer mit ''hara'' geschehen“, zu verstehen.<br.>Das Ziel jeder Übung im ''[[budō]]'' ist die Dreieinheit (''sanmi ittai''), zunächst zwischen Körper (''tai / karada'') und Geist (''shin / kokoro''), wodurch es möglich wird, den so genannten Geist-Körper (''shintai'') zu verwirklichen. Dazu braucht der Übende die Anleitung zum richtigen Verständnis seiner Technik (''gi / waza''). Das daraus resultierende Prinzip bezeichnet man als ''shingitai'' (die Einheit von Geist, Technik und Körper). Die Verwirklichung dieser Philosophie in der Praxis geschieht in der kontemplativen Auseinandersetzung mit der Technik in der Übung unter der Anleitung eines ''sensei''. Darin ist die Technik nur Mittel zum Zweck - das Ziel ihrer Übung ist nach wie vor die Einheit von Körper, Geist und Handlung.<br />
<br />
* '''[[Shin]]''' - die Bezeichnung ''shin'' (''[[kokoro]]'') bedeutet "Geist", "Herz" oder "Gemüt". In den Kampfkünsten steht der Begriff für die geistige Haltung und bildet eines der drei grundlegenden Prinzipien in der Verwirklichung von ''hara''.<br.>Der Geist des Weges hat nur wenig mit der theoretischen Philosophie zu tun. Er bedarf des Antriebs zum inneren Kampf um eigenes Denken und Erkennen. Der Weg (''dō'') ist eine beständige Suche nach Wahrheit und kein Nachahmen von vorgedachtem Wissen. Wahrheit ist kein Fakt, sondern eine Relation. Der Sinn des Weges zu ihr liegt im '''Werden''', nicht im '''Erreichen'''. <br />
* '''[[Gi]]''' - der Begriff ''gi'' (''[[waza]]'') bedeutet „Technik“, „Fähigkeit“, „Kunstgriff“. In den Wegkünsten (''geidō'') steht der Begriff für die Übung der körperlichen Technik und bildet damit eines der drei Grundelemente in der Verwirklichung des ''hara''.<br.>''Gi''/''waza'' bedeutet aber nicht nur Technik, sondern kann sich unter korrekter Anleitung in die Interpretation ''[[jutsu]]'' (technische Kunst) erweitern. In diesem Fall wird die Technik '''Mittel zum Zweck''' und dient der Ganzwerdung des Menschen.<br />
* '''[[Tai]]''' - in allen Künsten gibt es ein Instrument, mit dem die jeweilige Kunst zum Ausdruck gebracht wird. In der Literatur ist es die Sprache, in der Malerei der Pinsel, in der Musik z.B. die Flöte - in den Kampfkünsten ist es der Körper, ''tai'' (''karada'').<br.>Der Körper muss für seine auszuführenden Aufgaben trainiert sein und seiner Bestimmung gerecht werden. Er muss durch Training das Prinzip ''hara'' verstehen und anwenden lernen. Im ''karate'' besteht seine erste Herausforderung in der Verwirklichung des Prinzips ''[[yōi]]'' und seinen körperlichen Ausdrucksformen (''[[yōi shizentai]]'', ''[[yōi dachi]]'' und ''[[yōi gamae]]'').<br />
<br />
===Hara - Die Erdmitte===<br />
Zunächst aber muss auf der Basis der Ganzkörperbewegung (''[[shitai undō]]'') die Technik perfektioniert werden. Alle im ''[[geidō]]'' zu erzielenden Persönlichkeitswerte hängen von der Verwirklichung dieses Prinzips ab. Das verbindende Element zwischen Körper und Geist (''[[shinshin]]'') wird in der Philosophie der Körpermitte (''hara'') gesehen. ''Hara'' ist der Sitz der Energie (''[[ki]]''), das Zentrum der Bewegung (''[[undō]]'') und der innerste Kern unseres Selbst. Die gesamte Philosophie des ''budō'' kreist um die Lehre des ''hara'' und ist in den Weglehren unverzichtbar.<br.>In allen Weglehren des ''budō'' geht es nicht um die Übung bloser Körpertechniken, sondern um die Vereinheitlichung von Geist, Technik und Körper '''durch''' das Training der Techniken. Dadurch führt der Lehrer seine Schüler auf einen '''Inneren Weg'''.<br />
<br />
* '''[[Shisei]]''' - die '''Haltung''' ist eine der Ausdrucksformen von ''hara'' und bezieht sich auf die Haltung des Körpers. Aus der in ihrem Mittelpunkt verankerten Gestalt erwächst der obere Körper auf seiner vertikalen Achse in vollkommenem Gleichgewicht nach oben. Der Nacken ist gerade, die Schultern entspannt, während sich die Schwerkraft nach unten senkt und im Bauch (''hara'') versammelt. Man entwickelt das Gefühl einer schweren Kugel in der Bauchgegend, deren Eigengewicht den Stand verankert und die den Oberkörper trägt. Sowohl im Stand als auch in der Bewegung geht es darum, dieses körperliche Gefüge zu erhalten, um die Kraft der Mitte voll zur Geltung kommen zu lassen.<br.>Die Mitte ist das Zentrum der Kraft und das Zentrum des Gleichgewichtes. Durch den Einsatz der Hüfte kommt diese Kraft zur Geltung, indem durch den richtigen Umgang mit dem Schwerezentrum das Gleichgewicht im Stand und in der Bewegung gewahrt wird.<br />
* '''[[Kinchō/Kanwa]]''' - bezeichnet das Verhältnis zwischen '''Spannung und Entspannung''' in allen Handlungen. Unter Berücksichtigung der rechten Haltung (''shisei'') bewegt sich der Körper in der auszuführenden Aktion - immer ausgehend von ''hara'' - entweder in einer Hüftdrehung oder in einem Hüftschub. Um darin höchstmögliche Kraft zu entwickeln, bedarf es des rechten Spannungsverhältnisses der Muskeln in der Bewegung. Grundsätzlich wird jede Bewegung in der Entspannung ausgeführt, um eine maximale Endgeschwindigkeit der Technik (und somit kinetische Energie) zu erreichen, die am Ende durch ein kurzzeitiges Anspannen in destruktive Energie umgesetzt wird.<br />
* '''[[Kokyū]]''' - bezeichnet den Vorgang der '''Atmung'''. In allen Techniken des ''karate'' ist die Atmung von entscheidender Bedeutung. Im unmittelbaren Handlungsvorgang bestimmt sie das „Geben und Nehmen“, das „Spannen und Entspannen“ und den psychologischen Aspekt der Technik. Die Atmung ist nicht nur ein körperlicher Vorgang, sondern kommuniziert mit den psychologischen Strukturen des Menschen: so heißt Einatmen grundsätzlich „Nehmen“ und Ausatmen grundsätzlich „Geben“. Auch ungeübte Menschen verwenden unbewusst dieses Prinzip (z.B. beim Holzhacken - niemand spaltet einen Holzklotz, während er einatmet).<br />
<br />
==Hara in der Übung==<br />
[[Datei:DantianMensch.JPG|240px|thumb||right|Tanden oder Dantian]]<br />
In den Kampfkünsten stehen deshalb die Prinzipien der Haltung (''shisei''), der rechten Spannung (''kinchō'') und der Atmung (''kokyū'') in beständiger Relation zueinander. Wenn man entspannt und aufrecht ist und das Zwerchfell während der Einatmung nach unten zieht, drückt sich der Bauch ganz natürlich nach vorne. Der Atem strömt in den Bauch, in das Zentrum der Kraft (''hara''). Wenn wir ausatmen, drückt das Zwerchfell nach oben, und die Luft strömt heraus. Der Atem strömt in den Bauch, in das Zentrum der Kraft (''hara'').<br />
Der körperliche Ausdruck des Menschen ist stets ein Abbild seiner inneren Haltung (''shisei'') und zeugt von seiner persönlichen Weise, dem Leben zu begegnen. Darin besteht die Lehre des ''budō''. Deshalb sollten ernsthafte Übende schon als Anfänger in den Budō-Künsten sich darum bemühen, zumindest die über die Sinnesreize empfangenen Wahrnehmungen auf die richtige Weise zu tragfähigen Erkenntnissen zu kombinieren. Auch wenn der Anfänger unter der kritischen Anleitung seines Lehrers stätig gegen seine Selbstgefälligkeit kämpfen muss, lernt er in der Zeit Situationen einzuschätzen und versteht letztlich, wann er von anderen gebraucht wird, wann er stört, wie er sich in Situationen heraus- und hineinbegeben muss, wie er eine Situation durch Bekenntnis mitverantworten kann, und wie er überhaupt von einem passiven Mitläufer zu einem aktiven Mitgestalter wachsen kann. Schlüsselpunkte eines solchen Studiums sind Folgende:<br />
<br />
===[[Tanden]] - der Mittelpunkt des Hara===<br />
Der Begriff ''tanden'' bezeichnet den Unterbauch als Schwerkraftzentrum des ''hara''. Im ''tanden'' befindet sich etwa 2 cm unter dem Nabel ''[[kikai]]'' (Meer der Energie), das Energiezentrum des ''hara''.<br.>Der japanische Begriff ''tanden'' leitet sich aus dem chinesischen Wort ''[[dāntián]]'' ab und bezeichnet den Unterbauch des ''hara'' als das Schwerkraftzentrum des Menschen. Während in der chinesischen Ursprungslehre mehrere ''tanden'' existieren, steht in den japanischen Weglehren das untere ''tanden'' im Mittelpunkt der Betrachtung.<br.>Im unteren ''tanden'' wird ein Mittelpunkt klassifiziert, den man als „Meer der Energie“ (''kikai'') bezeichnet. Dieser ist gleichzeitig der sechste Akupunkturpunkt auf dem Renmai-Meridian. Das gesamte Feld des ''tanden'' umfasst noch weitere drei Vitalpunkte, unter deren Hinzunahme dieses Körpergebiet mit einer Beuteltasche verglichen wird, wodurch der Übende lernt, vitale Energie (''ki'') zu sammeln und durch sie zu wirken. Bleibt dieses Reservoir leer, ist die Handlung wirkungslos.<br.>Die japanische Philosophie über ''tanden'' (Unterleib) und ''kikai'' (Meer der Energie) stammt ursprünglich aus China, wo man dafür die Parallelbegriffe ''dāntián'' und ''qihai'' verwendet. Dantian bedeutet im Chinesischen wörtlich „Zinnoberfeld“ und bezeichnet mehrere wichtige Körpergebiete zur Speicherung der Lebensenergie (''ki''). Zinnober war früher ein wertvoller Stoff und galt darüber hinaus in seiner alchimistischen Deutung als Stoff der Unsterblichkeit.<br.>Fortschritt im ''budō'' definiert sich im Grunde genommen im Erreichen einer höhere Verwirklichungsstufe des ''hara'', weshalb ''hara'' das Zentrum jeder körperlichen und geistigen Übung sein muss. ''Hara wo neru'', d.h. „den Bauch üben", oder ''hara gei'' ist so selbstverständlich in den Wegkünsten enthalten, dass der Japaner es überhaupt nicht mehr gesondert erwähnt. Gleich welche Übung man wählt, ob es Kampfkunst, Zen, Blumenstecken oder Teetrinken ist, nie wird die Technik ohne ''hara'' geübt.<br.>Das Ziel ist immer der ganze Mensch. Daher kommt das Sprichwort „ob Teetrinken, Blumenstecken oder Sitzen, es ist immer das gleiche" oder „was richtig geschieht, muss immer mit hara geschehen.“<br.>''Hara'' bezeichnet die Organisation des Menschen auf seiner vertikalen Achse in Bezug auf seine Körperhaltung (''shisei''), Spannung (''kinchō'') und Atmung (''kokyū''). Die Verwirklichung von ''hara'' ist in allen ostasiatischen Wegkünsten ein Zeugnis von menschlicher Reife. Jede Wegübung (''dō'') - also auch ''budō'' - zielt dementsprechend vor allem auf die Persönlichkeitsbildung und auf die Entwicklung der inneren Werte des Übenden. Ohne ''hara'' wird die Kampfkunst zum Wettkampfsport.<br />
[[Datei:Hara.JPG|250px|thumb|right|Hara im Konzept "Yōi"]]<br />
===[[Yōi]] - Der psycho-physische Ausdruck des Hara===<br />
Die Entwicklung von vitaler Energie (''ki'') beginnt immer im Körper (Rumpf). ''Ki'' wird vom ''hara'' ausgehend in die Extremitäten gelenkt. Das Sich-Befinden in der persönlichen Mitte, die auf einer vertikalen Achse zentriert, mit entspannter Stärke und Aufmerksamkeit gefüllt ist und in ruhiger Atmung verharrend die vitalen Kräfte sammelt, kontrolliert und lenkt, bildet die erste Voraussetzung zur Entwicklung von ''kime'' in den Handlungen. Dieses konzentrierte Verharren in der eigenen Persönlichkeitsmitte erzeugt das Gefühl von präsenter Stärke des GANZEN. Es ist die Grundlage der stabilen Körperhaltung in den Ständen und organisiert sämtliche Spannungsverhältnisse auf der vertikalen Achse des Körpers. Sie sollte in der Bereitschaftshaltung (''[[yōi gamae]]'') geübt und später in alle Stände, (''[[tachi]]'') Bewegungen (''[[sabaki]]'') und Techniken (''[[waza]]'') übertragen werden.<br />
<br />
===[[Naka]] - Die Mitte===<br />
''Naka'', das „Prinzip der Mitte“ bestimmt weitgehend das gesamte ostasiatische Leben und weiterführend alle Bereiche der asiatischen Kampfkünste. Bereits im alten China, das man nach wie vor als „Land der Mitte“ bezeichnet, empfand sich der Mensch selbst als Mittelpunkt und organisierte sein Leben ausgehend aus seiner persönlichen Mitte (chin.: ''[[zhōng]]''), die er in seinem ''dāntián'' lokalisierte.<br.>Diese Theorie übertrug sich im ostasiatischen Raum und begründete in Japan das Prinzip der Mitte. Der Mensch als Individuum begriff sich darin immer selbst als das Zentrum seiner Wirkungskreise, musste aber durch zusätzliche energetische Übungen seine persönliche Mitte (''hara'') finden, wahrnehmen und kontrollieren lernen, um in der Welt wirkungsvoll handeln zu können. Ausgehend von der Mitte werden die Richtungen (''hōmen'') entwickelt.<br />
<br />
===[[Hōmen]] - Die Richtungs- und Raumorientierung===<br />
In Japan bezeichnet man die Mitte als ''naka'', die sich im Bauch (''hara'') des Menschen befindet, aus der heraus er sich grundsätzlich in die Richtungen der vier Weltpole bewegt: nach vorn, zurück, nach links und nach rechts. Die gesamte Bewegungstheorie des ''budō'' ist auf diesem Prinzip aufgebaut. Der Übende konzentriert sich auf seinen Bauch (''hara'') und dessen Zentrum (''tanden'') und baut von dort ausgehend jede Technik und Bewegung auf.<br.>Das ''[[karategramm]]'' und das ''[[enbusen]]'' beruhen auf dieser Theorie.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Tanden]] | [[Kikai]] | [[Ki]] | [[Naka]] | [[Shingitai]] | [[Dāntián]] | [[Zhōng]] | [[Qìhăi]]<br.>[[Yōi]] | [[Yōi shizentai]] | [[Yōi dachi]] | [[Yōi gamae]] | [[Hō]]<br.><br />
[[Ablage Hara]] <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Karlfried Graf Dürckheim]]: ''Hara - Die Erdmitte des Menschen.''<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Budo - der geistige Weg der Kampfkünste.'' Scherz 1991.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2007.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'' BSK 2014.<br />
<br />
[[Kategorie: Japanische Lebensart]]<br />
[[Kategorie: Hara]]<br />
[[Kategorie: Shingitai]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Shingitai&diff=15960Shingitai2014-10-23T22:06:34Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
<br />
'''Shingitai''' (jap.: 心技体), bezeichnet '''Geist''' (''[[shin]]''), '''Technik''' (''[[gi]]'') und '''Körper''' (''[[tai]]''). Der Begriff bezieht sich auf die Ganzwerdung des Menschen durch ''[[san mi ittai]]'' (drei Prinzipien in einem Körper) und ist eine Praxis in der Verwirklichung des ''[[hara]]''.<br />
<br />
===Regulationen===<br />
Bereits im alten China erkannte man, dass der Mensch mit dem Geist erkennt, mit der Technik reagiert und mit dem Körper handelt. Es war offensichtlich, dass diese drei Komponente im harmonischen Einklag zusammengeführt werden müssen, will der Mensch in seinen Handlungen Wirkung zu erzielen.<br.>Im Hintergrund begleiten die chinesischen Regulierungen (''[[tiáo]]'') jede Übung im ''[[qìgōng]]'' und ''[[quánfǎ]]'' und bilden die Basis jeder ganzkörperlichen Bewegungslehre. Als ''[[sāntiáo]]'' regulieren sie zunächst den Körper (''tiáoshēn''), die Atmung (''tiáoxī'') und das Herz (''tiáoxīn''). Nachdem die ''sāntiáo'' zu einem natürlichen Teil der Übung geworden sind, wird jede Bewegung von ihnen beeinflusst und bestimmt.<br />
Diese Konzepte sind jedoch keine Übungen an sich, sondern die Technik begleitende Lehren, durch deren Verwirklichung später eine umfangreiche Kontrolle der Lebensenergie (''[[tiáoqì]]'') und des Geistes (''[[tiáoshén]]'') möglich wird.<br />
<br />
==Shingitai - Die Dreieinheit==<br />
In Japan bezeichnet man sie als ''[[san mi ittai]]'' (drei Prinzipien in einem Körper) und definiert darin die ''shingitai'': ''[[shin]]'' (Geist), ''[[gi]]'' (Technik) und ''[[tai]]'' (Körper).<br.>Diese Regularien sind im Hintergrund versteckte Prinzipien jeder persönlichkeitsbildenden Bewegungslehre, die das Training der Techniken (''[[waza]]'') begleiten. Man geht davon aus, dass '''Innen''' und '''Außen''' im Menschen miteinander verbunden sind und jede Technik immer ein Abbild der inneren Haltung (''[[shisei]]'') ist. Mit den richtigen Mitteln lassen sich beide beeinflussen und harmonisch zusammenführen. Wirkliche ''sensei'' wissen darum und verwenden das Prinzip als Grundlage der Bewegungslehre im ''[[budō]]''.<br />
<br />
* '''[[Shin]] (Geist):''' Die Kunst ist ein Ausdruck der Kultur und seit jeherher ein bewährtes Mittel zur Erhöhung und Vervollkommnung des menschlichen Geistes. Kunst ist der Ausdruck menschlichen Empfindens und Verstehens, spricht jedoch in erster Linie zur Seele und weniger zum Intellekt. Durch sie bildet und vervollkommnet sich der Mensch und gelangt so zu einem höheren Verständnis seiner inneren Zusammenhänge. Die Fähigkeit zum philosophischen Denken, die Intuition und die Vorstellungskraft gehören dazu.<br />
* '''[[Gi]] (Technik):''' Es ist der Mensch, der sich übt, und alles, was er übt, hat ein Zentrum, aus dem heraus er sich gestaltet und bewährt: '''Hara'''. ''Karate'' ist eine Kunst, in deren Übung und Ausdruck der Mensch nicht äußere, sondern innere Vervollkommnung sucht. Er vollendet seine Technik wie der Künstler sein Werk, er drückt sich durch sie aus, er kehrt sein Inneres nach außen und zeigt in der Technik seine Seele. In einer solchen Übung kann er reifen, darin findet er zunehmend zu seiner „Mitte“ und vervollkommnet sich selbst durch das Ideal des Weges.<br />
* '''[[Tai]] (Körper):''' In allen Künsten gibt es ein Instrument, mit dem die jeweilige Kunst zum Ausdruck gebracht wird. In der Literatur ist es die Sprache, in der Malerei der Pinsel, in der Musik die Flöte, etc. - in den Kampfkünsten ist es der Körper, ''tai'' (''karada''). Der Körper muss für seine auszuführenden Aufgaben trainiert sein und seiner Bestimmung gerecht werden. Er ist die offensichtliche Instanz im Training, aber es hängt vom unterrichtenden Lehrer ab, wohin er die Übung seines Schüler führt: auf einen „Inneren Weg“ mit ''shingitai'' und ''hara'' oder auf einen „Äußeren Weg“ in die Vielfalt der sportlichen Formen.<br />
<br />
Die Verwirklichung dieser Philosophie im praktischen Training geschieht in der kontemplativen Auseinandersetzung mit der Technik (''waza'') unter der Anleitung eines ''sensei''. Darin ist die Technik nur Mittel zum Zweck - das Ziel ist die Einheit des Meschen (Körper, Geist und Technik).<br />
<br />
==Das Prinzip Hara==<br />
Anders als in China werden die Regulationen der Dreieinheit (''shingitai'') in Japan dem Prinzip ''hara'' untergeordnet.<br />
In den japanischen Künsten definiert sich ''hara'' als '''Mitte''' (''[[naka]]'') des Menschen und bildet ein gesamtmenschliches Kontrollzentrum in der die Zusammenführung von Geist (''shin''), Technik (''gi'') und Körper (''tai'') als ''shingitai'' oder ''san mi ittai'' bezeichnet wird. Dieses psycho-physische Konzept zielt auf die '''Ganzwerdung des Menschen''' (''[[shinshin]]''), durch die Übung einer äußeren Tätigkeit (''gi'') und bildet das Zentrum aller japanischen Wegkünste (''[[geidō]]''). Erst in diesem Sinn ist das Sprichwort „ob Teetrinken, Blumenstecken oder Sitzen, es ist immer das gleiche“ oder „was richtig geschieht, muss immer mit ''hara'' geschehen“, zu verstehen.<br.>Zunächst aber muss auf der Basis der Ganzkörperbewegung (''[[shitai undō]]'') die Technik perfektioniert werden. Alle im ''[[budō]]'' zu erzielenden Persönlichkeitswerte hängen von der Verwirklichung dieses Prinzips ab. Das verbindende Element zwischen Körper und Geist (''shintai'') wird in der Philosophie der Körpermitte (''hara'') gesehen. ''Hara'' ist der Sitz der Energie (''ki''), das Zentrum der Bewegung (''undō'') und der innerste Kern unseres Selbst. Die gesamte Philosophie des ''budō'' kreist um die Lehre von ''hara'' und ist in den Weglehren (''geidō'') unverzichtbar.<br.>In allen Weglehren des ''budō'' geht es nicht um die Übung bloser Körpertechniken, sondern um die Vereinheitlichung von Geist, Technik und Körper '''durch''' das Training der Techniken. Dadurch führt der Lehrer seine Schüler auf einen '''Inneren Weg'''.<br />
<br />
* '''[[Shitai undō]]''' - bezeichnet die Ganzkörperbewegung, innerhalb derer der Körper (tai) durch die Technik (gi) perfektioniert wird. Bei Betrachtung der körperlichen Techniken ist festzustellen, dass es sowohl im ''budō'' als auch im Sport immer um die Verwirklichung eines harmonischen Verhältnisses zwischen Extremitätenbewegung (''tsuki'', ''uke'', ''uchi'', ''keri'') und der Fortbewegung des Körpers im Raum (''sabaki'') geht. Durch die Verbindung der Extremitätenbewegung (''shishi undō'') mit der Rumpfbewegung (''tai sabaki'') entsteht die Ganzkörperbewegung, durch die höchstmögliche körperliche Leistung erzielt werden kann.<br />
* '''[[Shinshin]]''' - heißt „Geist-Körper“ und bezeichnet die Verbindung der Ganzkörperbewegung (''shitai undō'') mit allen dem Menschen zur Verfügung stehenden geistigen Kontrollinstanzen (''shin''). Dadurch verändert sich die körperliche Übung in ein anhaltendes psycho-physisches Experiment der Selbstbetrachtung. Auf diese Weise wird ''shingitai'' verwirklicht, die Einheit zwischen Geist, Technik und Körper.<br />
<br />
===Zusammenhänge===<br />
''Hara'' bezeichnet die Organisation des Menschen auf seiner vertikalen Achse in Bezug auf seine Körperhaltung (''[[shisei]]''), sein Spannung (''[[kinchō]]'') und seine Atmung (''[[kokyū]]''). Auf dieser Basis entstand das „Prinzip der Mitte“, mit dem man ein psycho-physisches Zentrum im Menschen suggerierte, durch dessen Verständnis man das Vermeiden der menschlichen Fehlhaltungen und Falschentscheidungen üben konnte.<br.>Die Verwirklichung von ''hara'' ist in allen japanischen Wegkünsten ein Zeugnis von menschlicher Reife. Jede Wegübung (''[[Dō (Weg)|dō]]'') zielt dementsprechend vor allem auf die Persönlichkeitsbildung und auf die Entwicklung der inneren Werte des Übenden. Nicht durch einseitig hochgezüchtete Technik, sondern erst dadurch lernt er in der Welt zu wirken.<br.>Sich als Selbst zu gestalten und gleichzeitig die natürlichen Bedingungen des „Werdens und Vergehens“ zu akzeptieren, wird in den Wegkünsten als Grundlage zur Entwicklung jeder Persönlichkeit angesehen. Das Wissen, wie man die Philosophie des ''hara'' im Training umsetzen kann, ist nur selten gegeben.<br />
<br />
''Hara'' ist das Zentrum und die hauptsächliche Verbindung zwischen Geist, Technik und Körper (''shingitai'') und als solches das zentrale Prinzip jeder Übung. Um ''shingitai'' zu verwirklichen, werden drei Maßstäbe genannt, die den Mittelpunkt jeder Technik-Übung im ''budō'' bilden:<br />
<br />
===Prinzipien der Hara-Übung===<br />
<br />
* '''[[Shisei]]''' - die '''Haltung''' ist eine der Ausdrucksformen von ''hara'' und bezieht sich auf die Haltung des Körpers. Aus der in ihrem Mittelpunkt verankerten Gestalt erwächst der obere Körper auf seiner vertikalen Achse in vollkommenem Gleichgewicht nach oben. Der Nacken ist gerade, die Schultern entspannt, während sich die Schwerkraft nach unten senkt und im Bauch (''hara'') versammelt. Man entwickelt das Gefühl einer schweren Kugel in der Bauchgegend, deren Eigengewicht den Stand verankert und die den Oberkörper trägt. Sowohl im Stand als auch in der Bewegung geht es darum, dieses körperliche Gefüge zu erhalten, um die Kraft der Mitte voll zur Geltung kommen zu lassen.<br.>Die Mitte ist das Zentrum der Kraft und das Zentrum des Gleichgewichtes. Durch den Einsatz der Hüfte kommt diese Kraft zur Geltung, indem durch den richtigen Umgang mit dem Schwerezentrum das Gleichgewicht im Stand und in der Bewegung gewahrt wird.<br />
* '''[[Kinchō/Kanwa]]''' - bezeichnet das Verhältnis zwischen '''Spannung und Entspannung''' in allen Handlungen. Unter Berücksichtigung der rechten Haltung (''shisei'') bewegt sich der Körper in der auszuführenden Aktion - immer ausgehend von ''hara'' - entweder in einer Hüftdrehung oder in einem Hüftschub. Um darin höchstmögliche Kraft zu entwickeln, bedarf es des rechten Spannungsverhältnisses der Muskeln in der Bewegung. Grundsätzlich wird jede Bewegung in der Entspannung ausgeführt, um eine maximale Endgeschwindigkeit der Technik (und somit kinetische Energie) zu erreichen, die am Ende durch ein kurzzeitiges Anspannen in destruktive Energie umgesetzt wird.<br />
* '''[[Kokyū]]''' - bezeichnet den Vorgang der '''Atmung'''. In allen Techniken des ''karate'' ist die Atmung von entscheidender Bedeutung. Im unmittelbaren Handlungsvorgang bestimmt sie das „Geben und Nehmen“, das „Spannen und Entspannen“ und den psychologischen Aspekt der Technik. Die Atmung ist nicht nur ein körperlicher Vorgang, sondern kommuniziert mit den psychologischen Strukturen des Menschen: so heißt Einatmen grundsätzlich „Nehmen“ und Ausatmen grundsätzlich „Geben“. Auch ungeübte Menschen verwenden unbewusst dieses Prinzip (z.B. beim Holzhacken - niemand spaltet einen Holzklotz, während er einatmet).<br.>In den Kampfkünsten stehen deshalb die Prinzipien der Haltung (''shisei''), der rechten Spannung (''kinchō'') und der Atmung (''kokyū'') in beständiger Relation zueinander. Wenn man entspannt und aufrecht ist und das Zwerchfell während der Einatmung nach unten zieht, drückt sich der Bauch ganz natürlich nach vorne. Der Atem strömt in den Bauch, in das Zentrum der Kraft (''hara''). Wenn wir ausatmen, drückt das Zwerchfell nach oben, und die Luft strömt heraus. Der Atem strömt in den Bauch, in das Zentrum der Kraft (''hara'').<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Hara]] | [[Naka]] | [[Tiáo]] | [[Shin]] | [[Waza]] | [[Tai]]<br />
<br.>[[Yōi]] | [[Yōi shizentai]] | [[Yōi dachi]] | [[Yōi gamae]] | [[Shisei]] | [[Kinchō]] | [[Kokyū]] <br.><br />
[[Ablage Shingitai]] <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Budo - der geistige Weg der Kampfkünste.'' Scherz 1991.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2007.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kata.'' BSK 2011.<br />
<br />
[[Kategorie: Hara]]<br />
[[Kategorie: Shingitai]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Shinshin&diff=15959Shinshin2014-10-23T22:04:38Z<p>Werner Lind: Die Seite wurde neu angelegt: „{{Vorlage: Überarbeiten}} '''Artikel aus:''' Lexikon der Kampfkünste<br.>'''Nachbearbeitet von:''' Der Begriff '''Shinshin''' (jap.: 心身) bedeutet…“</p>
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<br />
'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
<br />
<br />
Der Begriff '''Shinshin''' (jap.: 心身) bedeutet „Körper und Geist“ und ist ein Prinzip des ''[[shingitai]]''. <br />
<br />
<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:'''<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
<br />
<br />
[[Undō]]<br />
<br />
ū ō<br />
<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: ]]<br />
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<hr />
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<br />
'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Werner Lind]]<br />
<br />
Die Systeme des Kämpfens unterteilt man in [[Japan]] in [[Japanische Kriegskunst]], [[Japanische Kampfkunst]] und [[Japanischer Kampfsport]]. All diese Systeme entsprechen dem Geist der Zeit, in der sie entwickelt und praktiziert wurden. Sie haben verschiedene technische Inhalte, vor allem aber eine unterschiedliche Philosophie und Psychologie und dürfen nicht miteinander verwechselt werden. Gerade im zweiten Punkt widersprechen sie sich grundlegend, auch wenn man heute immer wieder versucht, Elemente des Einen in die Inhalte des Anderen hinein zu interpretieren.<br />
<br />
== Allgemeines ==<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kampfsysteme der Welt]]<br />
<br />
Die japanischen Kampfsysteme sind zeitlos und entwickelten sich seit dem frühesten Altertum über die Jahrhunderte bis in die Neuzeit. <br />
<br />
* '''[[Japanische Kriegskunst]]''' (''[[bujutsu]]'' / ''[[kobujutsu]]'' / ''[[ninjutsu]]'') - kollektiv organisierte militärische Interventionsmethoden <br />
* '''[[Japanische Kampfkunst]]''' (''[[budō]]'' / ''[[kobudō]]'') - persönliche Selbstverteidigung und Selbstbetrachtung <br />
* '''[[Japanischer Kampfsport]]''' (''[[kakugi]]'') - Wettkampf nach den Regeln des Sportes<br />
<br />
= Japanische Kriegskunst =<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Japanische Kriegskunst]] | [[Okinawanische Kriegskunst]]<br />
<br />
Der Begriff „Japanische Kriegskunst“ (vollständig ''nihon bujutsu'') umfasst die gesamte Breite der kriegerischen Methoden (''[[jutsu]]'') Japans und lässt sich in die Kampfsysteme der professionellen Krieger (''[[Bujutsu (Japan)]]''), in die Selbstverteidigungssysteme des Volkes (''[[Kobujutsu (Japan)]]'') und in die Systeme der frühen japanischen Geheimagenten (''[[ninjutsu]]'') unterteilen. Dieselben Begriffe wurden auch auf [[Okinawa]] verwendet, doch sie unterschieden sich von den japanischen Systemen. Deshalb verwenden wir hier für die okinawanische Kriegskunst die Bezeichnungen ''[[Bujutsu (Okinawa)]]'' und ''[[Kobujutsu (Okinawa)]]''.<br.>In diesen Systemen gibt es bewaffnete Methoden (''[[buki hō]]'' - Weg der Waffe), unbewaffnete Methoden (''[[kara hō]]'' - Weg der leeren Hand) und [[zusätzliche Kampfausbildungen]]. Die psychologische Ausbildung der Krieger unterlag einem strengen Kodex (''[[bushidō]]'' - Weg des Kriegers), durch den sie lernten, die Angst vor dem Tod zu überwinden.<br.>Grundsätzlich unterscheidet man zwischen den Kriegskünsten der Krieger (''[[bujutsu]]'', heute (''[[budō]]''), den Verteidigungsmethoden der Bevölkerung (''[[kobujutsu]]'', heute ''[[kobudō]]'') und den Kampfmethoden der Geheimagenten (''ninjutsu'', heute ''[[ninpō]]''). All diese übergeordneten Konzepte werden je nach ihren technischen Eigenheiten noch einmal in unterschiedliche Systeme (''[[jutsu]]'') unterteilt, die sich aus verschiedenen Stilen (''[[ryū]]'') zusammensetzen.<br />
<br />
== Bujutsu - Systeme der Krieger ==<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Bujutsu]] | [[Bujutsu (Japan)]] | [[Bujutsu (Okinawa)]]<br />
<br />
Der Begriff ''[[bujutsu]]'' bezeichnet die gesamte Kriegskultur der frühen japanischen Krieger (''[[bushi]]'') und ist eine Weiterentwicklung des vorausgegangenen ''[[bugei]]''. Die Bezeichnung umfasst sowohl die technische Methode des Kampfes (''[[jutsu]]''), wie auch die psychologische Ausbildung des Kriegers im Sinne des ''[[bushidō]]''.<br.>Die japanischen Kampfsysteme waren früher komplexe Methoden (''jutsu''), mittels derer die Armeen der ''[[daimyō]]'', des ''[[shōgun]]'' oder anderer Kriegsherren ausgebildet wurden und enthielten stets alle Waffengattungen (''buki hō'' - Methode der Waffe) und alle waffenlosen Nahkampftechniken (''kara hō'' - unbewaffnete Methode). Sie setzten sich aus richtungsweisenden Waffenkategorien (z.B. ''[[kenjutsu]]'', ''[[kyūjutsu]]'', ''[[sōjutsu]]'', u.a.), waffenlosen Systemen (z.B. ''[[aikijutsu]]'', ''[[jūjutsu]]'', u.a.) und zusätzlichen Kampfausbildungen (z.B. ''[[bajutsu]]'', ''[[suiheijutsu]]'', u.a.) zusammen. Für die Kriegskünste der mittelalterlichen Armeen gebrauchte man die Bezeichnung des Gebietes, in dem sie ausgeübt wurden (z.B. ''[[iga ryū]]'') oder den Namen des Kriegerfürsten, zu dessen Klan sie gehörten (z.B. ''[[takeda ryū]]'').<br.>Alle Kriegerfürsten (''[[daimyō]]'') der Vergangenheit legten einen ausgesprochenen Wert auf eine gepflegte Kriegskultur und ließen ihre Krieger in streng geheim gehaltenen Methoden (''[[ryū]]'') von ausgewählten Experten, wie Lehrer (''[[sensei]]'', ''[[shihan]]'') oder ''[[sōke (Stammfamilie)]]'' ausbilden. Es entstanden große Strömungen, wie ''kenjutsu'', ''aikijutsu'' oder ''jūjutsu'', die aber nicht als isolierte Systeme geübt wurden, sondern sich gegenseitig ergänzend die Gesamtausbildung eines Kriegers ausmachten.<br.>Die verschiedenen Stile (''[[ryū]]'') und Zweigsysteme (''[[ryū ha]]'') des ''bujutsu'' wurden von Lehrern gelehrt, die entweder in Abhängigkeit zum Hof eines ''daimyō'' standen oder sie wurden in unabhängigen Privatschulen (''[[dōjō]]'') unterrichtet. Meist aber gehörten sie zu einem adeligen Klan (''[[uji]]''), der sie als persönliches Eigentum betrachtete und über Generationen der ''sōke'' vererbte.<br.>Dem Suffix ''[[jutsu]]'', wurde die Kampfmethode vorangestellt und so entstanden ''kenjutsu'', ''naginatajutsu'', ''kyūjutsu'', ''aikijutsu'' u.a. Die persönliche Auffassung eines Lehrers (''[[sensei]]'') innerhalb der jeweiligen Grundrichtung (''jutsu'') ließ differenzierte Stile entstehen, die man mit dem Begriff ''ryū'' bezeichnet, Abspaltungen aus einem ''ryū'' nennt man ''ryū ha''.<br.>Grundsätzlich bestand die Kriegsausbildung aus folgenden Hauptkategorien:<br />
<br />
=== Bujutsu - Buki hō (bewaffnete Methoden) ===<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Buki hō]]<br />
<br />
Die japanischen Waffenkünste (''[[buki hō]]'' - Weg der Waffe; ''[[buki no bu]]'' - Kampf mit Waffen) sind die tragenden Elemente zur Ausbildung der Krieger (''[[bushi]]'' und ''[[samurai]]''), schließen aber auch den unbewaffneten Kampf (''[[kara hō]]'' - unbewaffnete Methode; ''[[toshu no bu]]'' - unbewaffneter Kampf) mit ein. Viele sind den chinesischen Waffen (''[[bīngqì]]'') und den chinesischen Kampfkünsten (''[[quánfǎ]]'') nachempfunden, unterliegen aber auch Einflüssen aus Korea. Um einen Kampf auf dem Schlachtfeld zu überleben war es dringend notwendig, mit und ohne Waffen kämpfen zu können und für den Kampf [[zusätzliche Kampfausbildungen]] (Reiten, Schwimmen, Fesseln u.s.w.) zu beherrschen. Gleichfalls wichtig war die Ausbildung der Krieger in der Psychologie des Kämpfens (''[[bushidō]]'').<br />
<br />
==== Japanische Kriegerwaffen (''buki'') ====<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Japanische Waffen]]<br />
<br />
Mit dem Begriff ''[[buki]]'' bezeichnet man alle Arten der japanischen Waffen. Seit dem Altertum entwickelte praktisch jede Waffe ihre eigenen Methode. Diese benannte man, indem man der Waffenbezeichnung (z.B. ''[[ken]]'') das Suffix ''[[jutsu]]'' (Kunst, Technik) anhing. Daraus entstand ''[[kenjutsu]]'' (Schwerttechnik). Innerhalb dieser entwickelten sich vielfältige Stilrichtungen (''[[ryū]]'') und unzählige Unterstile (''[[ryū ha]]'').<br />
<br />
==== Japanische Rüstungen (yoroi / gusoku) ====<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Japanische Rüstungen]]<br />
<br />
Über die Zeitalter entwickelten und veränderten sich die Kriegsmethoden und somit auch die jeweils gebrauchten Schutzausrüstungen der Krieger. Entsprechend wurden in Japan durch die Jahrhunderte hinweg verschiedene Begriffe für die Rüstung gebraucht. Bis zum ''Ashikaga-Muromachi jidai'' (1335-1568) verwendete man die Bezeichnung ''[[yoroi]]'', die später von dem Begriff ''[[gusoku]]'' abgelöst wurde. Im ''[[edo jidai]]'' (1603-1868) benutzte man als Sammelbegriff für alle Rüstungen die Bezeichnung ''[[katchū]]''.<br.>Die japanischen Rüstungen (''[[gusoku]]'') unterteilen sich grundsätzlich in zwei zeitliche Etappen:<br />
<br />
* '''[[Kodai gusoku]]''' - den Begriff übersetzt man mit „alte Rüstungen“. Er enthält zunächst die Rüstungskategorien des vorzeitlichen ''[[kofun jidai]]'' (250 bis ca. 710) und des altertümlichen ''[[nara jidai]]'' (710-794)), die man als ''[[tankō]]'' und ''[[keikō]]'' bezeichnete. Im späteren ''[[Ashikaga-Muromachi jidai]]'' (1335-1568) gebrauchte man für die Rüstungen den Begriff ''[[yoroi]]''. Die ''yoroi'' (''[[ōyoroi]]'', ''[[dōmaru]]'', ''[[hara ate]]'' und ''[[haramaki]]'') waren komplexe Rüstungen, angepasst an die Kriegsführung der damaligen Zeit.<br />
* '''[[Tōsei gusoku]]''' - die „modernen Rüstungen“ entwickelten sich im ''[[edo jidai]]'' (ab 1603), nachdem in Japan die Feuerwaffen (''[[arkebuse]]'') eingeführt wurden. Sie orientierten sich an importierten Modellen der europäischen Panzer. Die wichtigsten von ihnen sind ''[[okegawadō]]'', ''[[nanbandō]]'', ''[[hotokedō]]'', ''[[niōdō]]'' und ''[[kusaridō]]''.<br />
<br />
=== Bujutsu - Kara hō (unbewaffnete Methoden) ===<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kara hō]]<br />
<br />
Die unbewaffneten japanischen Kriegskünste (''[[kara hō]]'') waren zu keinem Zeitpunkt ihrer Geschichte von den bewaffneten Kriegssystemen (''[[buki hō]]'') getrennt, sondern bildeten immer einen Zusatz in der Ausbildung der Krieger. Im heutigen ''[[budō]]'' trennt man aus politischen Gründen diese Praktiken und gründet damit abgegrenzte Systeme. Doch eine solche Trennung ist auch für die moderne Selbstverteidigung weitgehend unrealistisch und nur in sportlichen Wettkämpfen zu verwenden.<br />
<br />
==== Toshujutsu (Japan) ====<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Toshujutsu]]<br />
<br />
Ein japanischer Krieger (''bushi'') musste in der Lage sein, sich auch unbewaffnet gegen einen Angreifer verteidigen zu können. Deshalb ging die kriegerische Ausbildung mit Waffen (''[[buki no bu]]''), mit der Fähigkeit zum waffenlosen Kampf (''[[toshu no bu]]'') einher. Zu den ältesten Methoden Japans im waffenlosen Kampf zählt man ''[[sumō]]'', ''[[aikijutsu]]'' und ''[[jūjutsu]]''.<br />
<br />
==== Tōdejutsu (Okinawa) ====<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Tōdejutsu]]<br />
<br />
Anders als in Japan entstanden die unbewaffneten Kampfmethoden auf [[Okinawa]] aus dem Bedürfnis, sich gegen die Besatzungsmacht der japanischen ''samurai'' verteidigen zu können. Waffen waren verboten, also legte das okinawanische Volk seinen Schwerpunkt auf die waffenlosen Systeme (''[[kara hō]]'') und auf die Entwicklung von Haushaltsgegenständen zu Waffen, was zur Entstehung des [[Kobujutsu (Okinawa)]] führte.<br.>Die okinawanischen waffenlosen Systeme entstanden aus einer alten Selbstverteidigungsmethode (''[[te]]''), entwickelten sich unter chinesischem Einfluss weiter zum ''[[tōde]]'', ''[[okinawate]]'' und ''[[karate]]''.<br />
<br />
=== Zusätzliche Kampfausbildungen ===<br />
In der Grundausbildung der ''[[bushi]]'' waren eine Reihe von Praktiken ([[Zusätzliche Kampfausbildungen]]) integriert, die dem Krieger zum Überleben im Kampf verhalfen. Dazu gehörten praktische Methoden und philosophische Methoden.<br />
<br />
==== Zusätzliche Methoden ====<br />
→ ''Hauptartikel:''<br />
<br />
Mit dem Begriff ''[[jutsu]]'' bezeichnet man hauptsächlich die Technik des japanischen Kriegerhandwerks, jedoch auch verschiedene zusätzliche Methoden zur Kampfausbildung der Krieger (''[[bushi]]''). Vor allem waren diese das Reiten (''[[bajutsu]]'') und das Schwimmen (''[[suiheijutsu]]''). Aber auch die ''[[ninja]]'' entwickelten in ihrem Kampfsystem ''[[ninjutsu]]'' viele Methoden, die von den Kriegern übernommen wurden. Die Systeme des ''[[bujutsu]]'' und des ''ninjutsu'' verbanden sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem unüberschaubaren Geflecht, das heute nicht voneinander getrennt werden kann.<br />
<br />
==== Philosophie der Krieger (Bushidō) ====<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Bushidō]]<br />
<br />
In einem großem Maß wurde die Philosophie (''[[bushidō]]'') der japanischen Krieger von den existierenden Glaubensrichtungen ([[Japanische Religion]]) geprägt. Durch den Einfluss des [[Konfuzianismus]] entwickelten sie die Treue gegenüber dem Staat und dem Herrscher, durch den [[Buddhismus]] die Bewältigung des Lebens und die Auseinandersetzung mit dem Tod, durch den [[Daoismus]] die Anpassung an die Naturgesetze des „Werden und Vergehens“ und durch den [[Shintōismus]] den traditionellen japanischen Ahnenkult.<br />
<br />
== Kobujutsu - Systeme des Volkes ==<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kobujutsu]]<br />
<br />
Der Begriff ''[[kobujutsu]]'' bezeichnet allgemein die „niedere Waffenkunst“ des Volkes. Die Bezeichnung meint heute die bewaffneten Selbstverteidigungsmethoden der unteren Bevölkerungsgruppen (''[[nō]]'' - Bauern), aber dieselben Waffen wurden auch von den Kriegern (''[[bushi]]''), den Mönchen (''[[sō]]''), den Geheimagenten (''[[ninja]]''), den Gesetzlosen (''[[muhōmono]]''), der Polizei (''[[kei]]'') und schließlich auch vom Militär ( ) benutzt. Dass diese Konzepte heute als Bauernwaffen bezeichnet werden ist dem Umstand zu schulden, dass tatsächlich zuerst die Bauern verschiedene Haushalts- und Arbeitsgeräte, zu Waffen (''[[buki]]'') umfunktionierten, die sie zu ihrer Selbstverteidigung nutzten.<br.>Den Begriff ''kobujutsu'' gibt es in [[Japan]] und auf [[Okinawa]]. Doch im Vergleich zueinander entwickelten die beiden Systeme unterschiedliche Methoden. Daher muss man sie in [[Kobujutsu (Japan)]] und [[Kobujutsu (Okinawa)]] unterscheiden. In neuerer Zeit entstanden aus ihnen die Systeme des ''[[kobudō]]'', die ebenfalls in die Systeme [[Kobudō (Japan)]] und [[Kobudō (Okinawa)]] unterteilt werden. Letztere gleichen sich heute in manchen Waffenmethoden (''[[buki]]'') an, aber ihre geschichtliche Tradition, ihr Inhalt und ihre Ausübung ist voneinader zu unterscheiden.<br />
<br />
=== Kobujutsu (Japan) ===<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kobujutsu (Japan)]]<br />
<br />
Seit dem Altertum (''[[kodai]]'') entwickelte sich in Japan ein bewaffnetes Selbstverteidigssystem des niederen Volkes, das sich mit umfunktionierten Waffen (''[[buki]]'') aus Haushalts- und Arbeitsgeräten gegen die gesetzlose Willkür der herrschenden Kriegerklasse ''[[samurai]]'' zu wehren versuchte. Die Grundlage für die Systeme der unteren Bevölkerung war zunächst der einfache Stock (''[[bō]]''), der in all seinen Varianten und Längen (''[[bō]]'', ''[[jō]]'', ''[[hanbō]]'' usw.) zur Waffe perfektioniert wurde. Im Laufe der folgenden mittelalterlichen Jahrhunderte (''[[chūdai]]'') entstanden in Japan weiter Systeme wie z.B. ''[[jitte]]'' (Gabel), ''[[kama]]'' (Sichel) oder ''[[surujin]]'' (Kette). Diese Waffensysteme fanden in allen Bevölkerungsgruppen Japans eine breite Anerkennung und wurden auch von den Kriegern (''[[bushi]]''), den militanten Mönchen (''[[sō]]''), den Gesetzlosen ( ), der Poliziei (''[[kei]]'') und schließlich auch vom Militär übernommen.<br.>Im ''[[edo jidai]]'' (1603-1888) wurde eine einseitige Gesetzgebung erlassen, die eine totale Willkür der Krieger erlaubte (''[[kirisute gomen]]'' - „niederschlagen und gehen“). Diesem Gesetz begegnete das Volk mit der Intensivierung eigener bewaffneten Methoden der Selbstverteidigung (''[[goshin]]''). Doch an der Entwicklung des ''kobujutsu'' waren alle japanischen Bevölkerungsgruppen beteiligt. Das ''[[ninjutsu]]'' hat daran den größten Anteil.<br />
<br />
=== Kobujutsu (Okinawa) ===<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kobujutsu (Okinawa)]]<br />
<br />
Nachdem [[Okinawa]] 1603 von den [[Satsuma]] erobert wurde, entstand im Volk eine extrem militante Opposition gegen die japanischen Besatzer. Die Japaner verübten unvorstellbare Greueltaten am okinawanischen Volk und zwangen die Bewohner zu einer organisierten Selbstverteidigung, die - wegen des Waffenverbotes - nur mit unkonventionellen Waffen (''[[buki]]'') möglich war.<br.>Auch auf Okinawa war der Stock ''[[bō]]'' (auf Okinawa ''[[kon]]'') und seine Varianten die primäre Grundlage der okinawanischen Selbstverteidigung. Doch erheblich mehr als die Japaner mussten die Okinawaner ihre Systeme zur Selbstverteidigung perfektionieren. Es entstanden die Systeme der Sicheln ''[[kama]]'', die Systeme der ''[[tonfa]]'', die Systeme der Fischergabeln (''[[sai]]''), die Systeme des verbundenen Stockes ''[[nunchaku]]'', die Systeme der Kette ''[[surujin]]'', die Systeme mit Schild und Speer (''[[tinbejutsu]]'') und viele weitere Systeme, die aus Gebrauchsgegenständen des Haushaltes entwickelt wurden.<br />
<br />
== Ninjutsu - Systeme der japanischen Geheimagenten ==<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Ninjutsu]] | [[Ninja]]<br />
<br />
Die ''[[ninja]]'' waren mittelalterliche Geheimagenten, die von jeder japanischen Machtinstanz bei Bedarf in Anspruch genommen wurden. Sie trainierten ihre Kampfsysteme (''[[ninjutsu]]''), um ihre Aufträge möglichst unauffällig und geheim ausführen zu können.<br.>Um ihre Aufträge erfolgreich erledigen zu können, mussten sie spezielle Taktiken und Techniken des bewaffneten und unbewaffneten Kämpfens entwickeln aber auch besondere Techniken der Spionage (''[[chōhō]]''), Informationsbeschaffung (''[[johu kaishu]]'') und des Entkommens (''[[gotonpō]]'', ''[[onshinjutsu]]'', ''[[hensōjutsu]]'').<br />
<br />
=== Grundsysteme der Ninja ===<br />
In der primären Gründungszeit des ''[[ninjutsu]]'' waren die ''[[ninja]]'' zunächst Gesetzlose, <br />
<br />
==== [[Iga ryū]] ====<br />
<br />
Iga ryū (伊贺流) altes System<br />
<br />
==== [[Kōga ryū]] ====<br />
<br />
Kōga ryū (甲賀流): bekanntes japanisches System des ninjutsu aus der Provinz Kōga (Shiga) im Süden der Hauptinsel Honshu.<br />
<br />
{| align="left style="border:1px solid #8888aa; background-color:#f7f8ff;margin:10px;padding:5px;font-size:100%;"<br />
|-----<br />
| colspan="2"|'''NINJUTSU'''<br />
'''[[Ninja jūhakkei]]''' - 18 Ninja-Künste<br />
<div style="font-size:92%"><br />
* [[Seishinteki kyōyō]] - geistige Kultivierung<br />
* [[Taijutsu]] - unbewaffneter Kampf<br />
* [[Bikenjutsu]] - Schwertkampf<br />
* [[Bōjutsu]] - Stockkampf<br />
* [[Shurikenjutsu]] - Wurfsterne<br />
* [[Sōjutsu]] - Speerkampf<br />
* [[Naginatajutsu]] - Hellebarde<br />
* [[Kusarigama]] - Sichel und Kette<br />
* [[Kayakujutsu]] - Feuer und Explosion<br />
* [[Hensojutsu]] - Verkleiden<br />
* [[Shinobi iri]] - lautloses Bewegen<br />
* [[Bajutsu]] - Reitkunst<br />
* [[Suiren]] - Wassertraining<br />
* [[Boryaku]] - Strategie<br />
* [[Chōhō]] - Spionage<br />
* [[Intonjutsu]] - Fluchttechniken<br />
* [[Tenmon]] - Meteorologie<br />
* [[Chimon]] - Geographie<br />
</div><br />
'''[[Ninja bukihō]]''' - Ninja-Waffen<br />
<div style="font-size:92%"><br />
* [[Ninjatō]] ([[shinobi gatana]]) - Ninja-Schwert<br />
* [[Kusarigama]] - Kette<br />
* [[Kyoketsu shōge]] - Kette mit Ring<br />
* [[Kaginawa]] - Enterhaken<br />
* [[Bō]] - langer Stock<br />
* [[Naginata]] - Hellebarde<br />
* [[Torinawa]] - Pfeil mit Kette<br />
* [[Shaken]] - Wurfmesser<br />
* [[Ashiko]] - Fußkrallen<br />
* [[Bisentō]] - Kriegshellebarde<br />
* [[Onogama]] - Streitaxt<br />
* [[Bakahatsu gama]] - Wurfsichel<br />
* [[Nichokama]] - Sichel<br />
* [[Kunai]] - eine Art Spachtel<br />
* [[Shuko]] ([[Tekagi]]) - Handkrallen<br />
* [[Tantō]] - Dolch<br />
* [[Yari]] - Speer<br />
* [[Manriki gusari]] - Kette<br />
* [[Shuriken]] - Wurfsterne<br />
* [[Tekko]] - Faustwaffe<br />
* [[Yumi]] / [[Ya]] - Pfeil und Bogen<br />
* [[Shinbō]] - Faustwaffe<br />
* [[Shinobi zue]] - Stab mit Kette<br />
* [[Fukiya]] - Blasrohr<br />
* [[Metsubishi]] - Blendpulver<br />
* [[Tetsubishi]] - Straßenfalle<br />
* [[Happō]] - Blendpulver<br />
</div><br />
|}<br />
<br />
= Japanische Kampfkunst =<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Japanische Kampfkunst]]<br />
<br />
Mit dem Begriff ''budō'' (武道) bezeichnet man eine [[japanische Kampfkunst]] (''nihon budō'' 日本武道), die sich unter dem buddhistischen Aspekt des Weges (''[[dō]]'') aus dem ''[[bujutsu]]'' (Technik des Kriegers) entwickelt hat. Besonders unter dem Einfluss des ''[[zen]]'' (beginnend mit dem 17. Jhr., [[Takuan]]) erhielten sie einen ethischen Inhalt und entwickelten sich aus tödlichen Kriegsmethoden (''bujutsu'') zu Künsten der Selbstbetrachtung und Selbstperfektion (''budō''). Die rein kriegerischen Systeme des ''bujutsu'' verwandelten sich in friedliche Übungsmethoden innerhalb der Lehre des ''dō'' und nutzten ihr Potenzial zur Reflektion über Leben, Sinn und Sein ([[Budō-Philosophie]]). Unten sind die wichtigsten Strömungen aufgelistet:<br />
<br />
{| align="left style="border:1px solid #8888aa; background-color:#f7f8ff;margin:10px;padding:5px;font-size:100%;"<br />
|-----<br />
| colspan="2"|'''BUDŌ - Kampfkunst-Systeme'''<br />
'''Japan'''<br />
<div style="font-size:92%"><br />
* [[Aikidō]] - entstanden aus ''[[aikijutsu]]''<br />
* [[Jūdō]] - entstanden aus ''[[jūjutsu]]''<br />
* [[Kendō]] - entstanden aus ''[[kenjutsu]]''<br />
* [[Iaidō]] - entstanden aus ''[[iaijutsu]]''<br />
* [[Kyūdō]] - entstanden aus ''[[kyūjutsu]]''<br />
* [[Ninpō]] - entstanden aus ''[[ninjutsu]]''<br />
* [[Kobudō (Japan)]] - entstanden aus ''[[kobujutsu]]''<br />
</div><br />
'''[[Okinawa]]'''<br />
<div style="font-size:92%"><br />
* [[Karatedō]] - entstanden aus ''[[karate]]''<br />
* [[Kobudō (Okinawa)]] - entstanden aus ''[[kobujutsu]]''<br />
</div><br />
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== Budō - Weg der Krieger ==<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Budō]]<br />
<br />
Die Kampfsysteme (''[[bujutsu]]'') der Krieger (''[[bushi]]'') und ihre jeweiligen Stile (''[[ryū]]'') waren bereits früh in erster Linie eine Auflage der Politik (''[[butokukai]]''), einer Organisation, die 1895 entstand und aus dem alten (792) gegründeten ''[[butokuden]]'' hervorging. Der ''butokukai'' unterstand direkt der Regierung und hatte den Auftrag, alle Systeme und Stile des ''bujutsu'' zu kontrollieren und zu standardisieren. Entsprechend wurde ein Komitee gegründet, das allein die ''[[budō menjō]]'' (auch ''[[bujutsu menjō]]'' - Rangbescheinigungen der Kampfkunstmeister) und die ''[[shihan menjō]]'' (Lehrerlizenzen) vergab. Dadurch standen alle ''ryū'', die sich dem ''butokukai'' verweigerten, außerhalb des offiziellen Rahmens.<br />
Mit der alten Tradition der Stilvererbungen (''[[sei]]'' - von Klan zu Klan und ''[[dai]]'' - von Meister zu Schüler) wurde endgültig gebrochen und stattdessen ein staatliches Kontroll-System eingeführt, in dem die Anerkennung und Berechtigung der Stile politisch verordnet wurde und zu einem enormen Verlust von traditionellen Kampfkunstwerten führte. Es wurden von der Organisation kontrollierte [[Budō-Prüfungsprogramme]] (''[[dankyū seido]]'') und [[Budō-Rangsysteme]] (''[[kyūdan]]'') gegründet, die nur noch bürokratisch vergeben wurden.<br />
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=== Budō (Japan) ===<br />
Hauptartikel: [[Budō (Japan)]]<br />
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==== Buki hō (bewaffnete Methoden) ====<br />
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==== Kara hō (unbewaffnete Methoden) ====<br />
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=== Budō (Okinawa) ===<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Budō (Okinawa)]]<br />
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==== Buki hō (bewaffnete Methoden) ====<br />
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==== Kara hō (unbewaffnete Methoden) ====<br />
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jzf<br />
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== Kobudō - altes Budō ==<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kobudō]]<br />
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Der Begriff ''kobudō'' (古武道) wird mit „altes budō“ übersetzt und bezeichnet die volkstümlichen Waffensysteme aus [[Japan]] und [[Okinawa]], die hauptsächlich aus der Handhabung verschiedener Arbeitsgeräte entstanden. Darin bedeutet ''ko'' (古) - alt; ''bu'' (武) - Krieger und ''dō'' (道) - Weg. Die Bezeichnung ist neueren Datums und steht analog zur Veränderung des ''[[bujutsu]]'' zum ''[[budō]]''. Entsprechend veränderte sich auch der Ursprungsbegriff ''[[kobujutsu]]'' zu ''kobudō''.<br />
<br />
=== Kobudō (Japan) ===<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kobudō (Japan)]]<br />
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=== Kobudō (Okinawa) ===<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kobudō (Okinawa)]]<br />
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= Japanischer Kampfsport =<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Japanischer Kampfsport]]<br />
<br />
Als Bezeichnung für Kampfsport in Japan gebraucht man den Ausdruck ''kakugi'' (格技). Der Begriff bezieht sich auf Kampfsportarten (z.B. ''sumō'', ''jūdō'', ''karatedō'' u.a.), die nach den Regeln des Wettkampfsports ausgeübt werden.<br />
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=== Wettkampfsport ===<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Wettkampfsport]]<br />
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==== Kampfsport (Japan) ====<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kampfsport (Japan)]]<br />
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==== Kampfsport (Okinawa) ====<br />
→ ''Hauptartikel:'' [[Kampfsport (Okinawa)]]<br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Japan]] | [[Japanische Kampfkunst]] | [[Japanische Kriegskunst]] | [[Japanischer Kampfsport]] | [[Okinawanische Kampfsysteme]]<br />
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=== Literatur ===<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Japan]]<br />
[[Kategorie: Japanische Kampfsysteme]]<br />
[[Kategorie: Asiatische Kampfsysteme]]<br />
[[Kategorie: unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Qu%C3%A1nf%C7%8E&diff=15927Quánfǎ2014-10-12T22:00:44Z<p>Werner Lind: </p>
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<div>{{Vorlage: Überarbeiten}}<br />
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'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br />
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'''Quánfǎ''' (chin.: 拳法) lautet in der Übersetzung „Methode der Faust“, und steht alternativ für ''[[quánshù]]'' (Kunst / Technik der Faust). Beide Begriffe bezeichnen die [[chinesische Kampfkunst]]. Im Verlauf ihrer jahrtausendealten Geschichte verwendete man dafür noch die Begriffe ''[[gōngfū]]'' (übersetzt: „harte Arbeit“), ''[[kungfu]]'' (ein westlicher Begriff, der sich ab 1960 für die chinesischen Kampfkünste etablierte), ''[[wǔshù]]'' (militärische Künste / Kriegskünste) und ''[[guóshù]]'' (nationale Künste). In Japan wird das System als ''[[kenpō]]'' („Methode der Faust“) bezeichnet.<br.>Ein historischer Rückblick offenbart, dass es sich hierbei um das alte [[Qìgōng]]-Konzept von [[Huá Tuó]] handelt, das im [[Shǎolínsì|Shǎolín-Kloster]] (''shǎolínsì'') über einen Zeitraum von 2000 Jahren in kämpferische Bewegungen umgewandelt wurde.<br />
<br />
[[Bild:Quanfa Tabelle.png|Quanfa Tabelle (aus Karate Kumite)]]<br />
<br />
== Ursprünge des Quánfǎ ==<br />
Unabhängig von den zeitbedingten chinesischen Begriffsveränderungen definiert sich ''[[qìgōng]]'' als Überbegriff für alle ideologischen Bewegungskonzepte. In seinem Inhalt und Wesen ist ''quánfǎ'' zunächst ebenfalls eine Methode des ''qìgōng''.<br />
<br />
=== Qínxì (5000 v. Chr.) - Tierspiele in der chinesischen Frühzeit ===<br />
Bereits in vorchristlicher Zeit (ca. 5000 v. Chr.) stellten die Chinesen die unveränderbare Unterworfenheit des Menschen unter die natürlichen Gesetzen des „Lebens und Sterbens“ fest. Früh erkannten sie, dass die Ichwerdung des Menschen nicht nur zum technischen Fortschritt führt, sondern auch zur Entfremdung von der Natürlichkeit des Lebens. Bei den Tieren, die ohne persönliches Bewusstsein den Naturbedingungen nichts entgegensetzen konnten, stellten sie einen erheblich höheren Wirkungsgrad in ihren Handlungen fest. Also versuchten sie einen Ausgleich zwischen Intellekt und Intuition, indem sie in ihre gymnastischen Übungen (''[[dǎoyǐn]]'') die Nachahmungen von Tieren (''[[qínxì]]'') einführten.<br.>So begann die Tradition der Tiernachahmungen bereits im vorchristlichen Zeitalter. Man ahmte die Flügelschläge der Vögel nach, indem man entsprechende Schwungbewegungen mit den Armen ausführte, behängte sich mit Tierfellen und imitierte die Bewegungen der Tiere. Die ersten Tiere in diesem Konzept waren der Bär (''[[xióng]]'' 熊 - Erdverbundenheit), der Vogel (''[[niăo]]'' 鸟 - Leichtigkeit), der Tiger (''[[hū]]'' 虍 - Macht) und die Schlange (''[[shé]]'' 蛇 - Geschmeidigkeit).<br />
<br />
[[Datei:03_1_TiereUrsprung.png|450px|Vorzeitliche Tierkonzepte (aus Karate Kumite)]]<br />
<br />
=== Huá Tuó (2. Jh. n. Chr) - Gründer der daoistischen Tierlehre ===<br />
Im 2. Jh. n. Chr. lehrte der Arzt [[Huá Tuó]] (190 - 265 n. Chr.), wie man die naturbestimmten Lebensgesetze durch körperlich-geistige Übungen in bester Vereinbarkeit mit dem alltäglichen Leben verwirklichen kann. Er erkannte, dass die irdischen Gesetze des „Werdens und Vergehens“ nach wie vor auch für den Menschen gelten, und plädierte dafür, die Handlungsweise der Natur im persönlichen Leben nachzuvollziehen, um durch die Konformität mit den natürlichen Wandlungsgesetzen (''[[wǔxíng]]'') eine größere vitale Kraft (''[[qì]]'') zu erreichen.<br.>Als Übung empfahl er das Nachahmen der Verhaltensweise von fünf Tieren (''[[wǔqín]]''), da er bei Tieren einen weit höheren Wirkungsgrad im Handeln feststellen konnte als beim Menschen. Er kam zu dem Schluss, dass der sich seiner selbst bewusst gewordene Mensch zwar Städte erbauen und Technologien erfinden konnte, dass ihn aber eben dasselbe Bewusstsein (das Wissen um seine Vergänglichkeit) in seinem Handeln beeinträchtigt. Er lehrte, dass die Qualität des irdischen Lebens in großem Maße davon abhängt, ob der Mensch die natürlichen Gesetze des „Werdens und Vergehens“ in seiner Haltung verwirklichen kann und dadurch Zugang zu jener universellen Energie (''qì'') erhält, die den Gleichgewicht haltenden Rhythmus aller natürlichen Veränderungen bewirkt.<br.>Dadurch reifte seine Idee und Lehre, den Menschen in den Ursprung seines natürlichen Seins zurückzuführen, in dem er sein Leben mit Vitalität füllen und unbeschwert wirken kann. Als körperlichen Ausdruck seiner Philosophie gründete er das „Spiel der fünf Tiere“ (''[[wǔqínxì]]''), als Nachahmung des Affen (猴 ''[[hóu]]''), des Tigers (虍 ''[[hū]]''), des Hirsches (鹿 ''[[lù]]''), des Bären (熊 ''[[xióng]]'') und des Vogels (鸟 ''[[niăo]]''). Diese Übungen waren dazu gedacht, das entsprechende Tier in seinem Wesen zu verstehen und seine gesamte Art und Handlungweise nachzuahmen. Nicht die Bewegung wurde nachgeahmt - der Übende sollte das „Wie“ und „Warum“ im Wirken der Tiere ergründen. Die Übungen von Huá Tuó legten den Grundstein zum späteren ''qìgōng'', das noch heute die gesamte Kultur Chinas durchzieht.<br />
<br />
[[Bild:03_2_TiereHuaTuo.png|550px|Wǔqínxì - Tierkonzepte von Huá Tuó (aus Karate Kumite)]]<br />
<br />
* '''[[Wǔqínxì]]''' 五禽戲 - das „Spiel der fünf Tiere“ soll von dem chinesischen Arzt, Huá Tuó, als psychophysische Übungen gegründet worden sein. Er empfahl das Nachahmen von Tierverhalten als Übung, wodurch die Gesundheit und Vitalität der Menschen gesteigert werden sollte. Huá Tuó empfahl nicht das Nachahmen von Tierbewegungen, sondern ein Studium ihrer Art und ihres Seins, wodurch er ein besseres Verständnis der natürlichen Lebensprozesse des Menschen prognostizierte. Er stellte die Unterworfenheit des Menschen unter die natürlichen Prozesse (Leben und Sterben) fest und definierte den Grund für seinen zunehmenden Vitalitätsverlust in einer überbetonten Selbstbezogenheit. Er empfahl, von den Tieren zu lernen, die „ohne Ego“ eine natürliche Verbindung zum ''[[dào (Prinzip)|dǎo]]'' pflegen und dessen Energie (''qì'') auf natürliche Weise nutzen.<br />
<br />
Im Laufe der Zeit entwickelten die ''wǔqínxì'' eine umfangreiche Kultur zur Lenkung und Kontrolle der vitalen Energie (''qì''). Im 12. Jh. fanden sie als ''[[wǔqínquán]]'' Einzug in das shaolinische quánfǎ. Im modernen ''qìgōng'' prägen sie noch heute alle ostasiatischen Lebensbereiche. Im [[Daoismus]] entstanden, verbanden sie sich später mit dem [[Buddhismus]] und [[Konfuzianismus]] und ließen Übungen entstehen, durch die der Mensch lernte, angepasst zu leben, seine Gesundheit zu erhalten und sich zu verteidigen.<br />
<br />
=== Bodhidharma (6. Jh. n. Chr.) - Gründer des shǎolínischen Buddhismus ===<br />
[[Bild:01_2_Bodhidharma.png|thumb|200px|Bodhidharma begibt sich auf die Wanderschaft]]<br />
<br />
Im Jahre 523 n. Chr. kam der 28. Nachfolger Buddhas, der indische Mönch [[Bodhidharma]] (470-543), ins [[Shǎolínsì|Shǎolín-Kloster]]. Er gilt als erster Patriarch des ''[[chán]]'' (jap. ''[[zen]]''), und beeinflusste die dort bislang vorherrschende daoistische Lehre durch seine buddhistische Auffassung. Er lehrte die Mönche, dass das Leben vergänglich ist und dass es darauf ankommt, sich im irdischen Leben durch höchste Wirksamkeit auf einem „mittleren Weg“, im Gleichgewicht zwischen Askese und Selbstverwirklichung zu gestalten.<br.>Zur Zeit seiner Ankunft (523) waren die [[Shǎolín-Mönche]] in einer schlechten körperlichen Verfassung, da ihre Aktivitäten ausschließlich auf Meditationspraktiken und Schriftlehren beschränkt waren. Nachdem er Abt des Klosters geworden war, beendete er das vegetierende Beten und Schriftübersetzen der Mönche und verordnete ihnen ein tägliches Körpertraining, das zur Stärkung ihrer vitalen Energie (''qì'') beitragen sollte. Zur täglichen Pflichtübung der Mönche wurden das ''[[yìjīnjīng]]'' („Buch der leichten Muskeln“ - eine Methode zur Steigerung von Durchhaltevermögen und Widerstandskraft) und das ''[[xǐsǔijīng]]'' („Buch zur Wäsche des Knochenmarkes“ - Übungen zur Entwicklung der Energie und der geistigen Reife) eingeführt.<br.>Bodhidharma, der auch Erfahrung im indischen Kampfsystem ''[[vajramushti]]'' hatte, gründete zusätzlich zu den ''yìjīnjīng'' und ''xǐsǔijīng'' weitere 18 kämpferische Übungen, die heute als ''[[shíbā luóhànshŏu]]'' (18 Hände der Buddha-Schüler) bezeichnet werden. Auch diese Übungen verstand er nur ergänzend zum Erreichen der Erleuchtung.<br.>Im Verlauf der folgenden Jahrhunderte entwickelten sie sich durch den Einfluss externer Militärtechniken zunehmend mehr zu kampforientierten Übungen. Doch sie bewahrten ihren ursprünglichen Charakter und gelten auch heute als Ursprung und als ideologischer Leitfaden zur Entwicklung des ''[[shǎolín quánfǎ]]''. Gleichwohl unterscheidet ihr Prinzip die [[Kampfkunst]] von der [[Kriegskunst]] und vom heutigen [[Kampfsport]].<br />
<br />
== Shǎolín Quánfǎ ==<br />
Die weitere Entwicklung des ''quánfǎ'' ist strikt an die Entstehungsgeschichte des ''[[shǎolín quánfǎ]]'' (少林拳法) gebunden, in dem die gesundheitsfördernde Gymnastik der Mönche allmählich in Kampftechniken umgewandelt wurde. Im Shǎolín-Kloster entwickelte sich ein erstes Konzept, das diese Ideologie mit Kampftechniken zu verbinden begann.<br.>Das Grundkonzept des ''shǎolín quánfǎ'' entstand im 6. Jh. im gleichnamigen Kloster. In jahrhundertelangen Folgeprozessen wurden dort die indischen Kampftechniken der ''[[luóhàn]]'' (''[[shíbā luóhànshŏu]]'') mit Bodhidharmas meditativen Übungen (''yìjīnjīng'' und ''xǐsǔijīng'') kombiniert und im 12. Jh. mit den shaolinischen Tiersystemen (''wǔqínquán'') verbunden. Daraus entstanden die kämpferischen Verfahren des ''shǎolín quánfǎ''. Das System wurde auf der Grundlage von Formen (''[[tàolù]]'') unterrichtet.<br.>Nahezu ein halbes Jahrtausend galten Bodhidharmas Qì-Übungen, verbunden mit den 18 Methoden der ''shíbā luóhànshŏu'' (Kampfübungen aus dem indischen ''vajramushti'') als Zentrum aller mönchischen Übungen im Shǎolín-Kloster. Doch als die Mönche sich später zunehmend gegen Überfälle verteidigen mussten, stellte sich heraus, dass ihre Wehrhaftigkeit gegen kampferprobte Angreifer unzureichend war. Das System der Buddha-Schüler (''luóhàn'') hatte definitiv gravierende Lücken im Bereich der Technik und Taktik des Kämpfens. Es wurde offensichtlich, dass diesem System eine kämpferische Leitlinie fehlte.<br />
<br />
=== Jué Yuǎn (12. Jh. n. Chr.) - Reformer des shǎolínischen Systems ===<br />
Im Verlauf der Song-Dynastie (960 - 1278) bemühte man sich im Shǎolín-Kloster nachhaltig darum, Bodhidharmas ''shíbā luóhànshŏu'' und seine Gesundheitsübungen (''yìjīnjīng'' und ''xǐsǔijīng'') in Kampftechniken zu verwandeln. Gegen Ende der Song-Dynastie kam [[Jué Yuǎn]], ein adeliger Schwertkämpfer ins Shǎolín-Kloster. Als Novize lernte er die ''shíbā luóhànshŏu'', als späterer Abt des Klosters bemühte sich um ihre Erweiterung zu kämpferischen Methoden. Zunächst erweiterte er das System der shaolinischen ''luóhàn'' auf 72 Verfahren. Doch sein System war nach wie vor unvollkommen, ihm fehlte die taktische Linie. Daher beschloss er, sich auf Wanderschaft zu begeben, um von Kriegern außerhalb des Shǎolín-Klosters zu lernen.<br />
<br />
=== Lĭ Sŏu (12. Jh. n. Chr.) - Initiator der shǎolínischen Vitalpunktlehre ===<br />
Auf seinen Reisen beobachtete Jué Yuǎn eine Begebenheit, die sein Konzept nachhaltig beeinflussen sollte: ein alter Mann wurde von einem Raufbold belästigt, den er mit wenigen Griffen außer Gefecht setzte. Darauf angesprochen, erklärte [[Lĭ Sŏu]] (Li Cheng), dass er nur ein Arzt sei und vom Kämpfen wenig verstehe. Er hätte lediglich die Vitalpunkte des Angreifers stimuliert, worauf dieser kampfunfähig wurde.<br.>Jué Yuǎn war von dieser Methode fasziniert und wollte das Wissen des Arztes in die shaolinischen Kampfsysteme integrieren. Er bat Lĭ Sŏu, ihn ins Shǎolín-Kloster-Kloster zu begleiten, um von ihm zu lernen. Doch dieser erklärte, dass nur glückliche Umstände dazu führen, dass ein Arzt die Vitalpunkte eines Angreifers erreicht. Um optimale Umstände zu gründen, bedarf es einer wohldefinierten Taktik im Kampfverhalten, mit der in den Nahbereich des Angreifers eingedrungen werden kann. Er schlug vor, einen ihm bekannten Kampfexperten namens [[Bái Yù Fēng]] aufzusuchen und diesen diesbezüglich um Rat und Hilfe zu bitten.<br.>Heute ist nicht nachvollziehbar, ob diese Geschichte auf Wahrheit oder Legende beruht. Auf jeden Fall steht sie repräsentativ für die spätere komplexe Entwicklung des ''shǎolín quánfǎ'' und seiner standardisierten Bewegungsformen (''tàolù''). Die Bedeutung von Lĭ Sŏu besteht darin, dass er die [[Vitalpunktlehre]] im ''shǎolín quánfǎ'' initiierte. Die Mönche entdeckten, dass die Kontrolle, Lenkung und Beeinflussung der vitalen Energie (''qì'') auf den Punkten (''[[xuè]]'') auch im Kampf von Bedeutung sein kann. Dafür wurden spezielle Punktsysteme (''[[diǎnxuè]]'') entwickelt, die in den Übungen sowohl die gesundheitsfördernden als auch die gesundheitsschädigenden Methoden enthielten.<br />
<br />
=== Bái Yù Fēng (12. Jh. n. Chr.) - Gründer des shǎolínischen Kampfsystems ===<br />
Nachdem Bái Yù Fēng gefragt wurde, erklärte er sich zur Mitarbeit bereit und zog mit den beiden ins Shǎolín-Kloster. Er brachte seine außershǎolínische Kampferfahrung mit ein und erweiterte das shǎolínische System zunächst auf 170 Aktionen. Dabei integrierte er vor allem außershǎolínische Systeme, wie ''[[qínná]]'' (Greifen) und ''[[shuāi]]'' (Ringen).<br.>Daraus entstanden zunächst die ''[[shǎolín shísānzhuā]]'' („Shǎolín-Boxen der 13 Griffe“), später aber konzentrierte er seine Aufmerksamkeit auf die alten Tiersysteme (''[[wǔqínxì]]'') von Huá Tuó. Auf dessen psycho-physischen Lehre baute er seine Kampftechniken auf und verschlüsselte darin alle bisher bekannten Verfahren. Auf diese Weise entstanden die fünf Tierstile (''[[wǔqínquán]]''), die auf der Grundlage von fünf Formen (''tàolù'') gelehrt wurden. Die Tierstile des ''shǎolín quánfǎ'' sollten in Folge alle ostasiatischen Kampfkunstkonzepte beeinflussen.<br.>Über seine Neugründung schrieb er ein Buch, „[[Wǔquán jīngyào]]“ (五拳精要, die „Essenz der fünf Fäuste“), in dem er die Übung und Anwendung der klassischen fünf Tierstile erläutert. Auch dokumentiert er darin, dass im Jahre 1312 der japanische Mönch, [[Dà Zhì]], ins Kloster kam und 13 Jahre lang ''[[wǔqínquán]]'' und Stocktechniken lernte. 1335 kam ein weiterer japanischer Mönch, [[Shào Yuán]], ins Kloster und lernte Kalligraphie, Malen, ''chán'' (''zen'') und Kampfkunst. 1347 kehrte er nach Japan zurück und legte den Grundstein für die Entstehung des japanischen ''[[jūjutsu]]''.<br />
<br />
<br />
[[Bild:03_3_Wuqinquan.png|550px|Wǔqínquán - die kämpferischen Tierkonzepte von Bái Yù Fēng]]<br />
<br />
* '''[[Wǔqínquán]]''' 五禽拳 - „Faust der fünf Tiere“. Im 12. Jh. versuchte Bái Yù Fēng, seine Kampfkunsterkenntnisse systematisch zu ordnen, und konzentrierte dabei seine Aufmerksamkeit vornehmlich auf die alten Tiersysteme (''wǔqínxì'') von Huá Tuó. Auf dessen psycho-physischen Lehre interpretierte er die Inhalte seiner Kampfkunst und verschlüsselte darin seine kämpferischen Erfahrungen in einem Übungskomplex, der als ''wǔqínquán'' bekannt ist. Die ''wǔqínquán'' bestehen aus Interpretationen des Kranichs (''[[hè]]''), des Tigers (''[[hū]]''), der Schlange (''[[shé]]''), des Drachen (''[[lóng]]'') und des Leoparden (''[[bào]]''). Noch heute sind diese shǎolínischen Standards für die Entwicklung des gesamten chinesischen ''quánfǎ'' zuständig und beeinflussten in Folge die Entwicklung unzähliger Stile, innerhalb und außerhalb Chinas.<br />
<br />
=== Das Konzept der Tàolù ===<br />
Die shǎolínischen ''wǔqínquán'' (fünf Tierfäuste) wurden in komplexen Bewegungsabläufen (''tàolù'' 套路) gelehrt, in denen alle psycho-physischen Komponenten enthalten sind. Offensichtlich wurden dabei Kampftechniken in einem formellen Ablauf (''[[xíng]]'') geübt, doch die Grundlagenbewegung jeder einzelnen Technik musste auf den Prinzipien des ''qìgōng'' beruhen, und alle Bedingungen zur Entwicklung der vitalen Energie (''qì'') erfüllen. Die Techniken wurden kämpferisch, die Übungsinhalte blieben dieselben.<br.>In ihrer Gesamtheit sind die chinesischen ''tàolù'' ein in kämpferische Übungen umgesetztes philosophisches Ganzheitskonzept des ''qìgōng'' und enthalten, wie nachfolgend beschrieben:<br />
<br />
* '''Körperlehre''' - besteht aus der Form selbst, der daraus abgeleiteten Grundschule und ihrer kämpferischen Anwendung mit einem Partner.<br />
* '''Geistlehre''' - bezeichnet die philosophische Selbstbetrachtung in den Bereichen von Ethik und Etikette.<br />
* '''Vitalpunktlehre''' - bezeichnet die Wissenschaft der Stimulation von schmerzempfindlichen Punkten (''[[diǎnxuè]]'') bei einem Angreifer.<br />
<br />
Es stellte sich als schwierig heraus, ein System zu gründen, das als Körperlehre kämpferisch wirkungsvoll war, als Geistlehre die psychophysischen Elemente des Daoismus, Buddhismus und Konfuzianismus integrierte und als Vitalpunktlehre das komplexe System über die Vitalpunktlehre enthielt. Ein solches System musste die Praxis des Kämpfens mit den chinesischen Philosophien und mit der Gesundheitslehre verbinden.<br.>Die Chinesen fanden die Lösung in der Gründung der ''tàolù''. In ihnen verschlüsselten sie alle oben genannten Hintergründe in der körperlichen Übung und unterstützten das Verständnis der Zusammenhänge bei jenen, die Inhalte statt Formen suchten.<br.>Die ''tàolù'' sind auch noch heute kombinierte und verschlüsselte Systeme des Kämpfens, der Philosophie und der Gesundheitslehre. Sie können nur verstanden werden, wenn man ihren Sinn sowohl im Training als auch im Studium sucht.<br.>Im Shǎolín-Kloster wurden sie aus der Verhaltensweise von fünf Tieren ausgewählt (''[[lóng]]'' - Drache, ''[[hū]]'' - Tiger, ''[[shé]]'' - Schlange, ''[[hè]]'' - Kranich und ''[[bào]]'' - Leopard), die noch heute als die [[Standardstile des Shǎolín]] gelten und das gesamte chinesische ''quánfǎ'' und das okinawanische ''[[karate]]'' bis in die Gegenwart beeinflussen.<br />
<br />
== Außershǎolínisches Quánfǎ ==<br />
Wie oben beschrieben beginnt die Kultur der chinesischen Kampfkunst im 6. Jh. mit Boddhidharmas Lehren und entwickelte sich im 12. Jh. unter Jué Yuǎn, Lĭ Sŏu und Bái Yù Fēng zum ''shǎolín quánfǎ''. Ihr Konzept unterschied sich von den kämpferischen Praktiken der Militärs außerhalb des Shǎolín-Klosters. Das ''[[shǎolín quánfǎ]]'' (auch ''shǎolínquán'') strebte zusätzlich die psycho-physische Einheit zwischen Körper und Geist an.<br.>Nachdem das Shǎolín-Kloster 1673 von den Mandschu zerstört wurde, flohen seine Mönche in alle Teile des Landes und entwickelten eigene Konzepte, die zumeist in privaten Schulen (''[[guān]]'') organisiert waren. Es entstanden ca. 360 Stile des ''quánfǎ'', deren Theorien und Methoden entweder den Inhalten der '''Äußeren Schulen''' (''[[wàijiā]]'') oder der '''Inneren Schulen''' (''[[nèijiā]]'') verbunden waren. Diese Konzepte beeinflussten später alle südostasiatischen Kampfkünste.<br />
<br />
=== Wàijiā - die äußeren Schulen ===<br />
Die Systeme der ''[[wàijiā]]'' (外家) bezeichnen direkte Ableitungen aus dem ''shǎolín quánfǎ'', die ab 1673 von vertriebenen Shǎolín-Mönchen in den Zweigstellen des Shaolin-Klosters unterrichtet wurden. Dort entwickelten sie extrem kämpferische Stile und gründeten geheime Bruderschaften (''[[huìdǎng]]''), die gegen die Herrschaft der Mandschu konspirierten.<br.>In der Folgezeit verlagerten sich die Kampfkonzepte aus den Klöstern zunehmend mehr in Privatschulen (''guān''). Dort entstanden Strömungen und Stile des ''shǎolín quánfǎ'', die vor allem eine schnell erreichbare Kampffähigkeit beabsichtigten. Den ''guān'' standen meist gut ausgebildete Lehrer (''[[shīfu]]'') vor, die den Widerstand gegen die Mandschu organisierten. Vor allem auf der Fähigkeit zum Kämpfen begründen sich die äußeren Schulen der ''wàijiā''.<br.>Im Rahmen der ''wàijiā'' entstanden im Süden die Stile des ''[[nánquán]]'' (Faust des Südens) und im Norden die Systeme des ''[[běitǔi]]'' (Bein des Nordens). Die Begriffe unterscheiden lediglich die geografische Lage nördlich und südlich des ''[[chángjiāng]]'' (langer Fluss, auch ''[[yángzǐjiāng]]'' / ''[[jangtsekiang]]'') und begründen ihre Verfahren auf den Gegebenheiten des Landes.<br />
<br />
==== Nánquán - Faust des Südens ====<br />
Der chinesische Süden ist das Land der Pfirsiche und der Reiskultur. Die dort ansässigen Menschen verbrachten einen großen Teil ihres Lebens auf Booten oder im Wasser. Entsprechend der geographischen Gegebenheiten wurden in diesen Systemen überwiegend Handaktionen in der Nahdistanz verbunden mit festen Stellungen gelehrt. Die Fußtechniken wurden weniger betont.<br.>Den Ursprung der südlichen Systeme (''nánquán'' 南拳) vermutet man in der Initiative von legendären Vorvätern, die man als „[[Fünf Alte]]“ bezeichnet. Sie konnten angeblich dem dem Angriff (1673) der Ming auf das Shǎolín-Kloster entkommen und gründeten in der Provinz ''Guǎngdōng'' einen Geheimbund (''huìdǎng''), der den Widerstand gegen die Mandschu durch die Ausbildung einer extremen Kampfkraft ihrer Mitglieder unterstüzte. Dadurch entstanden zunächst die fünf Hauptsysteme (''guǎngdōng wǔdàmíngjiā'') des außershǎolínischen ''quánfǎ'':<br />
<br />
* '''[[Hóngjiā]]''' 洪家 (''hunggar'') - „Schule des Meisters Hóng“ ([[Hóng Xí Guān]]), südliche Schule (''nánquán'') des ''quánfǎ'' aus [[Guǎngdōng]] mit Ursprung im ''shǎolín quánfǎ''. Der Stil entstand als revolutionäres Kampfsystem der ''huìdǎng'', lehrt die fünf Shǎolín-Tierformen (''wǔqínquán'') und kombiniert sie mit den fünf Elementen (''wūdà'').<br />
* '''[[Liújiā]]''' 劉家 (''laugar'') - „Schule der Familie Liú“ äußerer südchinesischer Stil des ''quánfǎ'', der den Nahkampf betont. Das System gehört zu den fünf großen außershǎolínischen Methoden und stammt von [[Liú Sān Yǎn]] (Liú mit den drei Augen, traditionell: 劉三眼; vereinfacht 刘三眼) aus der Provinz [[Guǎngdōng]] oder nach einer anderen These von [[Liú Qing Shan]], aus der Qing-Dynastie (1644 - 1911). Heute wird der Stil in Guǎngdōng (Léizhōu, Gāozhōu) und in [[Guǎngxī]] (Qīnzhōu) geübt und entwickelte mehrere Unterformen.<br />
* '''[[Càijiā]]''' 蔡家 (''choygar'') - „Schule der Familie Cài“, südlicher Stil (''nánquán'') des ''quánfǎ'' der äußeren Schulen (''wàijiā''), einer der maßgeblichen Stile der außershǎolínischen Systeme des ''shǎolín quánfǎ''.<br />
* '''[[Lǐjiā]]''' 李家 (''leigar'') - „Schule der Familie Lǐ“, südlicher Stil (''nánquán'') des ''quánfǎ'', eines der fünf großen Systeme des ''shǎolín quánfǎ''. Das System stammt aus der Provinz Guǎngdōng und wurde von [[Lǐ Yǒu Shān]] (李友山, kantonesisch Lei Yau Saan) gegründet, dessen Vorname auch als Xi Kai oder Ying Hui angegeben wird.<br />
* '''[[Mòjiā]]''' 莫家 (''mokgar'') - „Schule der Familie Mò“, südchinesischer Stil des ''quánfǎ'', ein System von einem der „fünf Patriarchen“ des Shǎolín-Klosters. Es geht auf [[Mò Qīng Jiǎo]] (traditionell: 莫清矯; vereinfacht: 莫清矫) zurück und verbreitete sich in der Provinz Guǎngdōng. Der Stil ist bekannt für seine Handtechniken im Nahkampf und für seine starken Fußtechniken.<br />
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In den südlichen Provinzen [[Fújiàn]] und [[Guǎngdōng]] entstanden bereits seit dem 8. Jh. mehrere Ableger des Shǎolín-Klosters. Doch bald entbrannte ein gegenseitiger Konkurrenzkampf, der viele Kampfexperten veranlasste, die Kloster zu verlassen und Privatschulen (''guān'') zu gründen. Dort entwickelten sie eigene Konzepte, deren Kämpfer die Opposition der ''huìdǎng'' gegen die Mongolen unterstützten.<br.>Neben vielen weiteren Stilen wurden vor allem ''[[báihèquán]]'' („weiße Kranichfaust“), ''[[yǒngchūnquán]]'' (''[[wingchun]]'' 詠春) und ''[[báiméiquán]]'' („weiße Augenbraue“) entwickelt. Manche chinesischen Meister gingen nach Japan, wie der bekannte [[Chén Yuán Bīn]], der im Jahre 1638 im Tempel [[Shōkokuji]] (nahe [[Kyōto]]) eine Schule gründete, die aufbauend auf den Ring-, Hebel- und Greiftechniken des ''shǎolín quánfǎ'' das japanische ''[[jūjutsu]]'' entwickelte.<br />
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==== Běitǔi - Bein des Nordens ====<br />
Das ''quánfǎ'' aus dem Norden Chinas (''[[běitǔi]]'' 北腿) stammt hauptsächlich aus der Provinz [[Héběi]], in der sich bereits seit dem 8. Jh. mehrere Kopien des Shǎolín-Klosters etablierten. Man vermutet, dass es auch über die Grenzen Chinas hinaus viele solcher Kloster gab. In Korea nannte man sie ''solin'', in Vietnam - ''thieulam'' und auf [[Okinawa]] - ''shōrin''. Bekannt wurde das Kloster am Ufer des Sees Honglong, das 1341 erbaut wurde.<br.>Bezeichnend für die nördlichen Schulen sind hohe Stellungen, schnelle Stoß- und Schlagtechniken, Fußtritte, Sprünge und flüssige Bewegungen. Das ''běitǔi'' verlässt sich traditionell auf eine flexible Fußarbeit und das Durchbrechen der gegnerischen Abwehr aus der langen Distanz. Die Beine rutschen, gleiten, drehen und verschieben sich in einem beständigen Fluss. Fast gegen jede Aktion des Gegners werden Fußtritte eingesetzt. In den nördlichen Systemen werden zuerst Bewegungen mit weicher Kraft gelehrt, dann geht man langsam zu harten Techniken über und endet in einer Mischung von hart und weich. Man sagt, dass die großzügigen Platzverhältnisse und das Kämpfen zu Pferd die Entwicklung der weiten Distanz förderten.<br.>Die bekanntesten Stile des Nordens (''běitǔi''), die zu den äußeren Methoden (''wàijiā'') gehören, sind ''[[chángquán]]'' (lange Faust), ''[[tánglángquán]]'' (Gottesanbeterin), ''[[luóhànquán]]'' (Arhatboxen), ''[[hóuquán]]'' (Affenstil) u. a.<br />
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=== Nèijiā - die Inneren Schulen ===<br />
Das innere ''quánfǎ'' bezeichnet die [[Daoismus|daoistisch]] geprägten inneren Schulen des ''quánfǎ'' (''nèijiā'' - 内家). Die ''nèijiā'' bestehen aus daoistischen Konzepten des ''quánfǎ'', die sich bereits im 13. Jh. auf der Grundlage des ''[[wǔdāngpai]]'' entwickelten. Als Gründungsvater wird [[Zhāng Sān Fēng]] (1279 - 1368) genannt, dessen Konzept in allen späteren Stilen der ''nèijiā'' wieder zu finden ist.<br.>Es ist umstritten, ob sie aus dem ''shǎolín quánfǎ'' stammen oder ob sie sich aus eigener Kraft entwickelten, um die daoistischen Werte neu zu beleben. Jedenfalls griffen diese Systeme die daoistischen Philosophien auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Ihre Formen (''[[tàolù]]'' - 套路) enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes, auf dessen Grundlage der Zugang zur vitalen Energie (''qì'') möglich wird.<br.>Ihre traditionelle Entstehungsgeschichte gründet sich auf einer Legende, laut der ein daoistischer Eremit Zhāng Sān Fēng (1279 - 1368) in den Bergen von [[Wǔdāng]] (武當山 / 武当山 Wǔdāngshān), den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtet haben soll. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels ausweichen konnte, erkannte er, dass das Ausweichen der rohen Körperkraft überlegen ist. Die weiche Kraft des Ausweichens kombinierte er mit den Grundlagen der daoistischen Philosophie und gründete den Kampfstil ''wǔdāngpai'', den Ursprung aller inneren Systeme. Später entwickelte das ''wǔdāngpai'' örtliche Stile und beeinflusste in Folge die Entstehung mehrerer großer Systeme, die sich im ganzen Land verbreiteten.<br />
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==== Systeme der Nèijiā ====<br />
Bereits seit Huá Tuó existierte das Nachahmen von Tierbewegungen (''wǔqínxì''), das sowohl in den buddhistischen Richtungen des ''shǎolín quánfǎ'' und den später daraus abgeleiteten Schulen der ''wàijiā'', als auch in den Systemen der ''nèijiā'' eine zentrale Rolle spielte. Die Unterscheidung der beiden Systeme etablierte sich im 17. Jh. nachdem die ''wàijiā'' „schnelle Kämpfer“ ausbilden wollte, während die ''nèijiā'' das philosophische Konzept des Daoismus in den Vordergrund stellte. Innerhalb der ''nèijiā'' entstanden drei grundlegende Systeme:<br />
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* '''[[Tàijíquán]]''' 太極拳 - System des ''quánfǎ'' aus der ''nèijiā'', basierend auf dem Prinzip des ''[[tàijí]]''. Innerhalb dieses Prinzips gibt es viele Konzepte, aus denen vor allem fünf Stile gewannen werden: ''[[chén tàijíquán]]'', ''[[yáng tàijíquán]]'', ''[[wú tàijíquán]]'', ''[[wǔ tàijíquán]]'' und ''[[sūn tàijíquán]]''.<br />
* '''[[Xíngyìquán]]''' 形意拳 - das ''xíngyìquán'' gehört zu den daoistischen Systemen der ''nèijiā''. Es baut auf den fünf Wandlungsphasen (五行 - ''[[wǔxíng]]'') der chinesischen Kosmologie (Erde, Wasser, Holz, Feuer, Metall) auf und begründet seine Formen (''[[xíng]]'') auf dem Verhaltensstudium von zwölf Tieren (''[[shíèrxíngquán]]'': Drache, Tiger, Affe, Pferd, Leguan, Hahn, Falke, Schwalbe, Schlange, Kranich, Adler und Bär). Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Das System hat seine Wurzeln im ''[[yìjīng]]'' („Buch der Wandlungen“) und beeinflusste die Gründung des späteren ''[[bāguàquán]]''.<br />
* '''[[Bāguàquán]]''' 八卦拳 - das ''bāguàquán'' ist eines der größten Systeme des daoistischen chinesischen Boxens, als Folge von Beeinflussungen aus dem älteren ''xíngyìquán''. Es begründet seine esoterischen Wurzeln auf dem Prinzip der ''[[bāguà]]'' aus dem ''[[yìjīng]]'' („Buches der Wandlungen“). Sein kämpferisches Konzept vom ''tàijíquán'' abgeleitet. ''Bāguàquán'' wurde erst um 1790 entwickelt. Es enthält sehr schnelle Kreis- und Drehbewegungen und ebenso schnelle Fußtechniken. Bevorzugt wird jedoch die offene Hand.<br />
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Neben den genannten drei großen Schulen gibt es auch weitere Systeme der ''nèijiā''. Heute sagt man, sie hätten sich allesamt aus dem ''shǎolín quánfǎ'' abgeleitet. Doch diese Theorie ist nicht bestätigt. Im Shǎolín-Kloster verbanden sich daoistische und buddhistische Ideologien zu einem gemeinsamen Konzept und entwickelten viele Ausdrucksformen. Heute ist es schwierig, sie in ''wàijiā'' und ''nèijiā'' zu unterteilen.<br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:'''<br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Datenbank des BSK.'' BSK-Studien 2010.<br />
* [[Werner Lind]]: ''Karate Kumite.'' BSK-Verlag 2013.<br />
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=== Weblinks ===<br />
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[[Kategorie: China]]<br />
[[Kategorie: Chinesische Kampfkunst]]<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Qu%C3%A1nf%C7%8E&diff=15926Quánfǎ2014-10-12T21:56:42Z<p>Werner Lind: </p>
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<div>{{Vorlage: Überarbeiten}}<br />
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'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br />
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'''Quánfǎ''' (chin.: 拳法) lautet in der Übersetzung „Methode der Faust“, und steht alternativ für ''[[quánshù]]'' (Kunst / Technik der Faust). Beide Begriffe bezeichnen die [[chinesische Kampfkunst]]. Im Verlauf ihrer jahrtausendealten Geschichte verwendete man dafür noch die Begriffe ''[[gōngfū]]'' (übersetzt: „harte Arbeit“), ''[[kungfu]]'' (ein westlicher Begriff, der sich ab 1960 für die chinesischen Kampfkünste etablierte), ''[[wǔshù]]'' (militärische Künste / Kriegskünste) und ''[[guóshù]]'' (nationale Künste). In Japan wird das System als ''[[kenpō]]'' („Methode der Faust“) bezeichnet.<br.>Ein historischer Rückblick offenbart, dass es sich hierbei um das alte [[Qìgōng]]-Konzept von [[Huá Tuó]] handelt, das im [[Shǎolínsì|Shǎolín-Kloster]] (''shǎolínsì'') über einen Zeitraum von 2000 Jahren in kämpferische Bewegungen umgewandelt wurde.<br />
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[[Bild:Quanfa Tabelle.png|Quanfa Tabelle (aus Karate Kumite)]]<br />
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== Ursprünge des Quánfǎ ==<br />
Unabhängig von den zeitbedingten chinesischen Begriffsveränderungen definiert sich ''[[qìgōng]]'' als Überbegriff für alle ideologischen Bewegungskonzepte. In seinem Inhalt und Wesen ist ''quánfǎ'' zunächst ebenfalls eine Methode des ''qìgōng''.<br />
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=== Qínxì (5000 v. Chr.) - Tierspiele in der chinesischen Frühzeit ===<br />
Bereits in vorchristlicher Zeit (ca. 5000 v. Chr.) stellten die Chinesen die unveränderbare Unterworfenheit des Menschen unter die natürlichen Gesetzen des „Lebens und Sterbens“ fest. Früh erkannten sie, dass die Ichwerdung des Menschen nicht nur zum technischen Fortschritt führt, sondern auch zur Entfremdung von der Natürlichkeit des Lebens. Bei den Tieren, die ohne persönliches Bewusstsein den Naturbedingungen nichts entgegensetzen konnten, stellten sie einen erheblich höheren Wirkungsgrad in ihren Handlungen fest. Also versuchten sie einen Ausgleich zwischen Intellekt und Intuition, indem sie in ihre gymnastischen Übungen (''[[dǎoyǐn]]'') die Nachahmungen von Tieren (''[[qínxì]]'') einführten.<br.>So begann die Tradition der Tiernachahmungen bereits im vorchristlichen Zeitalter. Man ahmte die Flügelschläge der Vögel nach, indem man entsprechende Schwungbewegungen mit den Armen ausführte, behängte sich mit Tierfellen und imitierte die Bewegungen der Tiere. Die ersten Tiere in diesem Konzept waren der Bär (''[[xióng]]'' 熊 - Erdverbundenheit), der Vogel (''[[niăo]]'' 鸟 - Leichtigkeit), der Tiger (''[[hū]]'' 虍 - Macht) und die Schlange (''[[shé]]'' 蛇 - Geschmeidigkeit).<br />
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[[Datei:03_1_TiereUrsprung.png|400px|Vorzeitliche Tierkonzepte (aus Karate Kumite)]]<br />
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=== Huá Tuó (2. Jh. n. Chr) - Gründer der daoistischen Tierlehre ===<br />
Im 2. Jh. n. Chr. lehrte der Arzt [[Huá Tuó]] (190 - 265 n. Chr.), wie man die naturbestimmten Lebensgesetze durch körperlich-geistige Übungen in bester Vereinbarkeit mit dem alltäglichen Leben verwirklichen kann. Er erkannte, dass die irdischen Gesetze des „Werdens und Vergehens“ nach wie vor auch für den Menschen gelten, und plädierte dafür, die Handlungsweise der Natur im persönlichen Leben nachzuvollziehen, um durch die Konformität mit den natürlichen Wandlungsgesetzen (''[[wǔxíng]]'') eine größere vitale Kraft (''[[qì]]'') zu erreichen.<br.>Als Übung empfahl er das Nachahmen der Verhaltensweise von fünf Tieren (''[[wǔqín]]''), da er bei Tieren einen weit höheren Wirkungsgrad im Handeln feststellen konnte als beim Menschen. Er kam zu dem Schluss, dass der sich seiner selbst bewusst gewordene Mensch zwar Städte erbauen und Technologien erfinden konnte, dass ihn aber eben dasselbe Bewusstsein (das Wissen um seine Vergänglichkeit) in seinem Handeln beeinträchtigt. Er lehrte, dass die Qualität des irdischen Lebens in großem Maße davon abhängt, ob der Mensch die natürlichen Gesetze des „Werdens und Vergehens“ in seiner Haltung verwirklichen kann und dadurch Zugang zu jener universellen Energie (''qì'') erhält, die den Gleichgewicht haltenden Rhythmus aller natürlichen Veränderungen bewirkt.<br.>Dadurch reifte seine Idee und Lehre, den Menschen in den Ursprung seines natürlichen Seins zurückzuführen, in dem er sein Leben mit Vitalität füllen und unbeschwert wirken kann. Als körperlichen Ausdruck seiner Philosophie gründete er das „Spiel der fünf Tiere“ (''[[wǔqínxì]]''), als Nachahmung des Affen (猴 ''[[hóu]]''), des Tigers (虍 ''[[hū]]''), des Hirsches (鹿 ''[[lù]]''), des Bären (熊 ''[[xióng]]'') und des Vogels (鸟 ''[[niăo]]''). Diese Übungen waren dazu gedacht, das entsprechende Tier in seinem Wesen zu verstehen und seine gesamte Art und Handlungweise nachzuahmen. Nicht die Bewegung wurde nachgeahmt - der Übende sollte das „Wie“ und „Warum“ im Wirken der Tiere ergründen. Die Übungen von Huá Tuó legten den Grundstein zum späteren ''qìgōng'', das noch heute die gesamte Kultur Chinas durchzieht.<br />
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[[Bild:03_2_TiereHuaTuo.png|500px|Wǔqínxì - Tierkonzepte von Huá Tuó (aus Karate Kumite)]]<br />
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* '''[[Wǔqínxì]]''' 五禽戲 - das „Spiel der fünf Tiere“ soll von dem chinesischen Arzt, Huá Tuó, als psychophysische Übungen gegründet worden sein. Er empfahl das Nachahmen von Tierverhalten als Übung, wodurch die Gesundheit und Vitalität der Menschen gesteigert werden sollte. Huá Tuó empfahl nicht das Nachahmen von Tierbewegungen, sondern ein Studium ihrer Art und ihres Seins, wodurch er ein besseres Verständnis der natürlichen Lebensprozesse des Menschen prognostizierte. Er stellte die Unterworfenheit des Menschen unter die natürlichen Prozesse (Leben und Sterben) fest und definierte den Grund für seinen zunehmenden Vitalitätsverlust in einer überbetonten Selbstbezogenheit. Er empfahl, von den Tieren zu lernen, die „ohne Ego“ eine natürliche Verbindung zum ''[[dào (Prinzip)|dǎo]]'' pflegen und dessen Energie (''qì'') auf natürliche Weise nutzen.<br />
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Im Laufe der Zeit entwickelten die ''wǔqínxì'' eine umfangreiche Kultur zur Lenkung und Kontrolle der vitalen Energie (''qì''). Im 12. Jh. fanden sie als ''[[wǔqínquán]]'' Einzug in das shaolinische quánfǎ. Im modernen ''qìgōng'' prägen sie noch heute alle ostasiatischen Lebensbereiche. Im [[Daoismus]] entstanden, verbanden sie sich später mit dem [[Buddhismus]] und [[Konfuzianismus]] und ließen Übungen entstehen, durch die der Mensch lernte, angepasst zu leben, seine Gesundheit zu erhalten und sich zu verteidigen.<br />
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=== Bodhidharma (6. Jh. n. Chr.) - Gründer des shǎolínischen Buddhismus ===<br />
[[Bild:01_2_Bodhidharma.png|thumb|200px|Bodhidharma begibt sich auf die Wanderschaft]]<br />
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Im Jahre 523 n. Chr. kam der 28. Nachfolger Buddhas, der indische Mönch [[Bodhidharma]] (470-543), ins [[Shǎolínsì|Shǎolín-Kloster]]. Er gilt als erster Patriarch des ''[[chán]]'' (jap. ''[[zen]]''), und beeinflusste die dort bislang vorherrschende daoistische Lehre durch seine buddhistische Auffassung. Er lehrte die Mönche, dass das Leben vergänglich ist und dass es darauf ankommt, sich im irdischen Leben durch höchste Wirksamkeit auf einem „mittleren Weg“, im Gleichgewicht zwischen Askese und Selbstverwirklichung zu gestalten.<br.>Zur Zeit seiner Ankunft (523) waren die [[Shǎolín-Mönche]] in einer schlechten körperlichen Verfassung, da ihre Aktivitäten ausschließlich auf Meditationspraktiken und Schriftlehren beschränkt waren. Nachdem er Abt des Klosters geworden war, beendete er das vegetierende Beten und Schriftübersetzen der Mönche und verordnete ihnen ein tägliches Körpertraining, das zur Stärkung ihrer vitalen Energie (''qì'') beitragen sollte. Zur täglichen Pflichtübung der Mönche wurden das ''[[yìjīnjīng]]'' („Buch der leichten Muskeln“ - eine Methode zur Steigerung von Durchhaltevermögen und Widerstandskraft) und das ''[[xǐsǔijīng]]'' („Buch zur Wäsche des Knochenmarkes“ - Übungen zur Entwicklung der Energie und der geistigen Reife) eingeführt.<br.>Bodhidharma, der auch Erfahrung im indischen Kampfsystem ''[[vajramushti]]'' hatte, gründete zusätzlich zu den ''yìjīnjīng'' und ''xǐsǔijīng'' weitere 18 kämpferische Übungen, die heute als ''[[shíbā luóhànshŏu]]'' (18 Hände der Buddha-Schüler) bezeichnet werden. Auch diese Übungen verstand er nur ergänzend zum Erreichen der Erleuchtung.<br.>Im Verlauf der folgenden Jahrhunderte entwickelten sie sich durch den Einfluss externer Militärtechniken zunehmend mehr zu kampforientierten Übungen. Doch sie bewahrten ihren ursprünglichen Charakter und gelten auch heute als Ursprung und als ideologischer Leitfaden zur Entwicklung des ''[[shǎolín quánfǎ]]''. Gleichwohl unterscheidet ihr Prinzip die [[Kampfkunst]] von der [[Kriegskunst]] und vom heutigen [[Kampfsport]].<br />
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== Shǎolín Quánfǎ ==<br />
Die weitere Entwicklung des ''quánfǎ'' ist strikt an die Entstehungsgeschichte des ''[[shǎolín quánfǎ]]'' (少林拳法) gebunden, in dem die gesundheitsfördernde Gymnastik der Mönche allmählich in Kampftechniken umgewandelt wurde. Im Shǎolín-Kloster entwickelte sich ein erstes Konzept, das diese Ideologie mit Kampftechniken zu verbinden begann.<br.>Das Grundkonzept des ''shǎolín quánfǎ'' entstand im 6. Jh. im gleichnamigen Kloster. In jahrhundertelangen Folgeprozessen wurden dort die indischen Kampftechniken der ''[[luóhàn]]'' (''[[shíbā luóhànshŏu]]'') mit Bodhidharmas meditativen Übungen (''yìjīnjīng'' und ''xǐsǔijīng'') kombiniert und im 12. Jh. mit den shaolinischen Tiersystemen (''wǔqínquán'') verbunden. Daraus entstanden die kämpferischen Verfahren des ''shǎolín quánfǎ''. Das System wurde auf der Grundlage von Formen (''[[tàolù]]'') unterrichtet.<br.>Nahezu ein halbes Jahrtausend galten Bodhidharmas Qì-Übungen, verbunden mit den 18 Methoden der ''shíbā luóhànshŏu'' (Kampfübungen aus dem indischen ''vajramushti'') als Zentrum aller mönchischen Übungen im Shǎolín-Kloster. Doch als die Mönche sich später zunehmend gegen Überfälle verteidigen mussten, stellte sich heraus, dass ihre Wehrhaftigkeit gegen kampferprobte Angreifer unzureichend war. Das System der Buddha-Schüler (''luóhàn'') hatte definitiv gravierende Lücken im Bereich der Technik und Taktik des Kämpfens. Es wurde offensichtlich, dass diesem System eine kämpferische Leitlinie fehlte.<br />
<br />
=== Jué Yuǎn (12. Jh. n. Chr.) - Reformer des shǎolínischen Systems ===<br />
Im Verlauf der Song-Dynastie (960 - 1278) bemühte man sich im Shǎolín-Kloster nachhaltig darum, Bodhidharmas ''shíbā luóhànshŏu'' und seine Gesundheitsübungen (''yìjīnjīng'' und ''xǐsǔijīng'') in Kampftechniken zu verwandeln. Gegen Ende der Song-Dynastie kam [[Jué Yuǎn]], ein adeliger Schwertkämpfer ins Shǎolín-Kloster. Als Novize lernte er die ''shíbā luóhànshŏu'', als späterer Abt des Klosters bemühte sich um ihre Erweiterung zu kämpferischen Methoden. Zunächst erweiterte er das System der shaolinischen ''luóhàn'' auf 72 Verfahren. Doch sein System war nach wie vor unvollkommen, ihm fehlte die taktische Linie. Daher beschloss er, sich auf Wanderschaft zu begeben, um von Kriegern außerhalb des Shǎolín-Klosters zu lernen.<br />
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=== Lĭ Sŏu (12. Jh. n. Chr.) - Initiator der shǎolínischen Vitalpunktlehre ===<br />
Auf seinen Reisen beobachtete Jué Yuǎn eine Begebenheit, die sein Konzept nachhaltig beeinflussen sollte: ein alter Mann wurde von einem Raufbold belästigt, den er mit wenigen Griffen außer Gefecht setzte. Darauf angesprochen, erklärte [[Lĭ Sŏu]] (Li Cheng), dass er nur ein Arzt sei und vom Kämpfen wenig verstehe. Er hätte lediglich die Vitalpunkte des Angreifers stimuliert, worauf dieser kampfunfähig wurde.<br.>Jué Yuǎn war von dieser Methode fasziniert und wollte das Wissen des Arztes in die shaolinischen Kampfsysteme integrieren. Er bat Lĭ Sŏu, ihn ins Shǎolín-Kloster-Kloster zu begleiten, um von ihm zu lernen. Doch dieser erklärte, dass nur glückliche Umstände dazu führen, dass ein Arzt die Vitalpunkte eines Angreifers erreicht. Um optimale Umstände zu gründen, bedarf es einer wohldefinierten Taktik im Kampfverhalten, mit der in den Nahbereich des Angreifers eingedrungen werden kann. Er schlug vor, einen ihm bekannten Kampfexperten namens [[Bái Yù Fēng]] aufzusuchen und diesen diesbezüglich um Rat und Hilfe zu bitten.<br.>Heute ist nicht nachvollziehbar, ob diese Geschichte auf Wahrheit oder Legende beruht. Auf jeden Fall steht sie repräsentativ für die spätere komplexe Entwicklung des ''shǎolín quánfǎ'' und seiner standardisierten Bewegungsformen (''tàolù''). Die Bedeutung von Lĭ Sŏu besteht darin, dass er die [[Vitalpunktlehre]] im ''shǎolín quánfǎ'' initiierte. Die Mönche entdeckten, dass die Kontrolle, Lenkung und Beeinflussung der vitalen Energie (''qì'') auf den Punkten (''[[xuè]]'') auch im Kampf von Bedeutung sein kann. Dafür wurden spezielle Punktsysteme (''[[diǎnxuè]]'') entwickelt, die in den Übungen sowohl die gesundheitsfördernden als auch die gesundheitsschädigenden Methoden enthielten.<br />
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=== Bái Yù Fēng (12. Jh. n. Chr.) - Gründer des shǎolínischen Kampfsystems ===<br />
Nachdem Bái Yù Fēng gefragt wurde, erklärte er sich zur Mitarbeit bereit und zog mit den beiden ins Shǎolín-Kloster. Er brachte seine außershǎolínische Kampferfahrung mit ein und erweiterte das shǎolínische System zunächst auf 170 Aktionen. Dabei integrierte er vor allem außershǎolínische Systeme, wie ''[[qínná]]'' (Greifen) und ''[[shuāi]]'' (Ringen).<br.>Daraus entstanden zunächst die ''[[shǎolín shísānzhuā]]'' („Shǎolín-Boxen der 13 Griffe“), später aber konzentrierte er seine Aufmerksamkeit auf die alten Tiersysteme (''[[wǔqínxì]]'') von Huá Tuó. Auf dessen psycho-physischen Lehre baute er seine Kampftechniken auf und verschlüsselte darin alle bisher bekannten Verfahren. Auf diese Weise entstanden die fünf Tierstile (''[[wǔqínquán]]''), die auf der Grundlage von fünf Formen (''tàolù'') gelehrt wurden. Die Tierstile des ''shǎolín quánfǎ'' sollten in Folge alle ostasiatischen Kampfkunstkonzepte beeinflussen.<br.>Über seine Neugründung schrieb er ein Buch, „[[Wǔquán jīngyào]]“ (五拳精要, die „Essenz der fünf Fäuste“), in dem er die Übung und Anwendung der klassischen fünf Tierstile erläutert. Auch dokumentiert er darin, dass im Jahre 1312 der japanische Mönch, [[Dà Zhì]], ins Kloster kam und 13 Jahre lang ''[[wǔqínquán]]'' und Stocktechniken lernte. 1335 kam ein weiterer japanischer Mönch, [[Shào Yuán]], ins Kloster und lernte Kalligraphie, Malen, ''chán'' (''zen'') und Kampfkunst. 1347 kehrte er nach Japan zurück und legte den Grundstein für die Entstehung des japanischen ''[[jūjutsu]]''.<br />
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[[Bild:03_3_Wuqinquan.png|500px|Wǔqínquán - die kämpferischen Tierkonzepte von Bái Yù Fēng]]<br />
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* '''[[Wǔqínquán]]''' 五禽拳 - „Faust der fünf Tiere“. Im 12. Jh. versuchte Bái Yù Fēng, seine Kampfkunsterkenntnisse systematisch zu ordnen, und konzentrierte dabei seine Aufmerksamkeit vornehmlich auf die alten Tiersysteme (''wǔqínxì'') von Huá Tuó. Auf dessen psycho-physischen Lehre interpretierte er die Inhalte seiner Kampfkunst und verschlüsselte darin seine kämpferischen Erfahrungen in einem Übungskomplex, der als ''wǔqínquán'' bekannt ist. Die ''wǔqínquán'' bestehen aus Interpretationen des Kranichs (''[[hè]]''), des Tigers (''[[hū]]''), der Schlange (''[[shé]]''), des Drachen (''[[lóng]]'') und des Leoparden (''[[bào]]''). Noch heute sind diese shǎolínischen Standards für die Entwicklung des gesamten chinesischen ''quánfǎ'' zuständig und beeinflussten in Folge die Entwicklung unzähliger Stile, innerhalb und außerhalb Chinas.<br />
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=== Das Konzept der Tàolù ===<br />
Die shǎolínischen ''wǔqínquán'' (fünf Tierfäuste) wurden in komplexen Bewegungsabläufen (''tàolù'' 套路) gelehrt, in denen alle psycho-physischen Komponenten enthalten sind. Offensichtlich wurden dabei Kampftechniken in einem formellen Ablauf (''[[xíng]]'') geübt, doch die Grundlagenbewegung jeder einzelnen Technik musste auf den Prinzipien des ''qìgōng'' beruhen, und alle Bedingungen zur Entwicklung der vitalen Energie (''qì'') erfüllen. Die Techniken wurden kämpferisch, die Übungsinhalte blieben dieselben.<br.>In ihrer Gesamtheit sind die chinesischen ''tàolù'' ein in kämpferische Übungen umgesetztes philosophisches Ganzheitskonzept des ''qìgōng'' und enthalten, wie nachfolgend beschrieben:<br />
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* '''Körperlehre''' - besteht aus der Form selbst, der daraus abgeleiteten Grundschule und ihrer kämpferischen Anwendung mit einem Partner.<br />
* '''Geistlehre''' - bezeichnet die philosophische Selbstbetrachtung in den Bereichen von Ethik und Etikette.<br />
* '''Vitalpunktlehre''' - bezeichnet die Wissenschaft der Stimulation von schmerzempfindlichen Punkten (''[[diǎnxuè]]'') bei einem Angreifer.<br />
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Es stellte sich als schwierig heraus, ein System zu gründen, das als Körperlehre kämpferisch wirkungsvoll war, als Geistlehre die psychophysischen Elemente des Daoismus, Buddhismus und Konfuzianismus integrierte und als Vitalpunktlehre das komplexe System über die Vitalpunktlehre enthielt. Ein solches System musste die Praxis des Kämpfens mit den chinesischen Philosophien und mit der Gesundheitslehre verbinden.<br.>Die Chinesen fanden die Lösung in der Gründung der ''tàolù''. In ihnen verschlüsselten sie alle oben genannten Hintergründe in der körperlichen Übung und unterstützten das Verständnis der Zusammenhänge bei jenen, die Inhalte statt Formen suchten.<br.>Die ''tàolù'' sind auch noch heute kombinierte und verschlüsselte Systeme des Kämpfens, der Philosophie und der Gesundheitslehre. Sie können nur verstanden werden, wenn man ihren Sinn sowohl im Training als auch im Studium sucht.<br.>Im Shǎolín-Kloster wurden sie aus der Verhaltensweise von fünf Tieren ausgewählt (''[[lóng]]'' - Drache, ''[[hū]]'' - Tiger, ''[[shé]]'' - Schlange, ''[[hè]]'' - Kranich und ''[[bào]]'' - Leopard), die noch heute als die [[Standardstile des Shǎolín]] gelten und das gesamte chinesische ''quánfǎ'' und das okinawanische ''[[karate]]'' bis in die Gegenwart beeinflussen.<br />
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== Außershǎolínisches Quánfǎ ==<br />
Wie oben beschrieben beginnt die Kultur der chinesischen Kampfkunst im 6. Jh. mit Boddhidharmas Lehren und entwickelte sich im 12. Jh. unter Jué Yuǎn, Lĭ Sŏu und Bái Yù Fēng zum ''shǎolín quánfǎ''. Ihr Konzept unterschied sich von den kämpferischen Praktiken der Militärs außerhalb des Shǎolín-Klosters. Das ''[[shǎolín quánfǎ]]'' (auch ''shǎolínquán'') strebte zusätzlich die psycho-physische Einheit zwischen Körper und Geist an.<br.>Nachdem das Shǎolín-Kloster 1673 von den Mandschu zerstört wurde, flohen seine Mönche in alle Teile des Landes und entwickelten eigene Konzepte, die zumeist in privaten Schulen (''[[guān]]'') organisiert waren. Es entstanden ca. 360 Stile des ''quánfǎ'', deren Theorien und Methoden entweder den Inhalten der '''Äußeren Schulen''' (''[[wàijiā]]'') oder der '''Inneren Schulen''' (''[[nèijiā]]'') verbunden waren. Diese Konzepte beeinflussten später alle südostasiatischen Kampfkünste.<br />
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=== Wàijiā - die äußeren Schulen ===<br />
Die Systeme der ''[[wàijiā]]'' (外家) bezeichnen direkte Ableitungen aus dem ''shǎolín quánfǎ'', die ab 1673 von vertriebenen Shǎolín-Mönchen in den Zweigstellen des Shaolin-Klosters unterrichtet wurden. Dort entwickelten sie extrem kämpferische Stile und gründeten geheime Bruderschaften (''[[huìdǎng]]''), die gegen die Herrschaft der Mandschu konspirierten.<br.>In der Folgezeit verlagerten sich die Kampfkonzepte aus den Klöstern zunehmend mehr in Privatschulen (''guān''). Dort entstanden Strömungen und Stile des ''shǎolín quánfǎ'', die vor allem eine schnell erreichbare Kampffähigkeit beabsichtigten. Den ''guān'' standen meist gut ausgebildete Lehrer (''[[shīfu]]'') vor, die den Widerstand gegen die Mandschu organisierten. Vor allem auf der Fähigkeit zum Kämpfen begründen sich die äußeren Schulen der ''wàijiā''.<br.>Im Rahmen der ''wàijiā'' entstanden im Süden die Stile des ''[[nánquán]]'' (Faust des Südens) und im Norden die Systeme des ''[[běitǔi]]'' (Bein des Nordens). Die Begriffe unterscheiden lediglich die geografische Lage nördlich und südlich des ''[[chángjiāng]]'' (langer Fluss, auch ''[[yángzǐjiāng]]'' / ''[[jangtsekiang]]'') und begründen ihre Verfahren auf den Gegebenheiten des Landes.<br />
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==== Nánquán - Faust des Südens ====<br />
Der chinesische Süden ist das Land der Pfirsiche und der Reiskultur. Die dort ansässigen Menschen verbrachten einen großen Teil ihres Lebens auf Booten oder im Wasser. Entsprechend der geographischen Gegebenheiten wurden in diesen Systemen überwiegend Handaktionen in der Nahdistanz verbunden mit festen Stellungen gelehrt. Die Fußtechniken wurden weniger betont.<br.>Den Ursprung der südlichen Systeme (''nánquán'' 南拳) vermutet man in der Initiative von legendären Vorvätern, die man als „[[Fünf Alte]]“ bezeichnet. Sie konnten angeblich dem dem Angriff (1673) der Ming auf das Shǎolín-Kloster entkommen und gründeten in der Provinz ''Guǎngdōng'' einen Geheimbund (''huìdǎng''), der den Widerstand gegen die Mandschu durch die Ausbildung einer extremen Kampfkraft ihrer Mitglieder unterstüzte. Dadurch entstanden zunächst die fünf Hauptsysteme (''guǎngdōng wǔdàmíngjiā'') des außershǎolínischen ''quánfǎ'':<br />
<br />
* '''[[Hóngjiā]]''' 洪家 (''hunggar'') - „Schule des Meisters Hóng“ ([[Hóng Xí Guān]]), südliche Schule (''nánquán'') des ''quánfǎ'' aus [[Guǎngdōng]] mit Ursprung im ''shǎolín quánfǎ''. Der Stil entstand als revolutionäres Kampfsystem der ''huìdǎng'', lehrt die fünf Shǎolín-Tierformen (''wǔqínquán'') und kombiniert sie mit den fünf Elementen (''wūdà'').<br />
* '''[[Liújiā]]''' 劉家 (''laugar'') - „Schule der Familie Liú“ äußerer südchinesischer Stil des ''quánfǎ'', der den Nahkampf betont. Das System gehört zu den fünf großen außershǎolínischen Methoden und stammt von [[Liú Sān Yǎn]] (Liú mit den drei Augen, traditionell: 劉三眼; vereinfacht 刘三眼) aus der Provinz [[Guǎngdōng]] oder nach einer anderen These von [[Liú Qing Shan]], aus der Qing-Dynastie (1644 - 1911). Heute wird der Stil in Guǎngdōng (Léizhōu, Gāozhōu) und in [[Guǎngxī]] (Qīnzhōu) geübt und entwickelte mehrere Unterformen.<br />
* '''[[Càijiā]]''' 蔡家 (''choygar'') - „Schule der Familie Cài“, südlicher Stil (''nánquán'') des ''quánfǎ'' der äußeren Schulen (''wàijiā''), einer der maßgeblichen Stile der außershǎolínischen Systeme des ''shǎolín quánfǎ''.<br />
* '''[[Lǐjiā]]''' 李家 (''leigar'') - „Schule der Familie Lǐ“, südlicher Stil (''nánquán'') des ''quánfǎ'', eines der fünf großen Systeme des ''shǎolín quánfǎ''. Das System stammt aus der Provinz Guǎngdōng und wurde von [[Lǐ Yǒu Shān]] (李友山, kantonesisch Lei Yau Saan) gegründet, dessen Vorname auch als Xi Kai oder Ying Hui angegeben wird.<br />
* '''[[Mòjiā]]''' 莫家 (''mokgar'') - „Schule der Familie Mò“, südchinesischer Stil des ''quánfǎ'', ein System von einem der „fünf Patriarchen“ des Shǎolín-Klosters. Es geht auf [[Mò Qīng Jiǎo]] (traditionell: 莫清矯; vereinfacht: 莫清矫) zurück und verbreitete sich in der Provinz Guǎngdōng. Der Stil ist bekannt für seine Handtechniken im Nahkampf und für seine starken Fußtechniken.<br />
<br />
In den südlichen Provinzen [[Fújiàn]] und [[Guǎngdōng]] entstanden bereits seit dem 8. Jh. mehrere Ableger des Shǎolín-Klosters. Doch bald entbrannte ein gegenseitiger Konkurrenzkampf, der viele Kampfexperten veranlasste, die Kloster zu verlassen und Privatschulen (''guān'') zu gründen. Dort entwickelten sie eigene Konzepte, deren Kämpfer die Opposition der ''huìdǎng'' gegen die Mongolen unterstützten.<br.>Neben vielen weiteren Stilen wurden vor allem ''[[báihèquán]]'' („weiße Kranichfaust“), ''[[yǒngchūnquán]]'' (''[[wingchun]]'' 詠春) und ''[[báiméiquán]]'' („weiße Augenbraue“) entwickelt. Manche chinesischen Meister gingen nach Japan, wie der bekannte [[Chén Yuán Bīn]], der im Jahre 1638 im Tempel [[Shōkokuji]] (nahe [[Kyōto]]) eine Schule gründete, die aufbauend auf den Ring-, Hebel- und Greiftechniken des ''shǎolín quánfǎ'' das japanische ''[[jūjutsu]]'' entwickelte.<br />
<br />
==== Běitǔi - Bein des Nordens ====<br />
Das ''quánfǎ'' aus dem Norden Chinas (''[[běitǔi]]'' 北腿) stammt hauptsächlich aus der Provinz [[Héběi]], in der sich bereits seit dem 8. Jh. mehrere Kopien des Shǎolín-Klosters etablierten. Man vermutet, dass es auch über die Grenzen Chinas hinaus viele solcher Kloster gab. In Korea nannte man sie ''solin'', in Vietnam - ''thieulam'' und auf [[Okinawa]] - ''shōrin''. Bekannt wurde das Kloster am Ufer des Sees Honglong, das 1341 erbaut wurde.<br.>Bezeichnend für die nördlichen Schulen sind hohe Stellungen, schnelle Stoß- und Schlagtechniken, Fußtritte, Sprünge und flüssige Bewegungen. Das ''běitǔi'' verlässt sich traditionell auf eine flexible Fußarbeit und das Durchbrechen der gegnerischen Abwehr aus der langen Distanz. Die Beine rutschen, gleiten, drehen und verschieben sich in einem beständigen Fluss. Fast gegen jede Aktion des Gegners werden Fußtritte eingesetzt. In den nördlichen Systemen werden zuerst Bewegungen mit weicher Kraft gelehrt, dann geht man langsam zu harten Techniken über und endet in einer Mischung von hart und weich. Man sagt, dass die großzügigen Platzverhältnisse und das Kämpfen zu Pferd die Entwicklung der weiten Distanz förderten.<br.>Die bekanntesten Stile des Nordens (''běitǔi''), die zu den äußeren Methoden (''wàijiā'') gehören, sind ''[[chángquán]]'' (lange Faust), ''[[tánglángquán]]'' (Gottesanbeterin), ''[[luóhànquán]]'' (Arhatboxen), ''[[hóuquán]]'' (Affenstil) u. a.<br />
<br />
=== Nèijiā - die Inneren Schulen ===<br />
Das innere ''quánfǎ'' bezeichnet die [[Daoismus|daoistisch]] geprägten inneren Schulen des ''quánfǎ'' (''nèijiā'' - 内家). Die ''nèijiā'' bestehen aus daoistischen Konzepten des ''quánfǎ'', die sich bereits im 13. Jh. auf der Grundlage des ''[[wǔdāngpai]]'' entwickelten. Als Gründungsvater wird [[Zhāng Sān Fēng]] (1279 - 1368) genannt, dessen Konzept in allen späteren Stilen der ''nèijiā'' wieder zu finden ist.<br.>Es ist umstritten, ob sie aus dem ''shǎolín quánfǎ'' stammen oder ob sie sich aus eigener Kraft entwickelten, um die daoistischen Werte neu zu beleben. Jedenfalls griffen diese Systeme die daoistischen Philosophien auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Ihre Formen (''[[tàolù]]'' - 套路) enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes, auf dessen Grundlage der Zugang zur vitalen Energie (''qì'') möglich wird.<br.>Ihre traditionelle Entstehungsgeschichte gründet sich auf einer Legende, laut der ein daoistischer Eremit Zhāng Sān Fēng (1279 - 1368) in den Bergen von [[Wǔdāng]] (武當山 / 武当山 Wǔdāngshān), den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtet haben soll. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels ausweichen konnte, erkannte er, dass das Ausweichen der rohen Körperkraft überlegen ist. Die weiche Kraft des Ausweichens kombinierte er mit den Grundlagen der daoistischen Philosophie und gründete den Kampfstil ''wǔdāngpai'', den Ursprung aller inneren Systeme. Später entwickelte das ''wǔdāngpai'' örtliche Stile und beeinflusste in Folge die Entstehung mehrerer großer Systeme, die sich im ganzen Land verbreiteten.<br />
<br />
==== Systeme der Nèijiā ====<br />
Bereits seit Huá Tuó existierte das Nachahmen von Tierbewegungen (''wǔqínxì''), das sowohl in den buddhistischen Richtungen des ''shǎolín quánfǎ'' und den später daraus abgeleiteten Schulen der ''wàijiā'', als auch in den Systemen der ''nèijiā'' eine zentrale Rolle spielte. Die Unterscheidung der beiden Systeme etablierte sich im 17. Jh. nachdem die ''wàijiā'' „schnelle Kämpfer“ ausbilden wollte, während die ''nèijiā'' das philosophische Konzept des Daoismus in den Vordergrund stellte. Innerhalb der ''nèijiā'' entstanden drei grundlegende Systeme:<br />
<br />
* '''[[Tàijíquán]]''' 太極拳 - System des ''quánfǎ'' aus der ''nèijiā'', basierend auf dem Prinzip des ''[[tàijí]]''. Innerhalb dieses Prinzips gibt es viele Konzepte, aus denen vor allem fünf Stile gewannen werden: ''[[chén tàijíquán]]'', ''[[yáng tàijíquán]]'', ''[[wú tàijíquán]]'', ''[[wǔ tàijíquán]]'' und ''[[sūn tàijíquán]]''.<br />
* '''[[Xíngyìquán]]''' 形意拳 - das ''xíngyìquán'' gehört zu den daoistischen Systemen der ''nèijiā''. Es baut auf den fünf Wandlungsphasen (五行 - ''[[wǔxíng]]'') der chinesischen Kosmologie (Erde, Wasser, Holz, Feuer, Metall) auf und begründet seine Formen (''[[xíng]]'') auf dem Verhaltensstudium von zwölf Tieren (''[[shíèrxíngquán]]'': Drache, Tiger, Affe, Pferd, Leguan, Hahn, Falke, Schwalbe, Schlange, Kranich, Adler und Bär). Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Das System hat seine Wurzeln im ''[[yìjīng]]'' („Buch der Wandlungen“) und beeinflusste die Gründung des späteren ''[[bāguàquán]]''.<br />
* '''[[Bāguàquán]]''' 八卦拳 - das ''bāguàquán'' ist eines der größten Systeme des daoistischen chinesischen Boxens, als Folge von Beeinflussungen aus dem älteren ''xíngyìquán''. Es begründet seine esoterischen Wurzeln auf dem Prinzip der ''[[bāguà]]'' aus dem ''[[yìjīng]]'' („Buches der Wandlungen“). Sein kämpferisches Konzept vom ''tàijíquán'' abgeleitet. ''Bāguàquán'' wurde erst um 1790 entwickelt. Es enthält sehr schnelle Kreis- und Drehbewegungen und ebenso schnelle Fußtechniken. Bevorzugt wird jedoch die offene Hand.<br />
<br />
Neben den genannten drei großen Schulen gibt es auch weitere Systeme der ''nèijiā''. Heute sagt man, sie hätten sich allesamt aus dem ''shǎolín quánfǎ'' abgeleitet. Doch diese Theorie ist nicht bestätigt. Im Shǎolín-Kloster verbanden sich daoistische und buddhistische Ideologien zu einem gemeinsamen Konzept und entwickelten viele Ausdrucksformen. Heute ist es schwierig, sie in ''wàijiā'' und ''nèijiā'' zu unterteilen.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:'''<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Datenbank des BSK.'' BSK-Studien 2010.<br />
* [[Werner Lind]]: ''Karate Kumite.'' BSK-Verlag 2013.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
<br />
[[Kategorie: China]]<br />
[[Kategorie: Chinesische Kampfkunst]]<br />
[[Kategorie: Quánfǎ]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=S%C5%8Dji&diff=15913Sōji2014-10-07T00:39:33Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
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<br />
Eine weitere wichtige Regel der Dōjō-Verhaltensetikette ist, dass sich alle Übenden an den Säuberungsaktionen im Dōjō beteiligen. Ein solcher Ort kann von niemandem außer von den Übenden selbst gereinigt werden. Dabei wird keine Ausnahme gemacht. Dies ist ein Ausdruck von Reigi-sahō, der verdeutlicht, dass ein Kampfkunstübender sein Ich besiegen und sich in den Dienst eines Höheren stellen kann. Egal, was der Übende «draußen» tut – ob er hohe Ämter oder Funktionen innehat –, in seinem Dōjō reinigt er zusammen mit allen anderen den Raum. Das ist Reigi-sahō und gleichzeitig jenes Phänomen, das die Kampfkünste von der isolierenden und entfremdenden Atmosphäre des gesellschaftlichen Lebens unterscheidet. <br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Dōjō]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
<br />
[[Undō]]<br />
ū ō<br />
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=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Dōjō]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Soji&diff=15912Soji2014-10-07T00:36:20Z<p>Werner Lind: Weiterleitung nach Sōji erstellt</p>
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<div>#Redirect[[Sōji]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=S%C5%8Dji&diff=15911Sōji2014-10-07T00:35:46Z<p>Werner Lind: Die Seite wurde neu angelegt: „'''Artikel von:''' Werner Lind<br.>'''Nachbearbeitet von:''' #Redirectkyūdō Shǎolín quánfǎ Shōtōkan kenpō karate <br.> == Studien In…“</p>
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<div>'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
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#Redirect[[kyūdō]]<br />
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Shǎolín quánfǎ<br />
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<br />
[[Shōtōkan kenpō karate]]<br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Karate]] |<br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
<br />
[[Undō]]<br />
ū ō<br />
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=== Weblinks ===<br />
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[[Kategorie: Kata-Liste (Karate)]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=D%C5%8Dj%C5%8D&diff=15910Dōjō2014-10-07T00:30:17Z<p>Werner Lind: </p>
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<div>'''Dōjō''' (jap.: 道場), der Ort, an dem der Weg (''[[Dō (Weg)|dō]]'') geübt wird (''dō'' - Weg, ''jō'' - Ort). Die Übung des Weges (''[[keiko]]'') gewinnt an Inhalt und Klarheit, wenn die Verbundenheit zwischen Wegschüler (''[[deshi]]'') und ''dōjō'' gegeben ist. Deshalb ist in der Weglehre (''[[oshi]]'') das ''dōjō'' kein Trainingsraum, sondern ein heiliger Ort, den man auch noch „Raum der Erleuchtung“ nennt. Die Bezeichnung ''dōjō'' bezieht sich auf den Raum, in dem die Übung stattfindet, doch sie steht symbolisch für die Beziehungstiefe eines Übenden zu seiner Kunst.<br />
<br />
==Der Begriff==<br />
Ursprünglich kommt der Begriff ''dōjō'' aus dem [[Buddhismus]] und bezeichnete einen Ort der Selbstfindung und der Meditation. Später veränderte er seine Bedeutung, und man verstand darunter den Ort, an dem die Kampfkünste geübt werden. Der Sinn jedoch blieb derselbe. Für jeden ernsthaft Übenden ist das ''dōjō'' auch heute eine Stätte der Meditation und Konzentration, ein geehrter Ort des Lernens, der Brüderlichkeit, der Freundschaft und des gegenseitigen Respektes. Es ist mehr als nur ein Begriff - es steht symbolisch für den Weg (''dō'') der Kampfkunst.<br />
<br />
'''Folgende Begriffe sind ihm zugeordnet:'''<br />
<br />
* Kamiza 上座 - „Ehrenplatz“, für Hochgraduierte und Gäste, gegenüber von shimoza.<br />
* Shimoza 下座 - unterer Sitz, unterer Platz, gegenüber von kamiza.<br />
* Shimoseki 下席 - untere Seite, Platz der Schüler während des Trainings.<br />
* Jōseki 上席 - obere Seite, Platz der Lehrer während des Trainings.<br />
* Shōmen 正面 - vordere Seite.<br />
* Toguchi 戸口 - Eingang (zum dōjō), gewöhnlich auf der Shimoza-Seite<br />
* Honbu dōjō 本部道場 - Hauptdōjō<br />
* Shibu dōjō 支部道場 - Zweigstelle<br />
<br />
'''Begriffe aus den Shinto-Dojo:'''<br />
<br />
* Kamiza 神座 - „Sitz der Götter“, Schrein, begriffsgleich mit shinzen.<br />
* Shinzen 神前 - „Sitz der Götter“, Schrein, begriffsgleich mit kamiza.<br />
<br />
== Bedeutung des Dōjō ==<br />
Im philosophischen Verständnis kann sich der Begriff ''dōjō'' auf jeden Ort beziehen, an dem ein Mensch im Sinne des ''[[budō]]'' seinen Geist und Körper in der Wegübung konzentriert. Darüber hinaus jedoch kennzeichnet die Art der Beziehung, die ein Übender zu seinem eigenen ''dōjō'' unterhält, seine Bemühung um gerechtes Denken und gerechtes Verhalten. Die rechte Beziehung zum ''dōjō'' ist ein Teil der Wegübung selbst. Sie besteht aus dem Streben, durch selbstlose Hingabe dem Geist des ''budō'' zu dienen und den persönlichen Fortschritt, den ein Übender in einem ''dōjō'' macht, durch ehrliche Wertbezeugung wieder auszugleichen.<br />
<br />
Für einen echten Wegschüler (''deshi'') ist sein ''dōjō'' ein zweites Zuhause. Durch eine solche Dōjō-Beziehung entsteht ein ausgleichender Wert, durch den der Einzelne reifen und der Budō-Geist (''[[shin]]'') im ''dōjō'' gedehein kann. Egoistische Menschen, die ein ''dōjō'' nur als Trainingsraum nutzen, können daran nicht teilhaben. Ein ''dōjō'' lebt durch die Zugeständnisse seiner Übenden an das Ideal der [[Kampfkunst]]. Nur auf diese Weise findet ein Übender den Zugang zum Weg.<br />
<br />
In jedem ''dōjō'' gibt es einen ''[[sensei]]'' und mehrere Fortgeschrittene (''[[sempai]]''), von denen manche selbst Meister (''[[kaiden]]'' und ''[[kodansha]]'') sind. Die Schüler eines ''dōjō'' (''[[mudansha]]''), die die Kampfkünste lernen wollen, zählen erst dann zum Kreis der Wegschüler (''[[yūdansha]]''), wenn sie die tiefe Bedeutung der Dōjō-Beziehung (''[[shitei]]'') durch ihre Haltung (''[[shisei]]'') verstehen und achten gelernt haben. Es gibt keine Fortgeschrittenen, die von einem ''dōjō'' mehr nehmen, als sie geben. In diesem Punkt unterscheiden sich die ''dōjō'' des Weges von den Sporthallen. Die körperliche Übung (''[[shōsa]]'') kann dieselbe sein, doch erst die rechte Haltung (''shisei'') ermöglicht Fortschritt auf dem Weg.<br />
<br />
== Gestaltung des Dōjō ==<br />
Jedes ''dōjō'' des Weges hält einen traditionellen Standard von Einfachheit und Schönheit (''furyū'', ''sabi'' und ''wabi''). Es ist nach Möglichkeit geräumig, jedoch stets makellos sauber. In manchen ''dōjō'' gibt es Kunstgegenstände, die von Schülern des ''dōjō'' gefertigt wurden. Jedoch gleich seiner Dekoration strahlt es immer eine Atmosphäre von Würde aus. In den alten ''dōjō'' war an der vorderen Wand (''shōmen'') ein Schrein (''kamiza''), der symbolisch dafür stand, dass das ''dōjō'' den höheren Werten und Tugenden des Weges gewidmet ist und nicht allein der physischen Übung. Das optische Aussehen eines ''dōjō'' widerspiegelt die Qualität der Übung, die in ihm betrieben wird.<br />
<br />
Die vordere Wand des ''dōjō'' nennt man ''shōmen'' (vordere Seite), und dies ist der Ort der Ehre (''rei''). In vielen traditionellen ''dōjō'' hängt dort ein Bild des Stilgründers an der Wand. In der shintoistischen Religion ist ''shōmen'' eine Art Altar, den man ''shinzen'' (Ort Gottes) oder ''kamiza'' (Sitz der Götter) nennt. Die Lehrer (''[[renshi]]'', ''[[kyōshi]]'' und ''[[hanshi]]'') sitzen im ''dōjō'' immer auf der linken Seite des shōmen (''jōseki'', obere Seite), während die Schüler in abnehmender Rangordnung auf der entgegengesetzten Seite (''shimoseki'', untere Seite) sitzen. Die dem shōmen gegenüberliegende Seite nennt man ''shimosa'' (Eingangsseite des ''dōjō'').<br />
<br />
== Verhalten im Dōjō ==<br />
In einem traditionellen ''dōjō'' sind die Verhaltensformen und gegenseitigen Umgangsformen (''[[sahō]]'') aller Übenden in einem Regelsystem zusammengefasst, das aus der ''[[dōjōkun]]'' abgeleitet ist. Diese zumeist aus zehn Regeln bestehenden Verhaltensanleitungen sind auf einem ''[[makimono]]'' aufgeschrieben und hängen nahe am Eingang des ''dōjō''. In einem guten ''dōjō'' entsprechen sie den Lernmaßstäben und den Prinzipien des Budō-Weges. Ein fortgeschrittener Schüler der Kampfkünste (''yūdansha'') unterscheidet sich von einem Anfänger (''mudansha'') dadurch, dass er die Bedeutung dieser Regeln wahrlich verstanden hat, während der Anfänger dazu angehalten werden muss, sie als Regelsystem zu achten.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Portal: Karate]] | [[Dōjōkun]] | [[Budō-Gemeinschaft]] | [[Sahō]] | [[Sōji]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Budo - der geistige Weg der Kampfkünste.'' Scherz 1991.<br />
* Werner Lind: ''Okinawa Karate.'' Sportverlag Berlin 1998.<br />
* Werner Lind: ''Karate Grundlagen.'' BSK 2005.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2007.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kumite.'', BSK 2010.<br />
* Shoshin Nagamine: ''The Essence of Okinawan Karate.'' Tuttle 1976.<br />
* Richard Kim: ''The Weaponless Warriors.'' Ohara 1974.<br />
* Morio Higaonna: ''Okinawa Goju ryū.'', Minamoto Research, 1985.<br />
* Mark Bishop: ''Okinawan Karate.'' A & B Black 1989.<br />
* Nakamura Tadashi - ''Karate, Technique and Spirit.'', Shufunotomo,<br />
* Pierre Portocarrero: ''Tode les origines du Karate do.'' Sedirep.<br />
* Kenji Tokitsu: ''Histoire du Karate do.'' SEM 1979.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Budō]]<br />
[[Kategorie: Karate]]<br />
[[Kategorie: Dōjō]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Heij%C5%8D_shin_kore_michi&diff=15909Heijō shin kore michi2014-09-29T23:33:05Z<p>Werner Lind: Weiterleitung nach Heijōshin kore michi erstellt</p>
<hr />
<div>#Redirect [[Heijōshin kore michi]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Karate_wa_y%C5%AB_no_gotoshi,_taezu_netsu_o_atahezareba_moto_no_mizu_ni_kaheru&diff=15908Karate wa yū no gotoshi, taezu netsu o atahezareba moto no mizu ni kaheru2014-09-23T22:56:59Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:<br />
<br />
<br />
'''Karate wa yū no gotoshi, taezu netsu o atahezareba moto no mizu ni kaheru''' (jap.: 空手は湯の如し、絶えす 熱度を與へざれば元の水に還へる) ist Meister [[Funakoshi Gichin]]s elfter Leitsatz (siehe ''[[kaisetsu]]'' und ''[[shōgai karate dō]]'') der ''[[shōtō nijūkun]]'', (''[[karatedō nijūkkajō]]'') in der wörtlichen Übersetzung: „Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht beständig erwärmst“. Meister Funakoshi meint mit diesem seinem elften Leitsatz, dass Fortschritt im ''[[budō]]'' nur mit Gleichmäßigkeit und Beständigkeit in der Übung zu erhalten ist.<br />
<br />
==Erklärung==<br />
Die Kampfkünste erfordern ein regelmäßiges Training. Nur mit Selbstdisziplin, Beständigkeit und Ausdauer sind sie zu erlernen. Dies ist eine Grundregel, die vor allen anderen steht. Wenn sie vom Schüler nicht beachtet wird, ist jede Bemühung um Fortschritt vergeblich. Schüler, die ihre Trainingszeiten nicht einhalten und oft fehlen, weil sie anderweitig beschäftigt oder zu bequem sind, sind schlechte Schüler. Es ist vollkommen gleich, wie sie ihr Problem begründen. Wenn sie nicht üben, können sie nicht lernen.<br />
Es gibt nichts, aus dem mehr herauskommt, als man hineingibt. Deshalb ist es falsch zu denken, dass ein Anspruch auf etwas dadurch gerechtfertigt bleibt, dass man plausible Gründe für die Versäumnisse findet. Wenn ein Mensch sich mit Aufgaben überlädt, deren Bewältigung ihn mehr Kraft kostet, als er hat, wird er auf Resultate verzichten müssen. <br />
Durch die falsche Einschätzung übernimmt sich der Mensch mit Zielen und kann keins erreichen. Auf diese Weise stürzen sich manche Menschen auf alle ihnen wert scheinenden Angebote des Lebens und verlieren dann, der nötigen Bekenntnis unfähig, die Kontrolle über ihre Ziele. Wenn solche Menschen in ein ''[[dōjō]]'' kommen, müssen sie die Selbstdisziplin lernen, denn ihre Haltung ermöglicht ihnen keinen Fortschritt. Viele Ziele anzustreben, zu deren Bewältigung die Kraft oder die Disziplin nicht reicht, bringt keine Erfolge.<br />
Die Selbstdisziplin ist die Grundlage für jeden Fortschritt und die beste „Flamme zum Erwärmen des Wassers“. Man geht in ein ''[[dōjō]]'', weil man etwas für sich selbst tun will. Doch man muss zuverlässig sein und die rechte Haltung (''[[shisei]]'') mitbringen, denn dort trifft man Menschen, auf die man angewiesen ist und von denen man dasselbe erwartet. Um ihnen in der rechten Weise begegnen zu können, muss man sich auch im alltäglichen Leben zur Ordnung erziehen und seine Angelegenheiten mit Disziplin und Verantwortung lösen. Ist dies nicht der Fall, wird das Wasser jedesmal kalt, und man muss es immer aufs neue erwärmen.<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Kaisetsu]] | [[Shōgai karate dō]] | [[Funakoshi Gichin]] | [[Dōjō]] | [[Shisei]]<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Budo - der geistige Weg der Kampfkünste.'' Scherz 1991.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2006. <br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Kaisetsu]]<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Karated%C5%8D_nij%C5%ABkkaj%C5%8D&diff=15907Karatedō nijūkkajō2014-09-23T22:49:31Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
'''Karatedō nijūkkajō''' (jap.: 空手道二十ヶ条), die zwanzig Paragraphen (''[[kaisetsu]]'') des ''[[karatedō]]'' wurden um das Jahr 1930 von [[Funakoshi Gichin]] verfasst und 1938 zum ersten Mal in der Veröffentlichung „Karatedō Taikan“ („Überblick über das Karatedō“) von [[Nakasone Genwa]] publiziert. Sie sind auch unter dem Titel ''[[shōtō nijūkun]]'' („zwanzig Regeln des ''[[shōtō]]''“) bekannt.<br.>Sie existieren heute in zum Teil voneinander abweichenden Schreibungen und Aussprachen, was ihre Übersetzung und ihr Verständnis mitunter erschwert. Die hier verwendete Schreibung entspricht im Wesentlichen der des „Karatedō Taikan“, die weiterführenden Übersetzungen wurden von ''[[sensei]]'' [[Werner Lind]] philosophisch interpretiert und dem westlichen Verständnis zugänglich gemacht.<br />
<br />
* 空手道は禮に始まり、禮に終る事を忘るな。<br />
: '''[[Karatedo wa rei ni hajimari rei ni owaru koto o wasuru na]]''' - Karate beginnt und endet mit Respekt.<br />
: '''Original:''' vergiss nicht, dass ''karatedō'' mit Höflichkeit beginnt und mit Höflichkeit aufhört.<br />
<br />
* 空手に先手なし。<br />
: '''[[Karate ni sente nashi]]''' - im ''[[karate]]'' gibt es keinen ersten Angriff.<br />
: '''Original:''' es gibt im ''karate'' kein Zuvorkommen.<br />
<br />
* 空手は義の補け。<br />
: '''[[Karate wa gi no tasuke]]''' - Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit.<br />
: '''Original:''' Karate unterstützt die Gerechtigkeit.<br />
<br />
* 先づ自己を知れ而して他を知れ。<br />
: '''[[Mazu jiko o shire shikoshite hoka o shire]]''' - erkenne dich selbst zuerst, dann den anderen.<br />
: '''Original:''' erkenne zuerst dein Selbst, dann den anderen.<br />
<br />
* 技術より心術。<br />
: '''[[Gijutsu yori shinjutsu]]''' - Intuition ist wichtiger als die Technik.<br />
: '''Original:''' die Kunst des Herzens kommt vor der Kunst der Technik.<br />
<br />
* 心は放たん事を要す。<br />
: '''[[Kokoro wa hanatan koko wo yosu]]''' - kontrolliere zuerst deinen Geist und befreie ihn danach.<br />
: '''Original:''' Es ist notwendig, dass eigene Herz frei zu machen.<br />
<br />
* 禍は懈怠に生ず。<br />
: '''[[Wazawai wa ketai ni shozu]]''' - Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.<br />
: '''Original:''' Unheil entsteht durch Nachlässigkeit.<br />
<br />
* 道場のみの空手と思うな。<br />
: '''[[Dojo nomino karate to omou na]]''' - Karate findet nicht nur im ''[[dōjō]]'' satt.<br />
: '''Original:''' Denke nicht nur im ''dōjō'' an ''karate''.<br />
<br />
* 空手の修業は一生である。<br />
: '''[[karate no shugyo wa issho dearu]]''' - die Übung des ''karate'' geht ein Leben lang.<br />
: '''Original:''' Die Übung des ''karate'' geht ein Leben lang.<br />
<br />
* 凡ゆるものを空手化せよ、其處に妙味あり。<br />
: '''[[arayuru mono o karate kasase yo, soko ni myomi ari]]''' - verbinde dein alltägliches Leben mit ''karate'', dann wirst du ''myō'' finden.<br />
: '''Original:''' Verbinde dein alltägliches Leben mit ''karate'', das ist der Zauber der Kunst.<br />
<br />
* 空手は湯の如し、絶えす熱度を與へざれば元の水に還へる。<br />
: '''[[karate wa yu no gotoshi, taezu netsu o atahezareba moto no mizu ni kaheru]]''' - wahres ''karate'' ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig erwärmst.<br />
: '''Original:''' Wahres ''karate'' ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig wärmst.<br />
<br />
* 勝つ考へはもつな、負けぬ考へは必要。<br />
: '''[[katsu kangahe wa motsu na, makenu kangahe wa hitsuyo]]''' - denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.<br />
: '''Original:''' Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.<br />
<br />
* 敵に因って轉化せよ。<br />
: teki ni yotte tenka seyo - passe deine Haltung deinem jeweiligen Gegner an.<br />
: Original: Wandle dich entsprechend deinem jeweiligen Gegner.<br />
<br />
* 戦は虚実の操縦 何に在り。<br />
: '''[[ikusa wa kyojitsu no soju ikan ni ari]]''' - der Kampf entspricht deiner Fähigkeit mit stark und schwach umzugehen.<br />
: '''Original:''' der Kampf hängt davon ab, wie du mit Stärken und Schwächen umgehst.<br />
<br />
* 人の手足を劍と思へ。<br />
: '''[[hito no teashi o ken to omohe]]''' - lass deine Hände und Füße zu Schwertern werden.<br />
: '''Original:''' betrachte die menschlichen Arme und Beine als Schwerter.<br />
<br />
* 男子門を出づれば百萬の敵あり。<br />
: '''[[danshimon o zibureba hyakuman no teki ari]]''' - wenn du dein zuhause verlässt, machst du dir zahlreiche Feinde.<br />
: '''Original:''' wenn ein Knabe durch das Tor hinausgeht, hat er hundertmal zehntausend Feinde.<br />
<br />
* 構は初心者に、後は自然體。<br />
: '''[[kamae wa shoshinsha ni, ato wa shizentai]]''' - die Haltung des Anfängers ist unbedarft, erst später versteht er die Haltung der Bereitschaft.<br />
: '''Original:''' der Anfänger nimmt eine Haltung ein, später folgt der natürliche Körper.<br />
<br />
* 型は正しく、実戦は別物。<br />
: '''[[kata wa tadashiku, jissen wa betsu mono]]''' - die ''[[Kata (Form)|kata]]'' muss korrekt sein, im wirklichen Kampf ist es jedoch anders.<br />
: '''Original:''' die Form muss korrekt geübt werden, im wirklichen Kampf ist dies eine andere Sache.<br />
<br />
* 力の強弱、體の伸縮、技の緩急を忘るな。<br />
: '''chikara no kyojaku (die Kraft ist hart und weich), karada no shinshuku (der Körper ist gespannt und entspannt), waza no kankyu o wasuru na (die Technik ist langsam und schnell)'''.<br />
: '''Original:''' vergiss nicht die Stärke und die Schwäche der Kraft, das Ausdehnen und das Zusammenziehen des Körpers sowie die Langsamkeit und die Schnelligkeit der Technik.<br />
<br />
* 常に思念工夫せよ。<br />
: '''[[tsune ni shinen kufu seyo]]''' - denke immer an die Vorschriften und lebe sie jeden Tag.<br />
: '''Original:''' denke immer nach und arbeite an deiner Vervollkommnung.<br />
<br />
==Studien Informationen==<br />
'''Siehe auch:''' [[Karate]] | [[Shōtō nijūkun]] | [[Kaisetsu]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste.'' Bern, München, Wien 1992 (S.51 ff).<br />
* Werner Lind: ''Das Lexikon der Kampfkünste.'' Sportverlag 1999.<br />
* Werner Lind: ''Klassisches Karate do.'' Sportverlag Berlin 1997.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2006.<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man.'' Masters Publication 1986.<br />
* Nakamura Tadashi: ''Karate, Technique and Spirit.'' Shufunotomo 1986.<br />
* Gichin Funakoshi: ''Karate do Kyohan.'' Kodansha 1973.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
* [http://www.budostudienkreis.de Budo Studien Kreis]<br />
<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]<br />
[[Kategorie: Karate]]<br />
{{Vorlage: Überarbeiten}}</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Karated%C5%8D_nij%C5%ABkkaj%C5%8D&diff=15906Karatedō nijūkkajō2014-09-23T22:48:28Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
'''Karatedō nijūkkajō''' (jap.: 空手道二十ヶ条), die zwanzig Paragraphen (''[[kaisetsu]]'') des ''[[karatedō]]'' wurden um das Jahr 1930 von [[Funakoshi Gichin]] verfasst und 1938 zum ersten Mal in der Veröffentlichung „Karatedō Taikan“ („Überblick über das Karatedō“) von [[Nakasone Genwa]] publiziert. Sie sind auch unter dem Titel ''[[shōtō nijūkun]]'' („zwanzig Regeln des ''[[shōtō]]''“) bekannt.<br.>Sie existieren heute in zum Teil voneinander abweichenden Schreibungen und Aussprachen, was ihre Übersetzung und ihr Verständnis mitunter erschwert. Die hier verwendete Schreibung entspricht im Wesentlichen der des „Karatedō Taikan“, die weiterführenden Übersetzungen wurden von ''[[sensei]]'' [[Werner Lind]] philosophisch interpretiert und dem westlichen Verständnis zugänglich gemacht.<br />
<br />
* 空手道は禮に始まり、禮に終る事を忘るな。<br />
: '''[[Karatedo wa rei ni hajimari rei ni owaru koto o wasuru na]]''' - Karate beginnt und endet mit Respekt.<br />
: '''Original:''' vergiss nicht, dass ''karatedō'' mit Höflichkeit beginnt und mit Höflichkeit aufhört.<br />
<br />
* 空手に先手なし。<br />
: '''[[Karate ni sente nashi]]''' - im ''[[karate]]'' gibt es keinen ersten Angriff.<br />
: '''Original:''' es gibt im ''karate'' kein Zuvorkommen.<br />
<br />
* 空手は義の補け。<br />
: '''[[Karate wa gi no tasuke]]''' - Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit.<br />
: '''Original:''' Karate unterstützt die Gerechtigkeit.<br />
<br />
* 先づ自己を知れ而して他を知れ。<br />
: '''[[Mazu jiko o shire shikoshite hoka o shire]]''' - erkenne dich selbst zuerst, dann den anderen.<br />
: '''Original:''' erkenne zuerst dein Selbst, dann den anderen.<br />
<br />
* 技術より心術。<br />
: '''[[Gijutsu yori shinjutsu]]''' - Intuition ist wichtiger als die Technik.<br />
: '''Original:''' die Kunst des Herzens kommt vor der Kunst der Technik.<br />
<br />
* 心は放たん事を要す。<br />
: '''[[Kokoro wa hanatan koto wo yosu]]''' - kontrolliere zuerst deinen Geist und befreie ihn danach.<br />
: '''Original:''' Es ist notwendig, dass eigene Herz frei zu machen.<br />
<br />
* 禍は懈怠に生ず。<br />
: '''[[Wazawai wa ketai ni shozu]]''' - Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.<br />
: '''Original:''' Unheil entsteht durch Nachlässigkeit.<br />
<br />
* 道場のみの空手と思うな。<br />
: '''[[Dojo nomino karate to omou na]]''' - Karate findet nicht nur im ''[[dōjō]]'' satt.<br />
: '''Original:''' Denke nicht nur im ''dōjō'' an ''karate''.<br />
<br />
* 空手の修業は一生である。<br />
: '''[[karate no shugyo wa issho dearu]]''' - die Übung des ''karate'' geht ein Leben lang.<br />
: '''Original:''' Die Übung des ''karate'' geht ein Leben lang.<br />
<br />
* 凡ゆるものを空手化せよ、其處に妙味あり。<br />
: '''[[arayuru mono o karate kasase yo, soko ni myomi ari]]''' - verbinde dein alltägliches Leben mit ''karate'', dann wirst du ''myō'' finden.<br />
: '''Original:''' Verbinde dein alltägliches Leben mit ''karate'', das ist der Zauber der Kunst.<br />
<br />
* 空手は湯の如し、絶えす熱度を與へざれば元の水に還へる。<br />
: '''[[karate wa yu no gotoshi, taezu netsu o atahezareba moto no mizu ni kaheru]]''' - wahres ''karate'' ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig erwärmst.<br />
: '''Original:''' Wahres ''karate'' ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig wärmst.<br />
<br />
* 勝つ考へはもつな、負けぬ考へは必要。<br />
: '''[[katsu kangahe wa motsu na, makenu kangahe wa hitsuyo]]''' - denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.<br />
: '''Original:''' Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.<br />
<br />
* 敵に因って轉化せよ。<br />
: teki ni yotte tenka seyo - passe deine Haltung deinem jeweiligen Gegner an.<br />
: Original: Wandle dich entsprechend deinem jeweiligen Gegner.<br />
<br />
* 戦は虚実の操縦 何に在り。<br />
: '''[[ikusa wa kyojitsu no soju ikan ni ari]]''' - der Kampf entspricht deiner Fähigkeit mit stark und schwach umzugehen.<br />
: '''Original:''' der Kampf hängt davon ab, wie du mit Stärken und Schwächen umgehst.<br />
<br />
* 人の手足を劍と思へ。<br />
: '''[[hito no teashi o ken to omohe]]''' - lass deine Hände und Füße zu Schwertern werden.<br />
: '''Original:''' betrachte die menschlichen Arme und Beine als Schwerter.<br />
<br />
* 男子門を出づれば百萬の敵あり。<br />
: '''[[danshimon o zibureba hyakuman no teki ari]]''' - wenn du dein zuhause verlässt, machst du dir zahlreiche Feinde.<br />
: '''Original:''' wenn ein Knabe durch das Tor hinausgeht, hat er hundertmal zehntausend Feinde.<br />
<br />
* 構は初心者に、後は自然體。<br />
: '''[[kamae wa shoshinsha ni, ato wa shizentai]]''' - die Haltung des Anfängers ist unbedarft, erst später versteht er die Haltung der Bereitschaft.<br />
: '''Original:''' der Anfänger nimmt eine Haltung ein, später folgt der natürliche Körper.<br />
<br />
* 型は正しく、実戦は別物。<br />
: '''[[kata wa tadashiku, jissen wa betsu mono]]''' - die ''[[Kata (Form)|kata]]'' muss korrekt sein, im wirklichen Kampf ist es jedoch anders.<br />
: '''Original:''' die Form muss korrekt geübt werden, im wirklichen Kampf ist dies eine andere Sache.<br />
<br />
* 力の強弱、體の伸縮、技の緩急を忘るな。<br />
: '''chikara no kyojaku (die Kraft ist hart und weich), karada no shinshuku (der Körper ist gespannt und entspannt), waza no kankyu o wasuru na (die Technik ist langsam und schnell)'''.<br />
: '''Original:''' vergiss nicht die Stärke und die Schwäche der Kraft, das Ausdehnen und das Zusammenziehen des Körpers sowie die Langsamkeit und die Schnelligkeit der Technik.<br />
<br />
* 常に思念工夫せよ。<br />
: '''[[tsune ni shinen kufu seyo]]''' - denke immer an die Vorschriften und lebe sie jeden Tag.<br />
: '''Original:''' denke immer nach und arbeite an deiner Vervollkommnung.<br />
<br />
==Studien Informationen==<br />
'''Siehe auch:''' [[Karate]] | [[Shōtō nijūkun]] | [[Kaisetsu]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste.'' Bern, München, Wien 1992 (S.51 ff).<br />
* Werner Lind: ''Das Lexikon der Kampfkünste.'' Sportverlag 1999.<br />
* Werner Lind: ''Klassisches Karate do.'' Sportverlag Berlin 1997.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2006.<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man.'' Masters Publication 1986.<br />
* Nakamura Tadashi: ''Karate, Technique and Spirit.'' Shufunotomo 1986.<br />
* Gichin Funakoshi: ''Karate do Kyohan.'' Kodansha 1973.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
* [http://www.budostudienkreis.de Budo Studien Kreis]<br />
<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]<br />
[[Kategorie: Karate]]<br />
{{Vorlage: Überarbeiten}}</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Karated%C5%8D_nij%C5%ABkkaj%C5%8D&diff=15905Karatedō nijūkkajō2014-09-23T22:44:35Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
'''Karatedō nijūkkajō''' (jap.: 空手道二十ヶ条), die zwanzig Paragraphen (''[[kaisetsu]]'') des ''[[karatedō]]'' wurden um das Jahr 1930 von [[Funakoshi Gichin]] verfasst und 1938 zum ersten Mal in der Veröffentlichung „Karatedō Taikan“ („Überblick über das Karatedō“) von [[Nakasone Genwa]] publiziert. Sie sind auch unter dem Titel ''[[shōtō nijūkun]]'' („zwanzig Regeln des ''[[shōtō]]''“) bekannt.<br.>Sie existieren heute in zum Teil voneinander abweichenden Schreibungen und Aussprachen, was ihre Übersetzung und ihr Verständnis mitunter erschwert. Die hier verwendete Schreibung entspricht im Wesentlichen der des „Karatedō Taikan“, die weiterführenden Übersetzungen wurden von ''[[sensei]]'' [[Werner Lind]] philosophisch interpretiert und dem westlichen Verständnis zugänglich gemacht.<br />
<br />
* 空手道は禮に始まり、禮に終る事を忘るな。<br />
: '''[[Karatedo wa rei ni hajimari rei ni owaru koto o wasuru na]]''' - Karate beginnt und endet mit Respekt.<br />
: '''Original:''' vergiss nicht, dass ''karatedō'' mit Höflichkeit beginnt und mit Höflichkeit aufhört.<br />
<br />
* 空手に先手なし。<br />
: '''[[Karate ni sente nashi]]''' - im ''[[karate]]'' gibt es keinen ersten Angriff.<br />
: '''Original:''' es gibt im ''karate'' kein Zuvorkommen.<br />
<br />
* 空手は義の補け。<br />
: '''[[Karate wa gi no tasuke]]''' - Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit.<br />
: '''Original:''' Karate unterstützt die Gerechtigkeit.<br />
<br />
* 先づ自己を知れ而して他を知れ。<br />
: '''[[Mazu jiko o shire shikoshite hoka o shire]]''' - erkenne dich selbst zuerst, dann den anderen.<br />
: '''Original:''' erkenne zuerst dein Selbst, dann den anderen.<br />
<br />
* 技術より心術。<br />
: '''[[Gijutsu yori shinjutsu]]''' - Intuition ist wichtiger als die Technik.<br />
: '''Original:''' die Kunst des Herzens kommt vor der Kunst der Technik.<br />
<br />
* 心は放たん事を要す。<br />
: '''[[Kokoro wa hanatan koto o yosu]]''' - kontrolliere zuerst deinen Geist und befreie ihn danach.<br />
: '''Original:''' Es ist notwendig, dass eigene Herz frei zu machen.<br />
<br />
* 禍は懈怠に生ず。<br />
: '''[[Wazawai wa ketai ni shozu]]''' - Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.<br />
: '''Original:''' Unheil entsteht durch Nachlässigkeit.<br />
<br />
* 道場のみの空手と思うな。<br />
: '''[[Dojo nomino karate to omou na]]''' - Karate findet nicht nur im ''[[dōjō]]'' satt.<br />
: '''Original:''' Denke nicht nur im ''dōjō'' an ''karate''.<br />
<br />
* 空手の修業は一生である。<br />
: '''[[karate no shugyo wa issho dearu]]''' - die Übung des ''karate'' geht ein Leben lang.<br />
: '''Original:''' Die Übung des ''karate'' geht ein Leben lang.<br />
<br />
* 凡ゆるものを空手化せよ、其處に妙味あり。<br />
: '''[[arayuru mono o karate kasase yo, soko ni myomi ari]]''' - verbinde dein alltägliches Leben mit ''karate'', dann wirst du ''myō'' finden.<br />
: '''Original:''' Verbinde dein alltägliches Leben mit ''karate'', das ist der Zauber der Kunst.<br />
<br />
* 空手は湯の如し、絶えす熱度を與へざれば元の水に還へる。<br />
: '''[[karate wa yu no gotoshi, taezu netsu o atahezareba moto no mizu ni kaheru]]''' - wahres ''karate'' ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig erwärmst.<br />
: '''Original:''' Wahres ''karate'' ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig wärmst.<br />
<br />
* 勝つ考へはもつな、負けぬ考へは必要。<br />
: '''[[katsu kangahe wa motsu na, makenu kangahe wa hitsuyo]]''' - denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.<br />
: '''Original:''' Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.<br />
<br />
* 敵に因って轉化せよ。<br />
: teki ni yotte tenka seyo - passe deine Haltung deinem jeweiligen Gegner an.<br />
: Original: Wandle dich entsprechend deinem jeweiligen Gegner.<br />
<br />
* 戦は虚実の操縦 何に在り。<br />
: '''[[ikusa wa kyojitsu no soju ikan ni ari]]''' - der Kampf entspricht deiner Fähigkeit mit stark und schwach umzugehen.<br />
: '''Original:''' der Kampf hängt davon ab, wie du mit Stärken und Schwächen umgehst.<br />
<br />
* 人の手足を劍と思へ。<br />
: '''[[hito no teashi o ken to omohe]]''' - lass deine Hände und Füße zu Schwertern werden.<br />
: '''Original:''' betrachte die menschlichen Arme und Beine als Schwerter.<br />
<br />
* 男子門を出づれば百萬の敵あり。<br />
: '''[[danshimon o zibureba hyakuman no teki ari]]''' - wenn du dein zuhause verlässt, machst du dir zahlreiche Feinde.<br />
: '''Original:''' wenn ein Knabe durch das Tor hinausgeht, hat er hundertmal zehntausend Feinde.<br />
<br />
* 構は初心者に、後は自然體。<br />
: '''[[kamae wa shoshinsha ni, ato wa shizentai]]''' - die Haltung des Anfängers ist unbedarft, erst später versteht er die Haltung der Bereitschaft.<br />
: '''Original:''' der Anfänger nimmt eine Haltung ein, später folgt der natürliche Körper.<br />
<br />
* 型は正しく、実戦は別物。<br />
: '''[[kata wa tadashiku, jissen wa betsu mono]]''' - die ''[[Kata (Form)|kata]]'' muss korrekt sein, im wirklichen Kampf ist es jedoch anders.<br />
: '''Original:''' die Form muss korrekt geübt werden, im wirklichen Kampf ist dies eine andere Sache.<br />
<br />
* 力の強弱、體の伸縮、技の緩急を忘るな。<br />
: '''chikara no kyojaku (die Kraft ist hart und weich), karada no shinshuku (der Körper ist gespannt und entspannt), waza no kankyu o wasuru na (die Technik ist langsam und schnell)'''.<br />
: '''Original:''' vergiss nicht die Stärke und die Schwäche der Kraft, das Ausdehnen und das Zusammenziehen des Körpers sowie die Langsamkeit und die Schnelligkeit der Technik.<br />
<br />
* 常に思念工夫せよ。<br />
: '''[[tsune ni shinen kufu seyo]]''' - denke immer an die Vorschriften und lebe sie jeden Tag.<br />
: '''Original:''' denke immer nach und arbeite an deiner Vervollkommnung.<br />
<br />
==Studien Informationen==<br />
'''Siehe auch:''' [[Karate]] | [[Shōtō nijūkun]] | [[Kaisetsu]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste.'' Bern, München, Wien 1992 (S.51 ff).<br />
* Werner Lind: ''Das Lexikon der Kampfkünste.'' Sportverlag 1999.<br />
* Werner Lind: ''Klassisches Karate do.'' Sportverlag Berlin 1997.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2006.<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man.'' Masters Publication 1986.<br />
* Nakamura Tadashi: ''Karate, Technique and Spirit.'' Shufunotomo 1986.<br />
* Gichin Funakoshi: ''Karate do Kyohan.'' Kodansha 1973.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
* [http://www.budostudienkreis.de Budo Studien Kreis]<br />
<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]<br />
[[Kategorie: Karate]]<br />
{{Vorlage: Überarbeiten}}</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Kaisetsu&diff=15893Kaisetsu2014-09-22T23:50:11Z<p>Werner Lind: /* Kaisetsu im Karate */</p>
<hr />
<div>'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
<br />
Der Begriff '''kaisetsu''' (jap.: 解説) bedeutet „Erklärung“, „Erläuterung“, „Kommentar“ oder „Interpretation“ und bezeichnet kontemplative Hilfen (''[[gensoku]]'' und ''[[hokusen]]'') für die Übenden der Wegkünste ''[[geidō]]''. Die Bezeichnung entstammt dem [[Buddhismus]] und wird dort als ''[[kairitsu]]'' benannt.<br />
<br />
== Allgemeines ==<br />
Die traditionelle Literatur der Kampfkünste enthält viele Leitsätze, die dazu erdacht wurden, die kontemplativen Gedanken der Übenden zu fördern. In ihnen liegt weitgehend die philosophische Essenz des ''budō''. Die meisten stammen aus dem ''[[bushidō]]'' und sind stark vom ''[[shintō]]'', vom ''[[zen]]'' und von den chinesischen Philosophien beeinflusst. Diese Leitsätze sind untrennbar mit der Budō-Übung verbunden und sollen nicht als Theorie gelernt werden, sondern als Beispiele für die Verwirklichung der ''[[dōjōkun]]'' dienen. Sie beziehen sich auf konkrete innere Hindernisse (''[[bonnō]]''), die in der Entwicklung eines Kampfkunstübenden auftauchen können und bieten durch ihre Erläuterungen Hilfen, auftauchende Probleme zu bewältigen.<br />
<br />
== Kaisetsu im Karate ==<br />
Im ''[[shōtōkan]]'' bildeten sich durch sie die zwanzig Regeln von [[Funakoshi Gichin]], die ''[[shōtō nijūkun]]'' ab. Sie sind durch verschiedene Quellen beeinflusst und haben ihrerseits den Geist des ''budō'' in allen Stilrichtungen des ''karate'' stark geprägt. Andere Leitsätze jedoch stammen aus dem japanischen „Weg des Schwertes“ (''[[kendō]]'') und kommen entweder aus dem ''[[shintō]]'' oder aus dem ''[[zen]]'', das eine lange Zeit bei den Meistern des Schwertes große Bedeutung hatte.<br.>Nachfolgend die wichtigsten überlieferten Leitsätze. Sie werden hier in die übergreifenden Kapiteln der [[BSK-Dōjōkun]] eingeordnet und von ''sensei'' [[Werner Lind]] weiterführend philosophisch interpretiert.<br />
<br />
=== Suche nach der Perfektion deines Charakters ===<br />
* [[On ko chi shin]] - beschäftige dich mit dem Alten, um das Neue zu verstehen<br />
* [[Meikyō shi sui]] - ein klarer Spiegel reflektiert die Realität<br />
* [[Tōdai moto kurashi]] - am Fuße eines Leuchtturms ist es dunkel<br />
* [[Sekka no ki]] - die Feuersteine, die Funken schlagen<br />
* [[Mushin no kokoro]] - den Geist befreien<br />
* [[Gishin fuki]] - Technik und Geist sind untrennbar<br />
* [[Myo wa kyo jitsu no kan ni ari]] - die Essenz liegt zwischen Angriff und Abwehr<br />
* [[Kenjō no bitoku]] - durch Demut kommt die Stärke<br />
* [[Ichi michi isshō]] - ein Tag, ein Leben<br />
* [[Ken zen ichi]] - das Schwert und Zen sind eins<br />
* [[Ri no shūgyō, waza no shūgyō]] - das Studium des Geistes und der Technik<br />
* [[Uchi ni sei araba onozutō soto ni arawaru]] - die innere Haltung spiegelt sich in der äußeren.<br />
<br />
=== Verteidige die Wege der Wahrheit ===<br />
* [[Dōjō nomino Karate to omou na]] - Karate findet nicht nur im Dōjō statt<br />
* [[Karate wa gi no tasuke]] - Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit<br />
* [[Fugen jikko]] - lass deine Handlungen für dich sprechen<br />
* [[Setsu do motsu]] - sei stark, doch wisse, wann du nachgibst<br />
* [[Mazu jiko wo shire, shikoshite tao wo shire]] - erkenne dich selbst zuerst, dann den anderen<br />
* [[Gasshō]] - sei dankbar für jeden Augenblick deines Lebens<br />
* [[Wazawai wa getai ni shozu]] - Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit<br />
* [[Mizu no kokoro]] - ein Geist wie Wasser<br />
* [[Koe naki o kiki, katachi naki o miru]] - das Nicht-Geräusch, das du hören, und das Nicht-Bild, das du sehen kannst<br />
<br />
=== Pflege den Geist des Strebens ===<br />
* [[Mosshōseki]] - lass keine Spur hinter dir<br />
* [[Ikken hissatsu]] - mit einem Schlag töten<br />
* [[Ko gaku shin]] - halte deinen Geist zum Lernen offen<br />
* [[Hito no te ashi wo ken to omoe]] - deine Hände und Füße müssen zu Schwertern werden<br />
* [[Kan ni hatsu o irezu]] - kein Raum für ein einziges Haar<br />
* [[Dō mu kyoku]] - ein Leben lang keine Grenzen<br />
* [[Nana korobi ya oki]] - wenn du siebenmal hinfällst, steh achtmal auf<br />
* [[Karate wa yu no gota shi taezu netsudo wo ataezareba moto no mizu ni kaeru]] - wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht beständig erwärmst<br />
* [[Karate no shūgyō wa isshode aru]] - im Karate gibt es keine Grenzen<br />
* [[Hito kata san nen]] - drei Jahre für ein Kata<br />
* [[Hito kome, hito ase]] - ein Korn Reis, ein Tropfen Schweiß<br />
* [[Seiki ekisei]] - Fortschritt verpflichtet zum Lehren<br />
<br />
=== Ehre die Prinzipien der Etikette ===<br />
* [[Oshi shinobu osu]] - habe Geduld mit dir und mit anderen<br />
* [[Karate do wa rei ni hajimari, rei ni owaru koto wo wasuruna]] - Karate beginnt und endet mit Respekt<br />
* [[Omoiyari]] - kümmere dich um andere<br />
<br />
=== Verzichte auf Gewalt ===<br />
* [[Heijō shin kore michi]] - der ruhige Alltagsgeist<br />
* [[Karate ni sente nashi]] - im Karate gibt es keinen ersten Angriff<br />
* [[Gijutsu yōi shinjutsu]] - Intuition ist wichtiger als Technik<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Dōjōkun]] | [[Shōtō nijūkun]] | [[Oshi]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste.'' Bern, München, Wien 1992 (S.51 ff)<br />
* Morio Higaonna: ''Traditional Karate do.'' (3 Vol.), Japan Publications.<br />
* Tadashi Nakamura: ''Karate, technique and spirit.'' Shufunotomo.<br />
* Richard Kim: ''The classical man, Masters Publication.''<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]<br />
[[Kategorie: Oshi]]<br />
[[Kategorie: Kaisetsu]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Kaisetsu&diff=15892Kaisetsu2014-09-22T23:49:26Z<p>Werner Lind: /* Kaisetsu im Karate */</p>
<hr />
<div>'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
<br />
Der Begriff '''kaisetsu''' (jap.: 解説) bedeutet „Erklärung“, „Erläuterung“, „Kommentar“ oder „Interpretation“ und bezeichnet kontemplative Hilfen (''[[gensoku]]'' und ''[[hokusen]]'') für die Übenden der Wegkünste ''[[geidō]]''. Die Bezeichnung entstammt dem [[Buddhismus]] und wird dort als ''[[kairitsu]]'' benannt.<br />
<br />
== Allgemeines ==<br />
Die traditionelle Literatur der Kampfkünste enthält viele Leitsätze, die dazu erdacht wurden, die kontemplativen Gedanken der Übenden zu fördern. In ihnen liegt weitgehend die philosophische Essenz des ''budō''. Die meisten stammen aus dem ''[[bushidō]]'' und sind stark vom ''[[shintō]]'', vom ''[[zen]]'' und von den chinesischen Philosophien beeinflusst. Diese Leitsätze sind untrennbar mit der Budō-Übung verbunden und sollen nicht als Theorie gelernt werden, sondern als Beispiele für die Verwirklichung der ''[[dōjōkun]]'' dienen. Sie beziehen sich auf konkrete innere Hindernisse (''[[bonnō]]''), die in der Entwicklung eines Kampfkunstübenden auftauchen können und bieten durch ihre Erläuterungen Hilfen, auftauchende Probleme zu bewältigen.<br />
<br />
== Kaisetsu im Karate ==<br />
Im ''[[shōtōkan ryū]]'' bildeten sich durch sie die zwanzig Regeln von [[Funakoshi Gichin]], die ''[[shōtō nijūkun]]'' ab. Sie sind durch verschiedene Quellen beeinflusst und haben ihrerseits den Geist des ''budō'' in allen Stilrichtungen des ''karate'' stark geprägt. Andere Leitsätze jedoch stammen aus dem japanischen „Weg des Schwertes“ (''[[kendō]]'') und kommen entweder aus dem ''[[shintō]]'' oder aus dem ''[[zen]]'', das eine lange Zeit bei den Meistern des Schwertes große Bedeutung hatte.<br.>Nachfolgend die wichtigsten überlieferten Leitsätze. Sie werden hier in die übergreifenden Kapiteln der [[BSK-Dōjōkun]] eingeordnet und von ''sensei'' [[Werner Lind]] weiterführend philosophisch interpretiert.<br />
<br />
=== Suche nach der Perfektion deines Charakters ===<br />
* [[On ko chi shin]] - beschäftige dich mit dem Alten, um das Neue zu verstehen<br />
* [[Meikyō shi sui]] - ein klarer Spiegel reflektiert die Realität<br />
* [[Tōdai moto kurashi]] - am Fuße eines Leuchtturms ist es dunkel<br />
* [[Sekka no ki]] - die Feuersteine, die Funken schlagen<br />
* [[Mushin no kokoro]] - den Geist befreien<br />
* [[Gishin fuki]] - Technik und Geist sind untrennbar<br />
* [[Myo wa kyo jitsu no kan ni ari]] - die Essenz liegt zwischen Angriff und Abwehr<br />
* [[Kenjō no bitoku]] - durch Demut kommt die Stärke<br />
* [[Ichi michi isshō]] - ein Tag, ein Leben<br />
* [[Ken zen ichi]] - das Schwert und Zen sind eins<br />
* [[Ri no shūgyō, waza no shūgyō]] - das Studium des Geistes und der Technik<br />
* [[Uchi ni sei araba onozutō soto ni arawaru]] - die innere Haltung spiegelt sich in der äußeren.<br />
<br />
=== Verteidige die Wege der Wahrheit ===<br />
* [[Dōjō nomino Karate to omou na]] - Karate findet nicht nur im Dōjō statt<br />
* [[Karate wa gi no tasuke]] - Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit<br />
* [[Fugen jikko]] - lass deine Handlungen für dich sprechen<br />
* [[Setsu do motsu]] - sei stark, doch wisse, wann du nachgibst<br />
* [[Mazu jiko wo shire, shikoshite tao wo shire]] - erkenne dich selbst zuerst, dann den anderen<br />
* [[Gasshō]] - sei dankbar für jeden Augenblick deines Lebens<br />
* [[Wazawai wa getai ni shozu]] - Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit<br />
* [[Mizu no kokoro]] - ein Geist wie Wasser<br />
* [[Koe naki o kiki, katachi naki o miru]] - das Nicht-Geräusch, das du hören, und das Nicht-Bild, das du sehen kannst<br />
<br />
=== Pflege den Geist des Strebens ===<br />
* [[Mosshōseki]] - lass keine Spur hinter dir<br />
* [[Ikken hissatsu]] - mit einem Schlag töten<br />
* [[Ko gaku shin]] - halte deinen Geist zum Lernen offen<br />
* [[Hito no te ashi wo ken to omoe]] - deine Hände und Füße müssen zu Schwertern werden<br />
* [[Kan ni hatsu o irezu]] - kein Raum für ein einziges Haar<br />
* [[Dō mu kyoku]] - ein Leben lang keine Grenzen<br />
* [[Nana korobi ya oki]] - wenn du siebenmal hinfällst, steh achtmal auf<br />
* [[Karate wa yu no gota shi taezu netsudo wo ataezareba moto no mizu ni kaeru]] - wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht beständig erwärmst<br />
* [[Karate no shūgyō wa isshode aru]] - im Karate gibt es keine Grenzen<br />
* [[Hito kata san nen]] - drei Jahre für ein Kata<br />
* [[Hito kome, hito ase]] - ein Korn Reis, ein Tropfen Schweiß<br />
* [[Seiki ekisei]] - Fortschritt verpflichtet zum Lehren<br />
<br />
=== Ehre die Prinzipien der Etikette ===<br />
* [[Oshi shinobu osu]] - habe Geduld mit dir und mit anderen<br />
* [[Karate do wa rei ni hajimari, rei ni owaru koto wo wasuruna]] - Karate beginnt und endet mit Respekt<br />
* [[Omoiyari]] - kümmere dich um andere<br />
<br />
=== Verzichte auf Gewalt ===<br />
* [[Heijō shin kore michi]] - der ruhige Alltagsgeist<br />
* [[Karate ni sente nashi]] - im Karate gibt es keinen ersten Angriff<br />
* [[Gijutsu yōi shinjutsu]] - Intuition ist wichtiger als Technik<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Dōjōkun]] | [[Shōtō nijūkun]] | [[Oshi]] | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste.'' Bern, München, Wien 1992 (S.51 ff)<br />
* Morio Higaonna: ''Traditional Karate do.'' (3 Vol.), Japan Publications.<br />
* Tadashi Nakamura: ''Karate, technique and spirit.'' Shufunotomo.<br />
* Richard Kim: ''The classical man, Masters Publication.''<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]<br />
[[Kategorie: Oshi]]<br />
[[Kategorie: Kaisetsu]]<br />
[[Kategorie: Unvollständiger Inhalt]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Funakoshi_Gichin&diff=15891Funakoshi Gichin2014-09-22T23:32:57Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:<br />
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[[Datei:FunakoshiGichin1.png|thumb|right|Funakoshi Gichin]]<br />
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'''Funakoshi Gichin''' (jap.: 船越 義珍) ist als „Vater und Begründer des modernen Karate“ eine der wichtigsten und bedeutendsten Figuren in der Geschichte der japanischen [[Karate]]-Stile. Auch wenn er die [[Okinawanische Kampfkunst|okinawanische Kampfkunst]] der „leeren Hand“ keinesfalls selbst gegründet hat, ist es doch seiner Arbeit und seinem Engagement zu verdanken, dass sie als Sport ihren beispielhaften Siegeszug um die ganze Welt antrat. <br />
<br />
Während seines ganzen Lebens versuchte Funakoshi die traditionellen Lehren und Werte des ''karate-dō'' zu erhalten und zu unterrichten. Und er erkannte instinktiv, dass die neu enstandene Mentalität Japans mit seiner Forderung nach Wettkampf und Konsum der eigentlichen Bedeutung und den tatsächlichen Hintergründen des ''karate'' als Weg (''[[Dō (Weg)|dō]]'') ein Ende bereiten würde. Leider ist die Kampfkunst, die heute mit seinem Namen in Verbindung gebracht wird nicht seine eigene, sondern ein genaues Abbild dessen, was Funakoshi zu verhindern suchte. <br />
<br />
== Lehrjahre unter Azato und Itosu ==<br />
Funakoshi Gichin wurde im Jahr 1869 auf [[Okinawa]] im Bezirk Yamakawa cho als einziger Sohn einer verarmten [[Samurai]]-Familie der damaligen Shizoku-Klasse (niederer Adel) geboren. Als Frühgeburt glaubte niemand ernsthaft daran, dass Funakoshi die ersten Jahre seines Lebens überstehen würde, und da die Erziehung eines sehr schwächlichen und kränklichen Kindes für die Eltern nahezu unmöglich gewesen wäre, gab man ihn zu seinen Großeltern in Pflege. Funakoshis Großvater Gifu war ein auf Okinawa bekannter konfuzianistischer Gelehrter, der einst die königliche Familie unterrichtet und im Gegenzug von der Regierung eine hohe Pension erhalten hatte. Doch hatte Funakoshis alkoholkranker und spielsüchtiger Vater Gisu dafür gesorgt, dass das Familienvermögen schon zu seinen Lebzeiten verschwendet worden war.<br />
<br />
Entgegen aller Erwartungen entwickelte sich Funakoshi Gichin jedoch zu einem normalen gesunden Jungen, der für sein Alter zwar immer recht klein blieb, aber dennoch robust und ungeheuer lebhaft war. Auch sein Großvater, der gemäß der alten Traditionen schon früh damit begonnen hatte, seinen Enkel in den vier großen klassischen Schulen der chinesischen Philosophie auszubilden, bemerkte bald wie talentiert und enthusiastisch sein Schüler war. Diese bereitwillige und offene Einstellung, die Funakoshi jeder Form des Lernens entgegenbrachte, sollte ihn während seines ganzen Lebens nie verlassen. Selbst kurz vor seinem Tod behauptete der spätere Kampfkunstmeister niemals, dass er seine Lehre abgeschlossen hätte.<br />
<br />
Schon in frühen Jahren war Funakoshi Gichins Interesse in die Kampfkünste geweckt worden; was vermutlich seine Ursache mit darin hatte, dass sein Vater selbst ein fähiger Kämpfer im Umgang mit dem okinawanischen Stock und so wahrscheinlich in der Lage war, seinen Sohn in dieser Kunst auszubilden. Es dauerte jedoch nicht lange, bis dem lerneifrigen Jungen seine bisherige Schulung nicht mehr genügte und er nach interessanteren Lehren zu drängen begann. Noch zu seiner Grundschulzeit kam der junge Funakoshi schließlich in Kontakt mit Azato Ankō, einem Meister des sagenumwobenen ''karate'', den er darum bat, ihn als persönlichen Schüler aufzunehmen. <br />
<br />
Azato Ankō Peichin (Yasuzato) lebte von 1827 bis 1906 und gehörte einem der berühmtesten Samurai-Geschlechter Okinawas an. Als Tonochi (Gutsherr) bekleidete er hohe Ämter am königlichen Schloss und besaß ein großes Vermögen, das es ihm ermöglichte, nur einige wenige Schüler anzunehmen. Da sein Kampfkunstunterricht nicht seinem Lebensunterhalt dienen musste, war Azato nie öffentlich aufgetreten und hatte während seine ganzen Laufbahn als Karate-Meister, nur zwei ''karateka'' unterrichtet: Funakoshi Gichin und Ogusuku Chogo. Azato selbst war ein innerer Schüler (''[[uchi deshi]]'') [[Matsumura Sōkon]]s , dem Gründer des ''[[matsumura ryū]]''. Als einer seiner besten Schüler und inniger Freund Matsumuras erhielt Azato nach Jahren der intensiven Ausbildung eine Lehrerlaubnis von seinem Lehrer und durfte fortan eigene Wege gehen. Später begann Azato die gelernte Kunst nach eigenen Studien weiter zu verfeinern. Heute vermutet man, dass die Version des modernen Shōtōkan-Karate von Funakoshi Yoshitaka – dem Sohn des Meisters – eine starke Anlehnung an Azatos ''karate'' ist.<br />
<br />
Man erzählt sich, dass Azato einmal mit seinem Kampfstil den berühmten Schwertmeister des ''[[jigen ryū]]'', Kirino Toshiaki besiegte. In diesem denkwürdigen Kampf stellte sich der Karate-Meister mit bloßen Händen der scharfen Klinge des bekannten Schwertkämpfers gegenüber. Toshiaki, der für seine Unbesiegbarkeit und Furchtlosigkeit bekannt war, musste erstaunt feststellen, dass Azato der Schwertklinge kaltblütig auswich und ihn mit zwei gezielten Fauststößen zu Boden schlug. Als der Karate-Meister später zu diesem außergewöhnlichen Ereignis befragte, sagte dieser:<br />
<br />
:„Toshiaki hat zu sehr auf seine eigene Stärke vertraut. Die Tatsache, dass er noch nie einen Kampf verloren hatte, machte ihn zu selbstsicher und schadete somit seiner Aufmerksamkeit. Wenn er mich genauer beobachtet hätte, wäre ihm aufgefallen, daß ich nicht wie seine bisherigen Gegener durch seinen Ruf eingeschüchtert war, sondern ihn im Gegesatz genau beobachtete, um die Schwäche zu entdecken, die ihm zum Verhängnis wurde. Das Wissen über die eigenen Stärken und Schwächen und die deines Gegners werden dich niemals verlieren lassen.“ Da Azato niemals in der Öffentlichkeit auftrat und nur zwei Schüler hatte, spielt er in der okinawanischen Kampfkunstgeschichte eigentlich nur eine kleine Rolle und es gibt über ihn nur wenig Aufzeichnungen. Doch war er ohne Zweifel der große „Meister im Schatten“.<br />
<br />
Die Kampfkünste mussten in der damaligen Zeit noch im Geheimen geübt werden, und jeder Meister verlangte von einem Schüler ehe er diesen aufnahm, grenzenlose Loyalität und Verschwiegenheit in der Übung seiner Kunst. Auch Funakoshi stand, nachdem er von Meister Azato als Schüler aufgenommen worden war, unter diesem Siegel der Verschwiegenheit. Seine Traininge fanden ausschließlich nur nachts im Garten seines Lehrers statt und dauerten oft bis in die frühen Morgenstunden. Meister Azato war ein unerbittlicher Lehrer, der seinen Schüler getreu nach dem Grundsatz ''hito kata san nen'' über mehrere Jahre hinweg immer wieder dieselbe ''[[Kata (Form)|kata]]'' üben ließ, und ihm erst dann eine neue Form zeigte, wenn er der Meinung war, dass die alte gut gemeistert wäre. So musste Funakoshi zum Beispiel über einen Zeitraum von zehn Jahren sein Training ausschließlich der Übung der ''[[tekki|tekki kata]]'' widmen, ehe der strenge Azato mit seinem Schüler zufrieden war. Nichts konnte den Meister von seiner Vorstellung des ''kata geiko'' abbringen, und sooft Funakoshi ihn auch drängte, ihm eine neue Form beizubringen, Azato blieb hart. Der Karate-Meister erinnert sich an jene Jahre als eine Zeit zurück, die ihm sowohl den bitteren Geschmack von Entbehrung und Demütigungen als auch die Bedeutung von gegenseitigem Vertrauen und Freundschaft lehrte: „Immer wieder, wenn ich meinen Meister fragend anschaute, waren die einzigen Worte, die er sagte ‚Nicht gut‘. und ich wußte, daß ich die Kata noch weiter zu üben hatte. In diesen Momenten empfand ich ein Gefühl tiefster Verbitterung und Erniedrigung, doch heute weiß ich, daß dies zu meiner Ausbildung gehörte.“<br/><br />
Immer wieder wies Meister Azato seinen Schüler an, „Betrachte deine Arme und Beine als Schwerter“, um seinem Schüler zu verdeutlichen, daß Hände und Füße im Karate tödliche Waffen sein können, deren Prinzipien in der Übung der Kata geschult und routiniert wurden. Nach dem rein körperlichen Training erhielt Funakoshi von seinem Lehrer oftmals zusätzlich Unterricht in der Psychologie und Philosophie des Karate. Ein angemessenes Benehmen, würdige Verhaltensformen und eine gut Beobachtungsgabe gehörten für Azato zur Essenz seiner Kampfkunst. „Das Geheimnis des Sieges,“ betonte er immer wieder, „ist, sowohl dich selbst als auch deinen Gegner genau zu kennen. Auf diese Weise wirst du niemals überraschend besiegt.“ Er selbst verfügte über ein detalliertes Wissen über alle bedeutenden Kampfkunst-Meister Okinawas, kannte ihre Stärken und Schwächen und konnte ihren Nemen und Wohnort nennen. Auch in der Politik war Azato sehr bewandert und Funakoshi bewunderte immer wieder den Scharfsinn und die Umsicht seines Lehrers in bezug auf zukünftige politische Veränderungen. So war Meister Azato zum Beispiel auch einer der wenigen seines Standes, der die unabänderlichen Veränderungen der Meiji-Reform anerkannte und befürwortete, indem er sich ohne zu Zögern seines Haarknoten entledigte. Auch lud sich Azato regelmäßig Freunde ein, mit denen er des Nachts, während Funakoshi draußen trainierte über aktuelle Themen und Geschehnisse philosophierte. Einer dieser Besucher, der ebenfalls unter Matsumura Sōkon trainiert hatte und daher seit Jahren mit Anko Azato befreundet war, war Yasutsune Itosu. Nahezu jeden Abend verbrachte Meister Itosu in Azatos Haus, und wenn die beiden Meister nicht gerade in ernsthafte Gespräche vertieft waren, beteiligte sich Itosu an der Ausbildung Funakoshis, indem er ihm eigene Anweisungen gab.<br />
<br />
Yasutsune Itosu (die „heilige Faust des ''shuri te''“) wurde 1830 in Shuri no Tobaru als Sohn eines ''samurai'' geboren. Im Alter von 16 Jahren brachte sein Vater ihn zu „Bushi“ Matsumura Sōkon, einem der größten Kampfkunstexperten des ''[[shuri te]]'' jener Zeit, um ihn durch die strenge Hand des Lehrers erziehen zu lassen. Matsumura unterrichtete nach shǎolínischem Vorbild einen kampfbetonten Kampfstil, und der junge Itosu musste acht Jahre lang unter seiner Anleitung hart und diszipliniert arbeiten. <br />
<br />
Nach dieser Zeit verließ er seinen Lehrer, um bei verschiedenen anderen Kampfkunst-Meistern Unterricht zu nehmen (unter anderen Shiroma Gusukuma aus Tomari, Nakahara und Yasuri, einem direkten Schüler Iwahs) Die Erfahrungen und Fähigkeiten, die er durch die verschiedenen Kampfkunststile der Meister erhielt, ermöglichten es ihm schließlich, zu einem unbesiegbaren Kämpfer zu werden. Die eigentliche Lehre Matsumuras, die auch Azato erhielt, ging dabei jedoch verloren. Anstatt seinen Stil des Kämpfens auf Ausweichbewegungen zu basieren, betonte er seine Idee der starken Techniken und das Prinzip, dass der Körper jeden Schlag annehmen können muss. Matsumura sagte zu dieser Auffassung einmal: „Du kannst mit deinem Faustschlag alles niederschlagen, doch mich kannst du nicht einmal berühren.“ <br/><br />
Tatsächlich gibt es jedoch über Itosus unheimliche Stärke viele Legenden. So soll er zum Beispiel mit bloßer Hand einen dicken Bambusstab zerquetschen können. Auch heißt es, dass Itosu einmal des Nachts aufwachte, weil er an seiner Haustür verdächtige Geräusche gehört hatte. Als der Meister an die Tür ging und nachschaute, was ihn in seinem wohlverdienten Schlaf störte, musste er erkennen, dass ein Dieb versuchte, sein Schloss aufzubrechen. Ohne viel Federlesens schlug Itosu mit seiner Faust durch das zentimeterdicke Holz der geschlossenen Tür und ergriff das Handgelenk des Einbrechers. Soviel dieser sich auch sträubte, es gelang ihm nicht, sich aus dem schraubstockartigen Griff zu befreien. Endlich lockerte der Karate-Meister seinen Griff und ließ den völlig erschöpften Mann frei.<br />
Auch war Itosu im Gegensatz zu Azato keineswegs wohlhabend. Und als 1879 der okinawanische König abgesetzt wurde, verlor Itosu seinen Posten als Privatsekretär des Monarchen. Da seine neue Arbeit als Beamter im Büro der Präfektur so schlecht bezahlt war, dass er freiwillig zurücktrat, war er gezwungen, seinen Lebensunterhalt von nun an mit dem Karate-Unterricht zu verdienen. <br/><br />
Nachdem er die meisten ''kata'' des ''shorin ryu'' in einem System konzentriert, sie überarbeitet, abgeändert oder vereinfacht hatte, begann er mit ihnen an die Öffentlichkeit zu treten. Seiner Meinung nach war „Karate eine Art zu leben, ein Weg, um absolute Sicherheit und Furchtlosigkeit zu erreichen. Ein Mensch, der die Kata übt, kann durch bestimmte Schwerpunktlegungen in ihnen seine individuellen Fähigkeiten bis zur äußersten Grenze verbessern.“ Diese wertvollen Inhalte, insbesondere der gesundheitliche Aspekt des Trainings, sollten laut Itosu nicht weiter geheimgehalten werden. Als er dann 1901 endgültig mit dem alten Tabu brach, indem er erstmals an der Grundschule Shuris ''karate'' unterrichtete, verärgerte er viele der alten Meister. Sie bezichtigten ihn des Verrats an den alten Traditionen und waren erbost, als es ihm 1905 mittles eines Briefes an das Erziehungsministerium endgültig gelang, ''karate'' als allgemeinen Schulsport in ganz Japan einzuführen. Nachdem ''karate'' Jahrhunderte lang im Geheimen nur ausgesuchten Schülern unterrichtet worden war, mussten seine Lehren nun der breiten Masse zugänglich gemacht werden. Viele Techniken mußten kämpferisch entschärft und sportbetonter werden. Die okinawansichen ''kata'' wurden zumgrößten Teil verfälscht und der Wert der Lehre verlor neben der Technik an Bedeutung. Obwohl dies nie Itosus Absicht gewesen war, legte er mit seinem Karate-Konzept den Grundstein für den heutigen Werteverlust der Kampfkünste. 1916 starb Itosu im Alter von 86 Jahren. Bis zu seinem Tod lebte er seine Idee des ''karate'' und seine Schüler berichten, dass er selbst im Alter von 80 Jahren eine Brust wie ein Fass, einen Körper wie Granit und Arme wie Säulen besessen haben soll.<br />
<br />
Trotz dieser vielen Gegensätze, die Meister Azato und Meister Itosu voneinander unterschieden, verstanden sich die beiden Lehrer jedoch prächtig. Der damals übliche Konkurrenzkampf und die Eifersucht, die zwischen den einzelnen Kampfkunstmeistern bestand, berührte keinen der beiden. Ganz im Gegenteil, immer, wenn sie sich in Azatos Haus trafen, unterhielten sie sich über die philosophischen Aspekte der Kampfkunst und schon nach kurzer Zeit, beteiligte sich auch Itosu an Funakoshis Unterricht. Zwar verbot Azato seinem wissbegierigen Schüler, an den Gesprächen teilzuhaben und wies ihn jedes Mal an, weiter seine ''kata'' zu üben, doch hatte Funakoshi in seinen 11 Lehrjahren bei Azato auch gleichermaßen eine Ausbildung in der Karate-Auffassung Meister Itosus erhalten.<br />
<br />
== Beruf und Familie ==<br />
Die konservative Einstellung seiner Eltern bezüglich der Meiji-Reformen hatte Anfangs verhindert, dass Funakoshi sein Vorhaben, Medizin zu studieren, in die Realität umsetzte. Die Universität für Medizin in [[Tōkyō]] verbot das Tragen von Haarknoten, und so zwangen die Eltern ihren Sohn, den schwer erarbeiteten Studienplatz wieder aufzugeben. Doch Funakoshi erkannte bald, dass das Festhalten an den alten Privilegien nicht mehr zeitgemäß war, und so legte er im Jahr 1888 entegegen dem Willen seiner Eltern eine Prüfung zum Hilfslehrer an der Grundschule in Shuri ab. Als Lehrer und somit Beamteter der Regierung war Funakoshi selbstverständlich verpflichtet, seinen Haarknoten zu entfernen, und die schwer enttäuschten Eltern entschlossen sich, ihren Sohn zu enteignen. Doch war dies nicht der einzige bittere Tropfen, den Funakoshi nach seiner Etnscheidung Lehrer zu werden schlucken musste. Mit dem Beginn seines Unterrichts an der Schule in Shuri, musste sich der junge Lehrer schweren Herzens von seinen Meistern Anko und Itosu trennen. Die Distanz zwischen seinem Heimatort und Shuri war nun viel zu groß als dass er jeden Abend zu Azato gehen konnte, um unter ihm weiter zu trainieren. Da Funakoshi mit seinem Training jedoch nicht aussetzten wollte, bat er die Meister Matsumura Nabe und Kiyuna, die in der Gegend um Shuri wohnten um Unterricht. Da die beiden Meister ebenfalls Schüler Matsumura Sokons gewesen waren, erhoffte er sich keinen allzu großen Unterschied in ihren Lehrmethoden.<br />
Lange Zeit war im Leben des jungen Funakoshi nun jede Minute vollständig verplant. Tagsüber verdiente er als Lehrer das nötige Geld für seinen Lebensunterhalt und des Nachts ging er zum Haus seiner Meister, um weite Karate-Unterricht zu erhalten. Derselbe Enthusiasmus, den Funakoshi in seinen Trainingen an den Tag legte, zeigte sich nun auch in seinem Berufsleben. Ungeachtet der wenigen Stunden an Schlaf, die er aufgrund seiner nächtlichen Traininge erhielt, engagierte er sich für seine Schüler und sorgte für seine eigene Weiterbildung. Schließlich konnte Funakoshi 1891 mit der Beförderung zum Hauptschullehrer eine weitaus besser bezahlte Stelle in einer Schule in Naha annehmen. Diese Beförderung war jedoch mit einer Versetzung nach Naha verbunden und so musste der junge Lehrer wiederum von seinen derzeitigen Lehrern Abschied nehmen. Nach kurzer Suche, konnte er jedoch in Naha sein Training unter der Leitung von Meister Higashionna (Toonno) Kanryō und Meister Aragaki (Niigaki) fortsetzten. – Trotz des Lehrerwechsels brach Funakoshis Kontakt zu seinen eigentlichen Meistern Azato und Itosu nie ab und auch seine Kampfkunst wurde wenn überhaupt nur geringfügig von den Lehren seiner nachfolgenden vier Lehrer geprägt.<br />
<br />
Bereits 1890 hatte Funakoshi sich entschlossen zu heiraten. Seine Frau war recht selbstbewusst und ihr großes Durchhaltevermögen half der Familie später oft, in Krisensituationen nicht den Mut zu verlieren. Gerade in den Jahren nach der Hochzeit, war es oft allein ihrer Standkraft zu verdanken, dass die zehnköpfige Familie Funakoshis (außer Funakoshi selbst und seiner Frau noch drei Söhne, eine Tochter, die Eltern und den Großvater) ausreichend ernährt werden konnte. Schon nach wenigen Wochen hatte sich nämlich herausgestellt, dass die so freudig erwartete Beförderung und das erhöhte Gehalt doch nicht so viel mehr an Geld einbrachte wie ursprünglich geplant, und so war seine Frau gezwungen, Gemüse anzubauen und Stoffe zu färben, um die finanzielle Situation zu verbessern. So schwierig die momentane Lage für den späteren Karate-Meister jedoch damals war, und so wenig Zeit er für persönliche Studien außerhalb der Schule und den familiären Verpflichtungen auch hatte, tat dies seiner Aufopferung im ''karate'' keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil verstärkte Funakoshi seine Übungen noch und begann seine Familie bei jeder freien Gelegenheit, in die Kunst des ''karate'' einzuweisen. Er selbst schreibt, dass seine Söhne ihn bis zum Tod von Azato und Itosu oft zu seinen Besuchen bei seinen Lehrern begleiteten und selbst von ihnen Unterricht erhielten.<br />
<br />
Zwischen den Jahren 1901 und 1902 fand dann ein Ereignis statt, das Funakoshis weiteres Leben rigoros verändern sollte. Ein japanischer Schulkomissar aus der Provinz Kagoshima namens Shintaro Ogawa war von der Regierung nach Okinawa entsand worden, um dort den Bildungsstand der ansässigen Schulen zu überprüfen. Die Hauptschule Nahas, an der Funakoshi unterrichtete, war mit eine der Hauptstationen von Shintaros Inspektionsreise, und da man den Komissar gebührend empfangen wollte, sollte der Karate-Meister ihm zu Ehren eine kurze Demonstration seiner Kunst geben. Die jahrelang streng gehütete Tradition der okinawanischen Kampfkunstmeister, ihre Kunst nur im Verborgenen und ausgewählten Schülern zu unterrichten, hatte in den letzten Jahren aufgrund der Meiji-Reformen immer mehr an Aktualität verloren und es gab einige Meister, von denen man zumindest wusste, dass sie eine Kampfkunst betrieben. Auch Funakoshi hatte schon seit längerem damit begonnen, seine Traininge bei Tageslicht abzuhalten und kein streng gehütetes Geheimnis aus ihnen zu machen. Ganz im Gegenteil sah er den Besuch des Kommissars sogar als passende Gelegenheit, um die faszinierende Kunst des ''karate'' noch publiker zu machen - was ihm auch gelang.<br />
Shintaro Ogawa war von der Darbietung Funakoshis so begeistert, dass er in seinem Bericht an das japanische Kultusministerium die Kunst des ''karate'' hoch lobte, wiederholt dessen einzigartige Vorteile betonte und ausdrücklich empfahl, es in den Lehrplan des allgemeinen Sportunterrichts mit aufzunehmen. Tatsächlich erhielten die okinawanischen Schulen daraufhin nur wenig später die Weisung aus Japan, ''karate'' als Teil der Schulausbildung in den Unterricht zu integrieren. Zu diesem Zweck gründete Itosu die ''[[pinan]]'' (''[[heian]]'') ''[[kata (Form)|kata]]''.<br />
<br />
Bereits 1906 waren auf Okinawa öffentliche Demonstrationen im ''karate'' ein gewohnter Anblick und da kein Karate-Lehrer bis zu diesem Zeitpunkt mehr als zehn Schüler auf einmal ausgebildet hatte, stand die alte Tradition des Kampfkunstunterrichts zwischen einem Lehrer und seinem Schüler vor einer folgenreichen Neuerung. Die alten Lehrmethoden mussten massentauglich gemacht und in einem zeitlich viel kürzerem Rahmen gehalten werden. Auch sah man sich gezwungen mehrere Techniken zu entschärfen, um die Verletzungsgefahr im und außerhalb des Sportunterrichts so niedrig wie möglich zu halten, und einen mehr sportlicheren Charakter in die Ausbildung einzubringen. Zu den anfangs wenigen Meistern, die diese Neuerungen im okinawanischen ''karate'' unterstützten gehörte neben Meister Funakoshi auch dessen Lehrer Itosu Yasutsune, der bereits vor Funakoshis Demonstration vor Ogawa mit einigen kleineren Karate-Darbietungen an zwei okinawanischen Schulen für Erstaunen gesorgt hatte. Nachdem schließlich beschlossen worden war, ''karate'' als Schulsport einzuführen, war es vor allem Itosu, der intensiv an der Entschärfung der Kampfkunst arbeitete. Um 1905 gründete er schließlich die fünf Pinan Kata, die in ihrem Ablauf die wichtigsten Bewegungsprinzipien und fundamentalen Techniken des ''[[shōrin ryū]]'' schulen sollten. Zwei Jahre später wurden die ''kata'' dann an allen Grundschulen Okinawas als grundlegende Basis des Karateunterrichts aufgenommen. Somit hatte sich das ''karate'' fast endgültig von seiner alten Tradition des Unterrichts im Verborgenen entfernt. Nicht nur an den Schulen, sondern auf ganz Okinawa waren öffentliche Kampfkunst Demonstrationen ein gewohnter Anblick geworden, und immer mehr Meister tauchten aus der Versenkung auf, um vereinzelte Darbietungen ihres Könnens zu geben. Doch wurde diese neu angebrochene Ära der okinawanischen Kampfkunst nicht nur mit Wohlwollen betrachtet. Vor allem viele alte Meister lehnten entschieden jeden Schritt an die Öffentlichkeit ab und warnten vor übereiligen Beschlüssen. Der erste Anfang für die weltweite Verbreitung des ''karate'' war jedoch schon längst getan und trotz vieler Proteste nicht mehr rückgängig zu machen. In den folgenden Jahren begannen sich immer mehr japanische Kampfkunstexperten für die so lange geheimgehaltene Kunst des ''karate'' zu interessieren, und angesichts der entspannten politischen Lage war es endlich möglich engere Kontakte mit Okinawa zu schließen.<br />
Meister Funakoshi spielte während dieser Zeit, in der Okinawas „Geheimnis“ endlich an Japan preisgegeben wurde, wohl mit eine der bedeutensten Rollen. Neben seinem alltäglichen Leben als Hauptschullehrer bestand sein Tagesablauf fast ausschließlich aus dem Studium, dem Unterricht und der Vorstellung des ''karate'' vor anderen Kampfkuntexperten. Im Jahr 1913, nach dreißigjähriger Schullehrerzeit, hatte seine Kunst den Karatemeister schließlich so sehr in Beschlag genommen, dass er sich entschloss, auch um einer weiteren Versetzung in einen abseits gelegenen Schuldistrikt aus dem Weg zu gehen, seinen Beruf an den Nagel zu hängen, um mit einer Demonstrationsgruppe durch Okinawa zu ziehen. Seine zahlreichen Darbietungen machten Meister Funakoshi schnell zum bekanntesten Karate-Meister Okinawas und gleichzeitig zu der Person, mit der man in Kontakt trat, wenn man etwas über diese Kunst erfahren wollte.<br />
<br />
Nach und nach wurden dann auch die japanischen Behörden und hochgestellte Mitglieder der japanischen Highsociety auf Funakoshi aufmerksam, und man entschloss sich 1916, den Karate-Meister zu einer Demonstration seiner Kunst nach [[Kyōto]] in den [[Butokuden]] einzuladen und damit den letzten Schleier dieses Geheimnisses zu lüften. Wie erwartet waren die Zuschauer, unter denen sich auch viele hochgestellte Persönlichkeiten befanden, von den Darbietungen und Erläuterungen des Meisters hochgradig begeistert, und der Ruf dieser sagenumwobenen und faszinierenden Kampfkunst verbreitete sich wie ein Lauffeuer innerhalb der japanischen Bevölkerung. Nachdem Funakoshi mit seiner Demonstrationsgruppe schließlich auch am 6. März 1921 mit seiner Darbietung zu Ehren des japanischen Erbprinzen und späteren Kaiser (''[[tennō]]'') [[Hirohito]], der zu Besuch auf Okinawa war, für wahre Begeisterungsstürme innerhalb der Bevölkerung gesorgt hatte, wurde der Regierung des Festlandes klar, welche Bedeutung die Kampfkünste für die Massen hatte. Als Schule der Disziplin und des Gehorsams schien ''karate'' die ideale Ausbildung für das Volk eines Landes, das am Anfang des Imperialismus, der militärischen Macht und des Nationalismus stand. Daher sollte die japanische Regierung später auch nach der Einführung des ''karate'' auf dem Festland mit Hilfe des [[Butokukai]] dafür sorgen, dass die eigentlichen Meister im Unterricht dieser Kunst ihrer Selbständigkeit beraubt und dem Einfluss der politischen Ziele unterstellt wurden.<br />
<br />
== Funakoshi in Japan ==<br />
Das Interesse der japanischen Regierung an den [[Okinawanische Kampfkunst|okinawanischen Kampfkünsten]] und speziell natürlich am ''[[karate]]'' hatte sich nach Funakoshis aufsehenserregenden Demonstration vor Erbprinz Hirohito beträchtlich gesteigert. Und da die momentane politische Lage einen engeren Kontakt zwischen dem Festland und der Insel geradezu erforderlich machte, beschloss man 1921 kurzerhand, in Tokyo eine große Kampfkunstgala mit Demonstrationen aus allen Stilen Japans abzuhalten, zu der auch eine Delegation des Okinawa Shobukai Shôbukai (okinawanische Kampfkunstorganisation) eingeladen werden sollte. <br />
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Lange Zeit war man sich in [[Okinawa]] nicht sicher, ob man dieses Angebot annehmen sollte, da man schon einmal mit dem Versuch, das ''karate'' außerhalb Okinawas zu verbreiten, kläglich gescheitert war. Doch waren viele der Karate-Meister der Meinung, dass man diese Vorführung als Gelegenheit benutzen könne, die Kunst „als Botschaft des Friedens“ in Japan vorzustellen, um sie auf diesem Weg in der Welt zu verbreiten. Nachdem die Entscheidung schließlich gefallen war, suchte man nun einen Karate-Meister, der Okinawa und seine Kampfkunstkultur würdig vertreten könne. Die erste Wahl des Shobukai fiel auf Motobu Choki, einen okinawanischen Meister, der sich vor allem wegen seiner ausgezeichneten kämpferischen Fähigkeiten einen großen Namen gemacht hatte. Man war sich sicher, dass Motobu mit einer seiner spektakulären [[Kumite]]-Demonstrationen sowohl das Publikum begeistern, als auch vor möglichen Herausforderungen gefeit sein würde.<br />
Unglücklicherweise war der okinawanische Kampfexperte den Japanern nicht gerade sehr wohlgesonnen und lehnte alles rigoros ab, was auch nur im entferntesten etwas mit Japan zu tun hatte. Auch mit Meister Funakoshi lebte Motobu zu dem damaligen Zeitpunkt auf dem Kriegsfuß, was sich einige Jahre später sogar zu einer offenen Feindschaft von seiten Motobus entwickeln sollte. Die Art und Weise wie Funakoshi das okinawanische ''karate'' veränderte und in Japan unterrichtete, betrachtete Motobu (und mit ihm später auch viele andere okinawanischen Karate-Meister) als Verrat an den traditionellen Prinzipien des ''karate''. Immer wieder versuchte er, Funakoshis Bemühungen in Japan anerkannt zu werden, zunichte zu machen, indem er die fehlende Kampfkraft von Funakoshis entschärftem ''karate'' anprangerte oder ihn aufgrund seiner Beziehungen zu japanischen [[Budō]]-Meistern (vor allem zu [[Kanō Jigorō]]) verurteilte. Tatsächlich hatte es sich Motobu zur Gewohnheit gemacht, japanische Budō-Meister zum Kampf herauszufordern, um ihre Kompetenz zu testen – dies hielt er für den einzig richtigen Weg der Verbreitung des Karate - und in der Tat verlor er keinen einzigen Kampf. Nachdem trotz seiner ständigen Interaktionen Funakoshis ''karate'' schließlich doch durch den [[Butokukai]] in Japan anerkannt worden war, kehrte Motobu 1938 enttäuscht nach Okinawa zurück.<br />
Angesichts der so großen Abneigung Motobus gegen Japan, die sich teilweise sogar bis zum blanken Hass steigerte, kamen die Mitglieder des Shobukai schnell darin überein, dass Motobu trotz seiner Fähigkeiten nicht der geeignete Mann für eine Repräsentation Okinawas sei. Schließlich fiel die Wahl nach langen Meinungsverschiedenheiten auf Meister Funakoshi Gichin. Zwar war dieser in technischer Hinsicht nicht herausragend, doch garantierten sein edler Charakter und seine ausgezeichneten rhetorischen Fähigkeiten einen würdigen Auftritt in Tōkyō. Zudem war er auch ein Meister der Kalligraphie und Dichtkunst, wusste mit der japanischen und chinesischen Sprache und Philosophie umzugehen und kannte die okinawanische Kultur bis ins Detail. Kurz um, Funakoshi war ein demütiger, gebildeter und kultivierter Mensch, der mit Sicherheit ein gutes Bild abgeben würde und dies war den Okinawanern besonders wichtig. Da eine jahrhundertealte Feindschaft immer noch die Beziehung beider Länder belastete, sollte diese Preisgabe der geheimen Kampfkünste an Japan einem Friedens- und Freundschaftsangebot gleichkommen.<br />
Die Demonstration selbst fand in Ochanu-mitsu in Tōkyō statt und sollte eine ganze Woche dauern. Alle japanischen Budō-Disziplinen waren vertreten und mit ihnen viele der japanischen Kampfkunstmeister, die mit kritischem Blick der Darbietung Funakoshis folgten. Doch seine dynamischen Techniken und illustrierten Vorträge hatten am Ende jeden in ihren Bann gezogen. Einer der Teilnehmer und Zuschauer an diesem Kampfkunstspektakels war Kanō Jigorō, der sich vor allem für die Atemi Techniken des okinawanischen ''karate'' interessierte. Die Vorstellung Funakoshis begeisterte ihn derart, dass er den Meister anschließend in den [[Kōdōkan]] einlud und ihn bat, die Prinzipien seines ''karate'' näher zu erläutern. Kanō hatte schon einige Jahre zuvor mit Funakoshi Kontakt aufgenommen und ihn gefragt, ob er am Kōdōkan unterrichten wolle, doch der Meister hatte damals abgelehnt. „Ich befinde mich selbst noch im Lernprozeß“, hatte er zurückgeschrieben.<br />
Dieses Mal willigte Funakoshi jedoch ein, und er nahm als Assistenten Gima Makoto Shinkui mit, einen seiner ersten und später bester Schüler. Mit einiger Skepsis, aber in dem festen Glauben, dass sie nur vor einigen wenigen [[Jūdō]]-Lehrern eine kleine vorstellung ihrer Kampfkunst geben sollten, gingen die beiden zum Kōdōkan. Als sie dort eintrafen, mussten sie jedoch feststellen, dass Kanō an die 220 Zuschauer eingeladen hatte, die alle etwas über das sagenumwobene okinawanische Karate erfahren wollten. Angesichts der Tatsache, dass so viele Menschen gekommen waren, um bei der Demonstration zuzuschauen und da der Kōdōkan damals eine Schlüsselposition im japanischen ''[[budō]]'' einnahm, war sowohl Funakoshsi als auch Gima nicht mehr sehr wohl bei dem Gedanken an ihren bevorstehenden Auftritt.<br />
Doch nachdem sie ihre kurze Darbietung vor einem bgeisterten Publikum beendet hatten, verbreiteten sich die Berichte über diese außergewöhnliche Kampfkunst Okinawas wie ein Lauffeuer in ganz Tōkyō.<br />
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In einem Interview meinte Gima dazu:<br />
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:„Als ich mit Funakoshi Sensei im Kodôkan ankam, waren dort nicht nur die Jûdô-Instruktoren und Kanô Jigorô, sondern auch etwa 80 Mitglieder des Tominshinsoku Kodôkan-Zweiges. Insgesamt waren es über 200 Menschen, die sich für die Demonstration zusammengefunden hatten. Wir waren beide tief beeindruckt und etwas aufgeregt, weil man den Kodôkan als Mekka des japanischen Budô betrachtete. Kanô Sensei war sehr eifrig darum bemüht, näheres über Karate zu erfahren, und er stellte so detaillierte Fragen, daß Funakoshi Sensei manchmal Schwierigkeiten hatte, sie zu beantworten. Ich glaube es lag an unserer Demonstration im Kodôkan, daß Karate später in Japan eingeführt werden konnte. Die Tatsache, daß Kanô Sensei Karate anerkannte, öffnete dem Karate Tür und Tor für die gesamte japanische Budô-Welt. Danach veranstalteten Funakoshi Sensei und ich Karate-Vorführungen im Hekki-Stukan Dôjô des Yagyû-ryû, im Neihaido-Taisojuku und im Haus des alten okinawanischen Königs in Tôkyô. Ich erinnere mich, daß wir auch das Haus von Professor Tomari Shinju von der Keio-Universität besuchten, der auch eifrig daran interessiert war, etwas über Karate zu erfahren. Unter denen, die uns unterstützten, waren vor allem Kanô Jigorô, der Jûdô-Begründer, Nakayama Hiromachi, der berühmte Kendô-Meister, Yashiro Yakuro, der Vizeadmiral der japanischen Flotte, und der Baron Shimpei.“<br />
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Tatsächlich war Funakoshi Kanō über dessen anfängliche Hilfen und die große gegenseitige Freundschaft, die die beiden später verband, so dankbar, dass er sich auch nach dem Tod des Jūdō-Meisters immer in Richtung des Kōdōkan verbeugte, wenn er daran vorbeikam. Seiner Meinung nach stach Kanō besonders in seinem Charakter und in seiner menschlichen Größe aus der normalen Gesellschaft hervor.<br />
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Nachdem die Festivitäten anläßlich der Budō-Gala beendet worden waren und Funakoshi noch einige Zeit mit Kanō verbracht hatte, war es für den Karate-Meister an der Zeit, nach Okinawa zurückzukehren. Entgegen aller Erwartungen entschloss sich Funakoshi jedoch, in Japan zu bleiben und sich der Verbreitung des ''karate'' zu widmen. Noch in den nächsten Tagen schickte er nach seiner Frau und bat sie, ihm nach Tōkyō nachzureisen. Doch da sie in Okinawa einerseits für ihre Familie sorgen musste und andererseits fest an die alten Traditionen und Bräuche gebunden war, weigerte sie sich, ihrem Ehemann zu folgen. Warum Funakoshi dennoch trotz schlechtester Bedingungen und völlig alleine einen Neuanfang auf dem Festland begann ist nicht bekannt. Später behauptete er, einige interessierte Menschen hätten ihn um Karate-Unterricht gebeten, doch tatsächlich hatte der Karate-Meister in den ersten Jahren stets um Schüler kämpfen müssen. Sicher ist, dass Funakoshis Abschied von Okinawa ein Abschied für immer werden sollte, da er nie mehr in sein Heimatland zurückkehrte.<br />
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Wessen sich Funakoshi zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig bewusst war, war die Tatsache, dass eine Kampfkunst in der damaligen Zeit nicht ohne weiteres in Japan eingeführt und populär gemacht werden konnte. Der Dai Nippon Butokukai, eine Institution, die 1895 von der Regierung gegründet wurde, um die verschiedenen Kampfkunststile zu kontrollieren und standadisieren, lehnte jede Kampfkunst ab, die sich ihm nicht anschloss und sprach ihr den offiziellen Charakter ab. Jeder Kampfkunstmeister, der einen Stil in Japan verbreiten wollte, musste daher dem [[Butokukai]] angehören, um sich in der Gesellschaft etablieren zu können. Damit hatte sich der Meister in seinen Lehren jedoch auch den sportlichen Regeln dieser Institution zu unterwerfen, was Funakoshi verständlicherweise in Bredouille brachte. Seine traditionellen Lehren vertrugen sich in fast keinem Punkt mit den Wettkampfprinzipien des Butokukai und mussten folglich wohl oder übel diesen angepasst werden, was der Karate-Meister letztendlich auch tat.<br />
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Die ersten Monate sollten für Funakoshi eine der größten Herausforderungen seines Lebens werden. Da Okinawa jahrhundertelang an das Festland Abgaben leisten musste, waren die Inselbewohner in den Augen der Japaner Menschen zweiter Klasse. Besonders in Tōkyō war dieser Rassismus stark ausgeprägt und man sah voller Verachtung auf alles herab, was okinawanischen Ursprungs war. Zu dem Problem dieser Anfeindungen seitens der Tōkyōer Bevölkerung, gesellten sich für den Karate-Meister noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Eine unheimlich große Zahl von Einwanderern strömte zu dieser Zeit in das neuaufblühende Japan und vor allem Tōkyō wurde geradezu von Ausländern überschwemmt. Schließlich gelang es Funakoshi jedoch, sich im Meiso-juku, einem Wohnheim für okinawanische Studenten im Suidobata-Bezirk Tokyos, einen kleinen Raum sichern. Die Miete für diese winzige Zimmer betrug 10 Yen, doch da der Karatemeister zu dem Zeitpunkt noch keine Schüler besaß, musste er sich das Geld durch verschiedene Hilfsarbeiten verdienen, die im Wohnheim anfielen. Er arbeitete als Pförtner, Platzhalter und Nachtwächter und musste dennoch dem Koch der Herberge Karate-Stunden als Tausch für sein tägliches Mittagessen anbieten. Schließlich war er sogar gezwungen, die wenigen Wertgegenstände, die er besaß, zu verpfänden.<br />
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Der erste „Schüler“, der in das Meiso-juko kam, um von Funakoshi ''karate'' zu lernen, war [[Ōtsuka Hironori]], ein hochrangiger Jūjutsu-Lehrer des ''yōshin ryū''. Der dreißigjährige [[Jūjutsu]]-Meister hatte sich schon immer für die Kunst des ''karate'' interessiert und wollte ursprünglich gerade zu der Zeit, zu der Meister Funakoshi seine Demonstration in Japan gab, nach Okinawa reisen, um dort einen tieferen Einblick in das ''karate'' zu erhalten. Selbstverständlich ließ sich daher Otsuka diese einmalige Gelegenheit, einen Karate-Meister bei der Darbietung seines Könnens zu erleben, nicht entgehen und sog die Infromationen, die der Meister während seiner Vorführung gab, geradezu in sich auf. Völlig fasziniert von dem Können Funakoshis entschloss sich Otsuka schließlich, mit dem Karate-Meister Kontakt aufzunehmen, und ihn um Unterricht zu bitten. Schon bei dieser ersten Bekanntschaft erzählte Otsuka später, sei ihm das „überraschend offene, freimütige und sogar geradezu unschuldige“ Wesen Funakoshis aufgefallen, das sich auch in seinen späteren Jahren nie ändern sollte. Unglücklicherweise musste der Karatemeister ihn zu diesem Zeitpunkt als Schüler jedoch ablehnen, da er noch keine anderen Schüler, geschweige denn geeignete Trainingsmöglichkeiten besaß.<br />
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Erst im Juli 1922 gelang es Funakoshi, eine kleine Gruppe von Schülern um sich zu versammeln, die über Mund-zu-Mund Propaganda von ihm erfahren hatten. Der Leseraum des Meiso-juko diente ihm als provisorisches ''[[dōjō]]'' und nach und nach kamen immer mehr Schüler, die vom Hörensagen von ihm erfahren hatten. Der Leiter des Wohnheims erfuhr jedoch schnell von dieser neuen Einnahmequelle Funakoshis und setzte sofort dessen Miete auf 15 Yen herauf. Funakoshi ließ sich davon jedoch nicht beirren, sondern fuhr neben seinem Karate-Unterricht damit fort, sich mit unangenehmen kleinen Hilfsarbeiten etwas dazu verdienen. Otsuka gehörte während dieser Zeit bereits zu den wichtigsten Schülern Funakoshis. Seine Vorkenntnisse im als Jūjutsu-Meister gestatteten es ihm, innerhalb kürzester Zeit die Prinzipien des ''karate'' zu lernen und umsetzen zu können . Schon bald sollte Otsuka in seinen Techniken so ausgereift sein, dass er Funakoshi auf jede seiner Demonstrationen begleiten und ihn als Assistenzlehrer unterstützen konnte.<br />
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Einige Jahre später begann zum großen Leidwesesn Funakoshis Otsuka jedoch, das gelernte ''karate'' nach seinen Erfahrungen im ''jūjutsu'' weiterzuentwickeln. Immer wieder startete er Versuche, die Übung des ''kumite'' stärker herauszustreichen und diese Neuerungen im Shotokan einzuführen. Verständlicherweise stieß dies nach und nach immer stärker auf den Widerstand der anderen Schüler und Übungsleiter Funakoshis, die sich zunehmend über Otsukas eigenwillige Unternehmungen zu beschweren begannen. Zwischen 1930 und 1931 sollte die Abneigung der engsten Schüler um Funakoshi gegen Otsuka schließlich so groß werden, dass dieser seinen Meister verließ, um drei Jahre später einen eignen Stil zu gründen, der Elemente des ''[[shōtōkan]]'', ''motobu yu'' und ''shindo yoshin ryū'' miteinander verknüpfte, das ''[[wadō-ryū]]''.<br />
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Neben Otsuka waren unter den ersten Schülern, die Funakoshi unterrichtete, auch Gima Makoto Shinkui und Konishi Yasuhiro, die sich beide später oftmals daran zurückerinnerten, wie improvisiert das Training zur damaligen Zeit war: Man trainierte in Gruppen von drei bis acht Schülern, trug keine besondere Trainingskleidung und übte ausschließlich nur ''[[Kata (Form)|kata]]''. Trotz dieser wie Konishi erzählte, „elementaren Methode“, war es Funakoshi bereits nach einem Jahr gelungen, ungefähr zehn Schüler um sich zu versammeln, und er konnte endlich mit den lästigen Hilfsarbeiten aufhören. Der 1. September 1923 machte jedoch seine ganzen Mühen zunichte. Das [[Großes Kantō-Erdbeben|große Kantō-Erdbeben]], bei dem 100.000 Menschen getötet und fast ganz Tōkyō vernichtet wurde, zerstörte auch das Meiso-juku. Viele seiner Schüler starben oder wurden zumindest schwer verletzt, so dass der Meister das Training für einige Zeit aussetzen musste. Nun stand Funakoshi wieder ganz am Anfang. Er hatte weder ein Dach über dem Kopf, noch besaß er genügend Geld, um sich zu versorgen. Schließlich nahm er notgedrungen Arbeit in einer Fabrik an, in der er in Akkordarbeit Druckschablonen herstellte.<br />
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Als Hakudo Nakayama, der beste [[Kendō]]-Meister dieser Zeit, wenig später von Funakoshis Schwierigkeiten erfuhr, bot er ihm sofort an, in seinem ''dōjō'' zu trainieren bis er eine neue Bleibe gefunden habe. Voller Dankbarkeit nahm der Karate-Meister dieses Angebot an und schon nach kurzer Zeit unterrichtete er wieder eine größere Zahl von Schülern. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten war das okinawanische ''karate'' endlich bekannt geworden und Funakoshis Ruf verbreitete sich nach und nach in ganz Tōkyō. Schließlich wurde 1924 an der Keio-Universität der erste Karate-Club Tōkyōs eröffnet, dem schon kurz darauf mehrere andere Universitäten folgten (1926 die Ichiko-Universität und 1927 die Takushoku, Waseda, Hosei, Meiji, Nihon und Shodei Universitäten, die Medizinische Hochschule, die Kaiserliche Universität, die Wirtschaftshochschule und die Landwirtschaftshochschule). So war es dem Karate-Meister nach Jahren der Entbehrung endlich möglich, eine eigene Wohnung zu mieten und seinen Sohn [[Funakoshi Yoshitaka|Yoshitaka]] (Gigo) nach Japan nachreisen zu lassen. <br />
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Karate Technik (Zeichnung Monika Lind, BSK)<br />
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== Funakoshis Konflikt ==<br />
Die neue Mentalität, mit der Funakoshi konfrontiert wurde, als er 1922 nach Japan kam, sollte ihn angesichts seines ''karate'' in einen persönlichen Konflikt stoßen. Mit dem neu anbrechenden Zeitalter des Imperialismus und dem weltweiten Streben Japans nach Ansehen und militärischer Macht, wurden die alten Traditionen und Werte durch ein immer stärker werdendes Konsumdenken und ausgeprägten Nationalismus abgelöst. Auch die Kampfkünste blieben von diesem neuen Denken nicht verschont. Um sein ''karate'' verbreiten zu können, musste Funakoshi viele der alten Lehren schweren Herzens verändern und anpassen.<br />
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Bis zu jenem Zeitpunkt war es auf Okinawa verpönt, aus eigenen Auszügen aus dem Hauptsystem einen neuen Stil zu gründen, der dann eine Verbesserung gegenüber dem alten System darstellen sollte. Zwar vereinbarte das okinawanische ''karate'' in sich so viele verschiedene Techniken und Prinzipien, dass es keinem einzelnen Menschen möglich war, sie alle zu beherrschen, doch war es möglich, sich aus dem Gesamtsystem bestimmte Schwerpunkte zu suchen und diese zu lehren (ohne gleich einen eigenen Stil zu gründen. Jede persönliche Auffassung blieb in ihrer Bedeutung den alten Inhalten des Hauptsstems untergeordnet, doch wurden neue und wertvolle Erkenntnisse ohne Schwierigkeiten vom Hauptsystem übernommen. Man unterschied das okinawanische ''karate'' lediglich nach dem Gebiet, in dem die Meister wohnten (in ''[[shurite]]'', ''[[tomarite]]'' und ''[[nahate]]'').<br />
Meister Funakoshi hatte dreißig Jahre lang von Meistern des ''shurite'' und ''tomarite'' Unterricht erhalten und kannte daher den ungeheuren Umfang des okinawanischen ''karate'' besser als jeder andere. Die Unantastbarkeit des Hauptsystems war ihm heilig und er dachte niemals daran, sich davon zu entfernen oder durch seine persönliche Ansicht zu ersetzen. Als er jedoch nach Japan kam, traf er auf jenes neue Denken, das die alten Lehren der okinawanischen Kampfkünste unmöglich machte. Im Gegenteil, man war gerade dabei, die Kampfkünste von ihren Inhalten zu trennen und als Konsumware anzubieten. Um die Massen jedoch für diesen neuen „Sport“ begeistern zu können, mussten die einzelnen Kampfkünste konkurrenzfähig, marktorientiert zurechtgeschnitten und einfach strukturiert sein.<br />
So musste der Karate-Meister gleich zu Beginn seiner Unterrichtszeit in Japan feststellen, dass das ''karate'' wie er es gelernt hatte, diesen Anforderungen nicht gerecht wurde. Das gesundheitsfördernde ''karate'' mit seinen Idealen wie er es unterrichtete war nicht spektakulär genug und stellte an die eigene Charakterbildung zu hohe Ansprüche. Stattdessen sollte es den sportlichen Aspekt und den Wettbewerb verkörpern. Doch diese Umstrukturierung des ''karate'' würde, dessen war sich Meister funakoshi sicher, einen Verlust der alten Inhalte bedeuten. Daher suchte er nach Möglichkeiten, die es ihm erlauben würden, die einstigen Lehren mit der neuen Mentalität zu verbinden. Nach langen inneren Kämpfen gestattete er schließlich, dass neben dem Unterricht der ''kata'' und deren Anwendungen noch andere Formen des Kämpfens in das Training eingeführt wurden. Auch übernahm der Karate-Meister ein Gürtelrangsystem, das von seinem langjährigen Freund Kanō Jigorō gegründet wurde, um die unterschiedlichen Fortschrittsstufen seiner Schüler äußerlich sichtbar zu machen.<br />
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Doch in einem Punkt blieb der Meister unerbittlich: das freie ''[[kumite]]'' (''[[jiyu kumite]]'') nach den Prinzipien des Wettkampfes war seinen Schülern strikt verboten. Immer wieder wies Funakoshi jeden, der ihn fragte, daraufhin, daß es nicht möglich sei, einen Karate-Wettkampf zu organisieren, da die verwendeten Techniken den Gegner bei einem Treffer töten würden. Für ihn war der freie Kampf als feste Trainingseinheit in der Realität völlig nutzlos, da in seiner Karate-Auffassung der Sieg durch die psychologische Beherrschung der Situation entschieden wurde und nicht durch die Übung des Kämpfens an sich. - Diese traditionelle Methode des Kampfes lebte und übte der Meister ohne Unterlaß. Zu jeder Tageszeit war er voller Wachsamkeit gegenüber möglichen Angriffen und regisitrierte instinktiv jede Bewegung in seiner Umgebung. Er achtete darauf, unübersichtliches Gelände zu umgehen, hielt sich immer den Rücken frei und machte um Ecken einen großen Bogen. Selbst beim Essen hielt er die Eßstäbchen so, dass er sie sofort als Waffe benutzen konnte, sollte ihn jemand attackieren. Unaufmerksamkeit, mangelnde Konzentration, provokatives Verhalten und Unsensibilität waren mitunter das Schlimmste, was sich ein Schüler leisten konnte.<br />
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== Gründung des Shōtōkan ==<br />
Der sich immer weiter verbreitende japanische Nationalismus hatte zur Folge, dass man immer öfter versuchte, neu eingeführte Errungenschaften als kulturelles Eigentum zu deklarieren. Man begann fremdländische Begriffe zu japanisieren, fremdländische Traditionen an die japanische Mentalität anzupassen und ungeeignete Inhalte auszumerzen. Diese Entwicklung machte auch vor den Kampfkünsten nicht halt. Fast alle der alten [[Karate-Kata]] trugen chinesische Namen und die Schriftzeichen für ''karate'' selbst übersetzte man damals mit „chinesische Hand“ (''kara'' - chinesisch, ''te'' – Hand). Angesichts der andauernden Neuerungen machte Chomo Hanashiro 1905 schließlich den Vorschlag, die Schriftzeichen für ''kara'' („chinesisch“) mit ''kara'' („leer“) zu ersetzen. Doch die okinawanische Meister waren sich uneinig, ob sie dieser Veränderung zustimmen sollten. Erst als Funakoshi Gichin 1935 in seinem neuen Buch ''Karate-dō Kyohan'' diesen Wechsel eigenmächtig vornahm, akzeptierte man die neue Schreibweise. Funakoshi selbst bestreitet, dass seine neue Version der Schriftzeichen eine Ursache des japanischen Nationalismus sei. Ganz im Gegenteil sollte die Interpretation von ''karate'' als „Leere Hand“ die Inhalte dieser Kampfkunst betonen: „leer von Selbsucht und schlechten Gedanken, leer wie der hohle Bambus, der trotzdem gerade, biegsam und unzerbrechlich ist und ohne Sein des Selbst, gleichbedeutend mit der Wahrheit des Universums“.<br />
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Kurz nach diesen Neuerungen, die ohne Funakoshis Absicht später mit dazu führen sollten, dass das alte Erbe des okinawanischen ''karate'' verlorenging, war es dem Karate-Meister endlich möglich, 1936 ein richtiges ''dōjō'' zu eröffnen. Auf der Suche nach einem bezeichnenden Namen entschlossen sich die Schüler Funakoshis, das ''dōjō'' zu Ehren ihres Meisters „Shōtōkan“ zu taufen, da „Shōtō“ (Pinienrauschen) das Pseudonym ihres Lehrers war. Bald sprach man, wenn man Funakoshis Kampfkunst meinte, nur noch von „Shōtōkan-Karate“ und nur wenig später hatte sich die Bezeichnung ''[[shōtōkan ryū]]'' unter den Kampfkunstübenden Japans eingebürgert. Der Karate-Meister selbst jedoch weigerte sich, diese Kennzeichnung seiner Kampfkunst anzuerkennen, da es auf Okinawa gegen die Tradition verstieß, einen eigenen Stil zu gründen.<br />
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Zwei Jahre, nachdem der Shōtōkan eröffnet wurde, war die Anzahl der Schüler bereits so sehr gestiegen, dass Funakoshi sich im Jahr 1938 gezwungen sah, seinen Sohn [[Funakoshi Yoshitaka|Yoshitaka]] in die Trainingsführung mit einzubeziehen. Schon vorher hatten verschiedene fortgeschrittene Schüler dem Karate-Meister im Training geholfen, doch nun wurde Yoshitaka offiziell zum Hauptübungsleiter erklärt und mit einem Großteil der Verantwortung versehen (Tatsächlich war er seinem Vater noch nicht einmal Rechenschaft darüber schuldig, was er im Shōtōkan lehrte und veränderte.). Der Sohn des Meisters war ein paar Zentimeter größer als sein Vater, um einiges schwerer und ungeheuer stark. Auch war Yoshitaka technisch sehr talentiert und hatte offensichtlich ehe er von seinem Vater unterrichtet wurde, schon in Okinawa mit dem Karate-Training begonnen. Seine Schüler nannten ihn bald den „jungen Meister“, während Funakoshi selbst respektvoll als der „alte Meister“ gesehen wurde. Doch schon nach kurzer Zeit machten sich sowohl in der Trainingsführung als auch in der Lehre selbst zwischen den beiden Lehreren deutliche Unterschiede bemerkbar. Nachdem sein Vater 20 Jahre lang versucht hatte, ''karate'' getreu nach den Prinzipien seines Lehrers Yasutsune Itosu zu unterrichten, führte Yoshitaka bei seinen Schülern eine sehr kampfbetonte Version des ''karate'' ein, die sehr den Prinzipien des ''matsumura ryūs'' Azatos ähnelte. Yoshitaka war damit der allgemeinen Mentalität gefolgt und hatte zugunsten der Verbreitung des ''karate'' ein lang gehütetes okinawanisches Geheimnis an Japan preisgegeben.<br />
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Tatsächlich hatte des japanische Militär mit der Eroberung der Mandschurai 1932 angefangen, alle Kampfkunstschulen nach ihrer Effizienz in der Selbstverteidigung zu beurteilen. Der [[Butokukai]] hatte die Anweisung erhalten, Schulen, in denen keine „kriegstaugliche“ Kampfkunst unterrichtet wurde, nicht aufzunehmen und somit ihrer Legitimität zu berauben. Verständlicherweise befanden sich die japanischen Budō-Schulen dadurch in einem unerbittlichen Konkurrenzkampf, in dem der größte Rivale das okinawanische Karate war, den man mit allen Mitteln versuchte loszuwerden. Hätte Yoshitaka das ''karate'' des Shōtōkan zu diesem Zeitpunkt nicht schon abgeändert, wäre es gut möglich gewesen, dass der Butokukai das okinawanische Karate nicht akzeptiert und somit dem Untergang geweiht hätte. Von den Rivalitäten unter den Kampfkunstschulen Japans einmal ebgesehen, hatte Funakoshis Sohn ohnehin ein reges Interesse an den Atkivitäten des japanischen Militärs. In der Tat sollte Yoshitaka bis zu seinem Tod als inoffizieller Trainer von militärischen Eliteeinheiten, Kamikaze-Piloten und Spionagekommandos fungieren. Ohne das Wissen seines Vaters (nach Ansicht der meisten Geschichtsforscher, hatte Funakoshi tatsächlich keine Ahnung, wie sein Sohn hinter seinem Rücken die Ideale seines friedfertigen ''karates'' mit Füßen trat) hatten Yoshitaka und Egami Shigeru, einer seiner besten Schüler, sich auf Anfragen des Militärs bereiterklärt in der Nakano-Schule - einer Einrichtung zur Ausbildung von Geheimdienstmitarbeitern, Guerillakämpfern und militärischen Spionen - die kämpferische Ausbildung der dortigen Soldaten zu übernehmen.<br />
Ehe das Militär sich entschieden hatte, das ''shōtōkan ryū'' in ihr Trainingsprogramm mit aufzunehmen, war es Ueshiba Morihei gewesen, der sein ''[[aikidō]]'' als Nahkampfunterricht verwendete. Doch konnten die Schüler trotz der eigenen Stärke ihres Lehrers keine der gelernten Prinzipien effektiv einsetzen, und so musste man sich nach einer anderen Kampfkunst umschauen. Als die Wahl schließlich, nachdem andere Karate-stile wie das ''[[goju ryū]]'', ''[[wado ryū]]'' und ''[[shito ryū]]'' als nicht geeignet ausgeschieden waren, auf Yoshitakas ''karate'' fiel, brachte das dem Shōtōkan einen neuen Aufschwung. Yoshitaka und Egami hatten innerhalb kürzester Zeit ein damals hoch angesehenes Nahakmpfsystem für das Militär entwickelt und damit ihr Ansehen in der japanischen Bevölkerung unermesslich gsteigert. Heute verschweigt man diese dunkle Stelle in der Geschichte des Shōtōkan, doch war es in dieser Zeit, in der das Shōtōkan-Karate wie wir es heute kennen seinen Ursprung fand. Mit diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich zwischen den Idealen und Technikprinzipien von Vater und Sohn eine immer größer werdende Diskrepanz sichtbar machte. Nach der Einführung von Azatos Technikprinzipien in den Shōtōkan, hatte Yoshitaka schließlich auch damit begonnen, sein ''karate'' Stück um Stück so zu verändern, dass man es ohne Schwierigkeiten zur militärischen Ausbildung von Soldaten verwenden konnte. Meister Funakoshi war selbstverständlich mit dem ''karate'' seines Sohnes nicht einverstanden, doch immer mehr Schüler wollten von Yoshitkaka unterrichtet werden, und so musste der Meister diese Veränderungen wohl oder übel akzeptieren. Im Gegesatz zu Funakoshis Kata-Training, in dem nur selten freie Kämpfe gestattet waren, verwendete Yoshitaka - auch beeinflusst von der angespannten Atmossphäre der damaligen Vorkriegszeit - in seinem Unterricht den Kampf auf Leben und Tod (''shinken shobu'') als Basis für seine Techniken. Die friedfertigen Prinzipien der Verteidigung, wie sie Funakoshi lehrte, mussten aggressiven Angriffsmethoden weichen, in denen starke Fußtechniken eine große Rolle spielten. Die Stellungen Yoshitakas waren sehr viel tiefer und fester als die seines Vaters und suggerierten dem Gegenüber eine nahezu unerschütterliche Stärke. Selbst als Yoshitaka 1945 todkrank wurde und nicht mehr in der Lage war, das Training am Shōtōkan weiterzuführen, soll er sich gelegentlich doch immer wieder einen der fortgeschrittenen Schüler aus dem Training gegriffen haben, um gegen diesen zu kämpfen. Einige ältere Schwarzgurte des Shōtōkan erinnern sich, dass Yoshitaka diese Kämpfe immer mit offenen Händen bestritt und trotz seines geschwächten Zustands gefährliche Treffer landen konnte. Diese Auffassung sprach natürlich vor allem die neue Mentalität der jungen Japaner an und viele Schüler wechselten vom Vater zum Sohn.<br />
Doch Funakoshi hielt weiter an seiner Lehre fest und gestattete nur wenige Änderungen in seinem Trainingskonzept. Sein entschärftes ''karate'', das die gesundheitlichen Aspekte und die Ausbildung zu menschlichen Idealen in den Vordergrund stellte und keine der alten okinawanischen Kampfkunstkonzepte unterrichtete, stieß bei den Anhängern des freien Kampfes immer mehr auf Missfallen. Ein damaliger Schüler des Shōtōkan, Oyama Masutatsu, äußerte sogar einmal voller Unmut in aller Öffentlichkeit: „Funakoshi ist nicht in der Lage, etwas anderes außer Gymnastik zu unterrichten“. Mit der Zeit fielen immer mehr Schüler von ihm ab und später musste man die jungen Karateka sogar dazu zwingen, an „langweiligen“ Trainingen teilzunehmen, die nur aus der Übung der Kata bestanden.<br />
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Bis zu seinem Tod war Funakoshi Gichin dennoch der festen Überzeugung, dass ''karate'' als Wettkampf und Sport seine Werte verlieren würde. Für ihn waren die Kampfkünste ein Weg, sich selbst zu verbessern und durften nur im absoluten Notfall angewendet werden. Doch veränderten sich durch Yoshitakas Betonung des Kampfes die Techniken des ''karate'' allmählich und es entstanden Ideale und Prinzipien, die nur noch wenig mit Funakoshis ursprünglicher Lehre gemeinsam hatten.<br />
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== Kriegsjahre ==<br />
Seit 1938 hatte sich die Zahl von Yoshitakas Schülern immer weiter vergrößert und sein ''karate'' wurde in ganz Japan geübt. Als sich Japan schließlich 1940 mit dem Angriff auf Pearl Harbour in den Zweiten Weltkrieg einmischte bekam der kämpferische Stil Yoshitakas nochmals erneuten Aufschwung. Viele damalige Schüler des Shōtōkan kamen einzig mit dem Hintergund zu Yoshitaka, um sich mit einer Ausbildung im Nahkampf eine größere Überlebenschance zu sichern. Suzuki Tatsuo, ein damaliger Schüler Yoshitakas, erzählt, dass der drohende Tod dazu beitrug, dem Training einen vollständig anderen Charakter zugeben. Der realistische Zweikampf nahm den größten Teil eines Trainings ein und fast alle Schüler erkannten instinktiv, dass zwischen dem technischen Sieg über einen Partner und das Überleben gegen einen Gegner Welten lagen.<br />
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Gegen Ende des Krieges wurden sogar Frauen angewiesen, ''karate'' zu lernen, damit sie nach der drohenden Niederlage die amerikanische Besatzungsmacht bekämpfen konnten Meister Funakoshi erzählte von diesen Tagen: „Oft hörte ich einen jungen Mann sagen, während er sich vor mir niederkniete: 'Sensei, ich wurde zum Militär gerufen und muß gehen, um meinem Land und meinem Kaiser zu dienen.' Jeden Tag hörte ich meine Schüler in dieser Weise reden. Sie hatten unermüdlich Tag für Tag Karate geübt. Viele taten es nur, um sich auf den Krieg vorzubereiten, und sie glaubten, sie wären bereit...Natürlich starben die meisten im Kampf - so viele, daß ich sie nicht mehr zählen konnte. Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde brechen, als ich eine Nachricht nach der anderen bekam, die mir vom Tod so vieler vielversprechender junger Mäneer berichtete. Dann stand ich allein im Dojo, widmete der Seele der dahingegangenen ein Gebet und erinnerte mich an die Tage, an denen er so fleißig Karate geübt worden hat.“ Funakoshi sah diese Entwicklung als einen Verrat an der Lehre des ''karate'' an, doch konnte er sie nicht mehr auffhalten und musste voller Enttäuschung mit ansehen, wie seine Kampfkunst allmählich verloren ging.<br />
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Als das Shōtōkan-Dōjō 1945 dann während eines Luftangriffs auf [[Tōkyō]] völlig zerstört wurde und kurz darauf Funakoshis Sohn Yoshitaka an Tuberkulose starb, war dies das vorläufige Ende der Shōtōkan-Bewegung. Die US-Streitkräfte hatten Tōkyō und [[Okinawa]] fast vollständig eingeäschert und kaum einer dachte noch daran, ''karate'' zu üben. Schließlich beschloss Funakoshi, nach 23 Jahren der Trennung, Japan den Rücken und zu seiner Frau zurück zu kehren. Vor dem Angriff der Amerikaner auf Okinawa hatte man jedoch einen Großteil der dortigen Bevölkerung evakuiert und in Flüchtlingslager in verschiedenen Provinzen gebracht. Nach kurzer Suche fand Funakoshi seine Frau schließlich in einem Lager in Oite in der Provinz [[Kyushu]] und reiste ihr nach. Trotz Ende des Krieges war es den beiden nicht möglich in ihre Heimat zurückzukehren, und so mussten sie zusammen mit einigen weiteren Kriegsflüchtlingen ihr Leben in bitterster Armut fristen.<br />
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Als jedoch 1947 auch noch Funakoshis Frau starb, wusste sich der Meister nicht anders zu helfen und kehrte nach Tōkyō, seiner einzigen Anlaufstelle, zurück. Bis 1948 lebte er völlig abgeschottet von der Außenwelt bei seinem ältesten Sohn Yoshihide. Die Beziehung zwischen den beiden war sehr kompliziert und obwohl Yoshihide schon lange vor seinem Vater nach Japan ausgewandert war, standen die beiden bis dahin kaum miteinander in Kontakt. Zwar hatte Yoshihide selbst auch ''karate'' geübt und unterrichtete sogar eine Zeit lang am Shōtōkan, doch hatten sein schlechter Umgang und seine hohen Spielschulden dazu geführt, dass er sich mit seinem strengen Vater überwarf. Die Tatsache, dass sich sein Sohn immer wieder das Geld seiner Schüler lieh und es nie zurückzahlte, brachte soviel Unruhe in den Shōtōkan, dass Funakoshi sich gezwungen sah, ein ernstes Wort mit Yoshihide zu sprechen. Schon nach einem Jahr hatte der Idealismus des Meisters jedoch über die erfahrenen Verluste gesiegt und Funakoshi begann wieder an den Universitäten von Keijo und Waseda zu unterrichten. Dort hatten einige Übungsleiter (Egami, Hironishi und Noguchi) des ehemaligen Shōtōkan eine größere Gruppe von Schülern versammelt und lehrten Yoshitakas ''karate''. Erneut war die Diskrepanz zwischen Funakoshis und Yoshitakas Lehre deutlich zu sehen. Nur wenige Schüler nahmen freiwillig an den Trainingen des alten Meisters teil, und hätte man dieses Training nicht als Pflichtübung für die nächste Gürtelprüfung angesetzt, hätte Funakoshi bald keine Schüler mehr gehabt. Doch trotz dieser Tatsache war Funakoshi Gichin immer noch der bedeutendste und anerkannteste Karate-Meister jener Zeit. Bei einer großen Budō-Gala in Tōkyō 1954, erhielt der 86jährige Funakoshi nach seiner Karate-Demonstration stehende Ovationen. Dennoch war Meister Funakoshis ''karate'' zu diesem Zeitpunkt schon ohne echte Erben. Noch zu seinen Lebzeiten gab es keinen Schüler, der sich an die alten Prinzipien seines Meisters hielt. Statt dessen waren nach dem Krieg an den Universitäten, an denen Funakoshi unterrichtet hatte, viele Splittergruppen des Shōtōkan entstanden, die sich gegenseitig bekämpften und als alleinige Erben des Karate-Meisters bezeichneten. Meister Nango schrieb über dieses Desaster in seinem Buch: „Meister Funakoshi hinterließ das Shotokan ryu, doch seltsam daran ist, daß keiner in diesem Stil die Technik korrekt weitergegeben hat - wahrhaftig keiner. Am Ende von Meister Funakoshis Leben hatten seine Schüler alle Techniken verändert. Sein gesamtes Karate ist verändert worden, als wäre sein eigener Eindruck verschwunden. Alles was blieb, ist der Name Shotokan und die Namen, die er den alten Kata gab...Ich kann mir die Traurigkeit vorstellen, die er am Ende seines Lebens empfunden haben muß, als er sah, daß die Techniken, die er so lange Zeit hindurch weitergeben wollte, verloren war.“<br />
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== Funakoshi und die JKA ==<br />
Im Jahr 1946 kehrte Masatoshi Nakayama, ein Schüler der dritten Generation von Meister Funakoshi, aus [[China]] zurück. Er hatte in der [[Mandschurai]] für die Regierung gearbeitet und sich zusätzlich mit den [[Chinesische Kampfkunst|chinesischen Kampfkünsten]] (Kempo) beschäftigt. Bei seiner Ankunft in Japan musste er feststellen, dass das Shōtōkan-Karate wie er es kannte, durch den Einfluss Yoshitaka Funakoshis bedeutende Veränderungen erfahren hatte, und er begann unter Minoru Miyata, einem Schüler Yoshitakas, das neue Konzept zu erlernen.<br />
Schon nach kurzer Zeit startete Nakayama an der Takushoku-Universität den Versuch, ''karate'' als Wettkampfsport tauglich zu machen. Er begeisterte einige Meister des Shōtōkan, unter anderem Hidetaka Nishiyama und Isao Obata, für seinen Plan und gründete schließlich 1949 die [[Japan Karate Association]] (JKA). Mit Hilfe dieser Organisation wollten die Meister ein Konzept ausarbeiten, mit dem Karate-Wettkämpfe abgehalten und die verschiedenen Gruppen des Shōtōkan an den Universitäten vereint werden konnten. Als man jedoch beschloss, dass Karate nicht mehr unentgeldlich unterrichtet werden sollte, verließen viele Meister die JKA und suchten bei Egami Shigeru an der Waseda-Universität Unterstützung. Der Altmeister war mit den Plänen Nakayamas von Anfang an nicht einverstanden und kritisierte immer wieder die Verbandsmentalität und das Machtstreben der JKA. Als Nakayama Funakoshi 1949 um Zustimmung zu seinen Wettkampfregeln bat, verweigerte der Meister diese und wies darauf hin, dass diese Veränderungen die alten Inhalte des ''karate'' endgültig zerstören würden. Doch für die JKA war Funakoshi nur noch ein alter wehrloser Mann, dessen guten Ruf man zu eigennützigen Zwecken missbrauchen konnte, und so überhörten sie die Warnung des Karate-Meisters. Schließlich isolierte man alle Karate-Schulen um Funakoshi Gichin und Shigeru Egami, die sich weiterhin weigerten, Mitglied in der JKA zu werden und erteilte ihnen an allen JKA angeschlossenen Schulen Trainingsverbot. Funakoshi selbst wurde - da sein Name in der Karate-Welt immer noch von Bedeutung und daher werbeträchtig war - ohne seine Zustimmung zum Ehrenausbilder ernannt, und man verwendete weiterhin die Bezeichnung Shōtōkan-Karate. Mit diesen letzten Schritten hatte man das alte okinawanische Karate, wie es Funakoshi gelehrt hatte, endgültig aus der offiziellen Karate-Welt verbannt.<br />
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== Funakoshis Lehre ==<br />
Obwohl Funakoshi Gichin eigentlich von Meister [[Azatō Yasutsune|Azatō]] unterrichtet wurde und bei Meister [[Itosu Yasutsune|Itosu]] nur Gastschüler war, prägte doch Itosu den größten Teil seines ''karate''. Selbst in den ''[[Kata (Form)|kata]]'', die Funakoshi später unterrichtete, ist der Einfluss Azatōs nur schwer wieder zu finden. Statt dessen ließ der Meister in seinem Unterricht sowohl die Itosu-Versionen der ''[[naihanchi]]'', ''[[passai]]'', ''[[chintō]]'', ''[[jion]]'' und ''[[jitte]]'' als auch die von Itosu gegründeten Pinan-Kata üben. Auch die kämpferischen Prinzipien Azatos ''matsumura ryūs'' wurden nie offiziell verwendet. Und doch betonte Funakoshi immer wieder, dass „der größte Teil meines Wissens über Karate auf dem Unterricht beruht, den ich von Azato erhielt.“ <br />
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Bis zu seinem Tod lehrte Funakoshi Gichin getreu nach den Prinzipien von Itosus ''[[shurite]]''. Der Unterricht des Meisters basierte im wesentlichen auf der Übung von 15 ''kata'', deren Studium (''[[bunkai]]''), Anwendung (''[[ōyō]]'') und dem Training in der Grundschule (''[[kihon]]'') und am ''[[makiwara]]''. Den Wettkampf lehnte er von Anfang an ab, da er seiner Meinung nach die Werte des ''karate'' verriet und im klaren Gegensatz zu seiner Lehre stand: „Im Karate gibt es keinen ersten Angriff“ (''karate ni sente nashi''). Vor allem das ''bogu kumite'' - ein Vollkontakt-Kampf, bei dem Schutzkleidung verwendet wurde - war Funakoshi verhasst, da es einen vollkommenen Wertverlust der Techniken und gleichzeitig der geistigen Aspekte des ''karate'' zur Folge hatte.<br />
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Ichizo Otake, ein Schüler Funakoshis, erzählte einmal:<br />
:„Eines Tages habe ich den Zorn des Meisters erregt. Zu jener Zeit begann ich mit einigen Schülern, Karate mit Schutzausrüstung zu üben. Meine Kollegen erzählten mir, daß Meister Funakoshi darüber sehr wütend war und vorhatte, uns aus seinem Dôjô auszuschließen. Ich suchte ihn auf, und als ich ihn daraufhin ansprach, sagte er ganz ruhig: 'Ich bin nicht überrascht, daß gerade du mit der Kata unzufrieden bist. Dies ist so, weil du keine Selbstdisziplin besitzt. Im Karate bezeichnet der Kampf - wie in allen Budō-Disziplinen - einen Kampf auf Leben und Tod (Shinken-shobu). Das Boxen ist als Sport gedacht und führt zu einem anderen Ergebnis. Wenn ihr mit Schutzausrüstungen übt, wird Karate zum Wettkampf, und ein Weg ist nicht mehr möglich.' Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: 'Ich denke, daß auch die Übung mit Schutzausrüstung ihre guten Seiten hat und daß es sich lohnt, sie zu studieren. Wenn es das ist, was du willst, dann gehe zum Kempô in die Todai. Doch verwechsle diese Methode nicht mit Karate.' Erst viel später verstand ich, was Meister Funakoshi damit meinte.“<br />
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Neben der rein körperlichen Ausbildung spielte in der traditionellen Lehre Funakoshis auch das Streben nach menschlichen Idealen eine große Rolle. Viele seiner Schüler verließen ihn, weil sie mit Funakoshis Kritik an ihrer Person nicht zurecht kamen und in der Entwicklung eines feinen Charakters keinen Sinn sahen. Statt ihrer Übung einen Sinn zu geben, um auch geistige Werte zu erziehen, strebten viele nach persönlichem Ruhm und Prestige. Die traditionelle Lehre ''hito kata sannen'' (mindestens drei Jahre für eine Kata) unter der Funakoshi selbst noch trainierte war für den Karate-Meister in Japan nicht mehr möglich in die Tat umzusetzen, da das ''karate'' zunehmend als Sport und nicht mehr als persönlicher Lebensweg betrachtet wurde. Eine ''kata'' zu studieren und mit ihr das Verständnis für die eigene Technik zu vertiefen, war geradezu verpönt. Bereits 1922 schrieb Funakoshi dazu in seinem Buch ''Ryukyu kempo karate'': „Die alten Meister hatten nur ein kleines Feld, doch sie pflügten tiefe Furchen. Heutige Schüler haben ein großes Feld, doch sie pflügen flache Furchen.“<br />
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Schon zu Beginn seines Unterrichts in Japan war sich der Karatemeister bewusst, dass die alten Lehren dieser Kampfkunst wie sie jahrhundertelang überliefert wurde nicht übertragen werden können. Dennoch versuchte er sein ganzes Leben, ''karate'' als Weg ([[dō (Weg)|''dō'']]) zu unterrichten und seinen unschätzbaren Wert an einen würdigen Erben weiterzugeben. Im Laufe der Jahre stellte er 20 Leitsätze auf, die sogenannte ''[[shōtō nijūkun]]'', die seinen Schülern als Richtlinien und Hilfe für die Übung dieses Weges dienen sollten und die Ideale des ''karate'' in kurze Worte fasste:<br />
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# KARATE DÔ WA REI NI HAJIMARI, REI NI OWARU KOTO WO WASURUNA <br /> - Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt.<br />
# KARATE NI SENTE NASHI <br /> - Im Karate macht man nicht die erste Bewegung.<br />
# KARATE WA GI NO TASUKE <br /> - Karate ist ein Helfer der- Gerechtigkeit.<br />
# MAZU JIKÔ WO SHIRE, SHIKOSHITE TAO WA SHIRE <br /> - Erkenne dich selbst zuerst, dann den anderen.<br />
# GIJUTSU YOI SHINJUTSU <br /> - Intuition ist wichtiger als Technik.<br />
# KOKORO WA HANATAN KOKO WO YOSU <br /> - Lerne deinen Geist zu kontrollieren und befreie ihn erst danach.<br />
# WAZAWAI WA GETAI NI SHOZU <br /> - Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.<br />
# DÔJÔ NOMINO KARATE TO OMOU NA <br /> - Glaube nicht, daß Karate nur im Dôjô stattfindet.<br />
# KARATE NO SHÛGYÔ WA ISSHÔ DE ARU <br /> - Karate üben, heißt ein Leben lang zu arbeiten; darin gibt es keine Grenzen.<br />
# ARAI YURU MONO WO KARATE KA SEYO, SOKO NI MYO MI ARI <br /> - Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, dann wirst du „Myo“ finden.<br />
# KARATE WA YU NO GOTO SHI TAEZU NETSUDO WO ATAEZAREBA MOTO NO MIZU NI KAERU <br /> - Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht beständig erwärmst.<br />
# KATSU KANGAE WA MOTSU NA MAKENU KANGAE WA HITSUYO <br /> - Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.<br />
# TEKKI NI YOTTE TENKA SEYO <br /> - Verändere deine Verteidigung gegenüber dem Feind.<br />
# TATTAKAI WA KYO JITSU NO SOJU IKAN NI ARI <br /> - Der Kampf entspricht immer deiner Fähigkeit, mit Keyo und Jitsu umzugehen (Keyo - unbewacht, Jitsu - bewacht).<br />
# HITO NO TE ASHI WO KEN TO OMOE <br /> - Stelle dir deine Hand und deinen Fuß als Schwert vor.<br />
# DANSHI MON WO IZUREBA HYAKUMAN NO TEKKI ARI <br /> - Wenn du den Ort verläßt, an dem du zu Hause bist, machst du dir zahlreiche Feinde. Ein solches Verhalten lädt dir Ärger ein.<br />
# KAMAE WA SHOSHINSHA NI ATO WA SHIZENTAI <br /> - Anfänger müssen alle Haltungen ohne eigenes Urteil annehmen, um danach einen natürlichen Zustand des Verstehend zu erreichen.<br />
# KATA WA TADASHIKU JISSEN WA BETSU MONO <br /> - Die Kata muß ohne Veränderung korrekt ausgeführt werden, im wirklichen Kampf gilt das Gegenteil.<br />
# CHIKARA NO KYOJAKU (HART UND WEICH) KARADA NO SHINSHUKU (SPANNUNG UND ENTSPANNUNG) WAZA NO KANKYU WO WASARUNA (LANGSAM UND SCHNELL) - alles in Verbindung mit der richtigen Atmung.<br />
# TSUNE NI SHINEN KUFU SEYO <br /> - Erinnere dich und denke immer an Kufu - lebe die Vorschriften jeden Tag.<br />
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== Funakoshis Bücher ==<br />
Meister Funakoshi hatte sich schon früh entschlossen, seine Lehren in Büchern zu veröffentlichen, um sie der ganzen Kampfkunstwelt zugänglich zu machen. Insgesamt schrieb er fünf Bücher und bis auf eines befassen sich alle ausschließlich mit der technischen Seite des Karate. Bereits 1922, kurz nachdem Funakoshi nach Japan gezogen war, konnte der Meister mit hilfe einiger Anhänger sein erstes Buch veröffentlichen. Es trug den Titel „Ryukyu Kempo Karate“, hatte etwa 300 Seiten und enthielt im Wesentlichen eine Beschreibung der 15 Karate-Kata Funakoshis. Das Interessante an diesem Buch waren die zahlreichen Vorworte verschiedener bedeutender Persönlichkeiten Japans, die sich über die Vorteile dieser neuen Kampfkunst aus Okinawa äußerten. Leider waren die Abbildungen der einzelnen Techniken nur undeutlich gezeichnet und daher nicht verwertbar. Doch schon allein die Tatsache, dass es das erste japanische Buch war, das über ''karate'' veröffentlicht wurde, machte es zur begehrten Literatur. <br />
Unglücklicherweise wurden die Druckplatten bei dem [[Großes Kantō-Erdbeben|großen Erdbeben]] 1923 zerstört, so dass diese Ausgabe nie wieder aufgelegt werden konnte. Aus diesem Grund präsentierte Funakoshi schon wenig später (1925) eine überarbeitete Version seines Werkes unter dem Titel „Rentan Goshin Karate Jutsu“. Auch diese Neuauflage beschäftigt sich – von einigen Erläuterungen zu Würfen abgesehen – fast ausschließlich mit den 15 Kata des Shōtōkan-Karate. Doch waren die Illustrationen und Fotos der einzelnen Techniken von viel besserer Qualität als drei Jahre zuvor, und auch Funakoshi hatte in dieser Zeit sein ''karate'' verfeinert. Seine Techniken waren viel natürlicher und der Meister hatte eine Ausstrahlung entwickelt, die selbst auf den Fotos noch wirkte.<br />
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1935 veröffentlichte Funakoshi dann ein Buch, das allgemein für etwas Aufregung sorgte: „Karate-dō Kyohan“. Der Meister hatte die Schriftzeichen für ''karate'' so verändert, dass sie nun nicht mehr mit „chinesische Hand“, sondern mit „leere Hand“ übersetzt werden mussten. Viele Kampfkunstmeister standen diesem Austausch skeptisch gegenüber, aber es dauerte nicht lange, bis diese Schriftzeichen als allgemeiner Standard akzeptiert wurden. Auch der Inhalt des Buches selbst zeigte einige Veränderungen auf. Obwohl die Bücher von Meister Funakoshi immer die 15 Shōtōkan-Kata getreu ihres Ursprungs zeigten, während sein Sohn sie im Laufe der Zeit immer mehr veränderte, bewirkten diese Neuerungen Yoshitakas auch bei dem Karate-Meister selbst eine Entwicklung. So beinhaltete sein Werk neben den Erläuterungen zu den 15 Kata dieses Mal auch einige Techniken und Beschreibungen zur Selbstverteidigung gegen Schwert, Messer und Stock aus einer sitzenden Position und Beispiele für abgesprochene [[Kumite]]-Kombinationen. Die zweite Auflage dieses Buches sollte erst 1958, ein Jahr nach dem Tod des Meisters erscheinen. Da Funakoshi damals schon zu alt war, um die einzelnen Bewegungen der ''kata'' zu demonstrieren, ist fast auf allen Bildern der Schüler seines Sohnes, Shigeru Egami zu sehen. Bei einem Vergleich der Abbildungen in den anderen Büchern des Meisters, wird die große Diskrepanz zwischen Funakoshis Shōtōkan-Karate und dem ''[[shōtōkan ryū]]'' wie wir ihn heute kennen klar ersichtlich. Die Techniken des Meisters waren alle viel kürzer, die Stellungen um einiges höher und die Hüft- sowie Beinbewegungen weniger ausgeprägt als es bei Egami der Fall war, der fast vollständig das ''karate'' Yoshitakas übte.<br />
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Kurz vor seinem Tod veröffentlichte Funakoshi noch eine Autobiographie mit dem Titel „Karate-dō Ichi-rō“, doch sind viele Geschichten und Fakten die der Meister nennt, entweder falsch oder ungenau, was wohl auf sein Alter und schlechtes Erinnerungsvermögen zurückzuführen ist. Das letzte Buch von Funakoshi Gichin „Karate-dō Nyumon“ stammt nicht von dem Meister selbst, sondern wurde von seinen Schülern aus seinem Nachlass zusammengestellt und zu Ehren ihres Lehrers veröffentlicht.<br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' | <br />
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=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Okinawa Karate''. Sportverlag Berlin 1997.<br />
* Werner Lind: ''Ostasiatische Kampfkünste. Das Lexikon''. Sportverlag Berlin 1996.<br />
* John Stevens: ''Three Budō Masters''. Kodansha International.<br />
* Julia Karzau: ''Drei Meister des Budo''. Sportverlag Berlin 1998.<br />
* Funakoshi Gichin: ''Karate-do - Mein Weg''. Kristkeitz, 1986.<br />
* Funakoshi Gichin: ''Karate-do Kyohan''. Kodansha.<br />
* Tokitsu Kenji: ''Histoire du Karate-do''. Editions SEM.<br />
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=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Karate-Lehrer (Asien)]]<br />
[[Kategorie: Karate-Lehrer (Okinawa)]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Funakoshi_Gichin&diff=15890Funakoshi Gichin2014-09-22T23:31:50Z<p>Werner Lind: /* Funakoshis Lehre */</p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:<br />
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[[Datei:FunakoshiGichin1.png|thumb|right|Funakoshi Gichin]]<br />
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'''Funakoshi Gichin''' (jap.: 船越 義珍) ist als „Vater und Begründer des modernen Karate“ eine der wichtigsten und bedeutendsten Figuren in der Geschichte der japanischen [[Karate]]-Stile. Auch wenn er die [[Okinawanische Kampfkunst|okinawanische Kampfkunst]] der „leeren Hand“ keinesfalls selbst gegründet hat, ist es doch seiner Arbeit und seinem Engagement zu verdanken, dass sie als Sport ihren beispielhaften Siegeszug um die ganze Welt antrat. <br />
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Während seines ganzen Lebens versuchte Funakoshi die traditionellen Lehren und Werte des ''karate-dō'' zu erhalten und zu unterrichten. Und er erkannte instinktiv, dass die neu enstandene Mentalität Japans mit seiner Forderung nach Wettkampf und Konsum der eigentlichen Bedeutung und den tatsächlichen Hintergründen des ''karate'' als Weg (''[[Dō (Weg)|dō]]'') ein Ende bereiten würde. Leider ist die Kampfkunst, die heute mit seinem Namen in Verbindung gebracht wird nicht seine eigene, sondern ein genaues Abbild dessen, was Funakoshi zu verhindern suchte. <br />
<br />
== Lehrjahre unter Azato und Itosu ==<br />
Funakoshi Gichin wurde im Jahr 1869 auf [[Okinawa]] im Bezirk Yamakawa cho als einziger Sohn einer verarmten [[Samurai]]-Familie der damaligen Shizoku-Klasse (niederer Adel) geboren. Als Frühgeburt glaubte niemand ernsthaft daran, dass Funakoshi die ersten Jahre seines Lebens überstehen würde, und da die Erziehung eines sehr schwächlichen und kränklichen Kindes für die Eltern nahezu unmöglich gewesen wäre, gab man ihn zu seinen Großeltern in Pflege. Funakoshis Großvater Gifu war ein auf Okinawa bekannter konfuzianistischer Gelehrter, der einst die königliche Familie unterrichtet und im Gegenzug von der Regierung eine hohe Pension erhalten hatte. Doch hatte Funakoshis alkoholkranker und spielsüchtiger Vater Gisu dafür gesorgt, dass das Familienvermögen schon zu seinen Lebzeiten verschwendet worden war.<br />
<br />
Entgegen aller Erwartungen entwickelte sich Funakoshi Gichin jedoch zu einem normalen gesunden Jungen, der für sein Alter zwar immer recht klein blieb, aber dennoch robust und ungeheuer lebhaft war. Auch sein Großvater, der gemäß der alten Traditionen schon früh damit begonnen hatte, seinen Enkel in den vier großen klassischen Schulen der chinesischen Philosophie auszubilden, bemerkte bald wie talentiert und enthusiastisch sein Schüler war. Diese bereitwillige und offene Einstellung, die Funakoshi jeder Form des Lernens entgegenbrachte, sollte ihn während seines ganzen Lebens nie verlassen. Selbst kurz vor seinem Tod behauptete der spätere Kampfkunstmeister niemals, dass er seine Lehre abgeschlossen hätte.<br />
<br />
Schon in frühen Jahren war Funakoshi Gichins Interesse in die Kampfkünste geweckt worden; was vermutlich seine Ursache mit darin hatte, dass sein Vater selbst ein fähiger Kämpfer im Umgang mit dem okinawanischen Stock und so wahrscheinlich in der Lage war, seinen Sohn in dieser Kunst auszubilden. Es dauerte jedoch nicht lange, bis dem lerneifrigen Jungen seine bisherige Schulung nicht mehr genügte und er nach interessanteren Lehren zu drängen begann. Noch zu seiner Grundschulzeit kam der junge Funakoshi schließlich in Kontakt mit Azato Ankō, einem Meister des sagenumwobenen ''karate'', den er darum bat, ihn als persönlichen Schüler aufzunehmen. <br />
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Azato Ankō Peichin (Yasuzato) lebte von 1827 bis 1906 und gehörte einem der berühmtesten Samurai-Geschlechter Okinawas an. Als Tonochi (Gutsherr) bekleidete er hohe Ämter am königlichen Schloss und besaß ein großes Vermögen, das es ihm ermöglichte, nur einige wenige Schüler anzunehmen. Da sein Kampfkunstunterricht nicht seinem Lebensunterhalt dienen musste, war Azato nie öffentlich aufgetreten und hatte während seine ganzen Laufbahn als Karate-Meister, nur zwei ''karateka'' unterrichtet: Funakoshi Gichin und Ogusuku Chogo. Azato selbst war ein innerer Schüler (''[[uchi deshi]]'') [[Matsumura Sōkon]]s , dem Gründer des ''[[matsumura ryū]]''. Als einer seiner besten Schüler und inniger Freund Matsumuras erhielt Azato nach Jahren der intensiven Ausbildung eine Lehrerlaubnis von seinem Lehrer und durfte fortan eigene Wege gehen. Später begann Azato die gelernte Kunst nach eigenen Studien weiter zu verfeinern. Heute vermutet man, dass die Version des modernen Shōtōkan-Karate von Funakoshi Yoshitaka – dem Sohn des Meisters – eine starke Anlehnung an Azatos ''karate'' ist.<br />
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Man erzählt sich, dass Azato einmal mit seinem Kampfstil den berühmten Schwertmeister des ''[[jigen ryū]]'', Kirino Toshiaki besiegte. In diesem denkwürdigen Kampf stellte sich der Karate-Meister mit bloßen Händen der scharfen Klinge des bekannten Schwertkämpfers gegenüber. Toshiaki, der für seine Unbesiegbarkeit und Furchtlosigkeit bekannt war, musste erstaunt feststellen, dass Azato der Schwertklinge kaltblütig auswich und ihn mit zwei gezielten Fauststößen zu Boden schlug. Als der Karate-Meister später zu diesem außergewöhnlichen Ereignis befragte, sagte dieser:<br />
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:„Toshiaki hat zu sehr auf seine eigene Stärke vertraut. Die Tatsache, dass er noch nie einen Kampf verloren hatte, machte ihn zu selbstsicher und schadete somit seiner Aufmerksamkeit. Wenn er mich genauer beobachtet hätte, wäre ihm aufgefallen, daß ich nicht wie seine bisherigen Gegener durch seinen Ruf eingeschüchtert war, sondern ihn im Gegesatz genau beobachtete, um die Schwäche zu entdecken, die ihm zum Verhängnis wurde. Das Wissen über die eigenen Stärken und Schwächen und die deines Gegners werden dich niemals verlieren lassen.“ Da Azato niemals in der Öffentlichkeit auftrat und nur zwei Schüler hatte, spielt er in der okinawanischen Kampfkunstgeschichte eigentlich nur eine kleine Rolle und es gibt über ihn nur wenig Aufzeichnungen. Doch war er ohne Zweifel der große „Meister im Schatten“.<br />
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Die Kampfkünste mussten in der damaligen Zeit noch im Geheimen geübt werden, und jeder Meister verlangte von einem Schüler ehe er diesen aufnahm, grenzenlose Loyalität und Verschwiegenheit in der Übung seiner Kunst. Auch Funakoshi stand, nachdem er von Meister Azato als Schüler aufgenommen worden war, unter diesem Siegel der Verschwiegenheit. Seine Traininge fanden ausschließlich nur nachts im Garten seines Lehrers statt und dauerten oft bis in die frühen Morgenstunden. Meister Azato war ein unerbittlicher Lehrer, der seinen Schüler getreu nach dem Grundsatz ''hito kata san nen'' über mehrere Jahre hinweg immer wieder dieselbe ''[[Kata (Form)|kata]]'' üben ließ, und ihm erst dann eine neue Form zeigte, wenn er der Meinung war, dass die alte gut gemeistert wäre. So musste Funakoshi zum Beispiel über einen Zeitraum von zehn Jahren sein Training ausschließlich der Übung der ''[[tekki|tekki kata]]'' widmen, ehe der strenge Azato mit seinem Schüler zufrieden war. Nichts konnte den Meister von seiner Vorstellung des ''kata geiko'' abbringen, und sooft Funakoshi ihn auch drängte, ihm eine neue Form beizubringen, Azato blieb hart. Der Karate-Meister erinnert sich an jene Jahre als eine Zeit zurück, die ihm sowohl den bitteren Geschmack von Entbehrung und Demütigungen als auch die Bedeutung von gegenseitigem Vertrauen und Freundschaft lehrte: „Immer wieder, wenn ich meinen Meister fragend anschaute, waren die einzigen Worte, die er sagte ‚Nicht gut‘. und ich wußte, daß ich die Kata noch weiter zu üben hatte. In diesen Momenten empfand ich ein Gefühl tiefster Verbitterung und Erniedrigung, doch heute weiß ich, daß dies zu meiner Ausbildung gehörte.“<br/><br />
Immer wieder wies Meister Azato seinen Schüler an, „Betrachte deine Arme und Beine als Schwerter“, um seinem Schüler zu verdeutlichen, daß Hände und Füße im Karate tödliche Waffen sein können, deren Prinzipien in der Übung der Kata geschult und routiniert wurden. Nach dem rein körperlichen Training erhielt Funakoshi von seinem Lehrer oftmals zusätzlich Unterricht in der Psychologie und Philosophie des Karate. Ein angemessenes Benehmen, würdige Verhaltensformen und eine gut Beobachtungsgabe gehörten für Azato zur Essenz seiner Kampfkunst. „Das Geheimnis des Sieges,“ betonte er immer wieder, „ist, sowohl dich selbst als auch deinen Gegner genau zu kennen. Auf diese Weise wirst du niemals überraschend besiegt.“ Er selbst verfügte über ein detalliertes Wissen über alle bedeutenden Kampfkunst-Meister Okinawas, kannte ihre Stärken und Schwächen und konnte ihren Nemen und Wohnort nennen. Auch in der Politik war Azato sehr bewandert und Funakoshi bewunderte immer wieder den Scharfsinn und die Umsicht seines Lehrers in bezug auf zukünftige politische Veränderungen. So war Meister Azato zum Beispiel auch einer der wenigen seines Standes, der die unabänderlichen Veränderungen der Meiji-Reform anerkannte und befürwortete, indem er sich ohne zu Zögern seines Haarknoten entledigte. Auch lud sich Azato regelmäßig Freunde ein, mit denen er des Nachts, während Funakoshi draußen trainierte über aktuelle Themen und Geschehnisse philosophierte. Einer dieser Besucher, der ebenfalls unter Matsumura Sōkon trainiert hatte und daher seit Jahren mit Anko Azato befreundet war, war Yasutsune Itosu. Nahezu jeden Abend verbrachte Meister Itosu in Azatos Haus, und wenn die beiden Meister nicht gerade in ernsthafte Gespräche vertieft waren, beteiligte sich Itosu an der Ausbildung Funakoshis, indem er ihm eigene Anweisungen gab.<br />
<br />
Yasutsune Itosu (die „heilige Faust des ''shuri te''“) wurde 1830 in Shuri no Tobaru als Sohn eines ''samurai'' geboren. Im Alter von 16 Jahren brachte sein Vater ihn zu „Bushi“ Matsumura Sōkon, einem der größten Kampfkunstexperten des ''[[shuri te]]'' jener Zeit, um ihn durch die strenge Hand des Lehrers erziehen zu lassen. Matsumura unterrichtete nach shǎolínischem Vorbild einen kampfbetonten Kampfstil, und der junge Itosu musste acht Jahre lang unter seiner Anleitung hart und diszipliniert arbeiten. <br />
<br />
Nach dieser Zeit verließ er seinen Lehrer, um bei verschiedenen anderen Kampfkunst-Meistern Unterricht zu nehmen (unter anderen Shiroma Gusukuma aus Tomari, Nakahara und Yasuri, einem direkten Schüler Iwahs) Die Erfahrungen und Fähigkeiten, die er durch die verschiedenen Kampfkunststile der Meister erhielt, ermöglichten es ihm schließlich, zu einem unbesiegbaren Kämpfer zu werden. Die eigentliche Lehre Matsumuras, die auch Azato erhielt, ging dabei jedoch verloren. Anstatt seinen Stil des Kämpfens auf Ausweichbewegungen zu basieren, betonte er seine Idee der starken Techniken und das Prinzip, dass der Körper jeden Schlag annehmen können muss. Matsumura sagte zu dieser Auffassung einmal: „Du kannst mit deinem Faustschlag alles niederschlagen, doch mich kannst du nicht einmal berühren.“ <br/><br />
Tatsächlich gibt es jedoch über Itosus unheimliche Stärke viele Legenden. So soll er zum Beispiel mit bloßer Hand einen dicken Bambusstab zerquetschen können. Auch heißt es, dass Itosu einmal des Nachts aufwachte, weil er an seiner Haustür verdächtige Geräusche gehört hatte. Als der Meister an die Tür ging und nachschaute, was ihn in seinem wohlverdienten Schlaf störte, musste er erkennen, dass ein Dieb versuchte, sein Schloss aufzubrechen. Ohne viel Federlesens schlug Itosu mit seiner Faust durch das zentimeterdicke Holz der geschlossenen Tür und ergriff das Handgelenk des Einbrechers. Soviel dieser sich auch sträubte, es gelang ihm nicht, sich aus dem schraubstockartigen Griff zu befreien. Endlich lockerte der Karate-Meister seinen Griff und ließ den völlig erschöpften Mann frei.<br />
Auch war Itosu im Gegensatz zu Azato keineswegs wohlhabend. Und als 1879 der okinawanische König abgesetzt wurde, verlor Itosu seinen Posten als Privatsekretär des Monarchen. Da seine neue Arbeit als Beamter im Büro der Präfektur so schlecht bezahlt war, dass er freiwillig zurücktrat, war er gezwungen, seinen Lebensunterhalt von nun an mit dem Karate-Unterricht zu verdienen. <br/><br />
Nachdem er die meisten ''kata'' des ''shorin ryu'' in einem System konzentriert, sie überarbeitet, abgeändert oder vereinfacht hatte, begann er mit ihnen an die Öffentlichkeit zu treten. Seiner Meinung nach war „Karate eine Art zu leben, ein Weg, um absolute Sicherheit und Furchtlosigkeit zu erreichen. Ein Mensch, der die Kata übt, kann durch bestimmte Schwerpunktlegungen in ihnen seine individuellen Fähigkeiten bis zur äußersten Grenze verbessern.“ Diese wertvollen Inhalte, insbesondere der gesundheitliche Aspekt des Trainings, sollten laut Itosu nicht weiter geheimgehalten werden. Als er dann 1901 endgültig mit dem alten Tabu brach, indem er erstmals an der Grundschule Shuris ''karate'' unterrichtete, verärgerte er viele der alten Meister. Sie bezichtigten ihn des Verrats an den alten Traditionen und waren erbost, als es ihm 1905 mittles eines Briefes an das Erziehungsministerium endgültig gelang, ''karate'' als allgemeinen Schulsport in ganz Japan einzuführen. Nachdem ''karate'' Jahrhunderte lang im Geheimen nur ausgesuchten Schülern unterrichtet worden war, mussten seine Lehren nun der breiten Masse zugänglich gemacht werden. Viele Techniken mußten kämpferisch entschärft und sportbetonter werden. Die okinawansichen ''kata'' wurden zumgrößten Teil verfälscht und der Wert der Lehre verlor neben der Technik an Bedeutung. Obwohl dies nie Itosus Absicht gewesen war, legte er mit seinem Karate-Konzept den Grundstein für den heutigen Werteverlust der Kampfkünste. 1916 starb Itosu im Alter von 86 Jahren. Bis zu seinem Tod lebte er seine Idee des ''karate'' und seine Schüler berichten, dass er selbst im Alter von 80 Jahren eine Brust wie ein Fass, einen Körper wie Granit und Arme wie Säulen besessen haben soll.<br />
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Trotz dieser vielen Gegensätze, die Meister Azato und Meister Itosu voneinander unterschieden, verstanden sich die beiden Lehrer jedoch prächtig. Der damals übliche Konkurrenzkampf und die Eifersucht, die zwischen den einzelnen Kampfkunstmeistern bestand, berührte keinen der beiden. Ganz im Gegenteil, immer, wenn sie sich in Azatos Haus trafen, unterhielten sie sich über die philosophischen Aspekte der Kampfkunst und schon nach kurzer Zeit, beteiligte sich auch Itosu an Funakoshis Unterricht. Zwar verbot Azato seinem wissbegierigen Schüler, an den Gesprächen teilzuhaben und wies ihn jedes Mal an, weiter seine ''kata'' zu üben, doch hatte Funakoshi in seinen 11 Lehrjahren bei Azato auch gleichermaßen eine Ausbildung in der Karate-Auffassung Meister Itosus erhalten.<br />
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== Beruf und Familie ==<br />
Die konservative Einstellung seiner Eltern bezüglich der Meiji-Reformen hatte Anfangs verhindert, dass Funakoshi sein Vorhaben, Medizin zu studieren, in die Realität umsetzte. Die Universität für Medizin in [[Tōkyō]] verbot das Tragen von Haarknoten, und so zwangen die Eltern ihren Sohn, den schwer erarbeiteten Studienplatz wieder aufzugeben. Doch Funakoshi erkannte bald, dass das Festhalten an den alten Privilegien nicht mehr zeitgemäß war, und so legte er im Jahr 1888 entegegen dem Willen seiner Eltern eine Prüfung zum Hilfslehrer an der Grundschule in Shuri ab. Als Lehrer und somit Beamteter der Regierung war Funakoshi selbstverständlich verpflichtet, seinen Haarknoten zu entfernen, und die schwer enttäuschten Eltern entschlossen sich, ihren Sohn zu enteignen. Doch war dies nicht der einzige bittere Tropfen, den Funakoshi nach seiner Etnscheidung Lehrer zu werden schlucken musste. Mit dem Beginn seines Unterrichts an der Schule in Shuri, musste sich der junge Lehrer schweren Herzens von seinen Meistern Anko und Itosu trennen. Die Distanz zwischen seinem Heimatort und Shuri war nun viel zu groß als dass er jeden Abend zu Azato gehen konnte, um unter ihm weiter zu trainieren. Da Funakoshi mit seinem Training jedoch nicht aussetzten wollte, bat er die Meister Matsumura Nabe und Kiyuna, die in der Gegend um Shuri wohnten um Unterricht. Da die beiden Meister ebenfalls Schüler Matsumura Sokons gewesen waren, erhoffte er sich keinen allzu großen Unterschied in ihren Lehrmethoden.<br />
Lange Zeit war im Leben des jungen Funakoshi nun jede Minute vollständig verplant. Tagsüber verdiente er als Lehrer das nötige Geld für seinen Lebensunterhalt und des Nachts ging er zum Haus seiner Meister, um weite Karate-Unterricht zu erhalten. Derselbe Enthusiasmus, den Funakoshi in seinen Trainingen an den Tag legte, zeigte sich nun auch in seinem Berufsleben. Ungeachtet der wenigen Stunden an Schlaf, die er aufgrund seiner nächtlichen Traininge erhielt, engagierte er sich für seine Schüler und sorgte für seine eigene Weiterbildung. Schließlich konnte Funakoshi 1891 mit der Beförderung zum Hauptschullehrer eine weitaus besser bezahlte Stelle in einer Schule in Naha annehmen. Diese Beförderung war jedoch mit einer Versetzung nach Naha verbunden und so musste der junge Lehrer wiederum von seinen derzeitigen Lehrern Abschied nehmen. Nach kurzer Suche, konnte er jedoch in Naha sein Training unter der Leitung von Meister Higashionna (Toonno) Kanryō und Meister Aragaki (Niigaki) fortsetzten. – Trotz des Lehrerwechsels brach Funakoshis Kontakt zu seinen eigentlichen Meistern Azato und Itosu nie ab und auch seine Kampfkunst wurde wenn überhaupt nur geringfügig von den Lehren seiner nachfolgenden vier Lehrer geprägt.<br />
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Bereits 1890 hatte Funakoshi sich entschlossen zu heiraten. Seine Frau war recht selbstbewusst und ihr großes Durchhaltevermögen half der Familie später oft, in Krisensituationen nicht den Mut zu verlieren. Gerade in den Jahren nach der Hochzeit, war es oft allein ihrer Standkraft zu verdanken, dass die zehnköpfige Familie Funakoshis (außer Funakoshi selbst und seiner Frau noch drei Söhne, eine Tochter, die Eltern und den Großvater) ausreichend ernährt werden konnte. Schon nach wenigen Wochen hatte sich nämlich herausgestellt, dass die so freudig erwartete Beförderung und das erhöhte Gehalt doch nicht so viel mehr an Geld einbrachte wie ursprünglich geplant, und so war seine Frau gezwungen, Gemüse anzubauen und Stoffe zu färben, um die finanzielle Situation zu verbessern. So schwierig die momentane Lage für den späteren Karate-Meister jedoch damals war, und so wenig Zeit er für persönliche Studien außerhalb der Schule und den familiären Verpflichtungen auch hatte, tat dies seiner Aufopferung im ''karate'' keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil verstärkte Funakoshi seine Übungen noch und begann seine Familie bei jeder freien Gelegenheit, in die Kunst des ''karate'' einzuweisen. Er selbst schreibt, dass seine Söhne ihn bis zum Tod von Azato und Itosu oft zu seinen Besuchen bei seinen Lehrern begleiteten und selbst von ihnen Unterricht erhielten.<br />
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Zwischen den Jahren 1901 und 1902 fand dann ein Ereignis statt, das Funakoshis weiteres Leben rigoros verändern sollte. Ein japanischer Schulkomissar aus der Provinz Kagoshima namens Shintaro Ogawa war von der Regierung nach Okinawa entsand worden, um dort den Bildungsstand der ansässigen Schulen zu überprüfen. Die Hauptschule Nahas, an der Funakoshi unterrichtete, war mit eine der Hauptstationen von Shintaros Inspektionsreise, und da man den Komissar gebührend empfangen wollte, sollte der Karate-Meister ihm zu Ehren eine kurze Demonstration seiner Kunst geben. Die jahrelang streng gehütete Tradition der okinawanischen Kampfkunstmeister, ihre Kunst nur im Verborgenen und ausgewählten Schülern zu unterrichten, hatte in den letzten Jahren aufgrund der Meiji-Reformen immer mehr an Aktualität verloren und es gab einige Meister, von denen man zumindest wusste, dass sie eine Kampfkunst betrieben. Auch Funakoshi hatte schon seit längerem damit begonnen, seine Traininge bei Tageslicht abzuhalten und kein streng gehütetes Geheimnis aus ihnen zu machen. Ganz im Gegenteil sah er den Besuch des Kommissars sogar als passende Gelegenheit, um die faszinierende Kunst des ''karate'' noch publiker zu machen - was ihm auch gelang.<br />
Shintaro Ogawa war von der Darbietung Funakoshis so begeistert, dass er in seinem Bericht an das japanische Kultusministerium die Kunst des ''karate'' hoch lobte, wiederholt dessen einzigartige Vorteile betonte und ausdrücklich empfahl, es in den Lehrplan des allgemeinen Sportunterrichts mit aufzunehmen. Tatsächlich erhielten die okinawanischen Schulen daraufhin nur wenig später die Weisung aus Japan, ''karate'' als Teil der Schulausbildung in den Unterricht zu integrieren. Zu diesem Zweck gründete Itosu die ''[[pinan]]'' (''[[heian]]'') ''[[kata (Form)|kata]]''.<br />
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Bereits 1906 waren auf Okinawa öffentliche Demonstrationen im ''karate'' ein gewohnter Anblick und da kein Karate-Lehrer bis zu diesem Zeitpunkt mehr als zehn Schüler auf einmal ausgebildet hatte, stand die alte Tradition des Kampfkunstunterrichts zwischen einem Lehrer und seinem Schüler vor einer folgenreichen Neuerung. Die alten Lehrmethoden mussten massentauglich gemacht und in einem zeitlich viel kürzerem Rahmen gehalten werden. Auch sah man sich gezwungen mehrere Techniken zu entschärfen, um die Verletzungsgefahr im und außerhalb des Sportunterrichts so niedrig wie möglich zu halten, und einen mehr sportlicheren Charakter in die Ausbildung einzubringen. Zu den anfangs wenigen Meistern, die diese Neuerungen im okinawanischen ''karate'' unterstützten gehörte neben Meister Funakoshi auch dessen Lehrer Itosu Yasutsune, der bereits vor Funakoshis Demonstration vor Ogawa mit einigen kleineren Karate-Darbietungen an zwei okinawanischen Schulen für Erstaunen gesorgt hatte. Nachdem schließlich beschlossen worden war, ''karate'' als Schulsport einzuführen, war es vor allem Itosu, der intensiv an der Entschärfung der Kampfkunst arbeitete. Um 1905 gründete er schließlich die fünf Pinan Kata, die in ihrem Ablauf die wichtigsten Bewegungsprinzipien und fundamentalen Techniken des ''[[shōrin ryū]]'' schulen sollten. Zwei Jahre später wurden die ''kata'' dann an allen Grundschulen Okinawas als grundlegende Basis des Karateunterrichts aufgenommen. Somit hatte sich das ''karate'' fast endgültig von seiner alten Tradition des Unterrichts im Verborgenen entfernt. Nicht nur an den Schulen, sondern auf ganz Okinawa waren öffentliche Kampfkunst Demonstrationen ein gewohnter Anblick geworden, und immer mehr Meister tauchten aus der Versenkung auf, um vereinzelte Darbietungen ihres Könnens zu geben. Doch wurde diese neu angebrochene Ära der okinawanischen Kampfkunst nicht nur mit Wohlwollen betrachtet. Vor allem viele alte Meister lehnten entschieden jeden Schritt an die Öffentlichkeit ab und warnten vor übereiligen Beschlüssen. Der erste Anfang für die weltweite Verbreitung des ''karate'' war jedoch schon längst getan und trotz vieler Proteste nicht mehr rückgängig zu machen. In den folgenden Jahren begannen sich immer mehr japanische Kampfkunstexperten für die so lange geheimgehaltene Kunst des ''karate'' zu interessieren, und angesichts der entspannten politischen Lage war es endlich möglich engere Kontakte mit Okinawa zu schließen.<br />
Meister Funakoshi spielte während dieser Zeit, in der Okinawas „Geheimnis“ endlich an Japan preisgegeben wurde, wohl mit eine der bedeutensten Rollen. Neben seinem alltäglichen Leben als Hauptschullehrer bestand sein Tagesablauf fast ausschließlich aus dem Studium, dem Unterricht und der Vorstellung des ''karate'' vor anderen Kampfkuntexperten. Im Jahr 1913, nach dreißigjähriger Schullehrerzeit, hatte seine Kunst den Karatemeister schließlich so sehr in Beschlag genommen, dass er sich entschloss, auch um einer weiteren Versetzung in einen abseits gelegenen Schuldistrikt aus dem Weg zu gehen, seinen Beruf an den Nagel zu hängen, um mit einer Demonstrationsgruppe durch Okinawa zu ziehen. Seine zahlreichen Darbietungen machten Meister Funakoshi schnell zum bekanntesten Karate-Meister Okinawas und gleichzeitig zu der Person, mit der man in Kontakt trat, wenn man etwas über diese Kunst erfahren wollte.<br />
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Nach und nach wurden dann auch die japanischen Behörden und hochgestellte Mitglieder der japanischen Highsociety auf Funakoshi aufmerksam, und man entschloss sich 1916, den Karate-Meister zu einer Demonstration seiner Kunst nach [[Kyōto]] in den [[Butokuden]] einzuladen und damit den letzten Schleier dieses Geheimnisses zu lüften. Wie erwartet waren die Zuschauer, unter denen sich auch viele hochgestellte Persönlichkeiten befanden, von den Darbietungen und Erläuterungen des Meisters hochgradig begeistert, und der Ruf dieser sagenumwobenen und faszinierenden Kampfkunst verbreitete sich wie ein Lauffeuer innerhalb der japanischen Bevölkerung. Nachdem Funakoshi mit seiner Demonstrationsgruppe schließlich auch am 6. März 1921 mit seiner Darbietung zu Ehren des japanischen Erbprinzen und späteren Kaiser (''[[tennō]]'') [[Hirohito]], der zu Besuch auf Okinawa war, für wahre Begeisterungsstürme innerhalb der Bevölkerung gesorgt hatte, wurde der Regierung des Festlandes klar, welche Bedeutung die Kampfkünste für die Massen hatte. Als Schule der Disziplin und des Gehorsams schien ''karate'' die ideale Ausbildung für das Volk eines Landes, das am Anfang des Imperialismus, der militärischen Macht und des Nationalismus stand. Daher sollte die japanische Regierung später auch nach der Einführung des ''karate'' auf dem Festland mit Hilfe des [[Butokukai]] dafür sorgen, dass die eigentlichen Meister im Unterricht dieser Kunst ihrer Selbständigkeit beraubt und dem Einfluss der politischen Ziele unterstellt wurden.<br />
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== Funakoshi in Japan ==<br />
Das Interesse der japanischen Regierung an den [[Okinawanische Kampfkunst|okinawanischen Kampfkünsten]] und speziell natürlich am ''[[karate]]'' hatte sich nach Funakoshis aufsehenserregenden Demonstration vor Erbprinz Hirohito beträchtlich gesteigert. Und da die momentane politische Lage einen engeren Kontakt zwischen dem Festland und der Insel geradezu erforderlich machte, beschloss man 1921 kurzerhand, in Tokyo eine große Kampfkunstgala mit Demonstrationen aus allen Stilen Japans abzuhalten, zu der auch eine Delegation des Okinawa Shobukai Shôbukai (okinawanische Kampfkunstorganisation) eingeladen werden sollte. <br />
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Lange Zeit war man sich in [[Okinawa]] nicht sicher, ob man dieses Angebot annehmen sollte, da man schon einmal mit dem Versuch, das ''karate'' außerhalb Okinawas zu verbreiten, kläglich gescheitert war. Doch waren viele der Karate-Meister der Meinung, dass man diese Vorführung als Gelegenheit benutzen könne, die Kunst „als Botschaft des Friedens“ in Japan vorzustellen, um sie auf diesem Weg in der Welt zu verbreiten. Nachdem die Entscheidung schließlich gefallen war, suchte man nun einen Karate-Meister, der Okinawa und seine Kampfkunstkultur würdig vertreten könne. Die erste Wahl des Shobukai fiel auf Motobu Choki, einen okinawanischen Meister, der sich vor allem wegen seiner ausgezeichneten kämpferischen Fähigkeiten einen großen Namen gemacht hatte. Man war sich sicher, dass Motobu mit einer seiner spektakulären [[Kumite]]-Demonstrationen sowohl das Publikum begeistern, als auch vor möglichen Herausforderungen gefeit sein würde.<br />
Unglücklicherweise war der okinawanische Kampfexperte den Japanern nicht gerade sehr wohlgesonnen und lehnte alles rigoros ab, was auch nur im entferntesten etwas mit Japan zu tun hatte. Auch mit Meister Funakoshi lebte Motobu zu dem damaligen Zeitpunkt auf dem Kriegsfuß, was sich einige Jahre später sogar zu einer offenen Feindschaft von seiten Motobus entwickeln sollte. Die Art und Weise wie Funakoshi das okinawanische ''karate'' veränderte und in Japan unterrichtete, betrachtete Motobu (und mit ihm später auch viele andere okinawanischen Karate-Meister) als Verrat an den traditionellen Prinzipien des ''karate''. Immer wieder versuchte er, Funakoshis Bemühungen in Japan anerkannt zu werden, zunichte zu machen, indem er die fehlende Kampfkraft von Funakoshis entschärftem ''karate'' anprangerte oder ihn aufgrund seiner Beziehungen zu japanischen [[Budō]]-Meistern (vor allem zu [[Kanō Jigorō]]) verurteilte. Tatsächlich hatte es sich Motobu zur Gewohnheit gemacht, japanische Budō-Meister zum Kampf herauszufordern, um ihre Kompetenz zu testen – dies hielt er für den einzig richtigen Weg der Verbreitung des Karate - und in der Tat verlor er keinen einzigen Kampf. Nachdem trotz seiner ständigen Interaktionen Funakoshis ''karate'' schließlich doch durch den [[Butokukai]] in Japan anerkannt worden war, kehrte Motobu 1938 enttäuscht nach Okinawa zurück.<br />
Angesichts der so großen Abneigung Motobus gegen Japan, die sich teilweise sogar bis zum blanken Hass steigerte, kamen die Mitglieder des Shobukai schnell darin überein, dass Motobu trotz seiner Fähigkeiten nicht der geeignete Mann für eine Repräsentation Okinawas sei. Schließlich fiel die Wahl nach langen Meinungsverschiedenheiten auf Meister Funakoshi Gichin. Zwar war dieser in technischer Hinsicht nicht herausragend, doch garantierten sein edler Charakter und seine ausgezeichneten rhetorischen Fähigkeiten einen würdigen Auftritt in Tōkyō. Zudem war er auch ein Meister der Kalligraphie und Dichtkunst, wusste mit der japanischen und chinesischen Sprache und Philosophie umzugehen und kannte die okinawanische Kultur bis ins Detail. Kurz um, Funakoshi war ein demütiger, gebildeter und kultivierter Mensch, der mit Sicherheit ein gutes Bild abgeben würde und dies war den Okinawanern besonders wichtig. Da eine jahrhundertealte Feindschaft immer noch die Beziehung beider Länder belastete, sollte diese Preisgabe der geheimen Kampfkünste an Japan einem Friedens- und Freundschaftsangebot gleichkommen.<br />
Die Demonstration selbst fand in Ochanu-mitsu in Tōkyō statt und sollte eine ganze Woche dauern. Alle japanischen Budō-Disziplinen waren vertreten und mit ihnen viele der japanischen Kampfkunstmeister, die mit kritischem Blick der Darbietung Funakoshis folgten. Doch seine dynamischen Techniken und illustrierten Vorträge hatten am Ende jeden in ihren Bann gezogen. Einer der Teilnehmer und Zuschauer an diesem Kampfkunstspektakels war Kanō Jigorō, der sich vor allem für die Atemi Techniken des okinawanischen ''karate'' interessierte. Die Vorstellung Funakoshis begeisterte ihn derart, dass er den Meister anschließend in den [[Kōdōkan]] einlud und ihn bat, die Prinzipien seines ''karate'' näher zu erläutern. Kanō hatte schon einige Jahre zuvor mit Funakoshi Kontakt aufgenommen und ihn gefragt, ob er am Kōdōkan unterrichten wolle, doch der Meister hatte damals abgelehnt. „Ich befinde mich selbst noch im Lernprozeß“, hatte er zurückgeschrieben.<br />
Dieses Mal willigte Funakoshi jedoch ein, und er nahm als Assistenten Gima Makoto Shinkui mit, einen seiner ersten und später bester Schüler. Mit einiger Skepsis, aber in dem festen Glauben, dass sie nur vor einigen wenigen [[Jūdō]]-Lehrern eine kleine vorstellung ihrer Kampfkunst geben sollten, gingen die beiden zum Kōdōkan. Als sie dort eintrafen, mussten sie jedoch feststellen, dass Kanō an die 220 Zuschauer eingeladen hatte, die alle etwas über das sagenumwobene okinawanische Karate erfahren wollten. Angesichts der Tatsache, dass so viele Menschen gekommen waren, um bei der Demonstration zuzuschauen und da der Kōdōkan damals eine Schlüsselposition im japanischen ''[[budō]]'' einnahm, war sowohl Funakoshsi als auch Gima nicht mehr sehr wohl bei dem Gedanken an ihren bevorstehenden Auftritt.<br />
Doch nachdem sie ihre kurze Darbietung vor einem bgeisterten Publikum beendet hatten, verbreiteten sich die Berichte über diese außergewöhnliche Kampfkunst Okinawas wie ein Lauffeuer in ganz Tōkyō.<br />
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In einem Interview meinte Gima dazu:<br />
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:„Als ich mit Funakoshi Sensei im Kodôkan ankam, waren dort nicht nur die Jûdô-Instruktoren und Kanô Jigorô, sondern auch etwa 80 Mitglieder des Tominshinsoku Kodôkan-Zweiges. Insgesamt waren es über 200 Menschen, die sich für die Demonstration zusammengefunden hatten. Wir waren beide tief beeindruckt und etwas aufgeregt, weil man den Kodôkan als Mekka des japanischen Budô betrachtete. Kanô Sensei war sehr eifrig darum bemüht, näheres über Karate zu erfahren, und er stellte so detaillierte Fragen, daß Funakoshi Sensei manchmal Schwierigkeiten hatte, sie zu beantworten. Ich glaube es lag an unserer Demonstration im Kodôkan, daß Karate später in Japan eingeführt werden konnte. Die Tatsache, daß Kanô Sensei Karate anerkannte, öffnete dem Karate Tür und Tor für die gesamte japanische Budô-Welt. Danach veranstalteten Funakoshi Sensei und ich Karate-Vorführungen im Hekki-Stukan Dôjô des Yagyû-ryû, im Neihaido-Taisojuku und im Haus des alten okinawanischen Königs in Tôkyô. Ich erinnere mich, daß wir auch das Haus von Professor Tomari Shinju von der Keio-Universität besuchten, der auch eifrig daran interessiert war, etwas über Karate zu erfahren. Unter denen, die uns unterstützten, waren vor allem Kanô Jigorô, der Jûdô-Begründer, Nakayama Hiromachi, der berühmte Kendô-Meister, Yashiro Yakuro, der Vizeadmiral der japanischen Flotte, und der Baron Shimpei.“<br />
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Tatsächlich war Funakoshi Kanō über dessen anfängliche Hilfen und die große gegenseitige Freundschaft, die die beiden später verband, so dankbar, dass er sich auch nach dem Tod des Jūdō-Meisters immer in Richtung des Kōdōkan verbeugte, wenn er daran vorbeikam. Seiner Meinung nach stach Kanō besonders in seinem Charakter und in seiner menschlichen Größe aus der normalen Gesellschaft hervor.<br />
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Nachdem die Festivitäten anläßlich der Budō-Gala beendet worden waren und Funakoshi noch einige Zeit mit Kanō verbracht hatte, war es für den Karate-Meister an der Zeit, nach Okinawa zurückzukehren. Entgegen aller Erwartungen entschloss sich Funakoshi jedoch, in Japan zu bleiben und sich der Verbreitung des ''karate'' zu widmen. Noch in den nächsten Tagen schickte er nach seiner Frau und bat sie, ihm nach Tōkyō nachzureisen. Doch da sie in Okinawa einerseits für ihre Familie sorgen musste und andererseits fest an die alten Traditionen und Bräuche gebunden war, weigerte sie sich, ihrem Ehemann zu folgen. Warum Funakoshi dennoch trotz schlechtester Bedingungen und völlig alleine einen Neuanfang auf dem Festland begann ist nicht bekannt. Später behauptete er, einige interessierte Menschen hätten ihn um Karate-Unterricht gebeten, doch tatsächlich hatte der Karate-Meister in den ersten Jahren stets um Schüler kämpfen müssen. Sicher ist, dass Funakoshis Abschied von Okinawa ein Abschied für immer werden sollte, da er nie mehr in sein Heimatland zurückkehrte.<br />
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Wessen sich Funakoshi zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig bewusst war, war die Tatsache, dass eine Kampfkunst in der damaligen Zeit nicht ohne weiteres in Japan eingeführt und populär gemacht werden konnte. Der Dai Nippon Butokukai, eine Institution, die 1895 von der Regierung gegründet wurde, um die verschiedenen Kampfkunststile zu kontrollieren und standadisieren, lehnte jede Kampfkunst ab, die sich ihm nicht anschloss und sprach ihr den offiziellen Charakter ab. Jeder Kampfkunstmeister, der einen Stil in Japan verbreiten wollte, musste daher dem [[Butokukai]] angehören, um sich in der Gesellschaft etablieren zu können. Damit hatte sich der Meister in seinen Lehren jedoch auch den sportlichen Regeln dieser Institution zu unterwerfen, was Funakoshi verständlicherweise in Bredouille brachte. Seine traditionellen Lehren vertrugen sich in fast keinem Punkt mit den Wettkampfprinzipien des Butokukai und mussten folglich wohl oder übel diesen angepasst werden, was der Karate-Meister letztendlich auch tat.<br />
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Die ersten Monate sollten für Funakoshi eine der größten Herausforderungen seines Lebens werden. Da Okinawa jahrhundertelang an das Festland Abgaben leisten musste, waren die Inselbewohner in den Augen der Japaner Menschen zweiter Klasse. Besonders in Tōkyō war dieser Rassismus stark ausgeprägt und man sah voller Verachtung auf alles herab, was okinawanischen Ursprungs war. Zu dem Problem dieser Anfeindungen seitens der Tōkyōer Bevölkerung, gesellten sich für den Karate-Meister noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche. Eine unheimlich große Zahl von Einwanderern strömte zu dieser Zeit in das neuaufblühende Japan und vor allem Tōkyō wurde geradezu von Ausländern überschwemmt. Schließlich gelang es Funakoshi jedoch, sich im Meiso-juku, einem Wohnheim für okinawanische Studenten im Suidobata-Bezirk Tokyos, einen kleinen Raum sichern. Die Miete für diese winzige Zimmer betrug 10 Yen, doch da der Karatemeister zu dem Zeitpunkt noch keine Schüler besaß, musste er sich das Geld durch verschiedene Hilfsarbeiten verdienen, die im Wohnheim anfielen. Er arbeitete als Pförtner, Platzhalter und Nachtwächter und musste dennoch dem Koch der Herberge Karate-Stunden als Tausch für sein tägliches Mittagessen anbieten. Schließlich war er sogar gezwungen, die wenigen Wertgegenstände, die er besaß, zu verpfänden.<br />
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Der erste „Schüler“, der in das Meiso-juko kam, um von Funakoshi ''karate'' zu lernen, war [[Ōtsuka Hironori]], ein hochrangiger Jūjutsu-Lehrer des ''yōshin ryū''. Der dreißigjährige [[Jūjutsu]]-Meister hatte sich schon immer für die Kunst des ''karate'' interessiert und wollte ursprünglich gerade zu der Zeit, zu der Meister Funakoshi seine Demonstration in Japan gab, nach Okinawa reisen, um dort einen tieferen Einblick in das ''karate'' zu erhalten. Selbstverständlich ließ sich daher Otsuka diese einmalige Gelegenheit, einen Karate-Meister bei der Darbietung seines Könnens zu erleben, nicht entgehen und sog die Infromationen, die der Meister während seiner Vorführung gab, geradezu in sich auf. Völlig fasziniert von dem Können Funakoshis entschloss sich Otsuka schließlich, mit dem Karate-Meister Kontakt aufzunehmen, und ihn um Unterricht zu bitten. Schon bei dieser ersten Bekanntschaft erzählte Otsuka später, sei ihm das „überraschend offene, freimütige und sogar geradezu unschuldige“ Wesen Funakoshis aufgefallen, das sich auch in seinen späteren Jahren nie ändern sollte. Unglücklicherweise musste der Karatemeister ihn zu diesem Zeitpunkt als Schüler jedoch ablehnen, da er noch keine anderen Schüler, geschweige denn geeignete Trainingsmöglichkeiten besaß.<br />
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Erst im Juli 1922 gelang es Funakoshi, eine kleine Gruppe von Schülern um sich zu versammeln, die über Mund-zu-Mund Propaganda von ihm erfahren hatten. Der Leseraum des Meiso-juko diente ihm als provisorisches ''[[dōjō]]'' und nach und nach kamen immer mehr Schüler, die vom Hörensagen von ihm erfahren hatten. Der Leiter des Wohnheims erfuhr jedoch schnell von dieser neuen Einnahmequelle Funakoshis und setzte sofort dessen Miete auf 15 Yen herauf. Funakoshi ließ sich davon jedoch nicht beirren, sondern fuhr neben seinem Karate-Unterricht damit fort, sich mit unangenehmen kleinen Hilfsarbeiten etwas dazu verdienen. Otsuka gehörte während dieser Zeit bereits zu den wichtigsten Schülern Funakoshis. Seine Vorkenntnisse im als Jūjutsu-Meister gestatteten es ihm, innerhalb kürzester Zeit die Prinzipien des ''karate'' zu lernen und umsetzen zu können . Schon bald sollte Otsuka in seinen Techniken so ausgereift sein, dass er Funakoshi auf jede seiner Demonstrationen begleiten und ihn als Assistenzlehrer unterstützen konnte.<br />
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Einige Jahre später begann zum großen Leidwesesn Funakoshis Otsuka jedoch, das gelernte ''karate'' nach seinen Erfahrungen im ''jūjutsu'' weiterzuentwickeln. Immer wieder startete er Versuche, die Übung des ''kumite'' stärker herauszustreichen und diese Neuerungen im Shotokan einzuführen. Verständlicherweise stieß dies nach und nach immer stärker auf den Widerstand der anderen Schüler und Übungsleiter Funakoshis, die sich zunehmend über Otsukas eigenwillige Unternehmungen zu beschweren begannen. Zwischen 1930 und 1931 sollte die Abneigung der engsten Schüler um Funakoshi gegen Otsuka schließlich so groß werden, dass dieser seinen Meister verließ, um drei Jahre später einen eignen Stil zu gründen, der Elemente des ''[[shōtōkan]]'', ''motobu yu'' und ''shindo yoshin ryū'' miteinander verknüpfte, das ''[[wadō-ryū]]''.<br />
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Neben Otsuka waren unter den ersten Schülern, die Funakoshi unterrichtete, auch Gima Makoto Shinkui und Konishi Yasuhiro, die sich beide später oftmals daran zurückerinnerten, wie improvisiert das Training zur damaligen Zeit war: Man trainierte in Gruppen von drei bis acht Schülern, trug keine besondere Trainingskleidung und übte ausschließlich nur ''[[Kata (Form)|kata]]''. Trotz dieser wie Konishi erzählte, „elementaren Methode“, war es Funakoshi bereits nach einem Jahr gelungen, ungefähr zehn Schüler um sich zu versammeln, und er konnte endlich mit den lästigen Hilfsarbeiten aufhören. Der 1. September 1923 machte jedoch seine ganzen Mühen zunichte. Das [[Großes Kantō-Erdbeben|große Kantō-Erdbeben]], bei dem 100.000 Menschen getötet und fast ganz Tōkyō vernichtet wurde, zerstörte auch das Meiso-juku. Viele seiner Schüler starben oder wurden zumindest schwer verletzt, so dass der Meister das Training für einige Zeit aussetzen musste. Nun stand Funakoshi wieder ganz am Anfang. Er hatte weder ein Dach über dem Kopf, noch besaß er genügend Geld, um sich zu versorgen. Schließlich nahm er notgedrungen Arbeit in einer Fabrik an, in der er in Akkordarbeit Druckschablonen herstellte.<br />
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Als Hakudo Nakayama, der beste [[Kendō]]-Meister dieser Zeit, wenig später von Funakoshis Schwierigkeiten erfuhr, bot er ihm sofort an, in seinem ''dōjō'' zu trainieren bis er eine neue Bleibe gefunden habe. Voller Dankbarkeit nahm der Karate-Meister dieses Angebot an und schon nach kurzer Zeit unterrichtete er wieder eine größere Zahl von Schülern. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten war das okinawanische ''karate'' endlich bekannt geworden und Funakoshis Ruf verbreitete sich nach und nach in ganz Tōkyō. Schließlich wurde 1924 an der Keio-Universität der erste Karate-Club Tōkyōs eröffnet, dem schon kurz darauf mehrere andere Universitäten folgten (1926 die Ichiko-Universität und 1927 die Takushoku, Waseda, Hosei, Meiji, Nihon und Shodei Universitäten, die Medizinische Hochschule, die Kaiserliche Universität, die Wirtschaftshochschule und die Landwirtschaftshochschule). So war es dem Karate-Meister nach Jahren der Entbehrung endlich möglich, eine eigene Wohnung zu mieten und seinen Sohn [[Funakoshi Yoshitaka|Yoshitaka]] (Gigo) nach Japan nachreisen zu lassen. <br />
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Karate Technik (Zeichnung Monika Lind, BSK)<br />
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== Funakoshis Konflikt ==<br />
Die neue Mentalität, mit der Funakoshi konfrontiert wurde, als er 1922 nach Japan kam, sollte ihn angesichts seines ''karate'' in einen persönlichen Konflikt stoßen. Mit dem neu anbrechenden Zeitalter des Imperialismus und dem weltweiten Streben Japans nach Ansehen und militärischer Macht, wurden die alten Traditionen und Werte durch ein immer stärker werdendes Konsumdenken und ausgeprägten Nationalismus abgelöst. Auch die Kampfkünste blieben von diesem neuen Denken nicht verschont. Um sein ''karate'' verbreiten zu können, musste Funakoshi viele der alten Lehren schweren Herzens verändern und anpassen.<br />
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Bis zu jenem Zeitpunkt war es auf Okinawa verpönt, aus eigenen Auszügen aus dem Hauptsystem einen neuen Stil zu gründen, der dann eine Verbesserung gegenüber dem alten System darstellen sollte. Zwar vereinbarte das okinawanische ''karate'' in sich so viele verschiedene Techniken und Prinzipien, dass es keinem einzelnen Menschen möglich war, sie alle zu beherrschen, doch war es möglich, sich aus dem Gesamtsystem bestimmte Schwerpunkte zu suchen und diese zu lehren (ohne gleich einen eigenen Stil zu gründen. Jede persönliche Auffassung blieb in ihrer Bedeutung den alten Inhalten des Hauptsstems untergeordnet, doch wurden neue und wertvolle Erkenntnisse ohne Schwierigkeiten vom Hauptsystem übernommen. Man unterschied das okinawanische ''karate'' lediglich nach dem Gebiet, in dem die Meister wohnten (in ''[[shurite]]'', ''[[tomarite]]'' und ''[[nahate]]'').<br />
Meister Funakoshi hatte dreißig Jahre lang von Meistern des ''shurite'' und ''tomarite'' Unterricht erhalten und kannte daher den ungeheuren Umfang des okinawanischen ''karate'' besser als jeder andere. Die Unantastbarkeit des Hauptsystems war ihm heilig und er dachte niemals daran, sich davon zu entfernen oder durch seine persönliche Ansicht zu ersetzen. Als er jedoch nach Japan kam, traf er auf jenes neue Denken, das die alten Lehren der okinawanischen Kampfkünste unmöglich machte. Im Gegenteil, man war gerade dabei, die Kampfkünste von ihren Inhalten zu trennen und als Konsumware anzubieten. Um die Massen jedoch für diesen neuen „Sport“ begeistern zu können, mussten die einzelnen Kampfkünste konkurrenzfähig, marktorientiert zurechtgeschnitten und einfach strukturiert sein.<br />
So musste der Karate-Meister gleich zu Beginn seiner Unterrichtszeit in Japan feststellen, dass das ''karate'' wie er es gelernt hatte, diesen Anforderungen nicht gerecht wurde. Das gesundheitsfördernde ''karate'' mit seinen Idealen wie er es unterrichtete war nicht spektakulär genug und stellte an die eigene Charakterbildung zu hohe Ansprüche. Stattdessen sollte es den sportlichen Aspekt und den Wettbewerb verkörpern. Doch diese Umstrukturierung des ''karate'' würde, dessen war sich Meister funakoshi sicher, einen Verlust der alten Inhalte bedeuten. Daher suchte er nach Möglichkeiten, die es ihm erlauben würden, die einstigen Lehren mit der neuen Mentalität zu verbinden. Nach langen inneren Kämpfen gestattete er schließlich, dass neben dem Unterricht der ''kata'' und deren Anwendungen noch andere Formen des Kämpfens in das Training eingeführt wurden. Auch übernahm der Karate-Meister ein Gürtelrangsystem, das von seinem langjährigen Freund Kanō Jigorō gegründet wurde, um die unterschiedlichen Fortschrittsstufen seiner Schüler äußerlich sichtbar zu machen.<br />
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Doch in einem Punkt blieb der Meister unerbittlich: das freie ''[[kumite]]'' (''[[jiyu kumite]]'') nach den Prinzipien des Wettkampfes war seinen Schülern strikt verboten. Immer wieder wies Funakoshi jeden, der ihn fragte, daraufhin, daß es nicht möglich sei, einen Karate-Wettkampf zu organisieren, da die verwendeten Techniken den Gegner bei einem Treffer töten würden. Für ihn war der freie Kampf als feste Trainingseinheit in der Realität völlig nutzlos, da in seiner Karate-Auffassung der Sieg durch die psychologische Beherrschung der Situation entschieden wurde und nicht durch die Übung des Kämpfens an sich. - Diese traditionelle Methode des Kampfes lebte und übte der Meister ohne Unterlaß. Zu jeder Tageszeit war er voller Wachsamkeit gegenüber möglichen Angriffen und regisitrierte instinktiv jede Bewegung in seiner Umgebung. Er achtete darauf, unübersichtliches Gelände zu umgehen, hielt sich immer den Rücken frei und machte um Ecken einen großen Bogen. Selbst beim Essen hielt er die Eßstäbchen so, dass er sie sofort als Waffe benutzen konnte, sollte ihn jemand attackieren. Unaufmerksamkeit, mangelnde Konzentration, provokatives Verhalten und Unsensibilität waren mitunter das Schlimmste, was sich ein Schüler leisten konnte.<br />
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== Gründung des Shōtōkan ==<br />
Der sich immer weiter verbreitende japanische Nationalismus hatte zur Folge, dass man immer öfter versuchte, neu eingeführte Errungenschaften als kulturelles Eigentum zu deklarieren. Man begann fremdländische Begriffe zu japanisieren, fremdländische Traditionen an die japanische Mentalität anzupassen und ungeeignete Inhalte auszumerzen. Diese Entwicklung machte auch vor den Kampfkünsten nicht halt. Fast alle der alten [[Karate-Kata]] trugen chinesische Namen und die Schriftzeichen für ''karate'' selbst übersetzte man damals mit „chinesische Hand“ (''kara'' - chinesisch, ''te'' – Hand). Angesichts der andauernden Neuerungen machte Chomo Hanashiro 1905 schließlich den Vorschlag, die Schriftzeichen für ''kara'' („chinesisch“) mit ''kara'' („leer“) zu ersetzen. Doch die okinawanische Meister waren sich uneinig, ob sie dieser Veränderung zustimmen sollten. Erst als Funakoshi Gichin 1935 in seinem neuen Buch ''Karate-dō Kyohan'' diesen Wechsel eigenmächtig vornahm, akzeptierte man die neue Schreibweise. Funakoshi selbst bestreitet, dass seine neue Version der Schriftzeichen eine Ursache des japanischen Nationalismus sei. Ganz im Gegenteil sollte die Interpretation von ''karate'' als „Leere Hand“ die Inhalte dieser Kampfkunst betonen: „leer von Selbsucht und schlechten Gedanken, leer wie der hohle Bambus, der trotzdem gerade, biegsam und unzerbrechlich ist und ohne Sein des Selbst, gleichbedeutend mit der Wahrheit des Universums“.<br />
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Kurz nach diesen Neuerungen, die ohne Funakoshis Absicht später mit dazu führen sollten, dass das alte Erbe des okinawanischen ''karate'' verlorenging, war es dem Karate-Meister endlich möglich, 1936 ein richtiges ''dōjō'' zu eröffnen. Auf der Suche nach einem bezeichnenden Namen entschlossen sich die Schüler Funakoshis, das ''dōjō'' zu Ehren ihres Meisters „Shōtōkan“ zu taufen, da „Shōtō“ (Pinienrauschen) das Pseudonym ihres Lehrers war. Bald sprach man, wenn man Funakoshis Kampfkunst meinte, nur noch von „Shōtōkan-Karate“ und nur wenig später hatte sich die Bezeichnung ''[[shōtōkan ryū]]'' unter den Kampfkunstübenden Japans eingebürgert. Der Karate-Meister selbst jedoch weigerte sich, diese Kennzeichnung seiner Kampfkunst anzuerkennen, da es auf Okinawa gegen die Tradition verstieß, einen eigenen Stil zu gründen.<br />
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Zwei Jahre, nachdem der Shōtōkan eröffnet wurde, war die Anzahl der Schüler bereits so sehr gestiegen, dass Funakoshi sich im Jahr 1938 gezwungen sah, seinen Sohn [[Funakoshi Yoshitaka|Yoshitaka]] in die Trainingsführung mit einzubeziehen. Schon vorher hatten verschiedene fortgeschrittene Schüler dem Karate-Meister im Training geholfen, doch nun wurde Yoshitaka offiziell zum Hauptübungsleiter erklärt und mit einem Großteil der Verantwortung versehen (Tatsächlich war er seinem Vater noch nicht einmal Rechenschaft darüber schuldig, was er im Shōtōkan lehrte und veränderte.). Der Sohn des Meisters war ein paar Zentimeter größer als sein Vater, um einiges schwerer und ungeheuer stark. Auch war Yoshitaka technisch sehr talentiert und hatte offensichtlich ehe er von seinem Vater unterrichtet wurde, schon in Okinawa mit dem Karate-Training begonnen. Seine Schüler nannten ihn bald den „jungen Meister“, während Funakoshi selbst respektvoll als der „alte Meister“ gesehen wurde. Doch schon nach kurzer Zeit machten sich sowohl in der Trainingsführung als auch in der Lehre selbst zwischen den beiden Lehreren deutliche Unterschiede bemerkbar. Nachdem sein Vater 20 Jahre lang versucht hatte, ''karate'' getreu nach den Prinzipien seines Lehrers Yasutsune Itosu zu unterrichten, führte Yoshitaka bei seinen Schülern eine sehr kampfbetonte Version des ''karate'' ein, die sehr den Prinzipien des ''matsumura ryūs'' Azatos ähnelte. Yoshitaka war damit der allgemeinen Mentalität gefolgt und hatte zugunsten der Verbreitung des ''karate'' ein lang gehütetes okinawanisches Geheimnis an Japan preisgegeben.<br />
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Tatsächlich hatte des japanische Militär mit der Eroberung der Mandschurai 1932 angefangen, alle Kampfkunstschulen nach ihrer Effizienz in der Selbstverteidigung zu beurteilen. Der [[Butokukai]] hatte die Anweisung erhalten, Schulen, in denen keine „kriegstaugliche“ Kampfkunst unterrichtet wurde, nicht aufzunehmen und somit ihrer Legitimität zu berauben. Verständlicherweise befanden sich die japanischen Budō-Schulen dadurch in einem unerbittlichen Konkurrenzkampf, in dem der größte Rivale das okinawanische Karate war, den man mit allen Mitteln versuchte loszuwerden. Hätte Yoshitaka das ''karate'' des Shōtōkan zu diesem Zeitpunkt nicht schon abgeändert, wäre es gut möglich gewesen, dass der Butokukai das okinawanische Karate nicht akzeptiert und somit dem Untergang geweiht hätte. Von den Rivalitäten unter den Kampfkunstschulen Japans einmal ebgesehen, hatte Funakoshis Sohn ohnehin ein reges Interesse an den Atkivitäten des japanischen Militärs. In der Tat sollte Yoshitaka bis zu seinem Tod als inoffizieller Trainer von militärischen Eliteeinheiten, Kamikaze-Piloten und Spionagekommandos fungieren. Ohne das Wissen seines Vaters (nach Ansicht der meisten Geschichtsforscher, hatte Funakoshi tatsächlich keine Ahnung, wie sein Sohn hinter seinem Rücken die Ideale seines friedfertigen ''karates'' mit Füßen trat) hatten Yoshitaka und Egami Shigeru, einer seiner besten Schüler, sich auf Anfragen des Militärs bereiterklärt in der Nakano-Schule - einer Einrichtung zur Ausbildung von Geheimdienstmitarbeitern, Guerillakämpfern und militärischen Spionen - die kämpferische Ausbildung der dortigen Soldaten zu übernehmen.<br />
Ehe das Militär sich entschieden hatte, das ''shōtōkan ryū'' in ihr Trainingsprogramm mit aufzunehmen, war es Ueshiba Morihei gewesen, der sein ''[[aikidō]]'' als Nahkampfunterricht verwendete. Doch konnten die Schüler trotz der eigenen Stärke ihres Lehrers keine der gelernten Prinzipien effektiv einsetzen, und so musste man sich nach einer anderen Kampfkunst umschauen. Als die Wahl schließlich, nachdem andere Karate-stile wie das ''[[goju ryū]]'', ''[[wado ryū]]'' und ''[[shito ryū]]'' als nicht geeignet ausgeschieden waren, auf Yoshitakas ''karate'' fiel, brachte das dem Shōtōkan einen neuen Aufschwung. Yoshitaka und Egami hatten innerhalb kürzester Zeit ein damals hoch angesehenes Nahakmpfsystem für das Militär entwickelt und damit ihr Ansehen in der japanischen Bevölkerung unermesslich gsteigert. Heute verschweigt man diese dunkle Stelle in der Geschichte des Shōtōkan, doch war es in dieser Zeit, in der das Shōtōkan-Karate wie wir es heute kennen seinen Ursprung fand. Mit diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich zwischen den Idealen und Technikprinzipien von Vater und Sohn eine immer größer werdende Diskrepanz sichtbar machte. Nach der Einführung von Azatos Technikprinzipien in den Shōtōkan, hatte Yoshitaka schließlich auch damit begonnen, sein ''karate'' Stück um Stück so zu verändern, dass man es ohne Schwierigkeiten zur militärischen Ausbildung von Soldaten verwenden konnte. Meister Funakoshi war selbstverständlich mit dem ''karate'' seines Sohnes nicht einverstanden, doch immer mehr Schüler wollten von Yoshitkaka unterrichtet werden, und so musste der Meister diese Veränderungen wohl oder übel akzeptieren. Im Gegesatz zu Funakoshis Kata-Training, in dem nur selten freie Kämpfe gestattet waren, verwendete Yoshitaka - auch beeinflusst von der angespannten Atmossphäre der damaligen Vorkriegszeit - in seinem Unterricht den Kampf auf Leben und Tod (''shinken shobu'') als Basis für seine Techniken. Die friedfertigen Prinzipien der Verteidigung, wie sie Funakoshi lehrte, mussten aggressiven Angriffsmethoden weichen, in denen starke Fußtechniken eine große Rolle spielten. Die Stellungen Yoshitakas waren sehr viel tiefer und fester als die seines Vaters und suggerierten dem Gegenüber eine nahezu unerschütterliche Stärke. Selbst als Yoshitaka 1945 todkrank wurde und nicht mehr in der Lage war, das Training am Shōtōkan weiterzuführen, soll er sich gelegentlich doch immer wieder einen der fortgeschrittenen Schüler aus dem Training gegriffen haben, um gegen diesen zu kämpfen. Einige ältere Schwarzgurte des Shōtōkan erinnern sich, dass Yoshitaka diese Kämpfe immer mit offenen Händen bestritt und trotz seines geschwächten Zustands gefährliche Treffer landen konnte. Diese Auffassung sprach natürlich vor allem die neue Mentalität der jungen Japaner an und viele Schüler wechselten vom Vater zum Sohn.<br />
Doch Funakoshi hielt weiter an seiner Lehre fest und gestattete nur wenige Änderungen in seinem Trainingskonzept. Sein entschärftes ''karate'', das die gesundheitlichen Aspekte und die Ausbildung zu menschlichen Idealen in den Vordergrund stellte und keine der alten okinawanischen Kampfkunstkonzepte unterrichtete, stieß bei den Anhängern des freien Kampfes immer mehr auf Missfallen. Ein damaliger Schüler des Shōtōkan, Oyama Masutatsu, äußerte sogar einmal voller Unmut in aller Öffentlichkeit: „Funakoshi ist nicht in der Lage, etwas anderes außer Gymnastik zu unterrichten“. Mit der Zeit fielen immer mehr Schüler von ihm ab und später musste man die jungen Karateka sogar dazu zwingen, an „langweiligen“ Trainingen teilzunehmen, die nur aus der Übung der Kata bestanden.<br />
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Bis zu seinem Tod war Funakoshi Gichin dennoch der festen Überzeugung, dass ''karate'' als Wettkampf und Sport seine Werte verlieren würde. Für ihn waren die Kampfkünste ein Weg, sich selbst zu verbessern und durften nur im absoluten Notfall angewendet werden. Doch veränderten sich durch Yoshitakas Betonung des Kampfes die Techniken des ''karate'' allmählich und es entstanden Ideale und Prinzipien, die nur noch wenig mit Funakoshis ursprünglicher Lehre gemeinsam hatten.<br />
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== Kriegsjahre ==<br />
Seit 1938 hatte sich die Zahl von Yoshitakas Schülern immer weiter vergrößert und sein ''karate'' wurde in ganz Japan geübt. Als sich Japan schließlich 1940 mit dem Angriff auf Pearl Harbour in den Zweiten Weltkrieg einmischte bekam der kämpferische Stil Yoshitakas nochmals erneuten Aufschwung. Viele damalige Schüler des Shōtōkan kamen einzig mit dem Hintergund zu Yoshitaka, um sich mit einer Ausbildung im Nahkampf eine größere Überlebenschance zu sichern. Suzuki Tatsuo, ein damaliger Schüler Yoshitakas, erzählt, dass der drohende Tod dazu beitrug, dem Training einen vollständig anderen Charakter zugeben. Der realistische Zweikampf nahm den größten Teil eines Trainings ein und fast alle Schüler erkannten instinktiv, dass zwischen dem technischen Sieg über einen Partner und das Überleben gegen einen Gegner Welten lagen.<br />
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Gegen Ende des Krieges wurden sogar Frauen angewiesen, ''karate'' zu lernen, damit sie nach der drohenden Niederlage die amerikanische Besatzungsmacht bekämpfen konnten Meister Funakoshi erzählte von diesen Tagen: „Oft hörte ich einen jungen Mann sagen, während er sich vor mir niederkniete: 'Sensei, ich wurde zum Militär gerufen und muß gehen, um meinem Land und meinem Kaiser zu dienen.' Jeden Tag hörte ich meine Schüler in dieser Weise reden. Sie hatten unermüdlich Tag für Tag Karate geübt. Viele taten es nur, um sich auf den Krieg vorzubereiten, und sie glaubten, sie wären bereit...Natürlich starben die meisten im Kampf - so viele, daß ich sie nicht mehr zählen konnte. Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde brechen, als ich eine Nachricht nach der anderen bekam, die mir vom Tod so vieler vielversprechender junger Mäneer berichtete. Dann stand ich allein im Dojo, widmete der Seele der dahingegangenen ein Gebet und erinnerte mich an die Tage, an denen er so fleißig Karate geübt worden hat.“ Funakoshi sah diese Entwicklung als einen Verrat an der Lehre des ''karate'' an, doch konnte er sie nicht mehr auffhalten und musste voller Enttäuschung mit ansehen, wie seine Kampfkunst allmählich verloren ging.<br />
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Als das Shōtōkan-Dōjō 1945 dann während eines Luftangriffs auf [[Tōkyō]] völlig zerstört wurde und kurz darauf Funakoshis Sohn Yoshitaka an Tuberkulose starb, war dies das vorläufige Ende der Shōtōkan-Bewegung. Die US-Streitkräfte hatten Tōkyō und [[Okinawa]] fast vollständig eingeäschert und kaum einer dachte noch daran, ''karate'' zu üben. Schließlich beschloss Funakoshi, nach 23 Jahren der Trennung, Japan den Rücken und zu seiner Frau zurück zu kehren. Vor dem Angriff der Amerikaner auf Okinawa hatte man jedoch einen Großteil der dortigen Bevölkerung evakuiert und in Flüchtlingslager in verschiedenen Provinzen gebracht. Nach kurzer Suche fand Funakoshi seine Frau schließlich in einem Lager in Oite in der Provinz [[Kyushu]] und reiste ihr nach. Trotz Ende des Krieges war es den beiden nicht möglich in ihre Heimat zurückzukehren, und so mussten sie zusammen mit einigen weiteren Kriegsflüchtlingen ihr Leben in bitterster Armut fristen.<br />
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Als jedoch 1947 auch noch Funakoshis Frau starb, wusste sich der Meister nicht anders zu helfen und kehrte nach Tōkyō, seiner einzigen Anlaufstelle, zurück. Bis 1948 lebte er völlig abgeschottet von der Außenwelt bei seinem ältesten Sohn Yoshihide. Die Beziehung zwischen den beiden war sehr kompliziert und obwohl Yoshihide schon lange vor seinem Vater nach Japan ausgewandert war, standen die beiden bis dahin kaum miteinander in Kontakt. Zwar hatte Yoshihide selbst auch ''karate'' geübt und unterrichtete sogar eine Zeit lang am Shōtōkan, doch hatten sein schlechter Umgang und seine hohen Spielschulden dazu geführt, dass er sich mit seinem strengen Vater überwarf. Die Tatsache, dass sich sein Sohn immer wieder das Geld seiner Schüler lieh und es nie zurückzahlte, brachte soviel Unruhe in den Shōtōkan, dass Funakoshi sich gezwungen sah, ein ernstes Wort mit Yoshihide zu sprechen. Schon nach einem Jahr hatte der Idealismus des Meisters jedoch über die erfahrenen Verluste gesiegt und Funakoshi begann wieder an den Universitäten von Keijo und Waseda zu unterrichten. Dort hatten einige Übungsleiter (Egami, Hironishi und Noguchi) des ehemaligen Shōtōkan eine größere Gruppe von Schülern versammelt und lehrten Yoshitakas ''karate''. Erneut war die Diskrepanz zwischen Funakoshis und Yoshitakas Lehre deutlich zu sehen. Nur wenige Schüler nahmen freiwillig an den Trainingen des alten Meisters teil, und hätte man dieses Training nicht als Pflichtübung für die nächste Gürtelprüfung angesetzt, hätte Funakoshi bald keine Schüler mehr gehabt. Doch trotz dieser Tatsache war Funakoshi Gichin immer noch der bedeutendste und anerkannteste Karate-Meister jener Zeit. Bei einer großen Budō-Gala in Tōkyō 1954, erhielt der 86jährige Funakoshi nach seiner Karate-Demonstration stehende Ovationen. Dennoch war Meister Funakoshis ''karate'' zu diesem Zeitpunkt schon ohne echte Erben. Noch zu seinen Lebzeiten gab es keinen Schüler, der sich an die alten Prinzipien seines Meisters hielt. Statt dessen waren nach dem Krieg an den Universitäten, an denen Funakoshi unterrichtet hatte, viele Splittergruppen des Shōtōkan entstanden, die sich gegenseitig bekämpften und als alleinige Erben des Karate-Meisters bezeichneten. Meister Nango schrieb über dieses Desaster in seinem Buch: „Meister Funakoshi hinterließ das Shotokan ryu, doch seltsam daran ist, daß keiner in diesem Stil die Technik korrekt weitergegeben hat - wahrhaftig keiner. Am Ende von Meister Funakoshis Leben hatten seine Schüler alle Techniken verändert. Sein gesamtes Karate ist verändert worden, als wäre sein eigener Eindruck verschwunden. Alles was blieb, ist der Name Shotokan und die Namen, die er den alten Kata gab...Ich kann mir die Traurigkeit vorstellen, die er am Ende seines Lebens empfunden haben muß, als er sah, daß die Techniken, die er so lange Zeit hindurch weitergeben wollte, verloren war.“<br />
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== Funakoshi und die JKA ==<br />
Im Jahr 1946 kehrte Masatoshi Nakayama, ein Schüler der dritten Generation von Meister Funakoshi, aus [[China]] zurück. Er hatte in der [[Mandschurai]] für die Regierung gearbeitet und sich zusätzlich mit den [[Chinesische Kampfkunst|chinesischen Kampfkünsten]] (Kempo) beschäftigt. Bei seiner Ankunft in Japan musste er feststellen, dass das Shōtōkan-Karate wie er es kannte, durch den Einfluss Yoshitaka Funakoshis bedeutende Veränderungen erfahren hatte, und er begann unter Minoru Miyata, einem Schüler Yoshitakas, das neue Konzept zu erlernen.<br />
Schon nach kurzer Zeit startete Nakayama an der Takushoku-Universität den Versuch, ''karate'' als Wettkampfsport tauglich zu machen. Er begeisterte einige Meister des Shōtōkan, unter anderem Hidetaka Nishiyama und Isao Obata, für seinen Plan und gründete schließlich 1949 die [[Japan Karate Association]] (JKA). Mit Hilfe dieser Organisation wollten die Meister ein Konzept ausarbeiten, mit dem Karate-Wettkämpfe abgehalten und die verschiedenen Gruppen des Shōtōkan an den Universitäten vereint werden konnten. Als man jedoch beschloss, dass Karate nicht mehr unentgeldlich unterrichtet werden sollte, verließen viele Meister die JKA und suchten bei Egami Shigeru an der Waseda-Universität Unterstützung. Der Altmeister war mit den Plänen Nakayamas von Anfang an nicht einverstanden und kritisierte immer wieder die Verbandsmentalität und das Machtstreben der JKA. Als Nakayama Funakoshi 1949 um Zustimmung zu seinen Wettkampfregeln bat, verweigerte der Meister diese und wies darauf hin, dass diese Veränderungen die alten Inhalte des ''karate'' endgültig zerstören würden. Doch für die JKA war Funakoshi nur noch ein alter wehrloser Mann, dessen guten Ruf man zu eigennützigen Zwecken missbrauchen konnte, und so überhörten sie die Warnung des Karate-Meisters. Schließlich isolierte man alle Karate-Schulen um Funakoshi Gichin und Shigeru Egami, die sich weiterhin weigerten, Mitglied in der JKA zu werden und erteilte ihnen an allen JKA angeschlossenen Schulen Trainingsverbot. Funakoshi selbst wurde - da sein Name in der Karate-Welt immer noch von Bedeutung und daher werbeträchtig war - ohne seine Zustimmung zum Ehrenausbilder ernannt, und man verwendete weiterhin die Bezeichnung Shōtōkan-Karate. Mit diesen letzten Schritten hatte man das alte okinawanische Karate, wie es Funakoshi gelehrt hatte, endgültig aus der offiziellen Karate-Welt verbannt.<br />
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== Funakoshis Lehre ==<br />
Obwohl Funakoshi Gichin eigentlich von Meister [[Azatō Yasutsune|Azatō]] unterrichtet wurde und bei Meister [[Itosu Yasutsune|Itosu]] nur Gastschüler war, prägte doch Itosu den größten Teil seines ''karate''. Selbst in den ''[[Kata (Form)|kata]]'', die Funakoshi später unterrichtete, ist der Einfluss Azatōs nur schwer wieder zu finden. Statt dessen ließ der Meister in seinem Unterricht sowohl die Itosu-Versionen der ''[[naihanchi]]'', ''[[passai]]'', ''[[chintō]]'', ''[[jion]]'' und ''[[jitte]]'' als auch die von Itosu gegründeten Pinan-Kata üben. Auch die kämpferischen Prinzipien Azatos ''matsumura ryūs'' wurden nie offiziell verwendet. Und doch betonte Funakoshi immer wieder, dass „der größte Teil meines Wissens über Karate auf dem Unterricht beruht, den ich von Azato erhielt.“ <br />
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Bis zu seinem Tod lehrte Funakoshi Gichin getreu nach den Prinzipien von Itosus ''[[shurite]]''. Der Unterricht des Meisters basierte im wesentlichen auf der Übung von 15 ''kata'', deren Studium (''[[bunkai]]''), Anwendung (''[[ōyō]]'') und dem Training in der Grundschule (''[[kihon]]'') und am ''[[makiwara]]''. Den Wettkampf lehnte er von Anfang an ab, da er seiner Meinung nach die Werte des ''karate'' verriet und im klaren Gegensatz zu seiner Lehre stand: „Im Karate gibt es keinen ersten Angriff“ (''karate ni sente nashi''). Vor allem das ''bogu kumite'' - ein Vollkontakt-Kampf, bei dem Schutzkleidung verwendet wurde - war Funakoshi verhasst, da es einen vollkommenen Wertverlust der Techniken und gleichzeitig der geistigen Aspekte des ''karate'' zur Folge hatte.<br />
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Ichizo Otake, ein Schüler Funakoshis, erzählte einmal:<br />
:„Eines Tages habe ich den Zorn des Meisters erregt. Zu jener Zeit begann ich mit einigen Schülern, Karate mit Schutzausrüstung zu üben. Meine Kollegen erzählten mir, daß Meister Funakoshi darüber sehr wütend war und vorhatte, uns aus seinem Dôjô auszuschließen. Ich suchte ihn auf, und als ich ihn daraufhin ansprach, sagte er ganz ruhig: 'Ich bin nicht überrascht, daß gerade du mit der Kata unzufrieden bist. Dies ist so, weil du keine Selbstdisziplin besitzt. Im Karate bezeichnet der Kampf - wie in allen Budō-Disziplinen - einen Kampf auf Leben und Tod (Shinken-shobu). Das Boxen ist als Sport gedacht und führt zu einem anderen Ergebnis. Wenn ihr mit Schutzausrüstungen übt, wird Karate zum Wettkampf, und ein Weg ist nicht mehr möglich.' Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: 'Ich denke, daß auch die Übung mit Schutzausrüstung ihre guten Seiten hat und daß es sich lohnt, sie zu studieren. Wenn es das ist, was du willst, dann gehe zum Kempô in die Todai. Doch verwechsle diese Methode nicht mit Karate.' Erst viel später verstand ich, was Meister Funakoshi damit meinte.“<br />
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Neben der rein körperlichen Ausbildung spielte in der traditionellen Lehre Funakoshis auch das Streben nach menschlichen Idealen eine große Rolle. Viele seiner Schüler verließen ihn, weil sie mit Funakoshis Kritik an ihrer Person nicht zurecht kamen und in der Entwicklung eines feinen Charakters keinen Sinn sahen. Statt ihrer Übung einen Sinn zu geben, um auch geistige Werte zu erziehen, strebten viele nach persönlichem Ruhm und Prestige. Die traditionelle Lehre ''hito kata sannen'' (mindestens drei Jahre für eine Kata) unter der Funakoshi selbst noch trainierte war für den Karate-Meister in Japan nicht mehr möglich in die Tat umzusetzen, da das ''karate'' zunehmend als Sport und nicht mehr als persönlicher Lebensweg betrachtet wurde. Eine ''kata'' zu studieren und mit ihr das Verständnis für die eigene Technik zu vertiefen, war geradezu verpönt. Bereits 1922 schrieb Funakoshi dazu in seinem Buch ''Ryukyu kempo karate'': „Die alten Meister hatten nur ein kleines Feld, doch sie pflügten tiefe Furchen. Heutige Schüler haben ein großes Feld, doch sie pflügen flache Furchen.“<br />
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Schon zu Beginn seines Unterrichts in Japan war sich der Karatemeister bewusst, dass die alten Lehren dieser Kampfkunst wie sie jahrhundertelang überliefert wurde nicht übertragen werden können. Dennoch versuchte er sein ganzes Leben, ''karate'' als Weg ([[dō (Weg)|''dō'']]) zu unterrichten und seinen unschätzbaren Wert an einen würdigen Erben weiterzugeben. Im Laufe der Jahre stellte er 20 Leitsätze auf, die sogenannte ''[[shōtō nijukun]]'', die seinen Schülern als Richtlinien und Hilfe für die Übung dieses Weges dienen sollten und die Ideale des ''karate'' in kurze Worte fasste:<br />
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# KARATE DÔ WA REI NI HAJIMARI, REI NI OWARU KOTO WO WASURUNA <br /> - Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt.<br />
# KARATE NI SENTE NASHI <br /> - Im Karate macht man nicht die erste Bewegung.<br />
# KARATE WA GI NO TASUKE <br /> - Karate ist ein Helfer der- Gerechtigkeit.<br />
# MAZU JIKÔ WO SHIRE, SHIKOSHITE TAO WA SHIRE <br /> - Erkenne dich selbst zuerst, dann den anderen.<br />
# GIJUTSU YOI SHINJUTSU <br /> - Intuition ist wichtiger als Technik.<br />
# KOKORO WA HANATAN KOKO WO YOSU <br /> - Lerne deinen Geist zu kontrollieren und befreie ihn erst danach.<br />
# WAZAWAI WA GETAI NI SHOZU <br /> - Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.<br />
# DÔJÔ NOMINO KARATE TO OMOU NA <br /> - Glaube nicht, daß Karate nur im Dôjô stattfindet.<br />
# KARATE NO SHÛGYÔ WA ISSHÔ DE ARU <br /> - Karate üben, heißt ein Leben lang zu arbeiten; darin gibt es keine Grenzen.<br />
# ARAI YURU MONO WO KARATE KA SEYO, SOKO NI MYO MI ARI <br /> - Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, dann wirst du „Myo“ finden.<br />
# KARATE WA YU NO GOTO SHI TAEZU NETSUDO WO ATAEZAREBA MOTO NO MIZU NI KAERU <br /> - Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht beständig erwärmst.<br />
# KATSU KANGAE WA MOTSU NA MAKENU KANGAE WA HITSUYO <br /> - Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.<br />
# TEKKI NI YOTTE TENKA SEYO <br /> - Verändere deine Verteidigung gegenüber dem Feind.<br />
# TATTAKAI WA KYO JITSU NO SOJU IKAN NI ARI <br /> - Der Kampf entspricht immer deiner Fähigkeit, mit Keyo und Jitsu umzugehen (Keyo - unbewacht, Jitsu - bewacht).<br />
# HITO NO TE ASHI WO KEN TO OMOE <br /> - Stelle dir deine Hand und deinen Fuß als Schwert vor.<br />
# DANSHI MON WO IZUREBA HYAKUMAN NO TEKKI ARI <br /> - Wenn du den Ort verläßt, an dem du zu Hause bist, machst du dir zahlreiche Feinde. Ein solches Verhalten lädt dir Ärger ein.<br />
# KAMAE WA SHOSHINSHA NI ATO WA SHIZENTAI <br /> - Anfänger müssen alle Haltungen ohne eigenes Urteil annehmen, um danach einen natürlichen Zustand des Verstehend zu erreichen.<br />
# KATA WA TADASHIKU JISSEN WA BETSU MONO <br /> - Die Kata muß ohne Veränderung korrekt ausgeführt werden, im wirklichen Kampf gilt das Gegenteil.<br />
# CHIKARA NO KYOJAKU (HART UND WEICH) KARADA NO SHINSHUKU (SPANNUNG UND ENTSPANNUNG) WAZA NO KANKYU WO WASARUNA (LANGSAM UND SCHNELL) - alles in Verbindung mit der richtigen Atmung.<br />
# TSUNE NI SHINEN KUFU SEYO <br /> - Erinnere dich und denke immer an Kufu - lebe die Vorschriften jeden Tag.<br />
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== Funakoshis Bücher ==<br />
Meister Funakoshi hatte sich schon früh entschlossen, seine Lehren in Büchern zu veröffentlichen, um sie der ganzen Kampfkunstwelt zugänglich zu machen. Insgesamt schrieb er fünf Bücher und bis auf eines befassen sich alle ausschließlich mit der technischen Seite des Karate. Bereits 1922, kurz nachdem Funakoshi nach Japan gezogen war, konnte der Meister mit hilfe einiger Anhänger sein erstes Buch veröffentlichen. Es trug den Titel „Ryukyu Kempo Karate“, hatte etwa 300 Seiten und enthielt im Wesentlichen eine Beschreibung der 15 Karate-Kata Funakoshis. Das Interessante an diesem Buch waren die zahlreichen Vorworte verschiedener bedeutender Persönlichkeiten Japans, die sich über die Vorteile dieser neuen Kampfkunst aus Okinawa äußerten. Leider waren die Abbildungen der einzelnen Techniken nur undeutlich gezeichnet und daher nicht verwertbar. Doch schon allein die Tatsache, dass es das erste japanische Buch war, das über ''karate'' veröffentlicht wurde, machte es zur begehrten Literatur. <br />
Unglücklicherweise wurden die Druckplatten bei dem [[Großes Kantō-Erdbeben|großen Erdbeben]] 1923 zerstört, so dass diese Ausgabe nie wieder aufgelegt werden konnte. Aus diesem Grund präsentierte Funakoshi schon wenig später (1925) eine überarbeitete Version seines Werkes unter dem Titel „Rentan Goshin Karate Jutsu“. Auch diese Neuauflage beschäftigt sich – von einigen Erläuterungen zu Würfen abgesehen – fast ausschließlich mit den 15 Kata des Shōtōkan-Karate. Doch waren die Illustrationen und Fotos der einzelnen Techniken von viel besserer Qualität als drei Jahre zuvor, und auch Funakoshi hatte in dieser Zeit sein ''karate'' verfeinert. Seine Techniken waren viel natürlicher und der Meister hatte eine Ausstrahlung entwickelt, die selbst auf den Fotos noch wirkte.<br />
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1935 veröffentlichte Funakoshi dann ein Buch, das allgemein für etwas Aufregung sorgte: „Karate-dō Kyohan“. Der Meister hatte die Schriftzeichen für ''karate'' so verändert, dass sie nun nicht mehr mit „chinesische Hand“, sondern mit „leere Hand“ übersetzt werden mussten. Viele Kampfkunstmeister standen diesem Austausch skeptisch gegenüber, aber es dauerte nicht lange, bis diese Schriftzeichen als allgemeiner Standard akzeptiert wurden. Auch der Inhalt des Buches selbst zeigte einige Veränderungen auf. Obwohl die Bücher von Meister Funakoshi immer die 15 Shōtōkan-Kata getreu ihres Ursprungs zeigten, während sein Sohn sie im Laufe der Zeit immer mehr veränderte, bewirkten diese Neuerungen Yoshitakas auch bei dem Karate-Meister selbst eine Entwicklung. So beinhaltete sein Werk neben den Erläuterungen zu den 15 Kata dieses Mal auch einige Techniken und Beschreibungen zur Selbstverteidigung gegen Schwert, Messer und Stock aus einer sitzenden Position und Beispiele für abgesprochene [[Kumite]]-Kombinationen. Die zweite Auflage dieses Buches sollte erst 1958, ein Jahr nach dem Tod des Meisters erscheinen. Da Funakoshi damals schon zu alt war, um die einzelnen Bewegungen der ''kata'' zu demonstrieren, ist fast auf allen Bildern der Schüler seines Sohnes, Shigeru Egami zu sehen. Bei einem Vergleich der Abbildungen in den anderen Büchern des Meisters, wird die große Diskrepanz zwischen Funakoshis Shōtōkan-Karate und dem ''[[shōtōkan ryū]]'' wie wir ihn heute kennen klar ersichtlich. Die Techniken des Meisters waren alle viel kürzer, die Stellungen um einiges höher und die Hüft- sowie Beinbewegungen weniger ausgeprägt als es bei Egami der Fall war, der fast vollständig das ''karate'' Yoshitakas übte.<br />
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Kurz vor seinem Tod veröffentlichte Funakoshi noch eine Autobiographie mit dem Titel „Karate-dō Ichi-rō“, doch sind viele Geschichten und Fakten die der Meister nennt, entweder falsch oder ungenau, was wohl auf sein Alter und schlechtes Erinnerungsvermögen zurückzuführen ist. Das letzte Buch von Funakoshi Gichin „Karate-dō Nyumon“ stammt nicht von dem Meister selbst, sondern wurde von seinen Schülern aus seinem Nachlass zusammengestellt und zu Ehren ihres Lehrers veröffentlicht.<br />
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== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' | <br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Okinawa Karate''. Sportverlag Berlin 1997.<br />
* Werner Lind: ''Ostasiatische Kampfkünste. Das Lexikon''. Sportverlag Berlin 1996.<br />
* John Stevens: ''Three Budō Masters''. Kodansha International.<br />
* Julia Karzau: ''Drei Meister des Budo''. Sportverlag Berlin 1998.<br />
* Funakoshi Gichin: ''Karate-do - Mein Weg''. Kristkeitz, 1986.<br />
* Funakoshi Gichin: ''Karate-do Kyohan''. Kodansha.<br />
* Tokitsu Kenji: ''Histoire du Karate-do''. Editions SEM.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Karate-Lehrer (Asien)]]<br />
[[Kategorie: Karate-Lehrer (Okinawa)]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Karate_wa_gi_no_tasuke&diff=15889Karate wa gi no tasuke2014-09-22T23:23:28Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
<br />
'''Karate wa gi no tasuke''' (jap.: 空手は義の 補け) ist ein Leitsatz (''[[kaisetsu]]'') aus Meister [[Funakoshi Gichin]]s ''[[shōtō nijūkun]]'', bzw. ''[[karatedō nijūkkajō]]''. Er bedeutet „Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit“ und bezeichnet, dass die Übung der Kampfkünste einen Geist entwickelt, der im Alltag der Gerechtigkeit dient. Nachfolgende Interpretationen stammen von ''sensei'' Werner Lind.<br />
<br />
==Erklärung==<br />
Der Gerechtigkeit ist nicht genüge getan, wenn die Gesetze das Denken ersetzen, sondern erst wenn das Gesetz durch Nachdenken verstanden wird. Ein guter Bürger achtet jedoch die Gesetze, auch wenn sie manchmal seinem persönlichen Rechtsempfinden widersprechen. Sie sind es, die im übergeordneten Bereich das menschliche Zusammenleben ermöglichen. Ohne sie wären die Strukturen der Gesellschaft gefährdet und die zwischenmenschlichen Beziehungen zerrissen. Ihr Nichtachten stört die Ordnung und vermindert die Lebensqualität.<br.>Doch oft haben die Menschen kein eigenes Rechtsempfinden, sondern vertreten unüberprüft die Gesinnung ihrer Kaste. Eigenes Rechtsempfinden entsteht erst dort, wo der Mensch über die Gesetzesregeln hinaus ein gerechtes Verhalten entwickelt, dem gegenüber er zur Verantwortung bereit ist. Unreife Menschen werden auch durch das Gesetz nicht gerecht, da ihr Rechtsempfinden um ihr Ich kreist, das keine Kompromisse verträgt.<br.>Deshalb gibt es keine Gerechtigkeit durch das bloße Befolgen der Gesetze. Die Gesetze sind nur das Schema, in dem die menschliche Feinabstimmung nicht fehlen darf. Diese liegt im Bereich der inneren Fähigkeiten jedes einzelnen. Sie bedarf der Entdeckung und der Pflege des rechten Menschen weit über das intellektuelle Verständnis hinaus.<br.>Das Gesetz allein, ohne persönliches Gewissen, erzeugt eine gefährliche Lebensgesinnung. Diese verhärtet sich im Glauben an ein ewiges Rechthaben, das sich durch gekaufte Rechtsinterpreten jederzeit theoretisch beweisen lässt. Damit ist der Gerechtigkeit nicht gedient, denn hinter dem Menschen mit der ewig weißen Weste kann sich alles mögliche verbergen. Gerechtigkeit besteht oft darin, eher Unrecht zu leiden, als Unrecht zu tun.<br.>Das Rechtsempfinden bedarf des reifen Denkens, das nicht durch das Studium der Gesetze, sondern durch die Selbsterkenntnis kommt. Es steht nie bedingungslos im Zeichen irgendeiner Regel, sondern bewahrt sich immer die Freiheit zum eigenen Entscheiden in der gegenwärtigen Situation. Das Gesetz kann der Entscheidung helfen, doch es kann sie nicht ersetzen.<br />
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===Beispiele aus dem Leben===<br />
awergaerg<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Dōjōkun]] | [[Kaisetsu]] | [[Gichin Funakoshi]] | [[Shōtō nijūkun]] | [[Karatedō nijūkkajō]]<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
<br />
* [[Funakoshi Gichin]]: ''Karatedō - Mein Weg'', Kristkeitz 1986.<br />
* [[Richard Kim]]: ''The Weaponless Warriors'' (engl.), 1974, ISBN 978-0-89750-041-8<br />
* Richard Kim: ''Die waffenlosen Krieger'' (deutsch), BSK-Archiv<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man'' (engl.), 2009 | ISBN 978-0-920129-01-2<br />
* Richard Kim: ''Der klassische Mann'' (deutsch), BSK-Archiv.<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man 2'' (engl.), Don Warrener, 2009 | ISBN 978-1-897307-26-7<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man 3'' (engl.), Don Warrener, 2009 | ISBN 978-1-897307-27-4<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Budo - Der geistige Weg der Kampfkünste.'' Scherz 1991.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2006.<br />
* Werner Lind: ''Budo - Der klassiche Weg.'' BSK 2015.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Shōtō nijūkun]]<br />
[[Kategorie: Karatedō nijūkkajō]]<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]<br />
[[Kategorie: Kaisetsu]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Karate_wa_gi_no_tasuke&diff=15888Karate wa gi no tasuke2014-09-22T23:22:48Z<p>Werner Lind: /* Literatur */</p>
<hr />
<div>'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
<br />
'''Karate wa gi no tasuke''' (jap.: 空手は義の 補け) ist ein Leitsatz (''[[kaisetsu]]'') aus Meister [[Funakoshi Gichin]]s ''[[shōtō nijūkun]]'', bzw. ''[[karatedō nijūkkajō]]''. Er bedeutet „Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit“ und bezeichnet, dass die Übung der Kampfkünste einen Geist entwickelt, der im Alltag der Gerechtigkeit dient. Nachfolgende Interpretationen stammen von ''sensei'' Werner Lind.<br />
<br />
==Erklärung==<br />
Der Gerechtigkeit ist nicht genüge getan, wenn die Gesetze das Denken ersetzen, sondern erst wenn das Gesetz durch Nachdenken verstanden wird. Ein guter Bürger achtet jedoch die Gesetze, auch wenn sie manchmal seinem persönlichen Rechtsempfinden widersprechen. Sie sind es, die im übergeordneten Bereich das menschliche Zusammenleben ermöglichen. Ohne sie wären die Strukturen der Gesellschaft gefährdet und die zwischenmenschlichen Beziehungen zerrissen. Ihr Nichtachten stört die Ordnung und vermindert die Lebensqualität.<br.>Doch oft haben die Menschen kein eigenes Rechtsempfinden, sondern vertreten unüberprüft die Gesinnung ihrer Kaste. Eigenes Rechtsempfinden entsteht erst dort, wo der Mensch über die Gesetzesregeln hinaus ein gerechtes Verhalten entwickelt, dem gegenüber er zur Verantwortung bereit ist. Unreife Menschen werden auch durch das Gesetz nicht gerecht, da ihr Rechtsempfinden um ihr Ich kreist, das keine Kompromisse verträgt.<br.>Deshalb gibt es keine Gerechtigkeit durch das bloße Befolgen der Gesetze. Die Gesetze sind nur das Schema, in dem die menschliche Feinabstimmung nicht fehlen darf. Diese liegt im Bereich der inneren Fähigkeiten jedes einzelnen. Sie bedarf der Entdeckung und der Pflege des rechten Menschen weit über das intellektuelle Verständnis hinaus.<br.>Das Gesetz allein, ohne persönliches Gewissen, erzeugt eine gefährliche Lebensgesinnung. Diese verhärtet sich im Glauben an ein ewiges Rechthaben, das sich durch gekaufte Rechtsinterpreten jederzeit theoretisch beweisen lässt. Damit ist der Gerechtigkeit nicht gedient, denn hinter dem Menschen mit der ewig weißen Weste kann sich alles mögliche verbergen. Gerechtigkeit besteht oft darin, eher Unrecht zu leiden, als Unrecht zu tun.<br.>Das Rechtsempfinden bedarf des reifen Denkens, das nicht durch das Studium der Gesetze, sondern durch die Selbsterkenntnis kommt. Es steht nie bedingungslos im Zeichen irgendeiner Regel, sondern bewahrt sich immer die Freiheit zum eigenen Entscheiden in der gegenwärtigen Situation. Das Gesetz kann der Entscheidung helfen, doch es kann sie nicht ersetzen.<br />
<br />
===Beispiele aus dem Leben===<br />
awergaerg<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Dōjōkun]] | [[Kaisetsu]] | [[Gichin Funakoshi]] | [[Shōtō nijūkun]] | [[Karatedō nijūkkajō]]<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
<br />
* [[Funakoshi Gichin]]: ''Karated - Mein Weg'', Kristkeitz 1986.<br />
* [[Richard Kim]]: ''The Weaponless Warriors'' (engl.), 1974, ISBN 978-0-89750-041-8<br />
* Richard Kim: ''Die waffenlosen Krieger'' (deutsch), BSK-Archiv<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man'' (engl.), 2009 | ISBN 978-0-920129-01-2<br />
* Richard Kim: ''Der klassische Mann'' (deutsch), BSK-Archiv.<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man 2'' (engl.), Don Warrener, 2009 | ISBN 978-1-897307-26-7<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man 3'' (engl.), Don Warrener, 2009 | ISBN 978-1-897307-27-4<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Budo - Der geistige Weg der Kampfkünste.'' Scherz 1991.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2006.<br />
* Werner Lind: ''Budo - Der klassiche Weg.'' BSK 2015.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Shōtō nijūkun]]<br />
[[Kategorie: Karatedō nijūkkajō]]<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]<br />
[[Kategorie: Kaisetsu]]</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Karated%C5%8D_nij%C5%ABkkaj%C5%8D&diff=15887Karatedō nijūkkajō2014-09-22T23:09:44Z<p>Werner Lind: </p>
<hr />
<div>'''Artikel aus:''' [[Lexikon der Kampfkünste]]<br.>'''Nachbearbeitet von:''' [[Benutzer:Stephanie Kaiser|Stephanie Kaiser]]<br />
<br />
'''Karatedō nijūkkajō''' (jap.: 空手道二十ヶ条), die zwanzig Paragraphen (''[[kaisetsu]]'') des ''karatedō'' wurden um das Jahr 1930 von [[Funakoshi Gichin]] verfasst und 1938 zum ersten Mal in der Veröffentlichung „Karatedō Taikan“ ("Überblick über das Karatedō") von [[Nakasone Genwa]] publiziert. Sie sind auch unter dem Titel ''[[shōtō nijūkun]]'' (zwanzig Regeln des ''[[shōtō]]'') bekannt.<br.>Sie existieren heute in zum Teil voneinander abweichenden Schreibungen und Aussprachen, was ihre Übersetzung und ihr Verständnis mitunter erschwert. Die hier verwendete Schreibung entspricht im Wesentlichen der des "Karatedō Taikan", die weiterführenden Übersetzungen wurden von ''sensei'' [[Werner Lind]] philosophisch interpretiert und dem westlichen Verständnis zugänglich gemacht.<br />
<br />
* 空手道は禮に始まり、禮に終る事を忘るな。<br />
: '''[[Karatedo wa rei ni hajimari rei ni owaru koto o wasuru na]]''' - Karate beginnt und endet mit Respekt.<br />
: '''Original:''' vergiss nicht, dass ''karatedō'' mit Höflichkeit beginnt und mit Höflichkeit aufhört.<br />
* 空手に先手なし。<br />
: '''[[Karate ni sente nashi]]''' - im ''karate'' gibt es keinen ersten Angriff.<br />
: '''Original:''' : es gibt im ''karate'' kein Zuvorkommen.<br />
* 空手は義の補け。<br />
: '''[[Karate wa gi no tasuke]]''' - Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit.<br />
: '''Original:''' Karate unterstützt die Gerechtigkeit.<br />
<br />
'''Folgendes auf diese Weise setzen (keine Überstriche).'''<br />
<br />
4. '''[[Mazu jiko o shire shikoshite hoka o shire]]''' - erkenne dich selbst zuerst, dann den anderen.<br />
<br />
Original: erkenne zuerst dein Selbst, dann den anderen.<br />
<br />
先づ自己を知れ而して他を知れ。<br />
<br />
5. '''[[Gijutsu yori shinjutsu]]''' - Intuition ist wichtiger als die Technik.<br />
<br />
Original: die Kunst des Herzens kommt vor der Kunst der Technik.<br />
<br />
技術より心術。<br />
<br />
6. '''[[Kokoro wa hanatan koto o yosu]]''' - kontrolliere zuerst deinen Geist und befreie ihn danach.<br />
<br />
Original: Es ist notwendig, dass eigene Herz frei zu machen.<br />
<br />
心は放たん事を要す。<br />
<br />
7. '''[[Wazawai wa ketai ni shozu]]''' - Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.<br />
<br />
Original: Unheil entsteht durch Nachlässigkeit.<br />
<br />
禍は懈怠に生ず。<br />
<br />
8. dojo no mi no karate to omou na - Karate findet nicht nur im dōjō satt.<br />
<br />
Original: Denke nicht nur im dōjō an Karate.<br />
<br />
道場のみの空手と思うな。<br />
<br />
9. karate no shugyo wa issho dearu - die Übung des Karate geht ein Leben lang.<br />
<br />
Original: Die Übung des Karate geht ein Leben lang.<br />
<br />
空手の修業は一生である。<br />
<br />
10. arayuru mono o karate kasase yo, soko ni myomi ari - verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, dann wirst du „myō“ finden.<br />
<br />
Original: Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, das ist der Zauber der Kunst.<br />
<br />
凡ゆるものを空手化せよ、其處に妙味あり。<br />
<br />
11. karate wa yu no gotoshi, taezu netsu o atahezareba moto no mizu ni kaheru - wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig erwärmst.<br />
<br />
Original: Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig wärmst.<br />
<br />
空手は湯の如し、絶えす熱度を與へざれば元の水に還へる<br />
<br />
12. katsu kangahe wa motsu na, makenu kangahe wa hitsuyo - denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst. Original: Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.<br />
<br />
勝つ考へはもつな、負けぬ考へは必要。<br />
<br />
13. teki ni yotte tenka seyo - passe deine Haltung deinem jeweiligen Gegner an.<br />
<br />
Original: Wandle dich entsprechend deinem jeweiligen Gegner.<br />
<br />
敵に因って轉化せよ。<br />
<br />
14. ikusa wa kyojitsu no soju ikan ni ari - der Kampf entspricht deiner Fähigkeit mit strak und schwach umzugehen.<br />
<br />
Original: der Kampf hängt davon ab, wie du mit Stärken und Schwächen umgehst.<br />
<br />
戦は虚実の操縦 何に在り<br />
<br />
15. hito no teashi o ken to omohe - lass deine Hände und Füße zu Schwertern werden.<br />
<br />
Original: betrachte die menschlichen Arme und Beine als Schwerter.<br />
<br />
人の手足を劍と思へ。<br />
<br />
16. danshimon o zibureba hyakuman no teki ari - wenn du dein zuhause verlässt, machst du dir zahlreiche Feinde.<br />
<br />
Original: wenn ein Knabe durch das Tor hinausgeht, hat er hundertmal zehntausend Feinde.<br />
<br />
男子門を出づれば百萬の敵あり<br />
<br />
17. kamae wa shoshinsha ni, ato wa shizentai - die Haltung des Anfängers ist unbedarft, erst später versteht er die Haltung der Bereitschaft.<br />
<br />
Original: der Anfänger nimmt eine Haltung ein, später folgt der natürliche Körper.<br />
<br />
構は初心者に、後は自然體。<br />
<br />
18. kata wa tadashiku, jissen wa betsu mono - die kata muss korrekt sein, im wirklichen Kampf ist es jedoch anders.<br />
<br />
Original: die Form muss korrekt geübt werden, im wirklichen Kampf ist dies eine andere Sache.<br />
<br />
型は正しく、実戦は別物<br />
<br />
19. chikara no kyojaku (die Kraft ist hart und weich), karada no shinshuku (der Körper ist gespannt und entspannt), waza no kankyu o wasuru na (die Technik ist langsam und schnell).<br />
<br />
Original: vergiss nicht die Stärke und die Schwäche der Kraft, das Ausdehnen und das Zusammenziehen des Körpers sowie die Langsamkeit und die Schnelligkeit der Technik.<br />
<br />
力の強弱、體の伸縮、技の緩急を忘るな。<br />
<br />
20. tsune ni shinen kufu seyo - denke immer an die Vorschriften und lebe sie jeden Tag.<br />
<br />
Original: denke immer nach und arbeite an deiner Vervollkommnung.<br />
<br />
常に思念工夫せよ。<br />
<br />
<br />
==Studien Informationen==<br />
'''Siehe auch:''' [[Karate]] | [[Shōtō nijūkun]] | [[Kaisetsu]] |<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
* [[Werner Lind]]: ''Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste.'' Bern, München, Wien 1992 (S.51 ff).<br />
* Werner Lind: ''Das Lexikon der Kampfkünste.'' Sportverlag 1999.<br />
* Werner Lind: ''Klassisches Karate do.'' Sportverlag Berlin 1997.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon'', BSK 2006.<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man.'' Masters Publication 1986.<br />
* Nakamura Tadashi: ''Karate, Technique and Spirit.'' Shufunotomo 1986.<br />
* Gichin Funakoshi: ''Karate do Kyohan.'' Kodansha 1973.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
* [http://www.budostudienkreis.de Budo Studien Kreis]<br />
<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]<br />
[[Kategorie: Karate]]<br />
{{Vorlage: Überarbeiten}}</div>Werner Lindhttp://www.budopedia.de/index.php?title=Kokoro_wa_hanatan_koko_wo_yosu&diff=15886Kokoro wa hanatan koko wo yosu2014-09-22T23:02:14Z<p>Werner Lind: Die Seite wurde neu angelegt: „'''Artikel von:''' Werner Lind<br.>'''Nachbearbeitet von:''' '''Kokoro wa hanatan koto wo yosu''' (jap.: 心は放たん事を要す) ist die sechste von …“</p>
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<div>'''Artikel von:''' [[Werner Lind]]<br.>'''Nachbearbeitet von:'''<br />
<br />
'''Kokoro wa hanatan koto wo yosu''' (jap.: 心は放たん事を要す) ist die sechste von Meister [[Funakoshi Gichin]]s zwanzig Karate-Regeln ''[[shōtō nijūkun]]'', bzw. ''[[karatedō nijūkkajō]]'' und bedeutet „Befreie deinen Geist und halte ihn ruhig“. Nachfolgende Interpretationen stammen von ''sensei'' Werner Lind.<br />
<br />
==Erklärung==<br />
<br />
Im Leben der Kampfkunstschüler (®deshi) gibt es zwei Stufen: Anfänger (®shu und ®mudansha) und Fortgeschrittene (®ha und ®kodansha). Die allermeisten Übenden kommen nie über die Shu-Stufe hinaus, weil es ihnen an Selbstkritik und innerer Haltung (®shisei) fehlt und auf diese Weise das ®Ich nicht überwunden werden kann. In der Anfängerstufe muss man lernen, seinen Geist, seine Gefühle und seinen Willen zu kontrollieren. Der Anfängergeist darf nicht in seiner ungeformten voreingenommen Haltung befreit werden. Es ist für den Übenden wichtig, dass er dies versteht. Wenn ein Schüler darauf hingewiesen wird, dass er z.B. Handlungen ohne den richtigen Einsatz vollbringt, dass er in Gesprächen überheblich ist, dass er zu einer Sache nicht die richtigen Zugeständnisse macht, dass er gegenüber anderen Menschen falsch oder ungerecht handelt usw., hat er die Gelegenheit, seinen Geist betrachten zu lernen.<br />
<br />
Nach dem Beenden des Anfängerstadiums (keinesfalls darf der Karateka diesen Zeitpunkt selbst bestimmen, denn er wird es gewöhnlich zu früh tun) muss das Denken aus der Abhängigkeit gegenüber dem Systems befreit werden, was in der Ha-Stufe geschieht. Die Meisterschaft der Kampfkunst (®ri und ®kodansha) ist erst nach Abschluss dieser Stufe möglich. Geschieht dies jedoch zu früh, wird der Übende den Weg (®dō) nicht mehr finden. Die Schülerzeit bis zum Erreichen der Ri-Stufe dauert gewöhnlich zwischen 15 und 20 Jahren der täglichen Übung. <br />
<br />
===Beispiele aus dem Leben===<br />
awergaerg<br />
<br />
== Studien Informationen ==<br />
'''Siehe auch:''' [[Dōjōkun]] | [[Kaisetsu]] | [[Gichin Funakoshi]] | [[Shōtō nijūkun]] | [[Karatedō nijūkkajō]]<br />
<br />
=== Literatur ===<br />
<br />
* [[Richard Kim]]: ''The Weaponless Warriors'' (engl.), 1974, ISBN 978-0-89750-041-8<br />
* Richard Kim: ''Die waffenlosen Krieger'' (deutsch), BSK-Archiv<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man'' (engl.), 2009 | ISBN 978-0-920129-01-2<br />
* Richard Kim: ''Der klassische Mann'' (deutsch), BSK-Archiv.<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man 2'' (engl.), Don Warrener, 2009 | ISBN 978-1-897307-26-7<br />
* Richard Kim: ''The Classical Man 3'' (engl.), Don Warrener, 2009 | ISBN 978-1-897307-27-4<br />
* [[Werner Lind]]: ''Lexikon der Kampfkünste.'' BSK-Studien 2010.<br />
* Werner Lind: ''Budo - Der geistige Weg der Kampfkünste.'' Scherz 1991.<br />
* Werner Lind: ''Karate Kihon.'' BSK 2006.<br />
* Werner Lind: ''Budo - Der klassiche Weg.'' BSK 2015.<br />
<br />
=== Weblinks ===<br />
<br />
[[Kategorie: Shōtō nijūkun]]<br />
[[Kategorie: Karatedō nijūkkajō]]<br />
[[Kategorie: Dōjōkun]]<br />
[[Kategorie: Kaisetsu]]</div>Werner Lind