Mondō

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Artikel von: Werner Lind<br.>Nachbearbeitet von:

Der japanische Begriff mondō 問答 bezeichnet eine Frage-Antwort-Begegnung zwischen Meister (sensei) und Schüler (deshi), wie sie sich auch in anderen Kulturräumen ereignet. Der Terminus ist nicht zu verwechseln mit dem gleichlautenden Wort mondō aus dem romanischen Sprachraum, das „Welt“ bedeutet.

Etymologie

Das Wort mondō besteht im Japanischen aus zwei Schriftzeichen. Das erste 問 („Frage“) ist ein Kompositum aus den Radikalen für „Tor“" 門 und „Mund“ 口 und verweist darauf, dass eine geäußerte Frage metaphorisch Türen öffnen kann. Das zweite Kanji 答 („Antwort“) besteht aus dem Zeichen für „zueinander passen, harmonieren“ 合, über dem „Bambus“ 竹 angeordnet ist, was sinngemäß auf einen zu einem Gefäß passenden Bambus-Deckel bzw. auf die einer Frage entsprechende Antwort verweist.

Voraussetzungen für ein mondō

Ins Deutsche wird mondō häufig mit dem Wort „Lehrgespräch“ übersetzt, was den Wesenskern eines mondō jedoch nur dann trifft, wenn dabei die unterweisende Lehre, nicht aber das unterhaltende Gespräch akzentuiert wird. Demzufolge ist ein mondō keine symmetrisch verlaufende Diskussion, sondern vielmehr der Wechsel von kurzen verbalen Impulsen des Schülers und ausführlicheren Äußerungen des Meisters. Ein solcher Schüler-Impuls kann etwa eine das mondō initiierende Frage sein. Ist die Frage gestellt, zieht jedoch nicht automatisch und sofort eine Antwort des Meisters nach sich, die den Wissensdurst des Schülers in der Weise stillt, wie dieser es erhofft oder erwartet. Vielmehr prüft der Meister zu Beginn einer solchen Begegnung, ob überhaupt die Voraussetzungen für ein mondō gegeben sind: eine innere Notwendigkeit beim Schüler, aus der seine Frage entspringt, und eine sich öffnende Hinwendung des Schülers zum Meister, die die Bereitschaft zum Lernen vermittelt. Spricht dagegen aus der Frage die Absicht des Schülers, sich selbst bestätigen zu wollen, sei es durch die „Klugheit der Frage“ oder sei es durch das Anerkennen der eigenen Meinung durch den Meister, so endet das mondō bevor es begonnen hat. Spürt der Meister jedoch, dass ihm der Schüler von „Herz zu Herz“ (jap. 以心伝心 ishin denshin) begegnet, so beantwortet er ihm auch seine Frage.

Die Rolle der Sprache bei der Unterweisung im mondō

Die Frage, die der Schüler verbalisiert hat, ist nicht immer die Frage, die er dem Meister tatsächlich stellt. Ein Meister betrachtet den Schüler als Ganzes, nicht nur eine einzelne seiner sprachlichen Äußerungen. Zuweilen fragt der Schüler mit seinem Blick, mit seiner Körperhaltung oder mit der Art und Weise, wie er sich bewegt, etwas anderes, als was er sprachlich vermitteln kann. Daher ist ein Schüler mitunter überrascht, wenn der Meister ganz andere Antworten gibt, als er erwartet hatte. Überhaupt ist dies das Wesen eines mondō: dem Schüler nicht die Antworten zu geben, die er wissen will, sondern ihn so zu unterweisen, wie er es bedarf. Der Meister antwortet Antwort also nicht auf die Frage, die der Schüler stellt, sondern auf die Frage, die der Schüler ist.<br.>Dabei gilt für die sprachliche Realisierung der Unterweisung des Meisters dasselbe wie für die Frage des Schülers: letzterer darf sich nicht an einzelnen Formulierungen des Meisters festhalten, sondern muss sich bemühen, ein Gefühl für die Lehre in den Worten, im Ungesagten "zwischen den Zeilen" und im Schweigen des Meisters zu entwickeln.

Unterweisung bedeutet zwar, das Wort des Meisters zu empfangen, jedoch nicht, das Wort des Meisters sofort zu verstehen. Häufig ist eher das Gegenteil der Fall: Das Wort des Meisters ist nicht selten zu groß, um es in sich aufnehmen zu können, seine Höhe übersteigt die Reichweite desjenigen, der im Begriff ist, heranzuwachsen. Gleichwohl spürt der Schüler die Wirkung dieses Worts auf sich, das etwas Unwiderrufliches in ihm auslöst, ein Ereignis des Zweifelns, Umdenkens, Ahnens oder einer neuen Gewissheit, von dem aus es kein Zurück gibt. Befindet sich ein mondō in diesem Stadium des Sich-Selbst-Erfahrens, findet der Schüler so im Meister seinen Meister, so kann er auf dessen Rückfragen oft nur mit kurzen stereotypen Wendungen wie „Ja“, „Nein“ oder „Ich weiß nicht“ antworten. Diese argumentationslosen Äußerungen zeugen für den Meister nicht von mangelnder Redegewandtheit des Schülers, sondern sind vielmehr rhetorische Formen seiner Anerkenntnis der Unterweisung, wie sie uns auch in den sokratischen Dialogen Platons begegnen. Sie sind nur ein Fingerzeig darauf, dass Sprache letztlich unzulänglich dafür ist, was ein Meister lehrt.

Studien Informationen

Siehe auch: Oshi | Dōjōkun | Kaisetsu | Leitsätze für Übungsleiter | Wegübung im BSK

Literatur

  • Werner Lind: Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste. Bern, München, Wien 1992 (S.51 ff)
  • Kai van Eikels: Meisterschaft. Von den Wissenshandlungen zu den Evidenztechniken und weg vom Geliebten. In: Peters, S.& Schäfer, M.J. (Hg.): Intellektuelle Anschauung. Figurationen von Evidenz zwischen Kunst und Wissen. Bielefeld 2006 (S.325 ff)

Weblinks