Undō

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Artikel von: Werner Lind

Undō (jap.: 運動) bedeutet Bewegung und ist ein alltäglicher japanischer Begriff, mit dem alle Methoden des sich Bewegens (undō suru) bezeichnet werden. Abgeleitete Begriffe sind undō fuku (運動服): Sportanzug. undōhō (運動法): Methoden der Bewegung. undōka (運動家): wörtlich „Aktivist einer Bewegung“, im engeren Sinn „Sportler“ (undō senshū 運動選手 oder kyōgisha 競技者). undōkai (運動会) : Sportfest. undō suru (運動する): sich bewegen, Sport treiben. unsoku (運足): Bewegung der Beine (ashi sabaki und unsoku hō).

Allgemeines

In der japanischen Alltagssprache dominiert der Begriff undō, der sowohl „Bewegung“ als auch „Sport“ bedeuten kann. In den japanischen Kampfkünsten gibt es für die Bewegung in Raum und Zeit (maai) den Begriff sabaki. Wir erläutern den Begriff hier lediglich aus der Sicht der Kampfkunst und des Kampfsports.

Shitai undō - die Ganzkörperbewegung

Auch wenn die Konzepte verschieden sind, ist doch im Kampfsport und in der Kampfkunst das Endziel jeder wirkungsvollen Technik (waza) die Ganzkörperbewegung (shitai undō). Die effektive Technik ist immer eine Ganzkörperbewegung und besteht als solche aus zwei Komponenten der Bewegung (sabaki): Extremitätenbewegung (shishi undō) und Rumpfbewegung (tai sabaki).<br.>In der Betrachtung der Technik ist festzustellen, dass es immer um die Verwirklichung eines harmonischen Verhältnisses zwischen Extremitätenbewegung (tsuki, uke, uchi, keri) und der Fortbewegung des Rumpfes (tai sabaki) geht, wodurch Gleichgewicht erhalten und Kraft (ki) in die Technik übertragen werden kann. Erst im harmonischen Verhältnis der beiden zueinander kann wirkliche Technik entstehen. In der Übung des budō besteht Bewegung (Technik) also aus:

SHITAI UNDŌ - Ganzkörperbewegung

Shishi undō - Extremitätenbewegung

  • Jōshi undō - Armbewegungen
  • Uke - abwehren
  • Tsuki - stoßen
  • Uchi - schlagen
  • Kashi undō - Fußbewegungen
  • Keri - treten

Tai sabaki - Rumpfbewegung

  • Koshi sabaki - Bewegung der Hüfte
  • Ashi sabaki - Bewegung der Füße

Erläuterung der Ganzkörperbewegung

Meisterliche Technik ist die Einheit von shishi (teashi) undō und tai sabaki im harmonischen Ablauf der Ganzkörperbewegung (shitai undō). Innerhalb dieser dient die Extremitätenbewegung (shishi undō oder teashi undō) der Arbeitsverrichtung, und die Rumpfbewegung (tai sabaki) beschäftigt sich mit der Überwindung der eigenen Schwerkraft. Die Maßstäbe zu ihrer Verwirklichung der Ganzkörperbewegung sind:

Bedingungen zu SHITAI UNDŌ

  • Shisei - Haltung (physisch und psychisch)
  • Kinchō - Spannung (physisch und psychisch)
  • Kokyū - Atmung (physisch und psychisch)

Der Begriff sabaki bezieht sich auf die efektive Fortbewegung des Körpers, angepasst an Zeit und Raum (ma) und wird sowohl im budō als auch im Kampfsport verwendet. Auf physischer Ebene sind damit in beiden Bereichen das Verständnis und die Übung der Bewegung als Ganzkörperbewegung (shitai undō) gemeint. In der näheren Betrachtung gibt es jedoch im budō und im Kampfsport grundlegende Unterschiede im Verständnis und in der Übung der Bewegung.

  • Budō: Die Grundlage der Budō-Bewegung ist die Einheit zwischen Körper (tai) und Geist (shin), die der Übende verwirklicht, indem er durch die beständige Korrektur seiner Haltung, Spannung und Atmung seinen Schwerpunkt in den hara senkt, wo sich allmählich ein psycho-physisches Kontrollzentrum (Geist-Körper - shintai) heranbildet. Um diesen Prozess zu fördern, bedient er sich in allen Wegkünsten einer Technik (gi oder waza). In den Kampfkünsten ist diese Technik zusätzlich kämpferisch und muss u.a. Energie (ki) auf ein Ziel übertragen. Doch ihre Wirkung darf nicht beabsichtigt sein (mushin - leerer Geist), denn das „Wollen“ ist ein Ausdruck aus dem Ich und verhindert das Reifen. Daher werden alle Wirkungen dem intuitiven Kontrollzentrum im hara unterstellt, aus dem heraus sie „geschehen“. Diese Verbindung entsteht durch eine kontemplative Selbstschau in der Übung, und erst sie entwickelt Persönlichkeit, Selbsterkenntnis und Leistung - doch all dies „fällt ab, wie der Apfel vom Baum, wenn er reif ist.“<br.>Die Energieverläufe werden in den Budō-Künsten über die Meridiane gesteuert und lehren die ganzheitliche psycho-physische Energie (ki) des Menschen zu nutzen, wodurch er im Sein wirken und handeln lernt. Ohne das Sein lehrt budō keine Wirkung.
  • Sport: Die Effizienz der Sport-Bewegung basiert vornehmlich auf der Konditionierung des Körpers bzw. der Routinierung und Automatisierung körperlicher Bewegungsabläufe (Techniken) nach den Lehren westlicher Sportwissenschaften. Das Wirken - nicht wie im budō das Sein - ist das erklärte Ziel der Übung. Die Korrektur von psycho-physischen Missständen im Körperbild spielt dabei nur eine unwesentliche Rolle. Während im budō durch einen spannungs-, haltungs- und atmungsbedingten Ausgleich ein psycho-physisches Gleichgewicht in der Mitte (hara) geschaffen wird, übt der Karatesportler mentalitätsbedingt zumeist mit einem hochgezogenen Schwerpunkt, übertriebener Spannung und ohne Atemkontrolle, was in verschiedenen Bereichen seiner Existenz negative Folgen hat. Oft äußert sich dies in exaltierten Techniken ohne geistige und körperliche Mitte, die das Ich aufbauen, anstatt es zu überwinden. Das sportliche Leistungsprinzip lässt Werte wie Gesunderhaltung, Energielenkung, Selbsterkenntnis und Persönlichkeitsentwicklung in den Hintergrund treten oder verzichtet darauf ganz.<br.>Wirkung und Leistung in den sportlichen Systemen erfolgen über die Muskeln und über den Willen, wobei der körperliche Schwerpunkt hoch in die Brust gezogen wird (näher zum Ich). Sie hängen hier in einem großen Maß von Muskelkraft und Ausdauer ab. Entspricht der alternde Körper diesen Voraussetzungen nicht mehr, hören die meisten Kampfsportler mit der Übung auf. Im budō aber hat der Mensch gerade erst jetzt die nötigen Voraussetzungen erlangt, um zur gesamtmenschlichen Reife zu gelangen.

Zusätzliche Bewegungsübungen

Festzuhalten ist, dass das Training der Kampfkünste viele zusätzliche Methoden enthält, die dazu gedacht sind, ein tieferes Verständnis der Übung zu bewirken und dadurch den Horizont des Wissens und Könnens eines budōka wesentlich zu erweitern. Dazu gehören:

  • Junbi undō (vorbereitende Übungen)

- Junbi undō - Aufwärmung für Körper und Geist (Übung nach Masstäben des qìgōng).

- Atata undō - sportwissenschaftliche Methode zur Aufwärmung des Körpers.

- Kombinierte Aufwärmung - Kombination der beiden oben genannten Methoden.

  • Hojo undō (zusätzliche Übungen)

- Lenkung der Atmung - bestimme den Rhythmus deiner Technik über die Atmung.

- Lenkung der Aufmerksamkeit - begleite jede Bewegung mit deiner Aufmerksamkeit.

- Lenkung der vitalen Energie - kontrolliere jede Bewegung aus dem hara.

- Stärkung des Griffes, der Hände und der Finger - deine Hände müssen stark sein.

- Kondition und Ausdauer - ohne körperliche Kondition funktioniert keine Kampfkunst.

- Stärkung der Spannung und Kraft durch die Atmung - Training mit den dōgu.

- Studium des Kime - Training am makiwara.

- Abhärtung des Körpers - Annehmen von Treffern.

  • Shūmatsu undō (Entspannung)

- Kuatsu - kampfkunstspezifische Methode der Reanimation nach Treffern.

- Shiatsu - japanische Heilmethode nach dem Beispiel der chinesischen Medizin.

- Dō In - alte chinesische Lehre (daoyin) über den Umgang mit der vitalen Energie.

Bewegungsgrundlagen

Die Extremitätenbewegungen (shishi undō) verbindet man mit den Rumpfbewegungen (tai sabaki), indem man sich die Beispiele aus den kata betrachtet. Jede Technik ist von einer Rumpfbewegung begleitet, durch die ihre Wirkung wesentlich erhöht wird. Durch die Verbindung der Rumpfbewegung mit der Extremitätenbewegung (Ganzkörperbewegung) kann die Kraft des ganzen Körpers in einem Punkt konzentriert werden.<br.>Die Rumpfbewegungen sind die Basis jeder Bewegungsart. Sie dienen der Fortbewegung und der Gleichgewichtserhaltung des Körpers. In ihrem Zentrum steht das Verständnis des Übenden, mit seinem körperlichen Mittelpunkt und seiner Schwerkraft richtig umzugehen. Der Begriff hara hängt eng mit ihnen zusammen.<br.>Hara bedeutet „Bauch“ und bezeichnet im übertragenen Sinn den Mittelpunkt des physischen Körpers. In der Übung geht es darum, die Mitte des Körpers in jeder Bewegung zu wahren und richtig mit ihr umzugehen. Sie versteht sich als Zentrum des Gleichgewichtes und als Zentrum der Kraft. Bevor die Bewegung der Extremitäten einsetzt, muss diese Mitte im rechten Verhältnis zu den Situationen bewegt werden, denn ohne sie wird jede Technik wirkungslos.<br.>Unter der Voraussetzung eines immer aufrecht gehaltenen Oberkörpers (shisei) kann die Kraft der Mitte (hara) in der Technik zur Geltung kommen. Die Mitte muss jedoch unter der Beachtung optimaler physikalischer Gesetzmäßigkeiten bewegt werden, um starke Techniken entstehen zu lassen. Das Verständnis dieser Gesetzmäßigkeiten ist ein langwieriger Prozess und tritt nur in der anhaltenden Übung und im ausdauernden- Suchen nach Bewegungsperfektion ein. Davon ausgehend kann sich eine gute Karate-Technik entwickeln. Sie ist die Basis für jedes theoretische und praktische Verständnis, und erst danach kommt die Extremitätenbewegung.

Alles ist Bewegung

Das Ziel des budō ist die Einheit der Bewegung, in der es eigentlich weder tachikata noch kamaekata, noch waza gibt. Jede dieser Klassifizierungen dient dem Verständnis und dem Lernen, doch kein System führt zum Ziel, wenn es den Übenden nicht jenseits von allen begrifflichen Formen führt.<br.>Alle Klassifizierungen der Technik gibt es nur als vom Bewusstsein festgehaltene Momente eines sich in dauerndem Verändern befindenden Ganzen. Das Verständnis dieser Teilabschnitte allein ist der Grund für die Gefangenschaft in der Form, der die meisten intellektuell denkenden Wesen verfallen. Alles, was im karate klassifiziert, systematisiert und benannt wird, steht miteinander in Verbindung und bezieht sich letztendlich immer auf die innere Gesamtverfassung (shisei), die den Menschen ausmacht.<br.>Zusammen bezeichnen tachikata (Stellung) und kamaekata (Haltung) den in der Bewegung (waza) festgehaltenen Moment, in dem sich der Übende in einem theoretisch analysierbaren körperlichen und geistigen Zustand befindet. Von der Beziehung zur Übung im allgemeinen, d.h. von der Psychologie der Kampfkünste, hängt es ab, wie weit sich der Übende der wahren Form zu nähern vermag. Denn zwischen allen Festlegungen befinden sich unzählige, sich aneinanderreihende innere Zustände, die nicht objektiv sichtbar werden und deshalb nicht klassifizierbar sind. Doch sie beeinflussen die innere Verfassung des Menschen weit mehr als das begriffliche System. Die Summe dieser Zustände macht den Menschen in seiner Ganzheit aus, während das Ersichtliche nur ein kleiner Teil dieser Ganzheit ist.<br.>Deshalb ist budō die Lehre von der Koordination der Gesamtzustände und nicht die Lehre irgendeiner Form. Um dies in der Übung zu verstehen, muss ein Blick ins eigene Innere entwickelt werden, denn hier verschmilzt die Übung mit dem Leben. In jeder Situation hängt die Handlung vom Erkennen ungetrübter Realitäten ab. Die Übung des karate ist dazu nicht die Lösung des Problems, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Systeme erlauben dem Übenden, das Mittel zu erkennen, das Ziel jedoch ist er selbst, mit seinen gesamten inneren Haltungen. Erkennt der Übende nur die Form und bleibt selbst außen stehen, führt budō ins Vorurteil.<br.>Den Idealzuständen der Formen gab man Namen, und es wurden Stellungen, Haltungen und Techniken daraus. Doch sie alle sind nichts weiter als Teile einer kontinuierlichen Veränderung, die sich außen sichtbar in Bewegung und innen unsichtbar in Werden kundtun. Beides zusammen bedeutet Leben. Das rechte Verhältnis zwischen Innen und Außen im kontinuierlichen Fluss der ewigen Veränderung von Werden und Vergehen zu verstehen, bedeutet, sich selbst durch Übung zu verwirklichen.<br.>Die Kampfkunst ist Bewegung, d.h. dauernde Veränderung, wie alles im natürlichen Rhythmus der Welt. Nur das dem Menschen bewusstwerdende System unterbricht diesen Fluss und analysiert einen feststehenden Zustand. Einem Zustand zu vertrauen bedeutet, im Vorurteil zu stehen, denn Zustände gibt es nur, weil es den Intellekt gibt. Deshalb bezieht sich wahre Übung nie auf Formen, sondern auf Zusammenhänge der Veränderung. Auf diese Weise ist das „Tun im Nichttun“, die „Leere als Aktivität“, die „Haltung der Nichthaltung“ usw. in den Kampfkünsten zu erklären. Fortschritt in den Kampfkünsten ist nur möglich, wenn es das Vertrauen in die Veränderung im Leben gibt.<br.>Doch um zu lernen, brauchen wir die Systeme, denn sie ermöglichen uns dem Intellekt zugängliche Bezeichnungen, die wir gewissen Abschnitten der Veränderung zuweisen können. Doch dies sind nur Begriffe und keine Realitäten. Die Wirklichkeit ist immer das Ganze, doch als solche ist sie unbenennbar und einem intellektuell denkenden Wesen nicht zugänglich.


unsoku 運足 (jap): Bewegung der Beine (ashi sabaki und unsoku hō).

Beispiele für ashi sabaki

Unsoku hō 運足法 (jap): Bezeichnung für Schrittbewegungen der Beine (ashi sabaki), die im tai sabaki verwendet werden.

Diese Übung besteht aus einer Abfolge von Schritten, durch die der Schüler die verschiedenen Fußbewegungen (ashi sabaki, sabaki und kawashi waza) erlernen kann.<br.>Die Formen der Distanzüberbrückung, der Richtungsänderung und harmonischen Anpassung an die Bewegung des Gegners (maai) sind ein wichtiger Übungsfaktor im budō. Sie werden mittels verschiedener Schrittfolgen (ashi sabaki) erzielt und können sehr vielfältig sein. Die Formen des ashi sabaki können von jedem Übenden zusammen kombiniert werden, um sie durch beständige Übung beherrschen zu lernen. Im Kampf ist die Fähigkeit zu einem variantenreichen ashi sabaki von ausschlaggebender Bedeutung.<br.>Besonders durch die Entwicklung des freien Kampfes (jiyū kumite) im karate hat sich gerade auf dem Gebiet der Fußbewegungen viel verändert. Die Techniken des okinawate suchten im Nahkampf die endgültige Entscheidung (ikken hissatsu) und verwendeten die Fußbewegungen auf eine andere Weise, als dies heute im sportlichen Wettkampf geschieht. Idee und Zweck der Technik bestand aus einem anderen Sinn: a). man entwickelte tödliche Techniken, die in einer Nahdistanz zum Gegner am wirkungsvollsten waren, und b). man härtete den eigenen Körper ab, um einen Großteil der gegnerischen Techniken verkraften zu können. Die dazu passende Form des ashi sabaki ist heute in den kata zu finden. Man bezeichnet sie als kata sabaki (okinawate).<br.>Durch den Sport hat sich das Konzept des Kämpfens verändert. Heute besteht der Kampf darin, selbst so oft wie möglich zu treffen und nicht getroffen zu werden. Man sucht die Entscheidung nicht mehr in der ersten Technik.<br.>Die sich aus diesem Konzept entwickelnde Form der Fußbewegung nennt man kumite sabaki. Durch sie vergrößerten sich die Distanzen zwischen den Gegnern, und die Formen der Fußbewegungen wurden vielfältiger und intensiver. Da man keine Entscheidung mehr suchte, sondern der Kampf nach Punkten gewertet wurde, wurde durch diese Form des ashi sabaki die Kampfform virtuoser und die Qualität des karate als Selbstverteidigung schlechter. Man legte zu wenig Wert auf das Gleichgewicht im Stand (ein zentrales Prinzip des okinawate zur Entwicklung des kime), auf die Entwicklung der Einzeltechnik zu einer starken Wirkung und zuviel Wert auf die virtuose Bewegung in der schnellen Überbrückung der Distanzen, um Treffer (unabhängig von ihrer Wirkung) zu erzielen. Das Gesamte wurde flüssiger und schneller, doch es verlor die Beziehung zur Realität.

Studien Informationen

Siehe auch: Bewegungslehre im Budō | Sabaki | Shintai | Tai sabaki | Rumpfbewegung | Extremitätenbewegung | Ganzkörperbewegung |

Literatur

Weblinks