36 Familien

Aus Budopedia
Wechseln zu: Navigation, Suche
120px-Qsicon Ueberarbeiten.svg.png Der Inhalt dieser Seite ist nicht vollständig und muss überarbeitet werden.

Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste<br.>Nachbearbeitet von: Werner Lind, Stephanie Kaiser


36 Familien

Der chinesische Einfluss hatte trotz aller Kostspieligkeiten auch seine Vorteile. 1392, noch während der Regierungszeit von König Sato, veranlasste der chinesische Kaiser, dass eine ausgewählte Anzahl von chinesischen Experten aus Staatswesen, Wissenschaft, Religion, Kunst und Militärstrategie dauerhaft auf Okinawa wohnen sollte, um den Okinawanern Zugang zur chinesischen Kultur zu beschaffen, sie zu unterrichten und sie in allen nur erdenklichen Einzelheiten auszubilden. Diese Gruppe von Chinesen aus Fújiàn (Fukien), bekannt unter der Bezeichnung „36 Familien“, siedelte sich in der Ortschaft Kumemura (Kume oder Kuninda) in der Nähe von Naha an. Unter ihnen befanden sich auch viele berühmte Experten des chinesischen quánfǎ (jap.: kenpō), die das te (ti) Okinawas nachhaltig beeinflussen sollten.

Zur Zeit der chinesischen Ming-Periode (1368-1644) begann im Gegenzug zur chinesischen Initiative eine intensive Ansiedlung okinawanischer Einwohner auf chinesischem Boden. König Sato ließ auf dem chinesischen Festland in der Provinz Fújiàn (Fukien) eine okinawanische Siedlung (ryūkyūkan) errichten, wohin er ausgewählte Okinawaner schickte, die in China Angelegenheiten der Politik, des Handels, des Staatswesens, der Gesellschaft der Wissenschaft, der Kultur, der Kriegsführung und der Religion lernen sollten. Durch diese Menschen entstand auf Okinawa eine recht genaue Kopie des gesamten chinesischen Staatswesens, aber auch eine überdimensionierte Verehrung der chinesischen Kultur und die Überzeugung, dass alle Dinge, die aus China kamen, allen anderen Kulturen überlegen waren. Dieser chinesische Einfluss hielt trotz japanischer Gegeninitiativen 500 Jahre lang an. Initiiert wurde er durch den Ming-Kaiser Chu Yuen-Cheang, der ab 1372 in Abständen von zwei Jahren Gesandtschaften von Wissenschaftlern, Mönchen, Politikern und Verteidigungsexperten nach Okinawa schickte, die selbst nach der japanischen Satsuma-Invasion (1609) in ungebrochener Folge bis zum Jahre 1866 nach Okinawa kamen und unabhängig von jeder politischen Situation die Denkweise der Okinawaner bestimmten.

Kumemura und die chinesischen Gesandten

Wie bereits erwähnt, entsandte der Ming-Kaiser Zhu Yuan-Zhang schon 1372 die ersten Gesandten in das offensichtlich stärkste okinawanische Königreich Chuzan, um über eine Beziehung der beiden Länder und somit auch über die gewährleistete Dominanz von Chuzan über das gesamte Königreich Ryūkyū zu verhandeln. König Sato (1350-1395) von Chuzan akzeptierte 1392 die Bevormundung Chinas über sein Gebiet, wohlwissend, dass er damit die Herrschaft über das gesamte Königreich erreichen würde. Gleichzeitig stimmte er dem Plan des Ming-Kaisers zu, eine chinesische Niederlassung in dem okinawanischen Dorf Kumemura zu errichten. Mit dem darauffolgenden Einzug der chinesischen Delegation in Kumemura begann die gefeierte Geschichte der „36 Familien“. Die chinesische Gruppe, die sich in Kumemura niederließ, bestand aus Diplomaten, Kaufleuten und Experten aller Art, denn sie sollte im Sinne ihrers Initiators die chinesische Kultur auf Okinawa verbreiten.

Kumemura war ursprünglich ein unbedeutendes Dorf in der Nähe der heutigen Hauptstadt Naha, sollte jedoch bald das Zentrum der okinawanischen Kultur werden. Nachdem die chinesischen Experten dort ansässig wurden, schickte der okinawanische König ausgewählte Staatsbürger zu ihnen in die Lehre. Bald lebten in der Siedlung von der okinawanischen Regierung gesandte Schüler (Ryūgakusei), die den Auftrag hatten, alles zu lernen, was sich seitens der Chinesen anbot. Dieselben Leute wurden bald darauf als Studenten nach Beijing, Nanjing, Shanghai und Fuzhou geschickt, um sich weiterzubilden. Kumemura auf Okinawa und und die okinawanische Siedlung in Fuzhou waren jedoch die Zentrem des Austausches für Schüler, Diplomaten Händler u.a.

Ähnliche Siedlungen gab es auch in den Städten Tomari und Shuri, doch sie erreichten nie die geschichtliche Bedeutung von Kumemura. Die Chinesen, die in Kumemura wohnten, waren Gesandte des chinesischen Kaisers, die infolge wichtiger Staatsangelegenheiten die Verbindung zwischen den Regierungen beider Länder aufrechterhielten. In den verschiedenen anderen Niederlassungen ließen sich die Chinesen in eigener Initiative nieder. Sie waren durchaus nicht weniger ausgebildet als die Staatsbeamten, konnten aber nur im persönlichen Auftrag unterrichten. Heute ist es nicht nachvollziehbar, ob tatsächlich die Staatsbeamten aus Kumemura den größeren Einfluss auf Okinawa hatten. Ich glaube persönlich, dass Kumemura nichts weiter war als das „offizielle“ Beispiel an Beeinflussung, dass aber dahinter viele andere Chinesen im privaten Bereich die eigentliche Aufbauarbeit geleistet haben. Über verschiedene Niederlassungen wurden die Okinawaner von den chinesischen Lehrern ermutigt, nach China zu reisen, um dort ihre Erziehung zu perfektionieren. Es ist kaum bekannt, dass dies auf die Initiative des Staates geschah. In China nannte man die okinawanischen Studenten uchinānku ryūgakusei („fremde Studenten aus Okinawa“). Man fand sie in allen großen Städten Chinas. Obwohl die uchinānku recht abgesondert von den Chinesen lebten, lernten viele Okinawaner die chinesischen Kampfkünste und wurden zum hauptsächlichen Impulsgeber für das spätere okinawanische tōde.

Studien Informationen

Siehe auch: Kumemura |

Literatur

  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste. BSK-Studien 2010.


Undō <br.>

ū ō