Ainu

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Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste<br.>Nachbearbeitet von: Werner Lind

Als ainu (アイヌ) oder aino werden die Ureinwohner der japanischen Nord-Gebiete bezeichnet. Das dort ansässige Volk ist geschichtlich, kulturell, rassisch und sprachlich von der heutigen japanischen Rasse getrennt. Ehemals Jäger, Fischer und Sammler, besiedelten sie im frühen Altertum (jōmon jidai) und Altertum (yayoi jidai) die nördlichen Gebiete der japanischen Hauptinsel (Honshū). Durch die Eroberungskriege der Yamato wurden sie immer weiter nach Norden zurückgedrängt und beschränkten ihre Siedlunggebiete schließlich auf Hokkaidō.<br.>Ihre Sprache (ainugo) zeigt keine Verwandtschaft mit irgendeiner anderen Sprache auf.

Ainu - Nordbewohner der japanischen Inseln

Bei den ainu handelt es sich um ein ursprünglich nordostasiatisches Urvolk der kaukasoiden Rasse, wie die helle Hautfarbe, der lange Schädel, der untersetzt kräftige Körperbau und die dichte Körperbehaarung zeigen. Genetisch nachweisbar ist ihre Abstammung vom sibirischen Volk der Niwchen. In frühester Zeit (japanische Frühgeschichte) siedelten sie im nördlichen Bereich der japanischen Inseln und vermischten sich im jōmon jidai mit dem dort ansässigen Urvolk, aus dem später die japanische Rasse entstehen sollte.

Herkunft und Verwandschaft

Die genetische Verwandschaft der ainu mit den Japanern entstand im frühen jōmon jidai (10.000 - 300 v.Chr.) und ist heute wissenschaftlich nachweisbar. Doch die Yamato-Japaner verbanden sich im darauf folgenden yayoi jidai (300 v.Chr. - 300 n.Chr.) zusätzlich mit mehreren vom Festland eingewanderten Völkern, während das „Volk von der Nordinsel“ (ezo) isoliert blieb. Dadurch entstand eine unüberbrückbare kulturelle, soziale und religiöse Spaltung der beiden Volksgruppen.<br.>In alten japanischen Quellen (nihonshoki) wird das Nordvolk auch unter der Bezeichnung emishi erwähnt. Viele Historiker glauben, dass die emishi identisch mit den heutigen ainu sind, andere bezeichnen sie als eine völkische Untergruppe der ainu, und wieder andere glauben, dass beide voneinander getrennte Volksgruppen waren.<br.>Bis heute besteht ein unterschwelliger Rassismus der Japaner gegenüber den ainu, die nach wie vor nicht als Japaner anerkannt werden.

Bezeichnungen der Ainu-Volksgruppe

Die Bezeichnung für die Volksgruppe der ainu änderte sich im Laufe der Geschichte ständig. Den Begriff ainu generell mit „Ureinwohner Japans“ zu übersetzen, trifft aber nicht zu, denn tatsächlich gab es mehrere japanische Volksgruppen. Nachdem sich die ainu im jōmon jidai (10.000 - 300 v.Chr.) mit den japanischen Stämmen aus dem Süden vermischten, dannach aber wieder isolierten, wurden sie im frühen Altertum yayoi jidai (300 v.Chr. - 300 n.Chr.) von diesen als emishi (yemishi) bezeichnet. Später bezeichnete man sie als ebisu (yebisu).<br.>Im Mittelalter, speziell im edo jidai (ab 1.600) bezeichnete man sie als ezo (yezo). Mit ezo bezeichnete man damals die japanische Nordinsel Hokkaidō und gebrauchte für das dort ansässige Volk denselben Bengriff. Heute bezeichnet sich diese Volksgruppe selbst als ainu (Mensch) oder utari (Kamerad).

  1. Ainu (aino, utari) - heute bezeichnet sich diese indigene Volksgruppe selbst als ainu (aino), d.h. „Mensch“ oder als utari (Kamerad).
  2. Emishi (yemishi) - Bezeichnung im Altertum für das Volk im Norden durch die Yamato-Japaner
  3. Ebisu (yebisu) - Bezeichnung im Altertum für das Volk im Norden durch die Yamato-Japaner
  4. Ezo (yezo) - alte Bezeichnung für die Nordinsel Hokkaidō, wird auch für das dort ansässige Volk gebraucht.

Siedlungsgebiete der Ainu

Historischen Dokumenten zufolge waren die ainu bis zur frühen Neuzeit auch in den nördlich Provinzen von Honshū (Aomori, Akita und Iwate) ansässig. Heute leben sie fast ausschließlich auf Hokkaidō, nur wenige auf Sachalin und auf den sowjetischen Kurilen.

Geschichte der Ainu

Der Volksstamm der ainu gehört zu den maßgeblichen Ethnien (Japanische Volksgruppen), die später zur Gründung der japanischen Rasse beitrugen.

  • Ainu im japanischen Mutterland - beginnend mit dem 8. Jahrhundert (heian jidai) siedelten die ainu im nördlichen Honshū wurden aber von den Yamato-Japanern bedrängt und immer weiter nach Norden abgedrängt. Im 13. Jahrhundert (kamakura jidai) mussten die Honshū-Ainu an den shōgun des Kamakura-Bakufu Feldsteuern entrichten. Ihre Unabhängigkeit konnten sie nur bewahren, indem sie sich auf die Nordinsel Hokkaidō zurückzogen. Die nördlichen Breiten der Insel Hokkaidō wurden von den Japanern zunächst als wertlos angesehen, da in dieser Klimazone keine Reiskulturen gediehen (Reissorten, die in diesem Klima wuchsen, wurden erst im meiji jidai, ab 1868 entwickelt). Diese Umstände schützten die ezo (ainu auf Hokkaidō) zunächst vor japanischen Invasionen.<br.>Doch die japanischen Eroberungsgelüste machten vor Hokkaidō keinen Halt. Im Jahr 1599 wurden weite Ländereien der Nordinsel vom shōgun an die Samurai-Familie Matsumae als Lehen vergeben. Dadurch gerieten auch die auf Hokkaidō) ansässigen ainu unter japanische Herrschaft. Da auf Hokkaido noch keine Landwirtschaft möglich war, handelten die Matsumae zunächst mit Pelzen und Trockenfleisch.<br.>Im 19. Jahrhundert richtete der Klan der Matsumae auf Hokkaidō eigene Fischereihäfen ein und zwang die ansässigen ainu auf ihren Fischerbooten und in ihren Häfen als Hilfsarbeiter zu arbeiten. 1869 wurde Ezo (Hokkaidō) zur Kolonie Japans erklärt und das gesamte Inselland zur Besiedlung durch Japaner freigegeben. Zwar gab es Versuche, den ainu eigene Ländereien zukommen zu lassen, auf denen sie als ansässige Bauern tätig sein konnten, doch diese Versuche scheiterten und sind bis heute nicht umsetzbar.<br.>Die traditionelle Ainu-Kultur blieb hart umkämpft, wurde aber später durch den aufkeimenden japanischen Nationalismus weitgehend zerstört. Durch Zwangsarbeit, Zerstörung ihrer Kultur und fehlgeschlagene Versuche, die ainu in die japanische Gesellschaft zu integrieren, endeten viele ainu in Armut und Alkoholismus.<br.>Erst in den 1970er Jahren wurden die ainu als Minderheit anerkannt und es gab erste staatliche Projekte zu ihrer Unterstützung - dies vor allem deshalb, um den florierenden Tourismus auf Hokkaidō zu fördern. Nachdem die japanische Politik die Existenz von Minderheiten in ihrem Staatsgebiet lange Zeit leugnete, wurde es jedoch schwierig, die verlorene Kultur der ainu zu rekonstruieren. Viele ainu haben Hokkaidō inzwischen verlassen und siedeln anonym in japanischen Gebieten, wo sie nicht mehr als Minderheit erkannt werden und daher keine Status-Nachteile erleiden. Die auf Hokkaidō verliebenen ainu sind „Ausstellungsstücke“ für Touristen aus aller Welt.
  • Ainu auf Sachalin und den Kurilen - auf den nördichen Inselgruppen Sachalin und Kurilen (zuerst unter russischer Herrschaft) überlebte die Kultur der ainu etwas länger. Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden die dort ansässigen ainu zur russisch-orthodoxen Kirche und zur russischen Sprache gezwungen.<br.>Nachdem die Inseln (1905) aber wieder an Japan fielen wurden die ainu von den Japanern nach Schikotan zwangsumgesiedelt, dort aber durch schlechte Lebensbedingungen erheblich dezimiert. Viele hielten an ihrem christlichen Glauben fest, siedelten aber notgedrungen nach Kamtschatka um. Als die Sowjetarmee nach dem zweiten Weltkriege alle Inseln nördlich von Hokkaidō zurück eroberte, wanderten die dort verbliebenen ainu nach Hokkaidō aus. Heute gilt die Ainu-Kultur auf den russisch besetzten Nordinseln als ausgestorben.

Gesellschaft, Religion und Genealogie

Die ainu haben bis heute eine primitive Kultur. Früh lernten sie von den Japanern einfache Formen der Landwirtschaft, wodurch sie sesshaft wurden und sich an die Japaner, anfangs als Arbeiter, Fährleute oder Pferdeknechte verdingten. Sie leben in Wohnhütten mit Strohverkleidung in Dörfern, die abgelegen von der japanischen Zivilisation sind. Sie sind gastfreundliche und gutmütige Menschen.

  • Gesellschaft - die Ainu-Gesellschaft ist strikt zweigeteilt: die Männer sind Sammler, Jäger und Fischer (zuständig für die Ernährung der Gemeinschaft), die Frauen huldigen dem Schamanismus. Als Ahnenbeschwörerinen, Heilerinnen und Bewahrerinnen alter Traditionen sind sie als tusu ainu (Schamaninen) das spirituelle Zentrum der matriarchalischen Ainu-Kultur. Die von ihnen verehrte Göttin Kamui Fuchi ermöglichte den Ainu-Frauen die Verbindung mit den Geistern, Göttern und Ahnen.
  • Religion - die ainu glauben an ein höchstes Schöpferwesen, betreiben Vielweiberei, huldigen dem Schamanismus und dem Bärenkult. Sie haben keine Tempel, sondern lediglich heilige Plätze in der freien Natur und vor allem am Herd des Hauses. Die religiöse Instanz der ainu wird von den Frauen dominiert.
  • Genealogie - die ainu rechnen ihre Frauen nach einer eigenen weiblichen Linie und ihre Männer nach einer eigenen männlichen Linie. Das Verwandtschafts-System der Sippen unterliegt jedoch dem matriarchalischen Prinzip. Die Mutterlinie dominiert, die Vaterlinie ist stets untergeordnet. Frauen tragen unter ihrer Kleidung einen Gürtel, als Zeichen ihrer sippenmäßigen Verbundenheit. Kein Mann darf eine Frau heiraten, die den gleichen Gürtel wie seine eigene Mutter trägt. Auch darf kein Mann um eine Frau werben. Die Liebeswerbung erfolgt nur von der Seite einer Frau.

Heutige Situation der Ainu

Aktuell leben noch ca. 27.000 ainu auf den japanischen Inseln, davon 24.000 auf Hokkaidō, der Rest im Norden von Honshū. Aus ihren weiteren Stammgebieten, Sachalin und den Kurilen (heute Russland), wurden sie im August 1945 endgültig vertrieben.<br.>In Japan beschloss das Parlament im Juni 2008 eine von der UN angemahnte Resolution, in der die ainu erstmals als indigenes Volk mit kultureller Eigenständigkeit anerkannt wurden. Die Resolution enthält zwar keine konkreten Maßnahmen zu ihrer Unterstützung, etablierte aber ein eingerichtetes Expertengremium, das die Regierung in Fragen bezüglich der ainu beraten soll, und verweist auf die 2007 verabschiedete Deklaration über die Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen.

Studien Informationen

Siehe auch: Japanische Volksgruppen | Indigene Völker | Japanische Geschichte | Japanische Gesellschaft

Literatur

  • Paul Wirz: Die Ainu. München/Basel 1955.
  • Norbert R. Adami: Verzeichnis der europäischen Kultur über die Ainu. Wiesbaden 1981.
  • Horst M. Bronny: Die Ainu. Merian 11/1980, Seite 120-123
  • J. Kreiner, H. D. Ölschleger: Ainu. Jäger, Fischer und Sammler in Japans Norden (Katalog der Sammlung des Rautenstrauch-Joest-Museums in Köln), Köln 1987.
  • Miyajima Toshimitsu: Land of Elms. The History, Culture, and Present Day Situation of the Ainu People. United Church Publishing House, Etobicoke 1998.

Weblinks