BSK-Dōjōkun: Unterschied zwischen den Versionen

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====Dein Verhältnis zur Welt====
 
====Dein Verhältnis zur Welt====
 
* '''Achte das Leben, deine Kunst und den anderen Menschen. Pflege gegenseitige Beziehungen mit ehrlicher Gesinnung und vermeide Haltungen, durch die du in Frage gestellt werden kannst. Stehe zu deinen Verantwortungen und pflege den Geist der Freundschaft.'''
 
* '''Achte das Leben, deine Kunst und den anderen Menschen. Pflege gegenseitige Beziehungen mit ehrlicher Gesinnung und vermeide Haltungen, durch die du in Frage gestellt werden kannst. Stehe zu deinen Verantwortungen und pflege den Geist der Freundschaft.'''
 
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: Diese Regel bezieht sich auf die Haltung des Menschen gegenüber dem Leben und auf die die Bereitschaft zum richtigen Verhältnis zwischen Selbst und Gegenüber. Sie macht darauf aufmerksam, dass auf dem Weg zu einem Ziel eine harmonischen Beziehung zwischen dem Selbst und den existierenden Umständen nötig ist, da kein Ziel im selbstsüchtigen Wollen, sondern nur im rechten Verhältnis zu den Gegebenheiten erreicht werden kann.<br.>So z.B. erläutert sie die Grundvoraussetzungen, durch die rechte und gerechte Beziehungen zu anderen Menschen möglich werden. Fruchtbare Beziehungen entstehen erst dann, wenn ein Mensch fähig ist, persönliche Ansprüche durch die Bereitschaft zur Hingabe auszugleichen. Gerät das Gleichgewicht zwischen Bereitschaft und Anspruch durch egoistische oder oberflächliche Fehlhaltungen in Gefahr, wird jede Kommunikation unterbrochen.<br.>Das Gleichgewicht zwischen innen und außen ist wichtig, will der Mensch sich auf die rechte Weise in der Welt bekunden. Stillschweigend setzt jeder Mensch bei einem anderen, mit dem er in gemeinsame und gegenseitige Abhängigkeiten tritt, diese gleichgewichtige Haltung voraus. Doch dort, wo Menschen mehr wollen, als sie geben, höhere Ansprüche stellen, als sie bereit sind zu verantworten, viel versprechen und wenig halten, Großes beabsichtigen und Kleines tun, ziehen sie sich das Mißfallen all jener zu, die das entstehende Ungleichgewicht durch erhöhte Opfer ausgleichen müssen. Da keine realistische Selbsteinschätzung vorhanden ist, erlaubt eine solche Haltung auch keinen wahren Wertaustausch mit anderen und deshalb auch keine ehrliche, sondern nur eine oberflächliche Beziehung.
Diese Regel bezieht sich auf die Haltung des Menschen gegenüber dem Leben und auf die die Bereitschaft zum richtigen Verhältnis zwischen Selbst und Gegenüber. Sie macht darauf aufmerksam, dass auf dem Weg zu einem Ziel eine harmonischen Beziehung zwischen dem Selbst und den existierenden Umständen nötig ist, da kein Ziel im selbstsüchtigen Wollen, sondern nur im rechten Verhältnis zu den Gegebenheiten erreicht werden kann.<br.>So z.B. erläutert sie die Grundvoraussetzungen, durch die rechte und gerechte Beziehungen zu anderen Menschen möglich werden. Fruchtbare Beziehungen entstehen erst dann, wenn ein Mensch fähig ist, persönliche Ansprüche durch die Bereitschaft zur Hingabe auszugleichen. Gerät das Gleichgewicht zwischen Bereitschaft und Anspruch durch egoistische oder oberflächliche Fehlhaltungen in Gefahr, wird jede Kommunikation unterbrochen.<br.>Das Gleichgewicht zwischen innen und außen ist wichtig, will der Mensch sich auf die rechte Weise in der Welt bekunden. Stillschweigend setzt jeder Mensch bei einem anderen, mit dem er in gemeinsame und gegenseitige Abhängigkeiten tritt, diese gleichgewichtige Haltung voraus. Doch dort, wo Menschen mehr wollen, als sie geben, höhere Ansprüche stellen, als sie bereit sind zu verantworten, viel versprechen und wenig halten, Großes beabsichtigen und Kleines tun, ziehen sie sich das Mißfallen all jener zu, die das entstehende Ungleichgewicht durch erhöhte Opfer ausgleichen müssen. Da keine realistische Selbsteinschätzung vorhanden ist, erlaubt eine solche Haltung auch keinen wahren Wertaustausch mit anderen und deshalb auch keine ehrliche, sondern nur eine oberflächliche Beziehung.
 
  
 
==3. Sei achtsam in deinem Streben==
 
==3. Sei achtsam in deinem Streben==
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====Dein Verhältnis zum Achten und Streben====
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* '''Vermeide jede Form des egoistischen Strebens. Überwinde den Egoismus, die Selbstsucht und die Habgier, sei maßvoll im Nehmen und großzügig im Geben. Dränge dich nicht in den Vordergrund, halte deine Ansprüche gering und bekenne dich zur Verantwortung, zur Hilfe und zur Toleranz.'''
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: Diese Regel bezieht sich auf die Verwirklichung des Menschen in seinen persönlichen Lebenszielen. Sie hängt eng mit dem ersten und zweiten Leitsatz zusammen, da jedes angestrebte Ziel einer reifen Grundhaltung bedarf, wenn es abwegige und uneinschätzbare Wirkungen vermeiden will. Wie Menschen im persönlichen Umfeld ihre Ziele setzen, bestimmt in einer übergeordneten Dimension den Frieden in der Welt. Deshalb ist Strebsamkeit allein nicht die vermeintlich positive Kraft, sondern wird es erst durch die Verbindung mit einer reifen inneren Haltung. Streben ist gebunden an Sinn, an Maß und an Erkenntnis. Die Philosophie des ''budō'' lehrt, dass Streben ohne Verantwortung auf die eine oder andere Weise immer dem Leben entgegensteht.<br.>Diese Betrachtung ist nicht nur dem budō eigen, sondern allen Philosophien, die einen Ausweg aus dem durch falsches Streben hervorgerufenen Dilemma suchen, in der sich gegenwärtiges Leben befindet. Der Mensch ist im Gegensatz zum Tier in einer zweipoligen Bestimmung gefangen: Zum einen ist er wie alles Leben das Resultat eines natürlichen Zufalls, darin gefangen und ihm bedingungslos unterworfen. Da er sich nicht herauslösen kann, ist er den natürlichen Gesetzen ohnmächtig preisgegeben, abhängig und unselbständig. Zum anderen entwickelt er aber durch sein Bewußtsein eine zweite, der ersten entgegengesetzte Kraft, dank der er persönliche Ziele anstreben und erreichen kann. So verändert er nach eigenen Vorstellungen die Welt und verwirklicht darin das Abbild dessen, was er in seinem Sinne für richtig und dienlich hält. Darin besteht sein Unterschied zum Tier, das, des Denkens nicht mächtig, den natürlichen Gesetzen widerstandslos preisgegeben ist.<br.>Jeder bewußte Eingriff in das von der Natur geforderte Erdulden ist jedoch immer Selbstverwirklichung und Auflehnung zugleich. Alles, was der Mensch für den Umfang seiner persönlichen Wünsche beansprucht, nimmt er sich zum Nachteil jener Kraft, die ihm auf der Vorstufe seiner Bewußtwerdung Leben ermöglicht. Überschreitet er das Maß und verletzt das Gleichgewicht zu seinem tragenden Ursprung, entfernt er sich gleichzeitig von der Quelle seiner natürlichen Lebenskraft, durch die er entsteht, wächst und gedeiht.<br.>Das Vertrauen in das Selbst erlaubt dem Menschen einen gewissen Abstand zu den unkontrollierbaren Mächten der Natur, doch die vollkommene Befreiung ist nicht möglich. Nur durch einen Geist, der das Maß erkennt und das Gleichgewicht wahrt, kann sein Leben gedeihen. Um ihn zu verwirklichen, ist Streben notwendig, doch es darf nicht vom Ich bestimmt sein, das Wachstum und Gewinn ohne Grenzen fordert. Es bedarf der Kontrolle und der Lenkung aus der von innen heraus gereiften Haltung zum Leben, die Streben in beide Richtungen der menschlichen Bestimmung ermöglicht. Im Ungleichgewicht der Extreme verfehlt es den Sinn und stellt das Überleben in Frage.
  
Dein Verhältnis zum Achten und Streben
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==4. Ehre die Prinzipien der Etikette==
 
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====Deine Umgangsformen im rechten Verhalten====
Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen.
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* '''Respektiere die Budō-Etikette und bemühe dich darum, sie in deinem Verhalten sichtbar zu machen. Gehe nicht gedankenlos über sie hinweg und suche nicht nach Entschuldigungen, wenn du sie verletzt. Gleiche Fehler durch erhöhte Hingabe aus und lasse sie nicht auf sich beruhen.'''
 
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: Diese Regel bezieht sich auf die richtigen Formen der Verhaltensetikette, die ein Mensch beachten muß, wenn er von anderen verstanden und angenommen werden will. Menschen mit einer schlechten Verhaltensetikette werden selbst im Wohlgemeinten mißverstanden, denn sie widerlegen ihre Absichten und Aussagen durch unentsprechendes Verhalten. Die rechte Etikette macht einen Menschen glaubwürdig, offen und unkompliziert. Sie bewirkt eine verständliche Kommunikation mit anderen und hilft die Harmonie in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu erhalten.<br.>Die Etikette besteht aus der objektiv wahrnehmbaren Verhaltensform eines Menschen, durch das er einem anderen mitteilt, dass er in der rechten Weise zur gegenseitigen Verständigung bereit ist. Dort, wo die Form von inneren Unebenheiten überschattet oder durch eine unbewußte Gestik widerrufen wird, verliert der Mensch an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Menschen ohne Etikette sind beständig dabei, das, was sie sagen, durch ihren Ausdruck zu widerlegen. Darauf beruhen viele Mißverständnisse. Häufig zerbricht eine Beziehung an der Unfähigkeit, sich angemessen mitzuteilen. Durch die in der Übung gereifte Etikette ist ein Mensch in der Lage, sich von jenen inneren Zwängen zu befreien, die ihm Wohlgemeintes nach außen ins Gegenteil verdrehen. Ohne Etikette wird Aufrichtigkeit zu Grobheit, Mut zu Auflehnung, Demut zu Unterwürfigkeit, Respekt zu Kriecherei und Vorsicht zu Furchtsamkeit. Die rechte Etikette sorgt für Frieden und Harmonie zwischen den Menschen. Sie findet in den Kampfkünsten in den Leitsätzen "Ohne Höflichkeit geht der Wert des Karate verloren" und "Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt" ihren Ausdruck.<br.>Meister Funakoshi bezeichnete die Höflichkeit als die Grundlage jeder Etikette und den Gruß als ihr wichtigstes Symbol. Das jede Übung beständig begleitende Rei führt den Übenden zur Überwindung der inneren Ichbezogenheit und erlaubt ihm letztendlich, anderen Menschen ohne Maske gegenüberzutreten. Alle Fortgeschrittenen wissen um die Bedeutung des Rei. Übende, die das Grüßen durch Nachlässigkeit verletzen, gelten als unbescheiden, selbstbezogen und unanpassungsfähig. Die Art und Weise, wie ein Übender grüßt, ist ein Spiegel seiner selbst.
Ein Werdender wird immer dankbar sein.
 
 
 
J. W. Goethe, Faust
 
 
 
 
 
 
·        Vermeide jede Form des egoistischen Strebens. Überwinde den Egoismus, die Selbstsucht und die Habgier, sei maßvoll im Nehmen und großzügig im Geben. Dränge dich nicht in den Vordergrund, halte deine Ansprüche gering und bekenne dich zur Verantwortung, zur Hilfe und zur Toleranz.
 
 
 
Diese Regel bezieht sich auf die Verwirklichung des Menschen in seinen persönlichen Lebenszielen. Sie hängt eng mit dem ersten und zweiten Leitsatz zusammen, da jedes angestrebte Ziel einer reifen Grundhaltung bedarf, wenn es abwegige und uneinschätzbare Wirkungen vermeiden will. Wie Menschen im persönlichen Umfeld ihre Ziele setzen, bestimmt in einer übergeordneten Dimension den Frieden in der Welt. Deshalb ist Strebsamkeit allein nicht die vermeintlich positive Kraft, sondern wird es erst durch die Verbindung mit einer reifen inneren Haltung. Streben ist gebunden an Sinn, an Maß und an Erkenntnis. Die Philosophie des Budō lehrt, dass Streben ohne Verantwortung auf die eine oder andere Weise immer dem Leben entgegensteht.
 
 
 
Diese Betrachtung ist nicht nur dem budō eigen, sondern allen Philosophien, die einen Ausweg aus dem durch falsches Streben hervorgerufenen Dilemma suchen, in der sich gegenwärtiges Leben befindet. Der Mensch ist im Gegensatz zum Tier in einer zweipoligen Bestimmung gefangen: Zum einen ist er wie alles Leben das Resultat eines natürlichen Zufalls, darin gefangen und ihm bedingungslos unterworfen. Da er sich nicht herauslösen kann, ist er den natürlichen Gesetzen ohnmächtig preisgegeben, abhängig und unselbständig. Zum anderen entwickelt er aber durch sein Bewußtsein eine zweite, der ersten entgegengesetzte Kraft, dank der er persönliche Ziele anstreben und erreichen kann. So verändert er nach eigenen Vorstellungen die Welt und verwirklicht darin das Abbild dessen, was er in seinem Sinne für richtig und dienlich hält. Darin besteht sein Unterschied zum Tier, das, des Denkens nicht mächtig, den natürlichen Gesetzen widerstandslos preisgegeben ist.
 
 
 
Jeder bewußte Eingriff in das von der Natur geforderte Erdulden ist jedoch immer Selbstverwirklichung und Auflehnung zugleich. Alles, was der Mensch für den Umfang seiner persönlichen Wünsche beansprucht, nimmt er sich zum Nachteil jener Kraft, die ihm auf der Vorstufe seiner Bewußtwerdung Leben ermöglicht. Überschreitet er das Maß und verletzt das Gleichgewicht zu seinem tragenden Ursprung, entfernt er sich gleichzeitig von der Quelle seiner natürlichen Lebenskraft, durch die er entsteht, wächst und gedeiht.
 
 
 
Das Vertrauen in das Selbst erlaubt dem Menschen einen gewissen Abstand zu den unkontrollierbaren Mächten der Natur, doch die vollkommene Befreiung ist nicht möglich. Nur durch einen Geist, der das Maß erkennt und das Gleichgewicht wahrt, kann sein Leben gedeihen. Um ihn zu verwirklichen, ist Streben notwendig, doch es darf nicht vom Ich bestimmt sein, das Wachstum und Gewinn ohne Grenzen fordert. Es bedarf der Kontrolle und der Lenkung aus der von innen heraus gereiften Haltung zum Leben, die Streben in beide Richtungen der menschlichen Bestimmung ermöglicht. Im Ungleichgewicht der Extreme verfehlt es den Sinn und stellt das Überleben in Frage.
 
 
 
 
 
 
Kaisetsu 3
 
 
 
 
 
 
 
4. Ehre die Prinzipien der Etikette
 
 
 
Deine Umgangsformen im rechten Verhalten
 
 
 
Wer die kleinen Dinge nicht achtet,
 
 
 
kann den großen nicht gerecht werden.
 
 
 
W. L.
 
 
 
 
 
 
·        Respektiere die Budō-Etikette und bemühe dich darum, sie in deinem Verhalten sichtbar zu machen. Gehe nicht gedankenlos über sie hinweg und suche nicht nach Entschuldigungen, wenn du sie verletzt. Gleiche Fehler durch erhöhte Hingabe aus und lasse sie nicht auf sich beruhen.
 
 
 
Diese Regel bezieht sich auf die richtigen Formen der Verhaltensetikette, die ein Mensch beachten muß, wenn er von anderen verstanden und angenommen werden will. Menschen mit einer schlechten Verhaltensetikette werden selbst im Wohlgemeinten mißverstanden, denn sie widerlegen ihre Absichten und Aussagen durch unentsprechendes Verhalten. Die rechte Etikette macht einen Menschen glaubwürdig, offen und unkompliziert. Sie bewirkt eine verständliche Kommunikation mit anderen und hilft die Harmonie in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu erhalten.
 
 
 
Die Etikette besteht aus der objektiv wahrnehmbaren Verhaltensform eines Menschen, durch das er einem anderen mitteilt, dass er in der rechten Weise zur gegenseitigen Verständigung bereit ist. Dort, wo die Form von inneren Unebenheiten überschattet oder durch eine unbewußte Gestik widerrufen wird, verliert der Mensch an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Menschen ohne Etikette sind beständig dabei, das, was sie sagen, durch ihren Ausdruck zu widerlegen. Darauf beruhen viele Mißverständnisse. Häufig zerbricht eine Beziehung an der Unfähigkeit, sich angemessen mitzuteilen. Durch die in der Übung gereifte Etikette ist ein Mensch in der Lage, sich von jenen inneren Zwängen zu befreien, die ihm Wohlgemeintes nach außen ins Gegenteil verdrehen. Ohne Etikette wird Aufrichtigkeit zu Grobheit, Mut zu Auflehnung, Demut zu Unterwürfigkeit, Respekt zu Kriecherei und Vorsicht zu Furchtsamkeit. Die rechte Etikette sorgt für Frieden und Harmonie zwischen den Menschen. Sie findet in den Kampfkünsten in den Leitsätzen "Ohne Höflichkeit geht der Wert des Karate verloren" und "Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt" ihren Ausdruck.
 
 
 
Meister Funakoshi bezeichnete die Höflichkeit als die Grundlage jeder Etikette und den Gruß als ihr wichtigstes Symbol. Das jede Übung beständig begleitende Rei führt den Übenden zur Überwindung der inneren Ichbezogenheit und erlaubt ihm letztendlich, anderen Menschen ohne Maske gegenüberzutreten. Alle Fortgeschrittenen wissen um die Bedeutung des Rei. Übende, die das Grüßen durch Nachlässigkeit verletzen, gelten als unbescheiden, selbstbezogen und unanpassungsfähig. Die Art und Weise, wie ein Übender grüßt, ist ein Spiegel seiner selbst.
 
 
 
 
 
 
Kaisetsu 4
 
 
 
 
 
 
 
5. Verzichte auf Gewalt
 
 
 
Dein Verhältnis zur Gewalt
 
 
 
Die Gewalt ist das Böse und die Gewaltlosigkeit
 
 
 
der einzige Weg derer, die wach geworden sind.
 
 
 
Dieser Weg wird niemals der aller sein und niemals der der Regierenden
 
 
 
und derer, die die Weltgeschichte machen und Kriege führen.
 
 
 
Die Erde wird nie ein Paradies und die Menschheit
 
 
 
nie mit Gott Eins und versöhnt sein.
 
 
 
Aber wenn man weiß, auf welcher Seite man steht, lebt man freier und ruhiger.
 
 
 
Immer muss man auf Leiden und Vergewaltigung gefasst
 
 
 
sein, niemals aber darf man selbst zum Töten bereit sein.
 
 
 
Hermann Hesse, Aus einem Brief, 1950
 
 
 
 
 
 
·        Mißbrauche weder das Wissen noch das Können, das du dir in der Übung der Kampfkünste aneignest, für eigennützige Zwecke. Bekenne dich zur körperlichen und geistigen Gewaltlosigkeit und bemühe dich in allen Problemsituationen um friedliche Alternativen.
 
 
 
Diese Regel bezieht sich sowohl auf die notwendige innere Haltung, die menschliches Zusammenleben ermöglicht, als auch auf die Formung eines menschenwürdigen Charakters. Bei den Tieren sind die Verhaltensmuster zur Erhaltung ihrer Art in ihren natürlichen Anlagen vorhanden und werden von der Natur gelenkt. Der Mensch kann sie durch seine Verselbständigung mit egoistischen Interessen ersetzen und braucht daher eine durch Erkenntnis verinnerlichte Instanz, die auf das Maß seiner Handlungen achtet. Diese Instanz ist dem Menschen nicht mitgegeben, er muß sie sich erarbeiten. Deshalb mahnt diese Regel zum Verzicht auf körperliche Gewalt und bezeichnet gleichzeitig alle Formen der Gewaltanwendung als menschenunwürdig.
 
 
 
Ein Fortgeschrittener in den Kampfkünsten kann anderen Menschen ernsthafte Verletzungen zufügen und ist dann, wenn er seine Fähigkeiten als Machtmittel gegenüber seinen Mitmenschen verwendet, eine Gefahr für die Gesellschaft und ein menschenunwürdiges Individuum. Auf dieser Grundlage wurde ursprünglich das budō vom bujutsu getrennt. Das Ziel des bujutsu war es, vollendete Formen des Tötens zu lehren, während das budō die Selbstmeisterschaft, also die Meisterschaft des Verhaltens lehrt. Meister Funakoshis karate ni sente nashi (Im Karate gibt es keinen Angriff) erläutert, dass der Mensch als geistiges Wesen die Fähigkeit besitzt, Wege der Gewaltlosigkeit zu finden, wenn er den Situationen mit überwundenem Ich begegnet. Die Lösung der zwischenmenschlichen Probleme auf der Basis der Gewalt sind primitive Gepflogenheiten und ermöglichen kein menschliches Zusammenleben unter dem Zeichen des Geistes. Der gebildete Mensch ist in der Lage, Situationen zu beurteilen und Lösungen zu suchen. Ist sein Resultat dennoch die Gewalt, hat er sich vom Tier nicht weit entfernt.
 
 
 
In der Geschichte der Kampfkünste wie auch in der Menschengeschichte gibt es viele Zeugnisse von großem Leid, das durch Gewaltanwendung über die Menschen kam. Dennoch gehen viele Kampfkunstanhänger mit diesem Leitsatz sehr leichtfertig um. Manche Menschen üben die Kampfkünste nur mit dem Zweck, ihre Gegner besiegen zu lernen. Budō ist jedoch vor allem eine Kunst der Selbstperfektion, und dazu gehört das richtige Verständnis dieser Regel.
 
 
 
 
 
 
Kaisetsu 5
 
 
 
 
 
 
 
  
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==5. Verzichte auf Gewalt==
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====Dein Verhältnis zur Gewalt====
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* '''Mißbrauche weder das Wissen noch das Können, das du dir in der Übung der Kampfkünste aneignest, für eigennützige Zwecke. Bekenne dich zur körperlichen und geistigen Gewaltlosigkeit und bemühe dich in allen Problemsituationen um friedliche Alternativen.'''
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: Diese Regel bezieht sich sowohl auf die notwendige innere Haltung, die menschliches Zusammenleben ermöglicht, als auch auf die Formung eines menschenwürdigen Charakters. Bei den Tieren sind die Verhaltensmuster zur Erhaltung ihrer Art in ihren natürlichen Anlagen vorhanden und werden von der Natur gelenkt. Der Mensch kann sie durch seine Verselbständigung mit egoistischen Interessen ersetzen und braucht daher eine durch Erkenntnis verinnerlichte Instanz, die auf das Maß seiner Handlungen achtet. Diese Instanz ist dem Menschen nicht mitgegeben, er muß sie sich erarbeiten. Deshalb mahnt diese Regel zum Verzicht auf körperliche Gewalt und bezeichnet gleichzeitig alle Formen der Gewaltanwendung als menschenunwürdig.<br.>Ein Fortgeschrittener in den Kampfkünsten kann anderen Menschen ernsthafte Verletzungen zufügen und ist dann, wenn er seine Fähigkeiten als Machtmittel gegenüber seinen Mitmenschen verwendet, eine Gefahr für die Gesellschaft und ein menschenunwürdiges Individuum. Auf dieser Grundlage wurde ursprünglich das budō vom bujutsu getrennt. Das Ziel des bujutsu war es, vollendete Formen des Tötens zu lehren, während das budō die Selbstmeisterschaft, also die Meisterschaft des Verhaltens lehrt. Meister Funakoshis karate ni sente nashi (Im Karate gibt es keinen Angriff) erläutert, dass der Mensch als geistiges Wesen die Fähigkeit besitzt, Wege der Gewaltlosigkeit zu finden, wenn er den Situationen mit überwundenem Ich begegnet. Die Lösung der zwischenmenschlichen Probleme auf der Basis der Gewalt sind primitive Gepflogenheiten und ermöglichen kein menschliches Zusammenleben unter dem Zeichen des Geistes. Der gebildete Mensch ist in der Lage, Situationen zu beurteilen und Lösungen zu suchen. Ist sein Resultat dennoch die Gewalt, hat er sich vom Tier nicht weit entfernt.<br.>In der Geschichte der Kampfkünste wie auch in der Menschengeschichte gibt es viele Zeugnisse von großem Leid, das durch Gewaltanwendung über die Menschen kam. Dennoch gehen viele Kampfkunstanhänger mit diesem Leitsatz sehr leichtfertig um. Manche Menschen üben die Kampfkünste nur mit dem Zweck, ihre Gegner besiegen zu lernen. Budō ist jedoch vor allem eine Kunst der Selbstperfektion, und dazu gehört das richtige Verständnis dieser Regel.
  
 
 
==Die Arbeit mit der Dōjōkun==
 
==Die Arbeit mit der Dōjōkun==
  

Version vom 20. September 2014, 01:09 Uhr

Artikel von: Werner Lind<br.>Nachbearbeitet von: Stephanie Kaiser

Dōjōkun (jap.: 道場訓) bezeichnet ein Paket praktischer Anleitungen zur Übung der rechten Haltung (shisei) und des rechten Verhaltens in den Kampfkünsten.<br.>Seit altersher ist es in den Kampfkünsten üblich, die körperliche Übung durch ein adequates Paket von philosophischen Gedanken und Lebensanleitungen begleiten zu lassen, die dem Übenden Sinn und Maß in seiner Lebensbewältigung geben. Diese aufgeschriebenen Anleitungen bezeichnet man in den Kampfkünsten als dōjōkun.<br.>Frühe Konzepte gab es bereits im Shǎolín-Kloster (Shǎolínsì), sie pflanzten sich durch die Jahrhunderte fort und etablierten sich als philosophische Lehrkonzepte in allen Stilen. Immer bestanden sie aus Anleitungen zur Übung des rechten Verhaltens und der rechten Haltung (shisei). Richtig verstanden schafften sie die Verbindung zwischen der Philosophie des Weges () und der formalen Technik (waza) und gewährleisteten, dass die Erkenntnisse über den Weg nicht im Intellekt verhaftet blieben, sondern in der persönlichen Haltung des Übenden sichtbar wurden.

Das Prinzip der Dōjōkun

Es gibt keine einheitliche dōjōkun, sondern nur ein allgemeines Prinzip, dass von den jeweiligen Lehrern verwendet wird, um ihre Schüler in den philosophischen Lehren auszubilden. Die dōjōkun ist der vom Budo-Geist geforderte Auftrag, den Weg nicht nur zu verstehen, sondern zu leben und das persönliche Verhalten an seiner übergeordneten Wirklichkeit zu messen. Sie ist das Zentrum der geistigen Wegübungen, und überall dort, wo sie fehlt, wird budō zur Form.<br.>Die Leitsätze der dōjōkun und ihre lenbensbegleitenden Anleitungen (kaisetsu) werden dann, wenn sie in der Selbstübung verwendet werden, zum Maßstab für den Fortschritt auf dem Weg. Fortgeschrittene entwickeln durch diese Übung einen reifen Geist und verbinden erkenntnisfähiges Denken mit dem entsprechenden persönlichen Verhalten. Übende, die in der dōjōkun nur das theoretische Verständnis statt einer Verhaltensübung sehen, können keine Fortschritte machen. Im bloßen Lernen und Interpretieren ohne Nachdenken über die eigene Haltung liegt kein Wert.<br.>Für den Fortgeschrittenen ist die dōjōkun das unangefochtene Zentrum seiner Übung und die tiefste Quelle seiner geistigen Inspiration, durch die er sich im ständigen Kampf um Erkenntnis und Selbsterkenntnis bemüht. Durch die dōjōkun wird ein „Budō-Leben“ möglich, in dem die wahren Werte des budō erst sichtbar werden.

Dōjōkun des BSK

In seinem Buch „Budō - Der geistige Weg der Kampfkünste“ hat sensei Werner Lind bereits vor vielen Jahren die Inhalte der japanischen Kampfkünste ins europäische Denken übersetzt, so dass sie auch außerhalb Asiens verstanden werden können. Unter anderem definierte er das Konzept der dōjōkun auf fünf philosophischen Grundsätzen, die die gesamte geistige Entwicklung eines Übenden auf dem Weg () bestimmen:

  1. Verhältnis zu sich selbst - Suche nach der Vervollkommnung deines Charakters
  2. Verhältnis zur Welt - Sei aufrichtig, loyal und zuverlässig
  3. Wege des rechten Strebens - Sei achtsam in deinem Streben
  4. Verhaltensetikette - Ehre die Prinzipien der Etikette
  5. Gewaltloses Handeln - Verzichte auf Gewalt

Innerhalb dieser Gruppen werden im BSK praktische Leitsätze (kaisetsu) als Verhaltens- und Lebenshilfen zusammengefasst. Sie stammen aus der asiatischen Literatur und wurden dazu erdacht, die kontemplativen Gedanken der Übenden zu fördern. Sie können jedoch ebensogut von Goethe, Hesse oder Epikur stammen, denn alle Philosophien der Welt stellen die Frage nach dem Sinn und Sein und eröffnen dem Übenden den Zugang zum philosophischen Denken.<br.>Im Budo Studien Kreis gehört die dōjōkun zu den BSK-Lehrkonzepten und ist Teil eines, im Hintergrund der Technik (waza) wirkenden Ausbildungssystems.<br.>Das Studium der dōjōkun wird dann, wenn es als Selbstübung verwendet werden, zum Maßstab für den Fortschritt auf dem Weg (). Fortgeschrittene erreichen durch diese Übung einen reifen Geist (shin) und verbinden erkenntnisfähiges Denken mit persönlichem Verhalten (sahō). In der dōjōkun liegt weitgehend die philosophische Essenz des budō.<br.>Im Folgenden werden die fünf Leitsätze der BSK-Dōjōkun erläutert:

1. Suche nach der Vervollkommnung deines Charakters

Dein Verhältnis zu dir selbst

  • Bemühe dich darum, nicht nur deinen Körper zu üben, sondern begegne deinen inneren Unebenheiten mit derselben Kraft, wie du im Training lernst, äußere Schwierigkeiten zu überwinden.
Diese Regel bezieht sich auf das ausgewogene innere Verhältnis des Menschen zu sich selbst. Sie macht deutlich, dass die Übung des Budō nicht nur das Körperliche meint, sondern dass der Übende sich in allen alltäglichen Situationen selbstkritisch betrachten soll, um festzustellen, welches die inneren Probleme sind, die der Perfektion seines Selbst im Wege stehen. Durch diese Regel wird der Übende aufgerufen, seinen inneren Unebenheiten mit derselben Kraft zu begegnen, wie er es im körperlichen Training lernt, äußere Schwierigkeiten zu überwinden.<br.>Mit einem wachen und selbstbetrachtenden Geist kann der Übende den Sinn dieser Regel in unzähligen Situationen an sich selbst feststellen. So kann er z.B. erkennen, ob er sich im inneren Gleichgewicht befindet oder ob er im Vorurteil denkt und handelt. Auch Tendenzen zur Überheblichkeit, zum Egoismus, zur Selbstüberschätzung, zur Ungerechtigkeit, zum Selbstmitleid, zu unkontrollierten Gefühlen u.a. fallen unter diese Regel. Wenn sie nicht behoben werden, verhindern sie den Fortschritt auf dem Weg. Lernt er jedoch, sein Inneres zu meistern, wird ihm diese Erfahrung im Leben sehr von Nutzen sein. Die Übung des Körpers wird mit dem Älterwerden ihre Grenze erreichen, der Geist jedoch läßt sich bis zum Tod immer weiter vervollkommnen.

2. Sei aufrichtig, loyal und zuverlässig

Dein Verhältnis zur Welt

  • Achte das Leben, deine Kunst und den anderen Menschen. Pflege gegenseitige Beziehungen mit ehrlicher Gesinnung und vermeide Haltungen, durch die du in Frage gestellt werden kannst. Stehe zu deinen Verantwortungen und pflege den Geist der Freundschaft.
Diese Regel bezieht sich auf die Haltung des Menschen gegenüber dem Leben und auf die die Bereitschaft zum richtigen Verhältnis zwischen Selbst und Gegenüber. Sie macht darauf aufmerksam, dass auf dem Weg zu einem Ziel eine harmonischen Beziehung zwischen dem Selbst und den existierenden Umständen nötig ist, da kein Ziel im selbstsüchtigen Wollen, sondern nur im rechten Verhältnis zu den Gegebenheiten erreicht werden kann.<br.>So z.B. erläutert sie die Grundvoraussetzungen, durch die rechte und gerechte Beziehungen zu anderen Menschen möglich werden. Fruchtbare Beziehungen entstehen erst dann, wenn ein Mensch fähig ist, persönliche Ansprüche durch die Bereitschaft zur Hingabe auszugleichen. Gerät das Gleichgewicht zwischen Bereitschaft und Anspruch durch egoistische oder oberflächliche Fehlhaltungen in Gefahr, wird jede Kommunikation unterbrochen.<br.>Das Gleichgewicht zwischen innen und außen ist wichtig, will der Mensch sich auf die rechte Weise in der Welt bekunden. Stillschweigend setzt jeder Mensch bei einem anderen, mit dem er in gemeinsame und gegenseitige Abhängigkeiten tritt, diese gleichgewichtige Haltung voraus. Doch dort, wo Menschen mehr wollen, als sie geben, höhere Ansprüche stellen, als sie bereit sind zu verantworten, viel versprechen und wenig halten, Großes beabsichtigen und Kleines tun, ziehen sie sich das Mißfallen all jener zu, die das entstehende Ungleichgewicht durch erhöhte Opfer ausgleichen müssen. Da keine realistische Selbsteinschätzung vorhanden ist, erlaubt eine solche Haltung auch keinen wahren Wertaustausch mit anderen und deshalb auch keine ehrliche, sondern nur eine oberflächliche Beziehung.

3. Sei achtsam in deinem Streben

Dein Verhältnis zum Achten und Streben

  • Vermeide jede Form des egoistischen Strebens. Überwinde den Egoismus, die Selbstsucht und die Habgier, sei maßvoll im Nehmen und großzügig im Geben. Dränge dich nicht in den Vordergrund, halte deine Ansprüche gering und bekenne dich zur Verantwortung, zur Hilfe und zur Toleranz.
Diese Regel bezieht sich auf die Verwirklichung des Menschen in seinen persönlichen Lebenszielen. Sie hängt eng mit dem ersten und zweiten Leitsatz zusammen, da jedes angestrebte Ziel einer reifen Grundhaltung bedarf, wenn es abwegige und uneinschätzbare Wirkungen vermeiden will. Wie Menschen im persönlichen Umfeld ihre Ziele setzen, bestimmt in einer übergeordneten Dimension den Frieden in der Welt. Deshalb ist Strebsamkeit allein nicht die vermeintlich positive Kraft, sondern wird es erst durch die Verbindung mit einer reifen inneren Haltung. Streben ist gebunden an Sinn, an Maß und an Erkenntnis. Die Philosophie des budō lehrt, dass Streben ohne Verantwortung auf die eine oder andere Weise immer dem Leben entgegensteht.<br.>Diese Betrachtung ist nicht nur dem budō eigen, sondern allen Philosophien, die einen Ausweg aus dem durch falsches Streben hervorgerufenen Dilemma suchen, in der sich gegenwärtiges Leben befindet. Der Mensch ist im Gegensatz zum Tier in einer zweipoligen Bestimmung gefangen: Zum einen ist er wie alles Leben das Resultat eines natürlichen Zufalls, darin gefangen und ihm bedingungslos unterworfen. Da er sich nicht herauslösen kann, ist er den natürlichen Gesetzen ohnmächtig preisgegeben, abhängig und unselbständig. Zum anderen entwickelt er aber durch sein Bewußtsein eine zweite, der ersten entgegengesetzte Kraft, dank der er persönliche Ziele anstreben und erreichen kann. So verändert er nach eigenen Vorstellungen die Welt und verwirklicht darin das Abbild dessen, was er in seinem Sinne für richtig und dienlich hält. Darin besteht sein Unterschied zum Tier, das, des Denkens nicht mächtig, den natürlichen Gesetzen widerstandslos preisgegeben ist.<br.>Jeder bewußte Eingriff in das von der Natur geforderte Erdulden ist jedoch immer Selbstverwirklichung und Auflehnung zugleich. Alles, was der Mensch für den Umfang seiner persönlichen Wünsche beansprucht, nimmt er sich zum Nachteil jener Kraft, die ihm auf der Vorstufe seiner Bewußtwerdung Leben ermöglicht. Überschreitet er das Maß und verletzt das Gleichgewicht zu seinem tragenden Ursprung, entfernt er sich gleichzeitig von der Quelle seiner natürlichen Lebenskraft, durch die er entsteht, wächst und gedeiht.<br.>Das Vertrauen in das Selbst erlaubt dem Menschen einen gewissen Abstand zu den unkontrollierbaren Mächten der Natur, doch die vollkommene Befreiung ist nicht möglich. Nur durch einen Geist, der das Maß erkennt und das Gleichgewicht wahrt, kann sein Leben gedeihen. Um ihn zu verwirklichen, ist Streben notwendig, doch es darf nicht vom Ich bestimmt sein, das Wachstum und Gewinn ohne Grenzen fordert. Es bedarf der Kontrolle und der Lenkung aus der von innen heraus gereiften Haltung zum Leben, die Streben in beide Richtungen der menschlichen Bestimmung ermöglicht. Im Ungleichgewicht der Extreme verfehlt es den Sinn und stellt das Überleben in Frage.

4. Ehre die Prinzipien der Etikette

Deine Umgangsformen im rechten Verhalten

  • Respektiere die Budō-Etikette und bemühe dich darum, sie in deinem Verhalten sichtbar zu machen. Gehe nicht gedankenlos über sie hinweg und suche nicht nach Entschuldigungen, wenn du sie verletzt. Gleiche Fehler durch erhöhte Hingabe aus und lasse sie nicht auf sich beruhen.
Diese Regel bezieht sich auf die richtigen Formen der Verhaltensetikette, die ein Mensch beachten muß, wenn er von anderen verstanden und angenommen werden will. Menschen mit einer schlechten Verhaltensetikette werden selbst im Wohlgemeinten mißverstanden, denn sie widerlegen ihre Absichten und Aussagen durch unentsprechendes Verhalten. Die rechte Etikette macht einen Menschen glaubwürdig, offen und unkompliziert. Sie bewirkt eine verständliche Kommunikation mit anderen und hilft die Harmonie in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu erhalten.<br.>Die Etikette besteht aus der objektiv wahrnehmbaren Verhaltensform eines Menschen, durch das er einem anderen mitteilt, dass er in der rechten Weise zur gegenseitigen Verständigung bereit ist. Dort, wo die Form von inneren Unebenheiten überschattet oder durch eine unbewußte Gestik widerrufen wird, verliert der Mensch an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Menschen ohne Etikette sind beständig dabei, das, was sie sagen, durch ihren Ausdruck zu widerlegen. Darauf beruhen viele Mißverständnisse. Häufig zerbricht eine Beziehung an der Unfähigkeit, sich angemessen mitzuteilen. Durch die in der Übung gereifte Etikette ist ein Mensch in der Lage, sich von jenen inneren Zwängen zu befreien, die ihm Wohlgemeintes nach außen ins Gegenteil verdrehen. Ohne Etikette wird Aufrichtigkeit zu Grobheit, Mut zu Auflehnung, Demut zu Unterwürfigkeit, Respekt zu Kriecherei und Vorsicht zu Furchtsamkeit. Die rechte Etikette sorgt für Frieden und Harmonie zwischen den Menschen. Sie findet in den Kampfkünsten in den Leitsätzen "Ohne Höflichkeit geht der Wert des Karate verloren" und "Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt" ihren Ausdruck.<br.>Meister Funakoshi bezeichnete die Höflichkeit als die Grundlage jeder Etikette und den Gruß als ihr wichtigstes Symbol. Das jede Übung beständig begleitende Rei führt den Übenden zur Überwindung der inneren Ichbezogenheit und erlaubt ihm letztendlich, anderen Menschen ohne Maske gegenüberzutreten. Alle Fortgeschrittenen wissen um die Bedeutung des Rei. Übende, die das Grüßen durch Nachlässigkeit verletzen, gelten als unbescheiden, selbstbezogen und unanpassungsfähig. Die Art und Weise, wie ein Übender grüßt, ist ein Spiegel seiner selbst.

5. Verzichte auf Gewalt

Dein Verhältnis zur Gewalt

  • Mißbrauche weder das Wissen noch das Können, das du dir in der Übung der Kampfkünste aneignest, für eigennützige Zwecke. Bekenne dich zur körperlichen und geistigen Gewaltlosigkeit und bemühe dich in allen Problemsituationen um friedliche Alternativen.
Diese Regel bezieht sich sowohl auf die notwendige innere Haltung, die menschliches Zusammenleben ermöglicht, als auch auf die Formung eines menschenwürdigen Charakters. Bei den Tieren sind die Verhaltensmuster zur Erhaltung ihrer Art in ihren natürlichen Anlagen vorhanden und werden von der Natur gelenkt. Der Mensch kann sie durch seine Verselbständigung mit egoistischen Interessen ersetzen und braucht daher eine durch Erkenntnis verinnerlichte Instanz, die auf das Maß seiner Handlungen achtet. Diese Instanz ist dem Menschen nicht mitgegeben, er muß sie sich erarbeiten. Deshalb mahnt diese Regel zum Verzicht auf körperliche Gewalt und bezeichnet gleichzeitig alle Formen der Gewaltanwendung als menschenunwürdig.<br.>Ein Fortgeschrittener in den Kampfkünsten kann anderen Menschen ernsthafte Verletzungen zufügen und ist dann, wenn er seine Fähigkeiten als Machtmittel gegenüber seinen Mitmenschen verwendet, eine Gefahr für die Gesellschaft und ein menschenunwürdiges Individuum. Auf dieser Grundlage wurde ursprünglich das budō vom bujutsu getrennt. Das Ziel des bujutsu war es, vollendete Formen des Tötens zu lehren, während das budō die Selbstmeisterschaft, also die Meisterschaft des Verhaltens lehrt. Meister Funakoshis karate ni sente nashi (Im Karate gibt es keinen Angriff) erläutert, dass der Mensch als geistiges Wesen die Fähigkeit besitzt, Wege der Gewaltlosigkeit zu finden, wenn er den Situationen mit überwundenem Ich begegnet. Die Lösung der zwischenmenschlichen Probleme auf der Basis der Gewalt sind primitive Gepflogenheiten und ermöglichen kein menschliches Zusammenleben unter dem Zeichen des Geistes. Der gebildete Mensch ist in der Lage, Situationen zu beurteilen und Lösungen zu suchen. Ist sein Resultat dennoch die Gewalt, hat er sich vom Tier nicht weit entfernt.<br.>In der Geschichte der Kampfkünste wie auch in der Menschengeschichte gibt es viele Zeugnisse von großem Leid, das durch Gewaltanwendung über die Menschen kam. Dennoch gehen viele Kampfkunstanhänger mit diesem Leitsatz sehr leichtfertig um. Manche Menschen üben die Kampfkünste nur mit dem Zweck, ihre Gegner besiegen zu lernen. Budō ist jedoch vor allem eine Kunst der Selbstperfektion, und dazu gehört das richtige Verständnis dieser Regel.

Die Arbeit mit der Dōjōkun

Die Leitsätze der dōjōkun bezeichnen übergeordnete Bereiche für alle menschenmöglichen Verwirklichungen und zeigen einen Weg zur geistigen Unabhängigkeit gegenüber den Formen. Sie gestatten jede nur erdenkliche Erfahrung auf jeder Ebene, führen jedoch alle Formen in der letzten Konsequenz auf das Verhältnis zwischen Mensch, Leben und Welt zurück und haben nur ein Ziel: das Wachsen des Menschen hin zu seiner natürlichen Bestimmung.

Die Dōjōkun im BSK

Das, was die dōjōkun meint zu verstehen und zu verwirklichen, ist der Auftrag, den der Mensch vom Leben selbst erhält. Für eine oberflächliche Betrachtung ist dies jedoch nicht offensichtlich. Deshalb gibt es in der Kampfkunstliteratur eine ganze Reihe von unterstützenden Hinweisen, die gezielt Probleme aus der Praxis aufgreifen und auch für den Anfängergeist verständlich erläutern. Diese Leitsätze (kaisetsu) behandeln Teilaspekte des menschlichen Befindens in der Welt und helfen dem Übenden, differenziertere Zusammenhänge im eigenen Verhalten zu erkennen. Ihr Ziel ist es jedoch nicht, etwas zu lehren, sondern den Übenden in den Kampf um eigenen Erkenntnis zu führen.

Die Erfahrung in der Praxis zeigt, dass zur Meisterschaft der Kampfkünste die dōjōkun nicht fehlen darf. Für alle Übenden, gleich ihrem Rang, ist es von essentieller Bedeutung, dass sie ihre eigene Haltung (shisei) in regelmäßigen Kontrollen der dōjōkun gegenüberstellen. In Übungsgruppen mit einem gesunden Budō-Geist ist sie nicht nur ein Maßstab des Lernens, sondern auch ein Spiegel des Verhaltens, durch das der einzelne mit der Gemeinschaft im Austausch steht. Sie reflektiert das Maß des Rechten und des Falschen im Verhalten, sie stellt das Gleichgewicht im Geben und Nehmen her und besteht auf dem gerechten Ausgleich zwischen Anspruch und Bereitschaft.

Die wohlverstandene dōjōkun bewirkt durch den von ihr erzeugten Budō-Geist die gesunde Integrität der Gemeinschaft. Als unbeeinflußbare Instanz läßt sie jedem Übenden das zukommen, was er sich durch seine Haltung verdient. Nicht im egoistischen Kampf um persönliche Größe, sondern erst durch die dōjōkun gibt es in der Gemeinschaft eine gerechte und neutrale Verteilung der Anerkennungen, denn jede Selbsteinbildung, jede Überheblichkeit und jeder unlegitime Wert zerbricht im direkten Vergleich mit ihr. Allein durch diesen Maßstab sind Übende gezwungen, sich selbst so zu begegnen, wie sie wirklich sind. Nie wird ein Übender in einer gesunden Budō-Gemeinschaft Harmonie erfahren, wenn er unreife Vorstellungen statt tatsächlicher Werte bezeugt. Die dōjōkun erlaubt keine Täuschungen und wird auf diese Weise zum Mittelpunkt jeder Budō-Lehre.

Die dōjōkun ist für den Übenden eine Herausforderung und für den Lehrer ein Maßstab, anhand dessen er die Wegentwicklung in jedem Einzelnen mißt. Manchmal will ein Übender das nicht erkennen und verhält sich unangepaßt und egoistisch. Solche Haltungen kehren sich jedoch um, da eine gesunde Gemeinschaft sie reflektiert. Es gehört zur Aufgabe eines Übenden, beständig seine Haltung zu überprüfen und die hervorgerufenen Resonanzen zu überdenken. Widerspricht sich seine Selbstmeinung mit dem Echo aus der Budō-Gemeinschaft, sind neue Überlegungen sicherlich nötig. Die Übung der dōjōkun ist das wirkungsvollste Mittel, innere Grenzen in sich selbst herauszufordern und in Frage zu stellen. In einer solchen Übung gibt es keinen Raum für falsche Werte, denn wahre Werte bestätigen sich von selbst durch die entgegenkommende Resonanz aus Anerkennung und Achtung.


Die in der dōjōkun angesprochenen Bereiche werden in der Kampfkunstliteratur in vielen Leitsätzen (kaisetsu) im Einzelnen erläutert, die den Übenden helfen sollen, den Weg des budō zu gehen. Es gibt sehr viele dieser Leitsätze, die aus der gesamten Breite der Budō-Philosophie stammen. Die Meister der einzelnen Schulen wählen aus ihrer großen Vielfalt die ihnen wichtig erscheinenden aus und begründen darauf die philosophische Grundlage ihrer Schule.

Regeln für Mitglieder im Budōkan

  1. Halte deine Trainingspläne ein und sorge dafür, dass du pünktlich und verläßlich bist. Bringe einen regelmäßigen Rhythmus in deine Trainingsbesuche und teile deinen Lehrern mit, wenn du nicht kommen kannst. Übe regelmäßig, jedoch ohne Übertreibung. Vermeide es grundsätzlich, gegenüber anderen ein ungewisser Faktor zu sein.
  2. Bringe Ordnung und Selbstdisziplin in dein Leben. Kontrolliere beständig deine Beziehung zu deinem Lehrer und zu deinem Dojo. Bewahre die rechten Umgangsformen und vergiß nie zu zeigen, dass du zur Zusammenarbeit bereit bist.
  3. Sei nicht überheblich, besserwisserisch oder arrogant, sondern bekenne dich zur Lernbereitschaft. Erziehe dich auch im alltäglichen Leben zur Bescheidenheit und Kontrolle. Wenn du den Weg der Kampfkünste gehen willst, dann bemühe dich darum, dass andere Menschen vor deinen Fähigkeiten deinen Charakter schätzen.
  4. Vermeide es, für andere Recht oder Unrecht zu sprechen. Sehe dich selbst an und löse zunächst deine eigenen Probleme. Fordere niemals mehr als du verdienst, und kritisiere nie, wenn du nicht verstehst.
  5. Wenn du das Dojo betrittst, verbeuge dich zum Zeichen deines Respektes. Betrete es nur mit sauberen Füßen und sauberer Trainingskleidung. Halte deine Trainingskleidung immer in Ordnung und lasse sie und auch deine anderen persönlichen Sachen niemals achtungslos herumliegen.
  6. Wenn du Übungsgeräte oder andere Dinge benutzt, bringe sie anschließend an ihren Platz zurück. Wird ein Gerät beschädigt, muß es sofort instandgesetzt werden. Übe nie mit der Waffe eines anderen ohne dessen Genehmigung. Helfe immer beim Saubermachen des Dojo.
  7. Konzentriere dich im dōjō auf deine Übung und achte beständig auf deine innere Haltung. Stelle keine unnötigen Fragen, sondern versuche zu lernen. Wenn ein Fortgeschrittener dir hilft, bedanke dich bei ihm, indem du Rei ausführst.
  8. Verlasse das Dojo nicht während des Trainings. Überwinde dich zum Durchhalten und erziehe dich mit Stärke. Mußt du deine Übung dennoch unterbrechen, vergiß nicht, dich ordnungsgemäß abzumelden.
  9. Übe immer in deinem weißen Karategi mit dem rangentsprechenden Gürtel. Vermeide farbige Gis mit auffälligen Stoffabzeichen. In Ausnahmefällen kann in normeler Sportkleidung geübt werden.
  10. Achte die Fortgeschrittenen innerhalb und außerhalb des dōjō. Nur in der rechten Haltung ihnen gegenüber kannst du von ihnen lernen. Nehme die Herausforderung an der rechten Stelle an und versuche selbst ein Fortgeschrittener zu werden

Regeln für Übungsleiter im Budō Studien Kreis und Budōkan

  1. Sei dir immer deines Standes bewußt und benehme dich mit Verantwortung und Würde. Habe Geduld mit deinen Schülern, nötige sie zu nichts, sondern lehre sie durch dein Beispiel. Denke immer daran, dass du der Maßstab bist, an dem sie sich orientieren.
  2. Achte auf eine Atmosphäre von Disziplin, Respekt und Vertrauen, doch erzwinge sie nicht mit autoritären Regeln. Vergiß nie, dass du das Vertrauen deiner Schüler verlierst, wenn du Regeln ohne menschliche Zuwendung und ehrliches Wohlwollen anwendest. Ohne persönliche Bindungen kannst du nicht unterrichten und Karate wird zu einem autoritären Regelsystem mit falschen Inhalten.
  3. Beurteile deine Schüler nicht nach ihrem körperlichen Talent, sondern nach ihrem Charakter, ihrer Selbstdisziplin und ihrer Hilfsbereitschaft.
  4. Versuche jeden Schüler individuell zu unterrichten und setze ihm seine Ziele entsprechend seinen persönlichen Fähigkeiten und Anlagen. Vermeide es grundsätzlich, kollektive Ziele anzusteuern, und ermögliche dem Einzelnen eine Entwicklung innerhalb seiner Möglichkeiten.
  5. Lehre nichts, was du nicht verstanden hast, sprich nicht über Dinge, die du noch nicht erfahren hast, und vermittle nicht den Eindruck, dass du endgültig bist. Verberge deine Fehler nicht und sei deinen Schülern vor allem ein ehrlicher Freund. Denke nicht, dass deine Autorität ihnen gegenüber auf deiner Position oder Graduierung beruht, sondern lehre mit deiner wahren Persönlichkeit. Es ist nicht nötig, dass du das optimal Beste bietest, sondern biete das dir Mögliche, doch biete es ganz.
  6. Erwarte von deinen Schülern nicht, dass sie mehr geben, als ihrem Fortschritt entspricht. Gebe ihnen die Zeit, die auch du brauchtest, um zu wachsen. Erinnere dich daran, dass auch dein Fortschritt der jahrelangen Pflege deiner Lehrer bedurfte und ebensoviel Geduld erforderte, wie du nun aufbringen mußt, um sie zu lehren.
  7. Konzentriere deine persönlichen Anstrengungen nicht nur auf die körperliche Übung, sondern auch auf die Disziplin und das Studium des Karate als Kunst. Entwickle beständig deine Fähigkeit zum Ideal und suche deine Herausforderungen in erster Linie in der Perfektion deines Selbst.
  8. Vergiß nie, dass du selbst noch Schüler bist. Versäume es nicht, dich beständig weiterzuentwickeln und Karate mit konstruktivem Geist zu erforschen. Achte dabei vor allem auf deine beispielgebende Haltung gegenüber deinen Schülern und gleichzeitig auf das rechte Verhältnis zu deinen Lehrern. Nur auf diese Weise kannst du wachsen.

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Studien Informationen

Siehe auch: Dojokun | Oshi | BSK-Dōjōkun | Shōtō nijūkun | Kaisetsu |

Literatur

  • Werner Lind: Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste. Bern, München, Wien 1992 (S.51 ff).
  • Werner Lind: Das Lexikon der Kampfkünste. Sportverlag 1999.

Weblinks

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