Dōjōkun: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Dōjōkun''' 道場訓 - Dōjō-Regeln, praktische Anleitungen zur Übung der rechten Haltung (''[[shisei]]'') in allen karateähnlichen Künsten. Die ''dōjōkun'' schafft die Verbindung zwischen der Philosophie des Weges (''[[dō]]'') und der formalen Technik (''[[shosa]]'') und gewährleistet, dass die Erkenntnisse über den Weg nicht im Intellekt verhaftet bleiben, sondern in der Haltung Inhalt gewinnen. Die ''dōjōkun'' ist der vom Budo-Geist geforderte Auftrag, den Weg nicht nur zu verstehen, sondern zu leben und das persönliche Verhalten an seiner übergeordneten Wirklichkeit zu messen. Sie ist das Zentrum der geistigen Wegübungen, und überall dort, wo sie fehlt, wird Budo zur Form.
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'''Dōjōkun''' (jap.: 道場訓) bezeichnet die Dōjō-Regeln, praktische Anleitungen zur Übung der rechten Haltung (''[[shisei]]'') in allen karateähnlichen Künsten. Die ''dōjōkun'' schafft die Verbindung zwischen der Philosophie des Weges (''[[dō]]'') und der formalen Technik (''[[shosa]]'') und gewährleistet, dass die Erkenntnisse über den Weg nicht im Intellekt verhaftet bleiben, sondern in der Haltung Inhalt gewinnen. Die ''dōjōkun'' ist der vom Budo-Geist geforderte Auftrag, den Weg nicht nur zu verstehen, sondern zu leben und das persönliche Verhalten an seiner übergeordneten Wirklichkeit zu messen. Sie ist das Zentrum der geistigen Wegübungen, und überall dort, wo sie fehlt, wird Budo zur Form.
  
 
Die Leitsätze (''[[kaisetsu]]'') der ''dōjōkun'' werden dann, wenn sie in der Selbstübung verwendet werden, zum Maßstab für den Fortschritt auf dem Weg. Fortgeschrittene erreichen durch diese Übung einen reifen Geist (''shin'') und verbinden erkenntnisfähiges Denken mit persönlichem Verhalten (''rei''). Übende, die in der ''dōjōkun'' nur das theoretische Verständnis statt einer Verhaltensübung (''[[saho]]'') sehen, können keine Fortschritte machen.
 
Die Leitsätze (''[[kaisetsu]]'') der ''dōjōkun'' werden dann, wenn sie in der Selbstübung verwendet werden, zum Maßstab für den Fortschritt auf dem Weg. Fortgeschrittene erreichen durch diese Übung einen reifen Geist (''shin'') und verbinden erkenntnisfähiges Denken mit persönlichem Verhalten (''rei''). Übende, die in der ''dōjōkun'' nur das theoretische Verständnis statt einer Verhaltensübung (''[[saho]]'') sehen, können keine Fortschritte machen.
  
 
Der Ursprung der ''dōjōkun'' führt bis zu den Anfängen der Kampfkunst zurück (''[[bubishi]]''). Man sagt, die erste ''dōjōkun'' stamme von dem indischen Mönch [[Bodhidharma]] aus dem Shaolin Kloster. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich aufgrund von Erfahrungen der Meister viele Leitsätze gebildet, durch deren Hilfe ein Übender in der Lage ist, eigene innere Hindernisse (''[[bonno]]'') auf seinem Weg zu überwinden.
 
Der Ursprung der ''dōjōkun'' führt bis zu den Anfängen der Kampfkunst zurück (''[[bubishi]]''). Man sagt, die erste ''dōjōkun'' stamme von dem indischen Mönch [[Bodhidharma]] aus dem Shaolin Kloster. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich aufgrund von Erfahrungen der Meister viele Leitsätze gebildet, durch deren Hilfe ein Übender in der Lage ist, eigene innere Hindernisse (''[[bonno]]'') auf seinem Weg zu überwinden.
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Seit altersher ist es in den Kampfkünsten üblich, die körperliche Übung durch ein adequates Paket von philosophischen Gedanken und Lebensanleitungen begleiten zu lassen, die dem Übenden Sinn und Maß in seiner Lebensbewältigung geben. Diese aufgeschriebenen Anleitungen bezeichnet man in den Kampfkünsten als dōjōkun.
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Frühe Konzepte gab es bereits im Shaolin-Kloster, sie pflanzten sich durch die Jahrhunderte fort und etablierten sich als philosophische Lehrkonzepte in allen Stilen. Immer bestanden sie aus Anleitungen zur Übung der rechten Haltung (shisei). Richtig verstanden schafften sie die Verbindung zwischen der Philosophie des Weges (dō) und der formalen Technik (jutsu) und gewährleisteten, dass die Erkenntnisse über den Weg nicht im Intellekt verhaftet blieben, sondern in der persönlichen Haltung des Übenden zu seiner Kunst sichtbar wurden.
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Allgemeines
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Es gibt keine einheitliche dōjōkun, sondern nur ein allgemeines Prinzip, dass von den jeweiligen Lehrern verwendet wird, um ihre Schüler in den philosophischen Lehren auszubilden. Jede gut konzipierte dōjōkun schafft die Verbindung zwischen der Philosophie des Weges (dō) und der formalen Technik (jutsu) und gewährleistet, dass die Erkenntnisse über den Weg nicht im Intellekt verhaftet, sondern in der Haltung (shisei) verwirklicht werden. Sie ist das Zentrum der Wegübungen und der vom budō geforderte Auftrag, den Weg nicht nur zu verstehen, sondern zu leben. Wo sie fehlt, wird budō zum Sport.
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Die Leitsätze der dōjōkun und ihre lenbensbegleitenden Anleitungen (kaisetsu) werden dann, wenn sie in der Selbstübung verwendet werden, zum Maßstab für den Fortschritt auf dem Weg. Fortgeschrittene entwickeln durch diese Übung einen reifen Geist und verbinden erkenntnisfähiges Denken mit dem entsprechenden persönlichen Verhalten. Übende, die in der dōjōkun nur das theoretische Verständnis statt einer Verhaltensübung sehen, können keine Fortschritte machen. Im bloßen Lernen und Interpretieren ohne Nachdenken über die eigene Haltung liegt kein Wert.   
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Form und Sinn
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Für den Fortgeschrittenen ist die dōjōkun das unangefochtene Zentrum seiner Übung und die tiefste Quelle seiner geistigen Inspiration, durch die er sich im ständigen Kampf um Erkenntnis und Selbsterkenntnis bemüht. Durch die dōjōkun wird ein „Budo-Leben“ möglich, in dem die wahren Werte des budō erst sichtbar werden.
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Seit altersher gibt es das Prinzip der dōjōkun. Die Übung der Kampfkünste von kontemplativen und ethischen Regeln begleiten zu lassen, war bereits im Shaolin-Kloster üblich. Die Praktik pflanzte sich über die Jahrhunderte fort und gelangte schließlich auch nach Okinawa (®Budopedia)
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Die Dōjōkun in der Zeitgeschichte
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Der Ursprung der dōjōkun liegt in den Anfängen der Kampfkunst im alten Shaolin-Kloster. Man vermutet, dass die erste dōjōkun bereits von dem indischen Mönch Bodhidharma im Shaolin-Kloster geschaffen wurde. Bodhidharmas Verhaltensregeln gründete sich auf die Tugenden Disziplin, Selbstbeherrschung, Bescheidenheit und Achtung vor dem Leben. Später erweiterte Jue Yuan die bis dahin bestehenden 72 Kampfverfahren des Shaolin auf 170 Bewegungen und schuf mit Hilfe von Li Cheng und Bai Yu Feng die Shaolin-Tierstile (wuqinquan). Bereits damals hatte man erkannt, dass dem gefährlichen quanfa eine zügelnde Ethik hinzugefügt werden musste.
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Zehn Regeln des Jue Yuan
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Ausgehend von Bodhidharmas Regeln, schuf Jue Yuan für die Shaolin-Schüler zehn Regeln, die als wude bezeichnet werden. Diese  wurden überliefert und gelten als die erste dōjōkun, die im nachhinein das gesamte philosophische Spektrum der Kampfkünste prägen sollte:
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1.      Wer den Weg des quanfa geht, muss mit Eifer und Ausdauer an sich arbeiten und darf keine Ablenkung durch andere Dinge zulassen.
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2.      Die Anwendung des quanfa dient nur der Selbstverteidigung.
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3.      Der Schüler muss sich dem Lehrer gegenüber ehrerbietig und bescheiden erweisen und ihm stets Hochachtung entgegenbringen.
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4.      Der Schüler muss seinen Kameraden gegenüber höflich, ehrlich und wohlwollend sein.
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5.      Übenden des quanfa ist es verboten, in der Öffentlichkeit ihre Kunst zu demonstrieren.
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6.      Quanfa-Schüler beginnen nie eine Schlägerei.
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7.      Quanfa-Schüler trinken keinen Wein und essen kein Fleisch.
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8.      Quanfa-Schüler enthalten sich des Geschlechtsverkehrs.
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9.      Das quanfa darf nur an Menschen weitergegeben werden, die reinen Herzens sind und aufrichtige Dankbarkeit zeigen.
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10.  Wer das quanfa studiert, muss Bosheit, Gier, Neid und Prahlerei überwinden.
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Fünf grundlegenden Anleitungen
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In den nachfolgenden Schulen des quanfa entwickelten die Lehrer nach altem Vorbild jeweils eigene Kampfkunstregeln, die auf die Eigenheiten der Stile und des Umfeldes abgestimmt waren, in dem sie agierten. Fünf Grundsätze bildeten sich immer mehr heraus. Hier die Regeln einer alten Quanfa-Schule, die zunehmend zum Standard wurden:
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1.      Bemühe dich um einen Ausgleich deines Äußeren: Haltung, Kleidung, Benehmen und sprachliche Umgangsformen sollen übereinstimmen.
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2.      Bewahre Stattlichkeit in der Haltung und in der Sprache. Begegne anderen mit Selbstvertrauen, Natürlichkeit und ständigem Wohlwollen.
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3.      Kontrolliere dich und lasse Veränderungen der eigenen Laune nicht durch Gestik, Mimik oder Haltung erkennen. Bewahre gleichmäßige und angenehme Umgangsformen.
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4.      Erhalte Munterkeit und positive Laune. Zeige keine Anzeichen von Müdigkeit.
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5.      Erhalte Disziplin und Selbstdisziplin in allen Lagen.
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Überlieferung nach Okinawa
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Die Überlieferung der dōjōkun nach Okinawa fand unter schwierigen Bedingungen statt, da den Okinawanischen Kampfsystemen anfangs alle Voraussetzungen zur Veränderung ihrer kriegerischen Systeme zu einer Kampfkunst fehlten. Erst im 18. Jh. fanden durch chinesische Einflüsse jene Prozesse statt, die die Entstehung einer Okinawanischen Kampfkunst ermöglichten.
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Sakugawas Leitsätze
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Auf der Grundlage chinesischer Vorbilder erschuf Sakugawa Shungō im 18. Jahrhundert auf Okinawa erste ethische Regeln für die Übenden des tōde. Diese Regeln wurden nie aufgeschrieben und sind heute nicht nachweisbar. Man vermutet jedoch, dass es sich um die Übertragung der fünf chinesischen Leitsätze handelt:
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1.      Vervollkommne deinen Charakter
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2.      Sei aufrichtig und loyal
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4.      Achte die Etikette
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5.      Verzichte auf Gewalt
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Überlieferung nach Japan
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Ob man von einer Überlieferung der okinawanischen dōjōkun nach Japan sprechen kann, ist umstritten. Im japanischen bujutsu gab es lange vor der Einführung des karate eigene kontemplative Leitsätze (kaisetsu), die von den Bujutsu-Lehrern zur geistigen Disziplinierung ihrer Schüler verwendet wurden. Außerdem gab es jahrhundertelange Debatten, Ausführungen und Veröffentlichungen über bushidō (Weg des Kriegers), durch die die Ethik des japanischen Kriegertums bereits im 16. Jh. gegründet und gefestigt wurde. Zu nennen sind z.B. hagakure oder buke shohatto. (®Budopedia)
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Die Überlieferung eines okinawanischen Ethiksystems spielte in den japanischen Kampfkünsten kaum eine Rolle. Es ging um die inhaltliche Definition und um die Unterscheidung des bujutsu vom budō. Funakoshi interpretierte seine Regeln haupsächlich aus japnanischen Einflüssen.
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Shōtō nijūkun
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Als Meister Funakoshi Gichin nach Japan kam, gründete er eine eigene dōjōkun, die unter der Bezeichnung shōtō nijūkun bekannt wurde. Diese Regeln wurden von Meister Funakoshi wahrscheinlich zu Beginn der 30er Jahre verfaßt. Untenstehend die Originalwiedergabe von Richard Kim, übersetzt von Ursel Arnold.
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1.      Karatedo wa rei ni hajimari, rei ni owaru koto o wasuruna – Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt.
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2.      Karate ni sente nashi – Im Karate gibt es keinen Angriff.
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3.      Karate wa gi no tasuke – Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit.
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4.      Mazu jiko wo shire, shikoshite tao wa shire – Erkenne zuerst dich selbst, dann den anderen.
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5.      Gijutsu yoi shinjutsu -Intuition ist wichtiger als Technik.
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6.      Kokoro wa hanatan koko wo yosu – Lerne deinen Geist zu kontrollieren und befreie ihn erst danach.
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7.      Wazawai wa getai ni shozu – Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.
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8.      Dojo nomino karate to omou na – Glaube nicht, dass Karate nur im Dojo stattfindet.
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9.      Karate no shugyo wa issho de aru – Karate üben heißt, ein Leben lang zu arbeiten; darin gibt es keine Grenzen.
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10.  Arai-yuru mono wo karateka seyo, soko ni myo-mi ari – Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, dann wirst du Myo finden.
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11.  Karate wa yu no goto shi taezu netsudo wo ataezareba moto no mizu ni kaeru – Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht beständig erwärmst.
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12.  Katsu kangae wa motsu na makenu kangae wa hitsuyo – Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.
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13.  Teki ni yotte tenka seyo – Verändere ständig deine Verteidigung gegenüber dem Feind.
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14.  Tattakai wa kyo jitsu no soju ikan ni ari – Der Kampf entspricht immer deiner Fähigkeit, mit Keyo und Jitsu umzugehen (Keyo – unbewacht, Jitsu – bewacht).
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15.  Hito no te ashi wo ken to omoe – Stelle dir deine Hand und deinen Fuß als Schwert vor.
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16.  Danshi mon wo izureba hyakuman no teki ari – Wenn du den Ort verläßt, an dem du zu Hause bist, machst du dir zahlreiche Feinde.
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17.  Kamae wa shoshinsha ni ato wa shizentai – Anfänger müssen alle Haltungen ohne eigenes Urteil annehmen, um danach einen natürlichen Zustand des Verstehens zu erreichen.
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18.  Kata wa tadashiku jissen wa betsu mono – Die Kata muss ohne Veränderung korrekt ausgeführt werden, im wirklichen Kampf gilt das Gegenteil.
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19.  Chikara no kyojaku (hart und weich) Karada no shinshuku (Spannung und Entspannung) Waza no kankyu wo wasaruna (langsam und schnell) – alles in Verbindung mit der richtigen Atmung.
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20.  Tsune ni shinen kufu seyo – Erinnere dich und denke immer an Kufu – lebe diese Vorschriften jeden Tag.
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Version vom 19. September 2014, 00:42 Uhr

Artikel von: Werner Lind


Dōjōkun (jap.: 道場訓) bezeichnet die Dōjō-Regeln, praktische Anleitungen zur Übung der rechten Haltung (shisei) in allen karateähnlichen Künsten. Die dōjōkun schafft die Verbindung zwischen der Philosophie des Weges () und der formalen Technik (shosa) und gewährleistet, dass die Erkenntnisse über den Weg nicht im Intellekt verhaftet bleiben, sondern in der Haltung Inhalt gewinnen. Die dōjōkun ist der vom Budo-Geist geforderte Auftrag, den Weg nicht nur zu verstehen, sondern zu leben und das persönliche Verhalten an seiner übergeordneten Wirklichkeit zu messen. Sie ist das Zentrum der geistigen Wegübungen, und überall dort, wo sie fehlt, wird Budo zur Form.

Die Leitsätze (kaisetsu) der dōjōkun werden dann, wenn sie in der Selbstübung verwendet werden, zum Maßstab für den Fortschritt auf dem Weg. Fortgeschrittene erreichen durch diese Übung einen reifen Geist (shin) und verbinden erkenntnisfähiges Denken mit persönlichem Verhalten (rei). Übende, die in der dōjōkun nur das theoretische Verständnis statt einer Verhaltensübung (saho) sehen, können keine Fortschritte machen.

Der Ursprung der dōjōkun führt bis zu den Anfängen der Kampfkunst zurück (bubishi). Man sagt, die erste dōjōkun stamme von dem indischen Mönch Bodhidharma aus dem Shaolin Kloster. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich aufgrund von Erfahrungen der Meister viele Leitsätze gebildet, durch deren Hilfe ein Übender in der Lage ist, eigene innere Hindernisse (bonno) auf seinem Weg zu überwinden.


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Seit altersher ist es in den Kampfkünsten üblich, die körperliche Übung durch ein adequates Paket von philosophischen Gedanken und Lebensanleitungen begleiten zu lassen, die dem Übenden Sinn und Maß in seiner Lebensbewältigung geben. Diese aufgeschriebenen Anleitungen bezeichnet man in den Kampfkünsten als dōjōkun.

Frühe Konzepte gab es bereits im Shaolin-Kloster, sie pflanzten sich durch die Jahrhunderte fort und etablierten sich als philosophische Lehrkonzepte in allen Stilen. Immer bestanden sie aus Anleitungen zur Übung der rechten Haltung (shisei). Richtig verstanden schafften sie die Verbindung zwischen der Philosophie des Weges (dō) und der formalen Technik (jutsu) und gewährleisteten, dass die Erkenntnisse über den Weg nicht im Intellekt verhaftet blieben, sondern in der persönlichen Haltung des Übenden zu seiner Kunst sichtbar wurden.

Allgemeines

Es gibt keine einheitliche dōjōkun, sondern nur ein allgemeines Prinzip, dass von den jeweiligen Lehrern verwendet wird, um ihre Schüler in den philosophischen Lehren auszubilden. Jede gut konzipierte dōjōkun schafft die Verbindung zwischen der Philosophie des Weges (dō) und der formalen Technik (jutsu) und gewährleistet, dass die Erkenntnisse über den Weg nicht im Intellekt verhaftet, sondern in der Haltung (shisei) verwirklicht werden. Sie ist das Zentrum der Wegübungen und der vom budō geforderte Auftrag, den Weg nicht nur zu verstehen, sondern zu leben. Wo sie fehlt, wird budō zum Sport.

Die Leitsätze der dōjōkun und ihre lenbensbegleitenden Anleitungen (kaisetsu) werden dann, wenn sie in der Selbstübung verwendet werden, zum Maßstab für den Fortschritt auf dem Weg. Fortgeschrittene entwickeln durch diese Übung einen reifen Geist und verbinden erkenntnisfähiges Denken mit dem entsprechenden persönlichen Verhalten. Übende, die in der dōjōkun nur das theoretische Verständnis statt einer Verhaltensübung sehen, können keine Fortschritte machen. Im bloßen Lernen und Interpretieren ohne Nachdenken über die eigene Haltung liegt kein Wert.

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Form und Sinn


Für den Fortgeschrittenen ist die dōjōkun das unangefochtene Zentrum seiner Übung und die tiefste Quelle seiner geistigen Inspiration, durch die er sich im ständigen Kampf um Erkenntnis und Selbsterkenntnis bemüht. Durch die dōjōkun wird ein „Budo-Leben“ möglich, in dem die wahren Werte des budō erst sichtbar werden.

Seit altersher gibt es das Prinzip der dōjōkun. Die Übung der Kampfkünste von kontemplativen und ethischen Regeln begleiten zu lassen, war bereits im Shaolin-Kloster üblich. Die Praktik pflanzte sich über die Jahrhunderte fort und gelangte schließlich auch nach Okinawa (®Budopedia) Die Dōjōkun in der Zeitgeschichte



Der Ursprung der dōjōkun liegt in den Anfängen der Kampfkunst im alten Shaolin-Kloster. Man vermutet, dass die erste dōjōkun bereits von dem indischen Mönch Bodhidharma im Shaolin-Kloster geschaffen wurde. Bodhidharmas Verhaltensregeln gründete sich auf die Tugenden Disziplin, Selbstbeherrschung, Bescheidenheit und Achtung vor dem Leben. Später erweiterte Jue Yuan die bis dahin bestehenden 72 Kampfverfahren des Shaolin auf 170 Bewegungen und schuf mit Hilfe von Li Cheng und Bai Yu Feng die Shaolin-Tierstile (wuqinquan). Bereits damals hatte man erkannt, dass dem gefährlichen quanfa eine zügelnde Ethik hinzugefügt werden musste.


Zehn Regeln des Jue Yuan


Ausgehend von Bodhidharmas Regeln, schuf Jue Yuan für die Shaolin-Schüler zehn Regeln, die als wude bezeichnet werden. Diese wurden überliefert und gelten als die erste dōjōkun, die im nachhinein das gesamte philosophische Spektrum der Kampfkünste prägen sollte:


1. Wer den Weg des quanfa geht, muss mit Eifer und Ausdauer an sich arbeiten und darf keine Ablenkung durch andere Dinge zulassen.

2. Die Anwendung des quanfa dient nur der Selbstverteidigung.

3. Der Schüler muss sich dem Lehrer gegenüber ehrerbietig und bescheiden erweisen und ihm stets Hochachtung entgegenbringen.

4. Der Schüler muss seinen Kameraden gegenüber höflich, ehrlich und wohlwollend sein.

5. Übenden des quanfa ist es verboten, in der Öffentlichkeit ihre Kunst zu demonstrieren.

6. Quanfa-Schüler beginnen nie eine Schlägerei.

7. Quanfa-Schüler trinken keinen Wein und essen kein Fleisch.

8. Quanfa-Schüler enthalten sich des Geschlechtsverkehrs.

9. Das quanfa darf nur an Menschen weitergegeben werden, die reinen Herzens sind und aufrichtige Dankbarkeit zeigen.

10. Wer das quanfa studiert, muss Bosheit, Gier, Neid und Prahlerei überwinden.


Fünf grundlegenden Anleitungen


In den nachfolgenden Schulen des quanfa entwickelten die Lehrer nach altem Vorbild jeweils eigene Kampfkunstregeln, die auf die Eigenheiten der Stile und des Umfeldes abgestimmt waren, in dem sie agierten. Fünf Grundsätze bildeten sich immer mehr heraus. Hier die Regeln einer alten Quanfa-Schule, die zunehmend zum Standard wurden:


1. Bemühe dich um einen Ausgleich deines Äußeren: Haltung, Kleidung, Benehmen und sprachliche Umgangsformen sollen übereinstimmen.

2. Bewahre Stattlichkeit in der Haltung und in der Sprache. Begegne anderen mit Selbstvertrauen, Natürlichkeit und ständigem Wohlwollen.

3. Kontrolliere dich und lasse Veränderungen der eigenen Laune nicht durch Gestik, Mimik oder Haltung erkennen. Bewahre gleichmäßige und angenehme Umgangsformen.

4. Erhalte Munterkeit und positive Laune. Zeige keine Anzeichen von Müdigkeit.

5. Erhalte Disziplin und Selbstdisziplin in allen Lagen.



Überlieferung nach Okinawa


Die Überlieferung der dōjōkun nach Okinawa fand unter schwierigen Bedingungen statt, da den Okinawanischen Kampfsystemen anfangs alle Voraussetzungen zur Veränderung ihrer kriegerischen Systeme zu einer Kampfkunst fehlten. Erst im 18. Jh. fanden durch chinesische Einflüsse jene Prozesse statt, die die Entstehung einer Okinawanischen Kampfkunst ermöglichten.


Sakugawas Leitsätze


Auf der Grundlage chinesischer Vorbilder erschuf Sakugawa Shungō im 18. Jahrhundert auf Okinawa erste ethische Regeln für die Übenden des tōde. Diese Regeln wurden nie aufgeschrieben und sind heute nicht nachweisbar. Man vermutet jedoch, dass es sich um die Übertragung der fünf chinesischen Leitsätze handelt:


1. Vervollkommne deinen Charakter

2. Sei aufrichtig und loyal

3. Sei strebsam

4. Achte die Etikette

5. Verzichte auf Gewalt



Überlieferung nach Japan


Ob man von einer Überlieferung der okinawanischen dōjōkun nach Japan sprechen kann, ist umstritten. Im japanischen bujutsu gab es lange vor der Einführung des karate eigene kontemplative Leitsätze (kaisetsu), die von den Bujutsu-Lehrern zur geistigen Disziplinierung ihrer Schüler verwendet wurden. Außerdem gab es jahrhundertelange Debatten, Ausführungen und Veröffentlichungen über bushidō (Weg des Kriegers), durch die die Ethik des japanischen Kriegertums bereits im 16. Jh. gegründet und gefestigt wurde. Zu nennen sind z.B. hagakure oder buke shohatto. (®Budopedia)

Die Überlieferung eines okinawanischen Ethiksystems spielte in den japanischen Kampfkünsten kaum eine Rolle. Es ging um die inhaltliche Definition und um die Unterscheidung des bujutsu vom budō. Funakoshi interpretierte seine Regeln haupsächlich aus japnanischen Einflüssen.


Shōtō nijūkun


Als Meister Funakoshi Gichin nach Japan kam, gründete er eine eigene dōjōkun, die unter der Bezeichnung shōtō nijūkun bekannt wurde. Diese Regeln wurden von Meister Funakoshi wahrscheinlich zu Beginn der 30er Jahre verfaßt. Untenstehend die Originalwiedergabe von Richard Kim, übersetzt von Ursel Arnold.


1. Karatedo wa rei ni hajimari, rei ni owaru koto o wasuruna – Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt.

2. Karate ni sente nashi – Im Karate gibt es keinen Angriff.

3. Karate wa gi no tasuke – Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit.

4. Mazu jiko wo shire, shikoshite tao wa shire – Erkenne zuerst dich selbst, dann den anderen.

5. Gijutsu yoi shinjutsu -Intuition ist wichtiger als Technik.

6. Kokoro wa hanatan koko wo yosu – Lerne deinen Geist zu kontrollieren und befreie ihn erst danach.

7. Wazawai wa getai ni shozu – Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.

8. Dojo nomino karate to omou na – Glaube nicht, dass Karate nur im Dojo stattfindet.

9. Karate no shugyo wa issho de aru – Karate üben heißt, ein Leben lang zu arbeiten; darin gibt es keine Grenzen.

10. Arai-yuru mono wo karateka seyo, soko ni myo-mi ari – Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, dann wirst du Myo finden.

11. Karate wa yu no goto shi taezu netsudo wo ataezareba moto no mizu ni kaeru – Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht beständig erwärmst.

12. Katsu kangae wa motsu na makenu kangae wa hitsuyo – Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie du nicht verlierst.

13. Teki ni yotte tenka seyo – Verändere ständig deine Verteidigung gegenüber dem Feind.

14. Tattakai wa kyo jitsu no soju ikan ni ari – Der Kampf entspricht immer deiner Fähigkeit, mit Keyo und Jitsu umzugehen (Keyo – unbewacht, Jitsu – bewacht).

15. Hito no te ashi wo ken to omoe – Stelle dir deine Hand und deinen Fuß als Schwert vor.

16. Danshi mon wo izureba hyakuman no teki ari – Wenn du den Ort verläßt, an dem du zu Hause bist, machst du dir zahlreiche Feinde.

17. Kamae wa shoshinsha ni ato wa shizentai – Anfänger müssen alle Haltungen ohne eigenes Urteil annehmen, um danach einen natürlichen Zustand des Verstehens zu erreichen.

18. Kata wa tadashiku jissen wa betsu mono – Die Kata muss ohne Veränderung korrekt ausgeführt werden, im wirklichen Kampf gilt das Gegenteil.

19. Chikara no kyojaku (hart und weich) Karada no shinshuku (Spannung und Entspannung) Waza no kankyu wo wasaruna (langsam und schnell) – alles in Verbindung mit der richtigen Atmung.

20. Tsune ni shinen kufu seyo – Erinnere dich und denke immer an Kufu – lebe diese Vorschriften jeden Tag.


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Karate dōjōkun

Die karate dōjōkun wurde von dem okinawanischen Meister Sakugawa gegründet und danach in alle Stilrichtungen des karate übernommen. Die Essenz der ursprünglichen dōjōkun ist auch heute in allen Stilen erhalten geblieben. Sie besteht aus fünf Leitsätzen, die die gesamte geistige Entwicklung eines Übenden auf seinem Weg bestimmen: 1. sein Verhältnis zu sich selbst; 2. sein Verhältnis zur Welt; 3. Wege des rechten Strebens; 4. Verhaltensetikette und 5. gewaltloses Handeln. Im folgenden werden diese Leitsätze näher erläutert:

1. Suche nach der Perfektion deines Charakters

Diese Regel bezieht sich auf das ausgewogene innere Verhältnis des Menschen zu sich selbst. Sie macht deutlich, dass die Übung des budō nicht nur das Körperliche meint, sondern daß der Übende sich in allen alltäglichen Situationen selbstkritisch betrachten soll, um festzustellen, welches die inneren Probleme sind, die der Perfektion seines Selbst im Wege stehen. Durch diese Regel wird der Übende aufgerufen, seinen inneren Unebenheiten mit derselben Kraft zu begegnen, wie er es im körperlichen Training lernt, äußere Schwierigkeiten zu überwinden.

2. Verteidige die Wege der Wahrheit

Diese Regel bezieht sich auf die Haltung des Menschen gegenüber dem Leben und auf die die Bereitschaft zum richtigen Verhältnis zwischen Selbst und Gegenüber. Sie macht darauf aufmerksam, dass auf dem Weg zu einem Ziel eine harmonischen Beziehung zwischen dem Selbst und den existierenden Umständen nötig ist, da kein Ziel im selbstsüchtigen Wollen, sondern nur im rechten Verhältnis zu den Gegebenheiten erreicht werden kann.

3. Pflege den Geist des Strebens

Diese Regel bezieht sich auf die Verwirklichung des Menschen in seinen persönlichen Lebenszielen. Sie hängt eng mit dem ersten und zweiten Leitsatz zusammen, da jedes angestrebte Ziel einer reifen Grundhaltung bedarf, wenn es abwegige und uneinschätzbare Wirkungen vermeiden will. Wie Menschen im persönlichen Umfeld ihre Ziele setzen, bestimmt in einer übergeordneten Dimension den Frieden in der Welt. Deshalb ist Strebsamkeit allein nicht die vermeintlich positive Kraft, sondern wird es erst durch die Verbindung mit einer reifen inneren Haltung. Streben ist gebunden an Sinn, an Maß und an Erkenntnis. Die Philosophie des budō lehrt, daß Streben ohne Verantwortung auf die eine oder andere Weise immer dem Leben entgegensteht.

4. Ehre die Prinzipien der Etikette

Diese Regel bezieht sich auf die richtigen Formen der Verhaltensetikette, die ein Mensch beachten muß, wenn er von anderen verstanden und angenommen werden will. Menschen mit einer schlechten Verhaltensetikette werden selbst im Wohlgemeinten mißverstanden, denn sie widerlegen ihre Absichten und Aussagen durch unentsprechendes Verhalten. Die rechte Etikette macht einen Menschen glaubwürdig, offen und unkompliziert. Sie bewirkt eine verständliche Kommunikation mit anderen und hilft die Harmonie in den zwischenmenschlichen Beziehungen zu erhalten.

5. Verzichte auf Gewalt

Diese Regel bezieht sich sowohl auf die notwendige innere Haltung, die menschliches Zusammenleben ermöglicht, als auch auf die Formung eines menschenwürdigen Charakters. Bei den Tieren sind die Verhaltensmuster zur Erhaltung ihrer Art in ihren natürlichen Anlagen vorhanden und werden von der Natur gelenkt. Der Mensch kann sie durch seine Verselbständigung mit egoistischen Interessen ersetzen und braucht daher eine durch Erkenntnis verinnerlichte Instanz, die auf das Maß seiner Handlungen achtet. Diese Instanz ist dem Menschen nicht mitgegeben, er muß sie sich erarbeiten. Deshalb mahnt diese Regel zum Verzicht auf körperliche Gewalt und bezeichnet gleichzeitig alle Formen der Gewaltanwendung als menschenunwürdig.

Studien Informationen

Siehe auch: Oshi | Kaisetsu | Kairitsu |

Literatur

  • Werner Lind - Budo. Der geistige Weg der Kampfkünste. Bern, München, Wien 1992 (S.51 ff)
  • Werner Lind - Klassisches Karate do, Sportverlag Berlin 1997
  • Richard Kim - The Classical Man, Masters Publication 1986
  • Nakamura Tadashi - Karate, Technique and Spirit, Shufunotomo 1986
  • Peter Urban - The Karate Sensei
  • Gichin Funakoshi - Karate do Kyohan, Kodansha 1973
  • Werner Lind - Das Lexikon der Kampfkünste, Sportverlag 1999.

Weblinks

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