Ehrentitel im Budō

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Artikel von: Werner Lind<br.>Nachbearbeitet von: Stephanie Kaiser

Bezeichnungen für Lehrer-Grade

Die Benennungsmotive für die Bezeichnungen und Titel der Lehrer leiten sich aus deren großer Lebenserfahrung, ihrer nachgewiesenen Lehrkompetenz, ihrer Stellung in einem hierarchischen Lehrsystem und / oder ihrer Vorbildwirkung ab. Je nach Situation und Qualifikation kann ein Lehrer unterschiedlich tituliert werden. Beispielsweise wird der Karate-Meister Kanazawa Hirokazu (geb. 1931) allgemein als sensei (Lehrer), hierarchisch als jūdan (10. Dan), hinsichtlich seiner Lehrkompetenz und Vorbildwirkung als hanshi (Gelehrter), sowie in Bezug auf seine Funktion in seiner Organisation als kanchō (Stilvorstand) bezeichnet

Sensei 先生

Der Begriff sensei, dessen wörtliche Bedeutung „der vorher Geborene“ ist, bezeichnet im Japanischen prinzipiell einen Lehrer, der aufgrund seines Lebensalters einer jüngeren Generation, die er unterrichtet, an Kenntnissen, Fertigkeiten und Lebenserfahrung weit voraus ist.
Obwohl der sensei immer ein Meister seines Faches ist, entspricht das Wort „sensei“ keinem akademischen Grad oder Titel, den man durch ein Universitätsstudium erlangen könnte. Die Bezeichnung ist vielmehr ein Ausdruck der Verehrung, mit dem man den Lehrer / Meister in dessen Gegenwart anspricht oder in seiner Abwesenheit über ihn spricht. Demzufolge wird im Japanischen in solchen Fällen das sonst übliche Personalsuffix „-san“ durch ein nachgestelltes „sensei“ ersetzt.In den Wegkünsten ist der sensei durch sein ganzheitliches Wirken innerhalb und außerhalb des dōjō, bei und jenseits der Übung der Formen ein Vorbild für seine Schüler, an dem diese sich orientieren, um auf ihrem eigenen Weg voranzuschreiten. Seine Lehre vermittelt ein sensei dabei nicht (nur) durch rational nachvollziehbare Erläuterungen, sondern (vor allem) durch nur intuitiv erfassbares rechtes Handeln. Damit der Schüler diese Lehre in ihrer Tiefe überhaupt verstehen kann, muss er sich um eine enge persönliche Bindung zum Meister bemühen, die die Voraussetzung für ein „Lehren von Herz zu Herz“ (ishin denshin) ist.

  • Rō sensei - Alter Lehrer. Auch wenn alternde Lehrer den physischen Anforderungen des alltäglichen Trainings nicht mehr entsprechen können, werden sie aufgrund ihrer großen Erfahrung und ihres Wissens hoch geschätzt.
  • Waka sensei - Junger Lehrer, der die Lehre vertritt und überliefert.
  • Ō sensei - Hervorragender, großartiger Lehrer. Besonders verehrungswürdige Lehrer werden in hohem Alter oder nach ihrem Ableben von den Nachfolgenden respektvoll mit ō sensei bezeichnet.

Shihan 師範

In der wörtlichen Übersetzung heißt der Begriff shihan „vorbildhafter Lehrer“ und deutet damit auf die hervorragende Ausbildung und Lehrbefähigung der unterrichtenden Person hin. Meistens ist ein shihan Inhaber eines siebten oder noch höheren Dan-Grades. Zum einen wird das Wort als Oberbegriff zu den Titeln renshi, kyōshi und hanshi verwendet, in anderen Rangsystemen, in denen die drei zuletzt genannten Titel nicht vorkommen, bezeichnet man mit dem Begriff den oder die Hauptlehrer eines Stils oder einer Organisation. Dies erklärt sich aus der Tradition der koryū bujutsu, in denen die Stilvorstände (sōke) sofern notwendig aus den Fortgeschrittensten einen Lehrmeister (shihan) benannten, der die Weitergabe der Tradition eines ryū lenkte. Gelegentlich erfährt der Begriff auch Differenzierungen:

Renshi 練士, Kyōshi 教士 und Hanshi 範士

Das gemeinsame Element dieser drei auf einander aufbauenden und im dankyū seido etablierten Lehrerlizenzen ist shi (士). Dieses Wort bedeutet, etymologisch betrachtet, eine „Person, die von 1 bis 10 (von A bis Z) alles weiß“, und steht im Japanischen allgemein für „Gelehrter“ oder „Ehrenmann“. Als zusammenfassenden Begriff für alle Kategorien dieser Gruppe, gebraucht man die Bezeichnung shihan.
Nur im offiziellen Sprachgebrauch werden die drei Shihan-Titel bei der Namensnennung mit aufgeführt. In der direkten Kommunikation wird kein Meister mit renshi, kyōshi oder hanshi angesprochen. Insofern gleichen die Titel westlichen akademischen Graden wie „Magister artium“, „Doktor“ oder „Professor“.

  • Renshi - Das Wort renshi bedeutet demnach sinngemäß „Experte der Übung“ oder „Gelehrter des Trainingsprozesses“ und wird als Titel in vielen Stilen, Organisationen und Verbänden an den Inhaber eines yondan, godan oder rokudan verliehen, wenn die entsprechende Person die technische Meisterschaft im jeweiligen Stil erreicht hat und über hinreichende Erfahrung als Kampfkunstlehrer verfügt.
  • Kyōshi - Erlangt der renshi später den Rang eines rokudan, nanadan oder hachidan, kann er zum kyōshi befördert werden. Während sich das Wort ren eher auf die technische Übung bezieht, meint kyō den Unterricht in seiner Gesamtheit. Ein kyōshi ist demnach nicht nur ein Experte in den technischen Belangen seiner Kunst, sondern verfügt auch über ein umfangreiches Wissen hinsichtlich ihrer theoretischen Hintergründe und ihrer historischen Wurzeln. Auch ist er in der Lage, eigene Schüler auf deren Weg zum Meister der Kampfkünste zu geleiten.
  • Hanshi - Erlangt ein kyōshi schließlich den Rang eines hachidan, kudan oder jūdan, kann er zum hanshi ernannt werden. Wörtlich bedeutet der Begriff hanshi „vorbildlicher, modellhafter Gelehrter“; die Attribute „vorbildlich“ und „modellhaft“ beziehen sich dabei nicht nur auf technische und didaktische Fähigkeiten oder auf ein besonders umfangreiches Wissen um die Kampfkünste, sondern vor allem auch auf die moralische Integrität der betreffenden Person und ihre unmittelbare Nähe zum Ideal des Weges.

Seijin 聖人, Tatsujin 達人 und Meijin 名人

Die Verbindung dieser Begriffe liegt in der japanischen Silbe jin (Mensch). Die daraus resultierenden Begriff seijin, tatsujin und meijin stammen aus dem japanischen Konfuzianismus und bezeichnen Varianten des chinesischen jūnzĭ (edler Mensch), der von Konfuzius als höchste Instanz angesehen wurde. Mit ähnlicher Bedeutung kennt man im Zen-Buddhismus den rōshi und im Daoismus den zhènrén.
In Japan vermischen sich die Religionen (nihon shūkyōgaku) und die Titel ihrer Meister wurden über die Religionsgrenzen hinweg auch in manchen japanischen Künsten (nihon bijutsu) gebraucht. Wegen ihrer speziellen Ausrichtung jedoch wurden diese Bezeichnungen in den Kampfkünsten (bugei) nur selten als verliehene Ehrentitel vergeben:

  • Seijin - Der „Weise“ oder „heiliger Mensch“. Im Konfuzianismus ist der seijin dasselbe, wie der rōshi im zen oder der zhènrén im Daoismus.
  • Tatsujin - Der Begriff bedeutet sinngemäß „Mensch, der (technische und moralische) Ideale verwirklicht“ und wird allgemein mit „Virtuose“ oder „Experte“ übersetzt.
  • Meijin - Einen ähnlichen Bedeutungsinhalt hat der Begriff meijin, dessen wörtliche Übersetzung „edler Mensch“ ist und der sich auf den konfuzianischen jūnzĭ bezieht. In der Titulatur der IMAF (International Martial Arts Federation), kokusai budōin kokusai budō renmei, ist meijin die höchstmögliche Rangbezeichnung und wird nur an Inhaber des Titels hanshi, die bereits den zehnten dan (jūdan) in einer Kampfkunst erreicht haben, verliehen.

Shidōin 指導員

Mit dem Begriff shidōin oder dem Synonym shidōshi wird in den modernen Kampfkünsten häufig ein Übungsleiter bezeichnet, auf den die vorgenannten Bezeichnungen (noch) nicht zutreffen. In der Regel betrifft dies yūdansha im Rang eines sandan oder yondan, die die Befugnis erhalten, selbstständig Schüler zu unterrichten. Als Vorstufe zum shidōin wird der „Assistenzübungsleiter“ (fuku shidōin) betrachtet, der bei der Unterstützung eines selbstständigen Lehrers erste Unterrichtserfahrungen sammeln kann. In manchen Stilen bilden die Titel

Sōke 宗家

Das Wort sōke bedeutet „Hauptfamilie“ und bezeichnete früher jene Mitglieder einer Familie, die innerhalb eines Klans (uji) die führende Rolle einnahmen. Die eigentliche Führungsposition war dabei dem männlichen Familienoberhaupt vorbehalten, der sie seinem ältesten Sohn vererbte. Falls notwendig konnte ein Nachfolger auch adoptiert werden. Wurde innerhalb des Klans ein ryū praktiziert, zeichnete das Familienoberhaupt auch dafür verantwortlich.
Demzufolge steht das Wort sōke heute noch in manchen Kampfkünsten für den blutsverwandten Haupterben einer Stiltradition. Dabei ist es nicht von erstrangiger Bedeutung, ob er diese selbst praktiziert. Er lenkt die Geschicke eines ryū und bestimmt - falls er selbst nicht (mehr) unterrichtet - einen Nachfolger und / oder einen Hauptlehrer (shihan). Heute wird das Wort häufig mit dem eigentlichen Begründer einer Stiltradition verwechselt, der in Japan jedoch mit den Begriffen „Urahn der Tradition“ (ryūso), „erste Generation“ (shodai) oder „neu geboren“ (shosei) bezeichnet wird.

Kanchō 館長, Kaichō 会長, Shibuchō 支部長 und Dōjōchō 道場長

Das gemeinsame Element dieser vier Begriffe ist das auslautende chō (長) was soviel wie „Leiter“ bedeutet. Demnach ist ein kanchō der „Direktor des Hauses“, wobei „Haus“ (kan) metaphorisch für „Stil“ oder „Verband“ verwendet wird. Fast synonym dazu ist der kaichō der „Vorsitzende einer Gesellschaft/Föderation“. Auf einer untergeordneten Ebene bezeichnet der Begriff shibuchō den Leiter einer Stilvertretung außerhalb des Haupt-Dōjō, also z.B. im Ausland, während dōjōchō das japanische Wort für den Leiter eines einzelnen Ortes der Wegübung (dōjō) ist.

  • Kanchō - Leiter eines Stils
  • Kaichō - Leiter einer Organisation
  • Shibuchō - Leiter einer Stilvertretung
  • Dōjōchō - Leiter eines dōjō

Bezeichnungen für Schüler-Grade

Das grundlegende Benennungsmotiv für Bezeichnungen der Kampfkunstschüler ist der zwischenmenschliche Aspekt des Lernprozesses (hito to hito no aida). Obwohl es auch im Japanischen Begriffe gibt, die wie das deutsche Wort „Schüler“ (deshi) auf die Zugehörigkeit zur Institution „Schule“ oder wie die englischen Wörter „disciple“ und „student“ (gakusei) auf die Haupttätigkeit, das „Lernen“, hinweisen, finden sie im Kampfkunstbereich keine gleichbedeutende Verwendung.

Deshi 弟子 und Hai 輩

In den japanischen Kampfkünsten werden die „Schüler“ unabhängig von ihrer Graduierung allgemein mit dem Begriff deshi bezeichnet. Dieses Wort ist eine Zusammensetzung der Zeichen für „jüngerer Bruder“ und „Kind“, wodurch sich ein deutlicher Bezug zum Lehrer (sensei) als dem Älteren und Erfahreneren ausdrückt. Wie bereits erwähnt, bedeutet der wichtigste japanische Begriff für einen Lehrer, sensei, (wörtlich „zuvor geboren“), was dieselbe Relation in umgekehrter Richtung vermittelt. Deshalb werden im Rangsystem (kyūdan) die Schülergrade (kyū) von oben nach unten und die Lehrergrade (dan) von unten nach oben gezählt.
So wie das Wort deshi auf die Beziehung (shitei) eines Schülers zu seinem Lehrer verweist, stellt das Wort hai, das soviel wie „Kamerad“, „Genosse“ oder „Kollege“ bedeutet, die Beziehung des Schülers zu den Mitschülern in das Zentrum der Betrachtung.

  • Deshi - Schüler, Lernender unter einem Meister
  • Hai - Kamerad, Kollege eines Gleichgestellten

Jiki deshi 直弟子 und Mata deshi 又弟子

Der Begriff jiki bedeutet „direkt“ und verweist auf die unmittelbare Nähe eines Schülers zu seinem Lehrer bzw. darauf, dass der Schüler vom Meister selbst in einer Kunst unterwiesen wird. Im Gegensatz dazu erhält der „indirekte Schüler“ (mata deshi) seinen Unterricht hauptsächlich durch die Vermittlung von Schülern eines Meisters, ohne dass die äußere Beziehung zu letzterem in den Hintergrund rückt.
Die globale Verbreitung der japanischen Kampfkünste und die weltweite Reputation der japanischen Lehrer in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rührt unter anderem daher, dass einige wenige westliche Interessenten in Japan für eine gewisse Zeit als jiki deshi unterwiesen wurden, die nach der Rückkehr in ihre Heimatländer begannen, mata deshi auszubilden, ohne selbst als Meister aufzutreten. Die Struktur heutiger Kampfkunstgesellschaften und -Organisationen beruht insbesondere – wenn sie traditionell orientiert sind und einen Hauptlehrer haben - oft auf der jiki deshi / mata deshi Korrelation.

Uchi deshi 内弟子 und Soto deshi 弟子

Das Begriffspaar uchi und soto bedeutet „innen“ und „außen“ und stellt in Verbindung mit dem Wort deshi eine ähnliche Differenzierung der Schüler eines Lehrers dar, wie sie bei den Bezeichnungen jiki deshi und mata deshi bereits festgestellt wurde. Der Begriff uchi deshi (innerer Schüler) verweist eigentlich auf einen Schüler, der innerhalb der Hausgemeinschaft eines Lehrers lebt, in die er aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses und seines vom Meister erkannten Entwicklungspotentials aufgenommen wurde. Uchi deshi steht damit als Begriff für eine Person, die den Meister nicht nur im Kampfkunsttraining erleben, sondern auch bei seinen alltäglichen Verrichtungen begleiten und unterstützen darf, und somit die Möglichkeit besitzt, aus dessen gesamten Handeln und Wirken zu lernen.
Im Gegensatz dazu meint das Wort soto deshi (äußerer Schüler) einen Übenden, der außerhalb einer solch engen Beziehung zum Lehrer steht und in der Regel nur technisch unterwiesen wird. Doch in der Geschichte der Kampfkünste ist oft zu beobachten, dass die soto deshi eine ähnlich große oder noch größere Bedeutung erreichten, als die uchi deshi.

Senpai 先輩, Dōhai 同輩 und Kōhai 後輩

Diese Wörter bedeuten der Reihe nach „älterer Kamerad“, „gleichaltriger Kamerad“ und „jüngerer Kamerad, wobei der Bezug auf das Lebensalter nicht in jedem Fall wörtlich, sondern vielmehr übertragen hinsichtlich des Fortschritts auf dem Kampfkunstweg zu verstehen ist. Ausgangspunkt der Betrachtung ist dabei immer der eigene Fortschritt und die eigene Erfahrung. Schüler, die fortgeschrittener sind als man selbst, sind die senpai. Mitübende, die über ungefähr denselben Erfahrungshorizont verfügen wie man selbst, werden als dōhai bezeichnet, während Schüler, denen man im Sinne des Weges voraus ist, kōhai genannt werden. Außer den unmittelbaren Anfängern in einer Kunst können daher alle Schüler eines Meisters zugleich senpai, dōhai und kōhai sein. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Beziehung der senpai zu den kōhai. Die senpai stellen das Bindeglied zwischen den weniger erfahrenen Schülern und dem Meister beziehungsweise seiner Lehre dar. Die Fortgeschrittenen haben die Aufgabe, darauf zu achten, dass sich die kōhai in das Regelgefüge der Kampfkunstschule (dōjōkun) gut eingliedern, und stehen diesen dabei mit Rat und Tat zur Seite. Durch ihre technische Überlegenheit sind die senpai als Übungspartner der kōhai in der Lage, diese im Training zur fördern und zu fordern; durch ihren geistigen Fortschritt auf dem Weg haben sie ein Bewusstsein entwickelt, das sie diese Überlegenheit nicht missbrauchen lässt.
Die senpai haben die Aufsichtspflicht über die kōhai, innerhalb und außerhalb des Trainings. Nur wenn diese wahrgenommen wird, kann eine Budō-Gemeinschaft funktionieren, andererseits verbraucht sie sich in ständigen Ungereimtheiten.

  • Senpai - Der Ältere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft
  • Dōhai - Der Gleichaltrige im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft
  • Kōhai - Der Jüngere im sozialen Gefüge der Gesellschaft / Gemeinschaft

Studien Informationen

Siehe auch: Menkyo | Dankyū seido | Kyūdan |

Literatur

  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste. BSK-Studien 2010.