Hanashiro Chōmo

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Artikel erstellt von: Hendrik Felber | Werner Lind

Hanashiro Chōmo 1938

Hanashiro Chōmo (jap.: 花城長茂) lebte von 1869 bis 1945 und war ein bedeutender Meister des okinawanischen karate in der Epoche der ersten Popularisierung der vormals geheimen Kunst.

Kindheit und Jugend

Hanashiro (Nachname) Chōmo (Vorname) wurde am 18.Juni 1869 im Stadtteil Yamagawa von Shuri auf Okinawa geboren, seine behördliche Registrierung erfolgte im Jahr 1873. Auf diese Weise erlebte er als Kind die allgemeine Depression seiner Landsleute mit, die durch den Verlust der nationalen Eigenständigkeit ausgelöst wurde: im Jahr 1879 wurden die Ryūkyū-Inseln per Erlass zu einer Präfektur Japans ausgerufen.

Militärlaufbahn

Einundzwanzigjährig meldete sich Hanashiro 1890 als Freiwilliger zu einer Unteroffzierslaufbahn in der japanischen Armee. Als mittlerer Regierungsbeamter trat er der Ausbildungsabteilung bei und diente im Ersten Chinesisch-Japanischen Krieg (1894/95) und im Russisch-Japanischen Krieg (1904/05). Im Verlaufe seiner mehr als zehnjährigen Militärkarriere wurde Hanashiro vom Feldwebel (gunsō) zum Oberleutnant (chūi) befördert. 1905 quitierte er seinen Dienst.

MittelschulLehrer und kommunalpolitische Engagements

Noch im gleichen Jahr trat Hanashiro in der ersten Mittelschule der Präfektur Okinawa eine Stelle als Lehrer für Leibeserziehung an und assistierte dabei seinem bereits im Schuldienst tätigen Lehrer Itosu Ankō bei der Einführung des karate in den Sport-Unterricht allgemeinbildender Schulen. 1912 schied er aus dem Schuldienst wieder aus und widmete sich fortan seiner Berufung, karate zu unterrichten und zu verbreiten. Im Zuge einer Umstruktuierung der Gemeindeordnung versah Hanashiro von September 1919 bis Juni 1920 interimsweise das Amt des Bürgermeisters in seinem Dorf Mawashi. Zu einem zweiten kommunalpolitischen Engagement kam es 1924, als Hanashiro in den Gemeinderat gewählt wurde.

Hanashiros Karate-Weg

Im Alter von 69 Jahren

Hanashiro Chōmos wichtigster Karate-Lehrer war Itosu Ankō; wie intensiv er noch vom Lehrer seines Lehrers, Matsumura Sōkon, der am Ende des 19.Jahrhunderts in Yamagawa starb, unterrichtet worden ist, kann man dagegen nur mutmaßen. Im Gegensatz dazu ist Hanashiros Verbindung zu Itosu spätestens ab 1905 an der ersten Mittelschule belegt. Er dürfte damit unmittelbar an der Erprobung, eventuell sogar an der Entwicklung der heian bzw. pinan kata beteiligt gewesen sein. Ebenfalls aus dem Jahr 1905 datiert seine Arbeit an einer letztlich unveröffentlicht gebliebenen Publikation über abgesprochene Partnerübungen mit dem Titel Karate kumite (空手組手), die heute als der älteste Beleg für den Bedeutungswandel bei der Bezeichnung karate von „China-Hand“ (唐手) zu „Leere Hand“ (空手) angesehen wird. Nach seinem Ausscheiden aus dem Schuldienst im Jahr 1912 gründete Hanashiro in einem Stadtteil Nahas (Asato) ein eigenes Karate-Dōjō. Nach dem Tod von Itosu war er im Mai 1917 ein Gründungsmitglied der okinawa karate kenkyūkai, d.h. der Gesellschaft zur Erforschung des Okinawa-Karate, der unter anderem auch Yabu Kentsu, Funakoshi Gichin und Miyagi Chōjun angehörten. 1925/1926 wurde diese Gemeinschaft aufgelöst bzw. unter anderem Namen personell erweitert: karate kenkyū kurabu (Karate-Forschungsclub). Diese Vereinigung gab 1926 für die in der damaligen Zeit äußerst einflussreichen Jūdō-Meister Kanō Jigorō und Mifune Kyūzō eine Karate-Demonstration, bei der u.a. Hanashiro Chōmo und Kyan Chōtoku vorführten, während Miyagi Chōjun und Mabuni Kenwa die entsprechenden Erläuterungen lieferten. Am 25.Oktober des Jahres 1936 war der inzwischen betagte Hanashiro Teilnehmer des in die Geschichte eingegangenen Symposions der okinawanischen Karate-Meister, in dessen Ergebnis unter anderem die Schreibung „Leere Hand“ für karate (空手) für in Zukunft allgemeingültig erachtet wurde. Dies geschah offenbar auch aufgrund einer entsprechenden Argumentation des inzwischen schon mehr als sechzigjährigen Hanashiro, der die neue Bezeichnung als Hinweis auf die Möglichkeiten zur geistig-charakterlichen Schulung durch karate verstanden sehen wollte. Trotz seines Eintretens für diese Neuerung war Hanashiro mit Blick auf die Folgen der Verbreitung des okinawanischen karate in Japan eher skeptisch: Nagamine Shōshin berichtet, dass Hanashiro ihn vor der Verfremdung der tradierten okinawanischen kata in Japan gewarnt habe. Im physischen Bereich war seine Karate-Auffassung von den positiven Erfahrungen mit dem militärischen Drill und den entsprechenden Körperstählungsmethoden geprägt; berühmt ist die Anekdote, dass das durchtrainierte Äußere von ihm und Yabu Kentsu während einer militärischen Musterung im Jahr 1891 bei den Behörden Erstaunen hervorrief. Gerade in seinen letzten Lebensjahren war Hanashiro majestätisch, und dies nicht nur wegen seiner auffallenden Größe, die es ihm ermöglichte, Gegner gut auf Distanz zu halten. Sein gütiges und verständiges Antlitz war ein Grund dafür, dass er allseits verehrt wurde. Kata, die Hanashiro unterrichtet haben soll, waren die naihanchi, die pinan und die bassai. Als seine Lieblingsformen werden die wanshu und die jion angesehen. Die letztgenannte kata demonstriert und erläuterte Hanashiro anhand von Fotos und Zeichnungen im 1938 erschienenen Buch Karatedō taikan von Nakasone Genwa. Am 22.September 1945 starb er im Dorf Haneji Nakaoji im Alter von 76 Jahren.

Hanashiros Schüler

Folgende Karate-Meister werden zu den Schülern Hanashiros gezählt: Aragaki Ankichi, Chitose Tsuyoshi, Nakama Chōzō, Nakamura Shigeru, Nakandakari Kanzō, Kinjō Hiroshi und Shimabuku Zenryō.

Studien Informationen

Siehe auch: Jion | Karate-Lehrer (Asien)

Literatur

  • Mark Bishop: Okinawan karate. Teachers, Styles and Secret Techniques. London 1989
  • Heiko Bittmann: Karatedo. Der Weg der Leeren Hand. Meister der vier großen Schulrichtungen und ihre Lehre. Ludwigsburg und Kanazawa 1999
  • Hanashiro, Chomō:Die Form Jion und die zugehörige Erläuterung. aus: Nakasone Genwa - Karatedo taikan. 1938 (Übersetzung ins Deutsche und Nachwort von Hendrik Felber, Steina 2007)
  • Hokama, Tetsuhiro: 100 Masters of Okinawan Karate. engl. von Joe Swift 2005
  • Hokama, Tetsuhiro: Timeline of Karate history. Pre-History to 2000. engl. von Joe Swift 2007
  • Werner Lind: Okinawa Karate. Berlin 1997.
  • Patrick McCarthy: The Bible of Karate.Bubishi. Boston 1995.
  • Nagamine, Shōshin: Tales of Okinawa's Great Masters, engl. von Patrick McCarthy, Boston 2000.
  • Takamiyagi Shigeru, Shinzato Katsuhiko, Nakamoto Masahiro (Autoren und Herausgeber): Okinawa karate kobudō jiten. Lexikon des okinawanischen karate und kobudō. Tōkyō 2008.

Weblinks