Japanische Rüstungen

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Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste<br.>Nachbearbeitet von: Werner Lind

In Japan wurden durch die Jahrhunderte verschiedene Begriffe für die Rüstungen der Krieger (bushi) gebraucht. Die ältesten Rüstungen Japans (kodai gusoku) bezeichnet man als kawara, im Ashikaga-Muromachi jidai (1335-1573) gebrauchte man die Bezeichnung yoroi, später wurde diese von dem Begriff gusoku abgelöst. Im edo jidai (1603-1868) verwendete man als Sammelbegriff für alle Rüstungen die Bezeichnung katchū.

Einteilung

Eine Vielzahl von Kriterien bedingte die andauernden Veränderungen der japanischen Rüstungen durch die Jahrhunderte. Sie mussten sich den stets neu entwickelten Angriffswaffen anpassen und den dadurch veränderten Kriegstaktiken Rechnung tragen. Wegen ihrer enormen Vielfalt kann man die japanischen Rüstungen nicht eindeutig klassifizieren, da sie sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder veränderten und unterschiedliche, voneinander unabhängige Typen entwickelten. Untenstehend eine grobe Einteilung:

KATCHŪ - Japanische Rüstungen
Kawara gusoku - Dachziegelrüstungen (8. - 12.Jhr.)
- Tankō - kurze Rüstung im kofun jidai
- Keikō - Mantelrüstung in kofun jidai und nara jidai
Yoroi - Kastenrüstungen (12. - 16. Jhr.)
- Ōyoroi - große Kastenrüstung
- Dōmaru - runder Harnisch
- Hara ate - kleiner Brustharnisch
- Haramaki - Rüstung um den Bauch
- Nanbandō - europäischer Metallpanzer
- Okegawadō - Kübel-Plattenpanzer
- Hotokedō - Buddha-Rüstung
- Niōdō - Mönchs-Panzer
- Kusaridō - Kettenpanzer

Kodai gusoku - alte Rüstungen

Die erstbekannten Rüstungen des bujutsu bezeichnet man heute rückwirkend als kodai gusoku (alte Rüstungen). Einfache Prototypen (tankō und keikō) wurden bereits in den Hügelgräbern (kofun) aus dem 4. Jh. gefunden. Bis zum 8. Jahrhundert verwendeten die samurai diesen Körperschutz, der sich im Laufe der Zeit immer wieder veränderte und verschiedene Typen hervorbrachte. Die ( kawara gusoku) und yoroi sind Weiterentwicklungen dieser Prototypen durch die Zeit.

Kawara gusoku - Dachziegelrüstungen

Obwohl diese frühen japanischen Rüstungen ( kawara gusoku) ursprünglich von chinesischen Modellen beeinflusst waren, zeigen sie die japanischen Merkmale ihrer Zeit und entwickelten sich durch die Jahrhunderte auf eigene Weise. Ihre stets betonte Praxisbezogenheit zeigt den japanischen Erfindergeist in den frühen Jahrhunderten und brachte immer neue Varianten hervor, die als Vorlage für die später schutzverbesserten Formen (yoroi) gelten. Die meisten waren Weiterentwicklungen des Rüstungsstils keikō, dessen Herstellungsweise bis in die Neuzeit die Grundlage der japanischen Rüstungstechnologie war.<br.>Der einfachste Schutz der anfänglichen Rüstunegn bestand aus einem Baumwollanzug, auf dessen Stoff Lederplättchen (kawa, sane) aufgenäht waren. In der verteuerten Version wurden exponierte Stellen durch Bambusplättchen (take) verstärkt. Solche Rüstungen boten jedoch nur wenig Schutz, aber sie waren billig und leicht. Die Fußsoldaten (ashigaru) konnten sie sich leisten und hatten darin die nötige Bewegungsfreiheit.

Yoroi - Kastenrüstungen

Samurai in der Kastenrüstung (Yoroi)

Im Laufe der Jahrhunderte veränderten sich die Kriegsstrategien und es entstand das Bedürfnis nach einem besseren Schutz. Damit begann das Zeitalter der yoroi (Kastenrüstungen). Diese Rüstungen wurde ab dem 12. Jh. von jenen bushi getragen, die sich einen solchen Schutz leisten konnten. Die teure Konstruktion bestand aus mindestens 23 Einzelteile, die sich in sechs Hauptkomponenten (rokugu) gliederten: Leibpanzer (), Helm (kabuto), Maske (menpō), Schenkelstücke (haidate und sune ate), Handschuhe (yugake) und Fußschützer (ashi ate). Dieser Rüstungstyp bestand aus kleinen Leder- oder Metallplättchen (sane) und wurde mittels Schnüren (kumihimo) aus Seide oder Leder zu einer Einheit gebunden, wodurch die Rüstung jedoch ca. 30 Kilogramm wog und damit die Handlungsfreiheit des Kriegers stark einschränkte.<br.>Die teuersten Rüstungen wurden aus Metall- oder metallbeschlagenen Lederplättchen konstruiert. Der Brustharnisch () und der Helm (kabuto) bestanden aus gehärtetem Blech, Arm- und Beinschienen wurden von einem Schuppenpanzer aus metallumschlungenen Lederplättchen geschützt. Die Zusammenstellung der Kastenrüstung (yoroi) blieb dem einzelnen Krieger überlassen und hing weitgehend von seinen finanziellen Möglichkeiten ab. Die aufwendigste Version dieser Rüstung nannte man ōyoroi.<br.>Doch diese Rüstungen schränkten die Bewegungsfreiheit der Krieger in einem hohen Maß ein und waren nur für die Kavallerie zu gebrauchen. Fiel ein entsprechend gerüsteter Krieger vom Pferd, war er nahezu bewegungs- und wehrlos. Nachdem im sengoku jidai (Zeit der streitenden Reiche, 1482-1568) der Strassenkampf und in den nachfolgenden Kriegen des Azuchi-Momoyama jidai (1568-1603) der Kampf auf unwegsamen Gelände zunahm, war eine zweckgebundene Veränderung der yoroi unumgänglich.<br.>Ständig wurden Verbesserungen des Rüstungsschutzes gesucht, die dem Kriegern das richtige Verhältnis zwischen Selbstschutz und Beweglichkeit erlaubten. Man gegann den Rumpfpanzer () enger um den Körper zu schnüren und ihn zusätzlich auf ein um die Hüften gewickeltes Stoffband zu stützen, wodurch sich sein Gewicht zwischen Schultern und Hüften verteilen konnte. Es entstanden beweglichere Versionen wie dōmaru und haramaki, die die steifen ōyoroi schließlich ablösten.

Tōsei gusoku - moderne Rüstungen

Tōsei gusoku - moderne Rüstungen: Nanbandō

Mit der Einführung der Feuerwaffen (teppō / arkebuse) durch die Europäer (16. Jahrhundert) wurde sowohl die japanische Kriegsführung als auch die japanische Rüstung nach europäischen Vorlagen revolutioniert. Diese Entwicklung begann im Azuchi-Momoyama jidai (1568-1603) unter Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi. Die neuartigen Rüstungen nannte man tōsei gusoku (moderne Rüstungen).<br.>Die modernen Rüstungen der bushi wurden aus der Notwendigkeit des Schutzes gegen die von den Europäern eingeführten Schusswaffen gegründet. Oda Nobunaga veränderte die japanische Kriegsführung nach den Beispielen aus Europa und damit auch die Konstruktion der japanischen Rüstungen, die sich erheblich von den früheren Formen unterschieden. In den meisten Fällen aber wurden die traditionellen japanischen Rüstungen (hauptsächlich keikō) mit dem europäischen Konzept der Rüstungsherstellung kombiniert.<br.>Die aus Europa neu importierten Metallrüstungen (nanbandō - waren aus ca. 100 Meter Entfernung beschusssicher. Diese Distanz konnte jedoch von einem guten Läufer in voller Rüstung überwunden werden, bevor der Schütze seine arkebuse oder teppō (Hinterlader) nachgeladen hatte. Und obwohl die europäischen Luntengewehre nicht für das feuchte Klima Japans geeignet waren und daher keine technische Garantie boten, schritt die Ausweitung der Feuerwaffen und die Weiterentwicklung der Metallrüstungen weiter voran.<br.>Die nanbandō bestanden überwiegend aus ganzheitlichen Metallplatten.

Gusoku - komplette Kriegsausrüstung

In Japan gab es durch die Jahrhunderte mehrere Alternativbegriffe, die für Rüstungen gebraucht wurden. So löste der Begriff gusoku im späten Ashikaga-Muromachi jidai (1335-1573) den Ausdruck yoroi ab, der bis dahin verwendet wurde. Im späten edo jidai (1603-1868) wurde der Begriff gusoku von der Bezeichnung katchū abgelöst, obwohl es auch hier keine Veränderung in der inhaltlichen Bedeutung gab. Obwohl sich die japanischen Rüstungen durch die Jahrhunderte veränderten, bezeichen die Begriffe kawara, yoroi, gusoku und katchū nicht dringend bestimmte Rüstungstypen, sondern sind lediglich Ausdrucksformen ihrer Zeit.

Kachū - Rüstungsbegriff im Edo jidai

Auch wenn die Rüstung im bewegten Zeitalter der japanischen Kriege eine bedeutende Rolle spielte, verlor sie doch an Bedeutung, als im edo jidai (1603-1868) ein langwährender Frieden einkehrte. Sie verlor ihren kriegerischen Sinn, galt jedoch auch weiterhin als Statussymbol und diente zu Repräsentationszwecken, so dass bis zum Ende des edo jidai auch weiterhin ausgefeilte Rüstungskonzepte entwickelt wurden. Ähnlich wie in Europa, ließen sich fortan die Oberhäupter der Samurai-Geschlechter in Rüstungsposen abbilden, die keinerlei praktische Bedeutung hatten, sondern nur noch Repräsentationscharakter hatten.

Japanische Rüstungskompositionen

Die japanischen Rüstungen waren über die Jahrhunderte verschieden und passten sich jeweils der veränderten Kriegsführung ihrer Zeit an.

Bestandteile einer japanischen Rüstung

Teile einer japanischen Rüstung:
  1. Brustpanzer - dō/hotokedō (胴(仏胴))
  2. Schurzglieder - kusazuri (草摺)
  3. Oberschenkelschutz - haidate (佩楯)
  4. tateage (立挙)
  5. Beinschützer - (shino-)suneate (臑当(篠臑当))
  6. Fußrückenschutz - kōgake (甲懸)
  7. Schulterplatten - (tōsei-)sode (袖(当世袖))
  8. Kampfhandschuh - kote (shino-gote) (籠手(篠籠手))
  9. Handrückenschutz - tekkō/tekō (tsumi-tekkō) (手甲(摘手甲))
  10. Helm - kabuto (hinenonari-zunari-kabuto) (兜(日根野形頭形兜))
  11. Nackenumschlag - koshimaki (腰巻)
  12. Blendschutz - mabisashi (眉庇)
  13. Schläfenplatte - fukikaeshi (吹返)
  14. Nackenschutz - (hineno-)shikoro (しころ(日根野しころ))
  15. Helmschmuck (hier: Wasserbüffelhörner) - tatemono (suigyū no wakidate) (立物(水牛の脇立))
  16. Helmschmuck (hier: Sonnenscheibe) - tatemono (nichirin no maedate) (立物(日輪の前立))
  17. Gesichtsmaske - mempō (面頬(目の下頬))
  18. Wappen - shide (垂)
  19. Gelenk vom Kragen - erimawashi (襟廻)

Zu einer vollständigen japanischen Rüstung gehörten mindestens 23 Einzelteile, die sich in sechs Hauptkomponenten (rokugu) gliedern lassen: Leibpanzer (dō (Panzer), Helm (kabuto), Maske (menpō), Schenkelschützer (haidate und sune ate), Handschuhe (yugake) und Fußschützer (ashi ate).<br.>Die japanischen Rüstungen erfuhren im Laufe der Jahrhunderte jedoch viele Veränderungen, so dass es entsprechend viele und unterschiedliche Bezeichnungen gibt, die nicht immer als sinngemäßer Bedeutungsträger ausgewählt wurden, sondern auch einfache Personennamen, z.B. desjenigen, der Verbesserungen vorgenommen hat, sein konnten.<br.>Die Rüstungsherstellung änderte sich im Laufe der Jahrhunderte je nach Bedarf, der von der Art der Kriegsführung bestimmt wurde. Im Wesentlichen bestand die Rüstung in allen Zeiten aus folgenden Teilen:

  • Dō (Panzer) - der Begriff dō (Begriffsklärung) hat im Japanischen viele Bedeutungen. Mit dem kanji 胴 geschrieben bezeichnet er einen Harnisch, Kürass, Panzer oder Rumpfschutz, den wichtigsten Teil der japanischen Rüstung. Über die Jahrhunderte wurden dafür verschiedene Bauweisen entwickelt. Überwiegend bestanden diese Konstruktionen aus Lamellen (sane), deren unterschiedliche Formen zu einem Panzer zusammengefügt wurden. Alle beabsichtigten in erster Linie den Schutz des Bauches (hara), der Brust (mune) und des Rückens (senaka). In den hochentwickelten Versionen gehörte auch ein Schulterschutz (kata ate) und eine Armschutz (sode ate) dazu. Auf der Rückseite der Konstruktion wurde mit einem Ring und einer Hülse ein Banner (sashimono) befestigt.
  • Kabuto (Helm, Kopfschutz) - der Kopf des Kriegers wurde durch einen Helm geschützt, der sich in Form und Aussehen über die Jahrhunderte immer wieder veränderte und der jeweiligen Rüstung anpasste. Zumeist verlängerte er sich nach unten zum Schutz der Kehle (nodowa) und des Nackens (shikoro). Unter dem Helm wurde ein Kopftuch (hachimaki), später eine Stoffmütze (eboshi) getragen. Die Fußsoldaten (ashigaru) trugen lediglich einen einfachen, lampenschirmähnlichen Kriegshut (jingasa), auf dem das Wappen (mon) ihres Kriegsherrn aufgedruckt war.
  • Menpō (Gesichtsmaske) - Schutz des Gesichtes (men), auch als groteske, abschreckende Maske zum Einschüchtern der Gegner getragen. Das Konzept bestand aus dem praktischen Teil des Gesichtsschutzes men gane (Gittermaske aus Eisen), mit dem oft ein Kieferschutz (hō ate) und ein spezieller Halsschutz (nodowa) verbunden war. Die Bestandteile wurden durch mehrere Befestigungsschnüre (men himo) zusammen gehalten und manchmal mit dem Helm (kabuto) verbunden.
  • Yugake (Handschutz) - Handschuhe aus Textil oder gegerbter Tierhaut, die im japanischen Bogenschießen (kyūjutsu) zum Selbstschutz an der Abzugshand um Daumen, Zeige- und Mittelfinger getragen wurde und im modernen kyūdō immer noch zur Standardtausrüstung zählen. Hanschuhe wurden aber auch von Schwertkämpfer getragen. Diese bestanden aus Metallplättchen (sane), die auf dem Handrücken angebracht waren und mit dem Unterarmschutz (kote ate) durch Scharniere verbunden werden konnten.
  • Haidate und Sune ate (Oberschenkel- und Unterschenkelschutz) - den Schutz der Oberschenkel gewährte anfangs ein den Leibpanzer () verlängernder Panzerrock (kusazuri), später aber eine spezielle Konstruktion für den Oberschenkelschutz (haidate), die nur von den gehobenen samurai getragen wurde. Die ashigaru trugen nach wie vor die einfache Panzerschürze (kusazuri). Die Unterschenkel (sune ate) wurden durch eigene Plattenpanzerungen geschützt.
  • Ashi ate (Fußschutz) - oft trugen die samurai zur Rüstung an den Füßen schwere Stiefel aus Bärenfell oder leichte Strohsandalen (waraji).

Kleidung unter der Rüstung

Die alltägliche Kleidung (wafuku) der samurai bestand im togugawa jidai aus einem hakama, zu dem eine Jacke (kataginu) oder einem kimono getragen wurde. Unter der Rüstung trugen die bushi ein Lendentuch (fudoshi) und ein Untergewandt (kosode), das von einem Gürtel (obi) zusammengehalten wurde. Über das Untergewandt zogen sie eine Hose (hakama) und schließlich die verschiedenen Bestandteile der Rüstung.

Studien Informationen

Siehe auch: Kawara | Yoroi | Gusoku | Katchū

Literatur

  • Teru Akiyama - Japanese Helmets and Armour, in Japan Picture Vol. 5, Tokyō 1937,
  • Arai Hakuseki - The Armour Book in Honcho Gunkiko, Tōkyō 1964,
  • Willis Hawley - O yoroi, the Great Harness, Hollywood 1977,
  • Chitora Kawasaki - Military Costume of Old Japan, Tōkyō 1893,
  • J. Hopson - The Armour of Feudal Japan, Chitora Kawasaki - Military Costume of Old Japan, Tōkyō 1893,
  • Oscar Ratti & Adele Westbrook - Secrets of the Samurai, Tuttle 1973,
  • Mitsuo Kure - Samurai, der Weg des Kriegers, Stocker-Schmid AG, Zürich 2006,
  • Thurnbull Stephen - Geschichte der Samurai, Stocker-Schmid AG, Zürich 2005,
  • Sasama, Yoshiko: Nihon Budō-Jiten, Tōkyō 2003.
  • Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Das Waffenwesen in seiner historischen Entwicklung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18 Jahrhunderts, Leipzig 1890
  • Werner Lind - Lexikon der Kampfkünste, BSK 2009

Weblinks

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