Japanische Religion

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Artikel von: Werner Lind<br.>Nachbearbeitet von:

Den Begriff nihon shūkyōgaku 日本宗教学 übersetzt man mit japanische Religionslehre. Nihon verweist auf Japan, shūkyō bezeichnet eine Religion und gaku heißt Schule, Lehre, Wissenschaft. Die Bezeichnung ist jedoch nur eine vage Übersetzung des westlichen Religionsbegriffes und trifft nicht das eigentliche Religionsverständnis (shūkyō) der Japaner. In diesem existieren seit dem Altertum mehrere Glaubensformen nebeneinander, die sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem Synkretismus (shinbutsu shūgō) verbanden, wodurch weitgehend auch das heutige religiöse Bild Japans geprägt ist.

Shūkyō - Begriff und Einteilung der japanischen Religionen

Die ursprünglichste aller japanischen Religionen ist zweifellos der shintō, ein Volksglaube an mystische Götter (kami), die angeblich das japanische Volk und Reich gründeten (kojiki und nihon shoki), mit dessen Mythen die Identität der Japaner immer noch verbunden ist. Doch im 5. Jahrhundert kam vom asiatischen Festland der Buddhismus (jap. bukkyō) nach Japan und beeinflusste den einheimischen shintō entsprechend mit indischen, koreanischen und vor allem chinesischen (tibetanischen) Glaubensvorstellungen. Zusätzlich gab es Influenzen vom chinesischen Daoismus (jap. dōkyō) und vom Konfuzianismus (jap. jukyō), deren Lehren in die Glaubensauffassung der Japaner einflossen. Die letzten drei wurden bereits im Altertum aus China als fertige Konzepte (chin. sānjiào) importiert und in Japan unter dem Begriff sangyō zusammengefasst.

Japanische Religionen (shūkyō)
Shintō - Shintōismus
Bukkyō - Japanischer Buddhismus
Dōkyō - Japanischer Daoismus
Jukyō - Japanischer Konfuzianismus
Kirisuto kyō - Japanisches Christentum
Isuramu kyō - Japanischer Islam
Kokka shintō - Staats-Shintō (ab 1868)
Jinja shintō - Schrein-Shintō
Kyōha shintō - Sekten-Shintō
Jōdo - Lehre vom „Reinen Land“
Nichiren - Originallehre der Lotos-Sutra
Zen - Schule der Erleuchtung
Hossō shu - Schule des Bewusstseins
Hokke shū - Lotos-Schule
  • Jukyō - Japanischer (Neo)Konfuzianismus
Shushigaku - neokonfuzianische Schule
Yōmeigaku - neokonfuzianische Schule
Kogaku - alte Schule des Konfuzius
Kokugaku - Synkretismus shintō / jukyō
Mitogaku - Synkretismus shintō / jukyō
Shingon shū - Schule des wahren Wortes
Tendai shū - esoterischer Buddhismus
Watarai shū - Watarai-Shintō
Yoshida shū - Yoshida-Shintō
Kyōha / Kyōkai - Sekten / Kirchen

Im meiji jidai (ab 1868) wurde eine strikte Trennung (shinbutsu bunri) zwischen den shintōistischen kami und den buddhistischen buddha gesetzlich iniziiert und ein einheitlicher Staats-Shintō (kokka shintō) angeordnet. Doch das Gesetz konnte sich nicht durchsetzen und wurde nachher revidiert. Die Meiji-Verordnung (shinbutsu bunri) zur Trennung der Religionen schuf ab 1868 ein erhebliches Problem in der Zuordnung zur persönlichen Glaubensbekenntnis der Japaner. Zu ihrer gewohnten Religionsauffassung gehörte seit altersher sowohl eine lose als auch kombinierte Anlehnung an verschiedene Konfessionen, vor allem die Kombination zwischen Shintōismus und Buddhismus (shinbutsu shūgō). Aber auch die Götter anderer Konfessionen bewirken Wohltaten (riyaku), wenn sie entsprechend verehrt werden. Trotz aller politischen Gesetze (shinbutsu bunri) bleibt die Zuordnung der Japaner zu Konfessionen auch heute offen und lose. Nach wie vor sind sie Shintōisten, Buddhisten und gleichzeitig Anhänger anderer Religionen - sie suchen sich die Zuordnung entsprechend ihrer persönlichen Situation (Geburt, Heirat, Tod) in verschiedenen Religionsangeboten. Rein statistisch gilt heute als Buddhist, wer die Hilfe von buddhistischen Mönchen in Anspruch nimmt (85% der Japaner) und als Shintōist, wer Beiträge an lokale Schreine spendet (90% der Japaner) Wenn man Statistiken glaubt sind heute die meisten Japaner Shintōisten oder Buddhisten, hinterfragt man aber die Statistik auf der Straße erhält man mehrheitlich die Antwort shūkyō wa nai (keine Religion).

Einteilung der Religionen
Shintō (Shintōismus) - japanische Urreligion
Mikkyō - esoterischer Buddhismus
Jōdo (11. Jhr.) - Amida-Buddhismus
Nichiren (1222-1282) - buddh. Lotos Schule
Nichiren shū - Nisshō, Nichirō, Nichiji
Nichiren shōshū - wahre Nichiren-Schule
Zen - philosophischer Buddhismus
Sōtō shū - Dōgen Kigen (1200-1253)
Rinzai shū - Mōyan Eisai (ab 1191)
Fuke shū - Sanji Kakushi (1207-1298)
Ōbaku shū - Ingen Ryūki (ab 1654)
Sanbō kyōda - modernes Zen
Weitere Schulen des Buddhismus
Hossō shu - Bewußtseins-Schule
Hokke shū - Lotos-Schule
Kogaku - originaler Konfuzianismus
Shushigaku - neokonfuzianische Schule
Yōmeigaku - neokonfuzianische Schule
Juka shintō - Synkretismus shintō / jukyō
Kokugaku - Synkretismus
Mitogaku - Synkretismus
Shinbutsu shūgo - Shintō & Buddhismus
Shingon shū - Schule des wahren Wortes
Tendai shū - esoterischer Buddhismus
Juka shintō - Shintō & Konfuzianismus
Kokugaku - Synkretismus
Mitogaku - Synkretismus
Kokka shintō - Staats-Shintō
Jinja shintō - Schrein-Shintō
Kyōha shintō - Sekten-Shintō
Kyōha shintō - Sekten-Shintō
  • Ausländische Randreligionen
Kirisuto kyō - Christentum
Isuramu kyō - Islam

Shintō - Shintōismus

Mit shintō („Weg der Götter“) bezeichnet man den Urglauben der Japaner an einheimische und mystische Götter (kami), die gleichzeitig als Urahnen des japanischen Volkes und als Beherrscher der Naturgewalten angesehen werden. Als polytheistische Glaubensvorstellung (im Gegensatz zu den monotheistischen Religionen) gibt es im shintō weder einen Gründer, noch eine definierte Lehre. Der shintō beruft sich lediglich auf die spätere Literatur des kojiki (712 n.Chr.) und nihon shoki (720 n.Chr.), in denen in mythologischen Berichten rückwirkend die Abstammung des japanischen Volkes von den Göttern (kami) dokumentiert und der Kaiser (tennō) als göttlicher Vertreter auf Erden legitimiert wird.

SHINTŌ - Interpretationen
Synkretismus (shinbutsu shūgō, ab dem 6. Jhr.)
Shingon shū - Synkretismus shintō / bukkyō
Tendai shū - Synkretismus shintō / bukkyō
Kokugaku - Synkretismus shintō / jukyō
Mitogaku - Synkretismus shintō / jukyō
Reiner Shintō (shinbutsu bunri, ab 1868)
Kokka shintō - Staats-Shintō
Jinja shintō - Schrein-Shintō
Kyōha shintō - Sekten-Shintō

Shintō - Ursprung und Mythologie

Das Zentrum der shintōistischen Mythologie ist die Sonnengottheit Amaterasu, die den Umbruch vom göttlichen Zeitalter (jindai - „Zeitalter der Götter“) zum menschlichen Zeitalter (nindai - „Zeitalter der Menschen“) vollzog. Durch die von ihr auf die Erde gesandten Herrscher entstand die Autonomie der Menschen und gleichzeitig das japanische Reich (nihon / nippon), das in göttlichem Auftrag von ihren Nachkommen (tennō) regiert werden sollte. Die vom shintō propagierte hierarchischen Gesellschaftsstruktur, bedingt durch den Willen der Götter, befriedigte die Menschen nicht, denn sie beantwortete keine Fragen nach Sein, Sinn und Leben nach dem Tod. Ohne Antworten des shintō auf die essenziellen Fragen und Bedürfnisse des persönlichen Lebens entstand eine Vielzahl von Mythologien und persönlichen Vorstellungen, die zu einem Sammelsurium unzähliger Religionsauffassungen führte.

Shintō - Synkretismus (shinbutsu shūgō)

Die drei großen Religionen (sangyō) vom asiatischen Festland, Buddhismus (jap. bukkyō), Konfuzianismus (jap. jukyō) und Daoismus (jap. dōkyō), lieferten Antworten auf die Fragen nach dem Tod und zusätzliche Regelanleitungen zur Lebensgestaltung. Für sie war es leicht, die Glaubenslücken des shintō zu besetzen und die essenziellen Fragen der Menschen nach Sein, Sinn und Tod zu beantworten. Daraus entstand schließlich eine Kombination der Religionen (shinbutsu shūgō), die in der Grundlage dem shintō entsprach aber die Jenseits- und Moralvorstellungen durch die sangyō beantworten ließ. Hauptsächlich Shintōismus und Buddhismus haben sich ab dem 6. Jahrhundert vermischt; aber auch der Daōismus und Konfuzianismus beeinflussten die neuen Glaubensrichtungen in Japan.

Shintō - Trennung der Religionen (shinbutsu bunri)

Im meiji jidai (1868) wurde der shintō durch eine gesetzliche Verordnung (shinbutsu bunri) von allen buddhistischen Einflüssen getrennt, die Schreine (jinja) verstaatlicht und ihre Lehren künstlich zu einer einzigen japanischen Staatsreligion (kokka shintō) zusammengeführt. Der bislang bestehende Sykretismus (shinbutsu shūgō) zwischen Shintōismus und Buddhismus aber auch der Einfluss des Konfuzianismus und Daoismus wurde durch shinbutsu bunri aufgehoben und verboten. Dadurch geriet das gesamte japanische Glaubensverständnis ins Wanken, vor allem der Ahnenkult (yamato damashi), der buddhistische Ursprünge hat. Zusätzlich wurden viele, im Glaubensbekenntnis der Japaner verankerten daoistischen, schamanistischen und konfuzianistischen Ideologien eliminiert, und der neu gegründete Staats-Shintō (kokka shintō) etabliert.

Shintō - Gründung des Staats-Shintō (kokka shintō)

Der im meiji jidai (ab 1868) verordnete Staats-Shintō (kokka shintō und jinja shintō) war im Volk keinesfalls etabliert, sondern musste sich praktisch neu erschaffen. 1882 wurden durch neue Meiji-Gesetze viele etablierte Richtungen des shintō aus dem offiziellen Regierungsprogramm ausgeschlossen und in den Untergrund gedrängt. Ihnen wurde jede staatliche Unterstützung entzogen und ihre Zugehörigkeit zum shintō aberkannt. Später sollten sie sich innerhalb der shin shūkyō (neue Religion) als kyōkai (Kirche) oder kyōha (Sekte) etablieren. Im Jahre 1946 wurde der Staats-Shintō von den Amerikanern aufgelöst. Ein Dekret (1947) der freien Religionsausübung trat in Kraft, durch das die freie Ausübung der Religionen (ohne staatliche Mittel) gestattet wurde.

Shintō - Entstehung der Sekten (kōyha shintō)

Aus den vielfältigen Shintō-Interpretationen entwickelten sich im Laufe der Zeit mehrere shintōistische Sekten (kyōha shintō und shūha shintō), von denen im beginnenden meiji jidai (1868) zunächst einige offiziell anerkannt wurden. Doch bereits 1882 wurden sie zugunsten des kokka shintō und des jinja shintō verboten, existierten aber im Untergrund weiter und gründeten eigene Organisationen. Zuerst schlossen sich 1895 acht der bisher defamierten Shintō-Sekten (izumo taisha kyō, kurozumi kyō, ontake kyō, jikkō kyō, shinshū kyō, taisei kyō, fusō kyō und jingū kyō) in einer Organisation (shintōdōshikai, 神道同志会) zusammen. Im Jahr 1899, nachdem shintō honkukyō, shinri kyō und misogi kyō hinzu kamen, wurde der Name der Organisation in shintō konwakai (神道懇話会, Shintō-Konferenz) geändert, und nachdem 1912 shintō shūsei-ha, konkō kyō und tenri kyō Mitglieder wurden, bezeichnete sich die Organisation als „Verein aller Shintō-Sekten“ (神道各教派連合会). Nun bestand die Organisation aus 13 Glaubensrichtungen (shintō jūsanpa, 神道十三派) und benannte sich ab 1934 in kyōha shintō rengōkai (Shintō-Verband für Sekten, 教派神道連合会) um, eine Bezeichnung, die noch heute existiert. Nachdem 1946 der Staats-Shintō (kokka shintō) abgeschafft und die religiöse Kultur Japans liberalisiert wurde, entwickelte sich aus ihnen in Abgrenzung zum traditionellen Schrein-Shintō (jinja shintō) eine teilweise aggressive Sektenmentalität, die sich unter dem Begriff shin shūkyō (neue Religion) oder shintōkei shinshūkyō zusammenfasst.

Bukkyō - japanischer Buddhismus

Japanischer Buddhismus (bukkyō) ist eine vom asiatischen Kontinent (Indien, China, Korea und Tibet) stammende Religion, die in Japan sowohl eigenständige Richtungen (bukkyō) wie auch kombinierte Systeme (shinbutsu shūgō) entwickelte. Bereits im kofun jidai (ca. 400 n.Chr.) erreichten erste buddhistische Lehren Japan und beeinflussten nachhaltig die bislang vom shintō geprägte japanische Glaubenswelt. Unter dem Machteinfluss der Soga wurde der Buddhismus 552 zur Staatsreligion. Darauffolgende Glaubenskämpfe, wie unter den Fujiwara (ab 645) gaben dem shintō erneut mehr Bedeutung. Statistisch betrachtet, gab es in Japan fünf Zeitperioden des Buddhismus:

BUKKYŌ - japanischer Buddhismus
  • Zeitgeschichte des jap. Buddhismus
- Nara jidai (ab 552) - Staats-Buddhismus
- Heian jidai (784) - Sekten-Buddhismus
- Tokugawa jidai (1603) - Danka-Buddhismus
- Meiji jidai (1868) - Shinbutsu bunri
- Gegenwart (1945) - Shin-Buddhismus
  • Hauptrichtungen des jap. Buddhismus
Mikkyō (8. Jhr.) - esoterischer Buddhismus
Jōdo (12. Jhr.) - Amida-Buddhismus
Zen (12. Jhr.) - philosophischer Buddhismus
Rinzai shū - von Mōyan Eisai (Yōsai, ab 1191)
Sōtō shū - von Dōgen Kigen (1200-1253)
Fuke shū - von Sanji Kakushi (1207-1298)
Ōbaku shū - von Ingen Ryūki (Yǐnyuán Lóngqí, ab 1654)
Sanbō kyōda - modernes Zen
Nichiren (13. Jhr.) - buddhistische Lotos-Schule
Nichiren shū - Nisshō, Nichirō, Nichiji
Nichiren shōshū - wahre Nichiren-Schule
  • Im asuka jidai (552-710) und nara jidai (710-794) wird der japanische Buddhismus (bukkyō) zur Staatsreligion, beeinflusst schließlich die Gesetzgebung (ritsuryō) und setzt sich in aristokratischen Kreisen am Kaiserhof durch. Trotz der harten Konkurrenz aus dem Lager des shintō etablieren sich in der Hauptstadt Nara die sechs buddhistische Schulen (kusha shū, jōjitsu shū, sanron shū, hossō shū, kegon shū und risshū shū.
  • Im heian jidai (794-1192) etablierten sich in Japan mehrere tantrische Glaubensformen (Tantrismus) aus denen die japanische Lehre des mikkyō (geheime Lehre) entstand, die (805) von Saichō (Dengyō Daishi) als tendai-shū und (806) von Kūkai (Kōbō Daishi) als shingon shū interpretiert wurde. Zusätzlich entstand das mystische shugendō, das vor allem die Mentalität der ninja beeinflusste. Sein Ursprung liegt im indischen vajrayâna (mahâyâna) und beruht auf den esoterischen Lehren des tantrischen Buddhismus. Im Jahre 1175 gründete der aus der Richtung des tendai stammende Mönch Hōnen Shōnin auf der Grundlage des buddhistischen mahâyâna in Japan einen volkstümlichen Götterglauben, in dem der Buddha Amida (skrt. Amitâbha) verehrt wird. Seine Glaubenslehre vom „Reinen Land“ (jōdo shū) verbreitete sich weitgehend im Volk und entwickelte 1190 über Shinran Shōnin die Abspaltung jōdo shinshū. Ab 1191 wurde der Zen-Buddhismus (zen) von Myōan Eisai (Yōsai, 1141-1215) als rinzai shū in Japan eingeführt Ihm folgte die Schule soto shū, von Dōgen Kigen (1200-1253).
  • Im kamakura jidai (1192-1333), Ashikaga-Muromachi jidai (1333-1568) und Azuchi-Momoyama jidai (1568-1603) entstanden immer mächtigere buddhistische Klöster (ji und tera), die der Politik der militärischen Herrscher widersprachen. Der shōgun Oda Nobunaga entsandte 1571 eine Armee gegen die widerspenstigen Klöster von Settsu, besonders gegen den Tempel Enryakuji und ließ alle Tendai-Tempelanlagen auf dem Berg Hieizan zerstören. Die meisten Mönche und ihre Angehörigen wurden getötet. Auch danach zogen die Generäle von Oda Nobunaga immer wieder gegen die Armeen der buddhistischen Mönche zu Felde (ikkō ikku) und brachen endgültig ihre politische Macht.
  • Im tokugawa jidai (1600-1868) verbreitete sich vor allem der sogenannte danka tera (Buddhismus der lokalen Tempel).
  • Im kindai (japanische Moderne, 1868-1912) gab es politisch bedingte Reformen für alle Religionen. Die seit altersher bestehende lose Synkretion der Religionen (shinbutsu shūgo) wurde durch ein (1868) erlassenes Gesetz (shinbutsu bunri) geregelt, durch das eine einheitliche Staatsreligion (kokka shintō) gegründet werden sollte. Der japanische Buddhismus reformierte sich entsprechend als shin bukkyō (neuer Buddhismus) und entwickelte die vier unten genannten Hauptformen. Seit Anbeginn der Zeit war der Buddhismus ein Bindeglied zwischen den hoch entwickelten Kulturen des asiatischen Kontinents (China und Korea) und Japan. Generell betrachtet, setzten sich in Japan vor allem die Richtungen des indischen und chinesischen Mahâyâna-Buddhismus durch und bildeten vor Ort die Untergruppen der Schulen des esoterischen Buddhismus (mikkyō), des „Reinen Landes“ (jōdo und Amida-Buddhismus), der religiösen „Lotus-Schule“ (Nichiren-Buddhismus) und die verschiedenen Richtungen des Zen-Buddhismus (zen). All diese Schulen unterscheiden sich nicht nur durch verschiedene Lehrkonzepte, sondern vor allem auch durch verschiedene Interpretationen ihrer Inhalte und unterschiedliche Bekenntnisse zu den vielen buddha.


SHIN BUKKYŌ - neuer Buddhismus
Mikkyō - esoterischer Buddhismus
Jōdo - Amida-Buddhismus
Nichiren - buddhistische Lotus Schule
Zen - philosophischer Buddhismus

Heute ist der Buddhismus in Japan lokal sehr unterschiedlich. Bereits seit dem edo jidai (ab 1600) gehörte jeder Japaner einem danka tera (Gemeindetempel) an, der sich seinerseits zu einer der großen buddhistischen Strömungen bekannte. Diese Tempel waren maßgeblich für die buddhistischen Rituale der Bevölkerung verantwortlich. Der Buddhismus spielt vor allem im Toten- und Ahnenkult (yamato damashi und yamato kokoro) eine bedeutende Rolle. Seit altersher überliefert, werden die Toten in Japan nach dem buddhistischen Ritus verbrannt und in Urnen beigesetzt. Die meisten japanischen Familien betreiben dazu einen persönlichen Hausaltar, um den Ahnen zu gedenken.

Dōkyō - japanischer Daoismus

Der Daoismus (jap. dōkyō, chin. dàojià) ist eine weitgehend philosophische Lehre, die das Zusammenleben der Menschen mit dem Prinzip des ewigen „Werden und Vergehens“ zur Grundlage hat. Der Daoismus lehrt die Anpassung des Menschen an die Natur, an die übergeordnete Gesetzmäßigkeit des Universums, an die nicht erfassbare Ordnung () aller sichtbaren Veränderungen, die alle Dinge dem ewigen Zyklus der Veränderung unterwirft. Der Daoismus (Lehre vom Weg) entstand im 4. Jh. v.Chr. auf der Grundlage des Buches daodejing (tao te king) von Laozi (Lao-tse oder Lao-tzu), der gleichzeitig als Gründer des Daoismus gilt. Darauf folgten weitere daoistische Veröffentlichungen, wie das nanhua chen jing (Das wahre Buch vom südlichen Blütenland) von Zhuangzi, einem Weisen (zhenren) aus Nanhua.

DAOISMUS - Übersicht
  • Gründer und Vertreter (China)
Laozi - Gründer
Zhuangzi - Nachfolger
  • Richtungen
Dàojiào - religiöser Daoismus
Dàojià - philosophischer Daoismus
  • Lehrbücher
Dàodéjīng - Ursprungsbuch von Laozi
Nanhua chen jing - Buch von Zhuangzi

Der Daoismus beeinflusste in China nahezu alle Bereiche der Politik, Religion, Kultur, Philosophie, Literatur und auch alle philosophischen Bewegungskünste (quanfa und qigong). Er bezeichnet die ureigene Lehre der Chinesen und wird vage in dàojiào (religiöser Daoismus) und dàojià (philosophischer Daoismus) unterschieden. Zusammen mit Buddhismus und Konfuzianismus bildet er das Konzept der sānjiào (jap. sangyō - drei Lehren), die zusammen genommen bis in die heutige Zeit das gesamte religiöse und philosophische Konzept aller ostasiatischen Kulturen bestimmen. Darüber hinaus beeinflussten sie sich auch gegenseitig und brachten in allen ostasiatischen Ländern unzählige Kombinationen hervor. So entstand z.B. chan (jap. zen) aus der Auseinandersetzung zwischen dem Buddhismus und Daoismus oder der Neokonfuzianismus aus kombinierten Lehren zwischen Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus. Der chinesische Daoismus entwickelte zum Zwecke der Vereinigung der sānjiào sogar eine eigene Schule (quanzhen - Schule der vollkommenen Wirklichkeit). Obwohl der Daoismus alle asiatischen Philosophien beeinflusste, entwickelte er in Japan kaum eigenständige Richtungen. Doch sein Einfluss ist in jedem Bereich des japanischen Lebens deutlich spürbar (hara und ).

Jukyō - japanischer Konfuzianismus

Der Begriff bezeichnet die reine staatspolitische Lehre des Konfuzius (Konfuzianismus), die weitgehend politische Maßstäbe bezüglich der Organisation des Staates und der Gesellschaft lehrt. Der authentische Konfuzianismus (chin. rujia) ist vor allem auch eine Ethik-Lehre für zwischenmenschliche Beziehungen, aufgebaut auf fünf grundlegenden Tugenden (Liebe, Rechtschaffenheit, Gewissenhaftigkeit, Ehrlichkeit und Gegenseitigkeit), aus denen drei soziale Pflichten entstehen (Loyalität, Pietät, und Sittenhaftigkeit). Durch die Verwirklichung der Tugenden in der Handlung entsteht Menschlichkeit (ren). Diese ermöglicht ein harmonisches Zusammenleben, sowohl in der Familie, in den Dörfern, in den Provinzen und im Reich. Obwohl Konfuzius nie selbst etwas niederschrieb, hielt er seine Schüler zum Studium der alten chinesischen Schriften an, sagte aber gleichzeitig, dass Weisheit nicht allein durch Lernen entstehen kann. Der Weisheit legte er stets das eigene Denken zugrunde, worauf erlerntes Wissen erst aufgebaut werden muss: „Lernen ohne zu denken ist sinnlos, denken ohne zu lernen ist gefährlich“. Seine wichtigsten Schüler (Mengzi und Xunzi) setzten mit unterschiedlichen Auffassunge seine Lehre fort, was in der Song-Dynastie (960-1279) zur Gründung des Neokonfuzianismus führte. In dieser Zeit wurden die alten 9 Schriften (jap. shisho gokyō) des Konfuzianismus kommentiert und neu verfasst:

KONFUZIANISMUS - Lehrbücher
Yìjīng - Buch der Wandlungen
Shujing - Buch der Urkunden
Shijing - Buch der Lieder
Liji - Buch der Riten
Chunqiu - Frühlings- und Herbstannalen
  • Die vier Bücher - von Zhu Xi
Lùnyǔ - Analekten und Lehrgespräche
Daxue - großes Lernen
Zhongyong - Maß und Mitte
Mengzi - Überlieferungen von Mengzi

Bereits zur Zeit der Han-Dynastie (hàn cháo, 206 v.Chr.-220 n.Chr.) wurden die Gedanken des Konfuzius nach Japan gebracht. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde die konfuzianische Lehre zum unabdingbaren Bestandteil jeder Gelehrtenbildung. Zuerst entstanden zwei metaphysische Schulen des Neokonfuzianismus, shushigaku (nach der Lehre des Chinesen Zhu Xi) und yōmeigaku (nach der Lehre des Chinesen Wang Yang Ming).

JUKYŌ - Konfuzianismus in Japan
  • Interpretationen in Japan
Shushigaku - neokonfuzianische Schule
Yōmeigaku - neokonfuzianische Schule
  • Entwicklungen im Tokugawa jidai
Kogaku - alte konfuzianische Schule
Juka shintō - Synkretismus shintō / jukyō
Kokugaku - Synkretismus shintō / jukyō
Mitogaku - Synkretismus shintō / jukyō

Im tokugawa jidai (1600-1868) begann sich ein von Zen-Mönchen aus China importierter Neokonfuzianismus (juka shintō) in Japan zu etablieren und erhebliche Kritik an den bestehenden Glaubensrichtungen zu üben. In diesem neuen Trend entstanden die beiden bedeutenden Schulen der kokugaku (neokonfuzianische Interpretation des shintō) und mitogaku (Einheit zwischen shintō und jukyō). Die kokugaku entwickelte über Yamaga Sokō, Nakae Tōju, Kumazawa Bankan, Kaibara Ekiken, Miwa Shissai, u.a. eigene Interpretationen, während sich in der mitogaku Richtungen wie ritō shinchi shintō (Hayashi Razan), watarai shintō (Watarai Nobuyoshi), yoshikawa shintō (Yoshikawa Koretari) und suika shintō (Yamazaki Ansai) entwickelten. Gegen Ende des 17. bis ins 18. Jahrhundert hinein entstand in Japan ein Trend zur reinen philosophischen Lehre (tetsugaku) als Wissenschaft (kagaku). Man widmete sich erneut den alten Schriften des Konfuzianismus, wodurch die Schule kogaku (Lehre vom Alten) entstand. Sie sollte den Japanern ein Standard für die klaren Regeln der Tugend und Charakterbildung sein und ihre Mentalität von metaphysischen Gedanken des Daoismus und Shintōismus befreien. Diese neokonfuzianischen Richtungen lehrten vor allem auch die mentale Rückkehr der Krieger (samurai und bushi) zu ihrer längst vergangenen Krieger-Ethik (bushidō) und konstruierten in den Friedenszeiten der Tokugawa einen neuen Kriegerkult auf der Basis des authentischen Konfuzianismus. Der samurai Yamaga Sokō (1622-1685) veröffentlichte dazu eine erste Schrift (hagakure), die zur Neuordnung des bushidō führte. Ihm folgten Itō Jinsai (1627-1705) und Ogyū Sorai (1666-1728). Im späten 18. Jahrhundert entstand die kokugaku, die Japan in das moderne Zeitalter führen sollte.

Synkretismus

Seit altersher vermischte sich der japanische Urglaube shintō mit Drei großen Lehren (jap. sangyō, chin. sānjiào) vom asiatischen Kontinent: Buddhismus (jap. bukkyō), Konfuzianismus (jap. jukyō) und Daoismus (jap. dōkyō) und bildete in einer Symbiose mit ihnen den sogenannten Synkretismus. Der bedeutendste Synkretismus entstand aus der Kombination zwischen dem Shintōismus und Buddhismus und wurde als shinbutsu shūgō bezeichnet.

Shinbutsu shūgō - Synkretismus
Shingon shū - Synkretismus
Tendai shū - Synkretismus
Watarai shū - Synkretismus
Yoshida shū - Synkretismus
Kokke shū - Synkretismus
  • Shinbutsu shūgō - hauptsächlich kombinierte sich der Synkretismus aus der Verbindung des shintō (Shintōismus) mit dem bukkyō (Buddhismus) und etablierte daraus die Kombination shinbutsu shūgō.
Weitere Synkretismen
Kokugaku - Synkretismus shintō / jukyō
Mitogaku - Synkretismus shintō / jukyō
  • Weitere Synkretismen - viele weitere Synkretismen fanden statt, wie z.B. die Kombination zwischen shintō und jukyō (Konfuzianismus) zum juka shintō. Unzählige Beeinflussungen waren im Gebrauch, wie z. B. aus dem dàojià (Daoismus).
Shinbutsu bunri - Trennung der Religionen
Kokka shintō - Staats-Shintō
Jinja shintō - Schrein-Shintō
Shūha shintō - Sekten-Shintō
  • Shinbutsu bunri - die neokonfuzianische Schule kokugaku bestand ab 1868 auf eine endgültige Revision des gesamten japanischen Glaubensspektrums und forderte die strikte Trennung zwischen der nationalen japanischen Religion (shintō) und allen weiteren Religionen. Dies betraf vor allem den Buddhismus. Durch einen nachfolgenden Gesetzeserlass entstand im meiji jidai eine staatsverordnete Trennung (shinbutsu bunri) zwischen den Göttern des shintō (kami) und den Göttern des bukkyō (butsu) und führte zur Gründung einer reinen shintōistischen Staatsreligion (kokka shintō).
Shin bukkyō - neuer Buddhismus
Mikkyō - esoterischer Buddhismus
Jōdo - Amida-Buddhismus
Nichiren - buddhistische Lotus Schule
Zen - philosophischer Buddhismus
  • Shin bukkyō - der durch diese Maßnahmen isolierte Buddhismus versuchte eigene und neue Erfolgswege zu gehen und wurde gezwungenermaßen volksnäher. Nach dem Beispiel westlicher Religionen entwickelte er soziale Engagements mit missionarischen Tätigkeiten und öffnete sein bisherig bestehendes professionelles Mönchtum auch für Laien. Es entstand der neue Buddhismus (shin bukkyō). Nach wie vor undenkbar blieb die Volksöffnung zum zen, das traditionellen und strikten Überlieferungsregeln unterlag. Um den Glaubensbedürfnissen des japanischen Volkes zu entsprechen, entstanden buddhistische Glaubensangebote, wie go-riyaku (Wohltaten im irdischen Leben werden im Jenseits belohnt). Individuell ist der japanische Buddhismus undefiniert und vage.

Shinshūkyō - neue Religionen

Beginnend mit dem tokugawa jidai (ab 1600) entstanden in Japan vielfältige neue Sekten (kyōha und shūha) des shintō, die traditionelle Elemente mit Sektenkult vermischten. Man nennt sie shinshūkyō (neue Religion) oder in Anlehnung an die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg shinshin shūkyō (neu-neue Religion) oder shintōkei shinshūkyō. Diese Sekten veränderten sich im meiji jidai (ab 1868) hauptsächlich aus Protest gegen die Gründung des einheitlichen kokka shintō durch die Gesetzgebung zur Trennung der Religionen (shinbutsu bunri) und nahmen nationalistische Züge an. Da sie ab 1882 offiziell verboten wurden, verstärkten sich ihre nationalistischen Tendenzen im Untergrund. Nachdem die japanischen Religionsgesetze nach dem Zweiten Weltkrieg liberalisiert wurden, konnten sie öffentlich in Erscheinung treten und entwickelten oft aggressive Haltungen gegen die neue japanische Demokratie. Die Sektenbildung profitierte durch die Liberalisierung der Religionen und verzeichnete in der Neuzeit enorme Wachstumsraten. Durch ein 1951 erlassenes Gesetz erhielten Religionsgemeinschaften (shūkyō dantai 宗教団体) - auch Kirchen, Tempel und Schreine - den Status einer juristischen Person. Dadurch konnte man 2004 ca. 182.640 religiöse Körperschaften (shūkyō hōjin 宗教法人) zählen. Ein trauriges Beispiel für diese Sektenkultur bot 1995 die ōmu shinrikyō, die in ihrem religiösen Wahn, einen Giftgasanschlag auf die japanische Bevölkerung in der U-Bahn von Tōkyō verübte.

Kirisuto kyō - Christentum

Japanisches Christentum (kirisuto kyō) hatte früher und hat auch heute in Japan nur wenig Bedeutung. Es etablierte sich zuerst als Randreligion in der Zeit des shōgun Oda Nobunaga, (1534-1582), der vor allem die europäische Technologie der von den christlichen Missionaren (Xaver Franz) eingebrachten Schusswaffen (arkebuse und teppo) nutzte, um damit seine Machtposition gegenüber einheimisch rivalisierenden Gegner zu sichern. Da aber in der Folgezeit auch viele hochrangige Fürsten (daimyō) den christlichen Glauben annahmen, wurden alle christlichen Missionartätigkeiten ab 1612 verboten und ihre Anhänger bis 1873 härtesten Verfolgungen ausgesetzt. Trotzdem überlebten einige christliche Gemeinschaften im Untergrund (kakure kirishitan). Mit ca. 450.000 Mitgliedern ist heute die römisch-katholische Kirchengemeinschaft die größte in Japan, die orthodoxe Kirche zählt ca. 30.000 Mitglieder. In der Neuzeit begann die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas zu wachsen und zählen heute ca. 217.000 Mitglieder.

Isuramu kyō - Islam

Japanischer Islam (isuramu kyō) hat praktisch keine Bedeutung. Lediglich durch Gastarbeiter aus den muslimischen Gebieten Asiens (z.B. Iran und Pakistan) wird er heute in Randgruppen der Bevölkerung praktiziert, nahm aber zu keiner Zeit Einfluss auf die japanischen Religionen.

Studien-Informationen

Literatur

  • George J. Tanabe (Hrsg.): Religions of Japan in practice., Princeton University Press, Princeton 1999.
  • Klaus Antoni, Hiroshi Kubota, Johann Nawrocki und Michael Wachutka (Hrsg.): Religion and National Identity in the Japanese Context, Literatur-Verlag, Münster 2002.
  • Mark R. Mullins, Shimazono Susumu und Paul L. Swanson (Hrsg.): Religion and Society in Modern Japan: Selected Readings, Asian Humanities Press, Berkeley 1993.
  • Ian Reader: Religion in Contemporary Japan (3 Auflagen), University of Hawaii Press, Honolulu 1991.
  • Toshimaro Ama: Warum sind Japaner areligös?, Iudicium, München 2004.
  • Ursula Lytton: Death and Transformation, A Study of a Religio-Aesthetic Concept in Japan, Journal of the International Association of Japanese Studies, Universität Yamagata 1990.

Weblinks

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