Ji'in

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Artikel erstellt von: Werner Lind | Hendrik Felber

Der Begriff ji'in (jap.: 慈蔭 / 慈充 / 慈允) bezeichnet eine Bewegungsform (kata) des japanischen karate, die je nach Ausführungsart 35 bzw. 40 Bewegungen beinhaltet. Man übt sie heute nur noch im shōtōkan ryū und shitō ryū.

Der Name ji'in

Der Kata-Name ji'in wird von Kanazawa Hirokazu mit zwei alternativen Schreibungen angegeben, zum einen 慈蔭, und zum anderen mit 慈充. Sakagami Ryūshō verwendet eine dritte Schreibweise 慈允. In allen Varianten wird übereinstimmend an erster Stelle das gleiche kanji wie beim Kata-Namen jion verwendet, das „Liebe, Zuneigung“ bedeutet, wodurch die inhaltliche Parallelen zu dieser kata im Gegensatz zur jitte auch eine sprachliche Entsprechung finden. Das kanji 蔭 bedeutet „Schatten“, was sich entweder so deuten lässt, dass die ji'in als begleitender Schatten der jion zu verstehen ist, oder aber der Schatten wird im Sinne eines Schutzes verstanden, den ein Mensch einem anderen gewährt. Diese Lesart wäre eine Parallele zum zweiten kanji der jion, das soviel wie „Gnade, Gunst“ bedeutet. Die etymologisch verwandten kanji (充 - „anfüllen“ und 允 - „wahrhaftig, wirklich“) können ebenfalls als variierende Attribute zu 慈 verstanden werden: „Liebe in Fülle“ bzw. „Wahrhaftige Liebe“. - Eine gelegentlich erwähnte vierte Lesung (寺院 - „Tempelanlage“) scheint ohne historische Relevanz zu sein, auch wenn der Bezug zu den vielen Jion-Tempeln naheliegt. Vergleiche die Ausführungen zum Namen der jion.

Geschichte der ji'in: Fakten, Indizien, Mutmaßungen

Über die Herkunft der Form ist noch weniger bekannt als bei der jion und der jitte, da die kata auf Okinawa offenbar so selten oder gar nicht geübt wurde, dass sie heute in keinem der bekannten okinawanischen Stile zum Lehrplan gehört. Auch Funakoshi Gichin nennt den Kata-Namen nicht in seinen Schriften. In seinem Werk Karate nyūmon von 1943 findet lediglich eine auf Funakoshis Künstlernamen Shōtō anspielende Form-Bezeichnung namens shōkyō 松喬 („Prachtvolle Kiefer“) Erwähnung, die von Kanazawa mit der ji'in identifiziert wird. Die kata beginnt und endet wie die jion und die jitte in einer typisch chinesischen bzw. buddhistischen Grußhaltung, jiai no kamae, bei der die linke Hand die rechte Faust umschließt und bei abgewinkelten Armen in Brusthöhe gehalten wird. Dieses Indiz und eine Reihe weiterer technischner Übereinstimmungen bzw. Ähnlichkeiten führten zu den Annahme, dass die kata ji'in mit den Formen jion und jitte verwandt sei oder dass alle drei kata unterschiedliche Ausprägungen von ein und derselben Form seien. Im Übrigen ist das Bedecken der rechten Hand mit der linken auch in anderen Formen wie etwa bassai (passai)oder enpi (wanshu), die heute wie die „Ji-Kata“ dem tomarite zugeordnet werden, zu beobachten. Insofern könnte jiai no kamae auch auf eine weniger entfernte geographische Zuordnung hindeuten.

Enbusen und Bewegungsstruktur der ji'in

Das Schrittdiagramm (enbusen) der ji'in ähnelt einem Doppel-V, dessen Spitzen durch eine Mittellinie verbunden sind. In seiner Bewegungstruktur gleicht die Form stark der jion.

Technische Merkmale der ji'in - Shōtōkan und Shitō im Vergleich

  • Wie bei der jion wird in der Shōtōkan-Form zu Beginn der linke Fuß zu zenkutsu dachi zurückgesetzt, und aus jiai no kamae ein kosa uke eingenommen. Diese Abwehr mit beiden Armen wird im Verlauf der Form noch mehrmals wiederholt, was auf ihre Bedeutung für den Wesenskern der Form verweist. Weitere Parallelen zur jion sind Kombinationen aus age uke und tsuki, manji uke und kakiwake uke. Der dreifache teisho zuki aus jion und jitte wird hier zu shutō uchi variiert. Die beiden yumi zuki am Ende der jion finden ihr Äquivalent in zwei tettsui uchi, jeweils aus einer Rückwärtsdrehung.
  • Der einzig signifikante Unterschied zur äußert ähnlichen Version des shitō ryū ist das Ende der Form, das an die kata des Shōtōkan eine sich wiederholende Kombination aus age uke und oi zuki quasi anschließt.

Studien Informationen

Siehe auch: Kata | Karate-Kata | Kata-Liste (Karate) | Jion | Jitte |

Literatur

  • Funakoshi Gichin: Karatedō Nyumon. 1943, dt. von Michael Götzelmann 2000.
  • Kanazawa Hirokazu: Shōtōkan Karate International. Kata (vol.1). 1981.
  • Werner Lind: Die klassische Kata. Geistige Herkunft und Praxis des traditionellen Karate. Bern, München, Wien 1995
  • Sakagami Ryushō: Karatedō kata taikan. 1978.
  • Henning Wittwer: Shōtōkan. Überlieferte Texte, historische Untersuchungen. Niesky 2007.

Weblinks