Kata kumite

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Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste<br.>Nachbearbeitet von: Werner Lind

Der Begriff ōyō (応用) bedeutet "Anwendung" und ist der kämpferische Teil des wesentlich komplexeren kata bunkai. Bezüglich der kata ist damit die Anwendung ihrer Techniken mit einem Partner gemeint. Mit kata kumite (型組手 - „Partnerübungen auf der Grundlage der Form“) bezeichnet man begrifflich ungefähr dasselbe. Der Unterschied zwischen den beiden besteht darin, das ōyō die formgetreue Technik-Anwendung der kata ist, während kata kumite eine relativ formbefreite Anwendung der Kata-Techniken durch den sensei erlaubt. Die Systeme des kata kumite, wie kihon ippon kumite, jiyū ippon kumite, okuri kumite, kaeshi kumite u.a. bezeichnen Zusammenstellungen aus verschiedenen Techniken der kata.

Ōyō und Kata kumite

Hauptartikel: Kata bunkai

Im klassischen Sinn bezeichnet ōyō die Anwendungsverfahren der Techniken einer bestimmten kata unter verschiedenen Betrachtungsaspekten. Auch wenn ein Lehrer daraus eigene Methoden ableitet und ein eigenes - auf seinen Unterricht abgestimmtes - kata kumite gründet, darf darin seine Phantasie nicht mit ihm durchgehen, sondern seine Kreation muss der von ihm gelehrten kata gerecht werden. Die Methoden des yakusoku kumite unterliegen weder der Gründungswillkür eines Trainingsleiters noch sind sie aus dem Wettkampf-Karate hergeleitet. Sie verfolgen stets ein klares Konzept, das sich als roter Faden durch die ōyō (Anwendung) der genkyo (Formablauf) der kata zieht.

Für einen sportlich ausgebildeten Trainer des karate ist es nahezu unmöglich, dieses Konzept zu verstehen und im Training umzusetzen. Dies ist auch der Grund, warum man die Kunst des karate heute nicht mehr ausgehend von der kata versteht, sondern sie in drei Teile gliedert: kihon, kumite und kata. Diese Einteilung gibt es nicht: Karate ist in seinem Zentrum kata, und daraus wird kihon und kumite abgeleitet.

Nachdem wir bereits im Eingangstext ein vereinfachten Schema des ōyō bunkai kennengelernt haben, wollen wir es hier etwas genauer in seine Einzelteile entschlüsseln. Entsprechend der Bedeutung des Ausgangsbegriffes bunkai unterteilt sich auch ōyō zunächst in zwei grundlegende Prinzipien:

  • Ōyō als bun - die Techniken der kata werden auseinander genommen und einzeln mit einem Partner geübt, bis das größtmöglichste Verständnis all ihrer Anwendungsdetails eintritt. Geübt wird hier mit nur einem Angreifer in den Methoden des yakusoku (abgesprochen) als kihon kumite (tanren kumite, kihon ippon kumite) und des jiyū kumite (jiyū ippon kumite, kaeshi kumite, okuri kumite).
  • Ōyō als kai - die innerhalb des bun perfektionierten Einzeltechniken werden hier wieder zusammengefügt und können nun als komplexes System gegen EINEN Angreifer (ippon) oder gegen MEHRERE Angreifer aus verschiedenen Richtungen (hōmen) geübt werden. Die erste Methode bezeichnet man als kumite kata (goshin kumite, u.a.), die zweite als hōmen kumite (shihō kumite, happō kumite, u.a.).

Ōyō als bun - Teilen (Zerlegen des Gesamten in Einzelteile)

Die Techniken der kata werden zum Zwecke des Studiums ihrer Anwendung mit einem Partner zuerst in Einzelteile aufgelöst und mit EINEM Angreifer als ippon kumite geübt. Dies geschieht nach dem Schema der unten stehenden dreigeteilten Klassifizierung:

1. Elementares Ōyō (Kihon kumite)

Kihon waza - die grundlegende Technik

Diese Methode bezeichnet die Anwendung der grundlegenden Techniken der kata als gohon kumite, sanbon kumite und kihon ippon kumite. Ihr Sinn ist nicht kämpferisch, sondern zielt auf die Herausbildung bestimmter Persönlichkeitsstrukturen im Übenden, die im Kapitel „Kihon kumite“ ausführlich erläutert wurden.

2. Fortgeschrittenes Ōyō (Jiyū ippon kumite)

Henka waza - die veränderte Technik

Das fortgeschrittene ōyō enthält henka (Veränderung) und bezeichnet die Übersetzung der Techniken des kihon in die Methoden der realistischen Kampfes. In der Hauptsache gebraucht man hier Techniken, die aus freier Distanz, freier Deckung und freier Bewegung als jiyū waza ausgeführt werden. Jiyū waza ist eine Erweiterung von kihon waza und lehrt die Prinzipien des Kämpfens. Die Methode des jiyū ippon kumite, die ein sensei lehrt, sollte daher einen roten Faden durch die Methode der kata darstellen und nicht nach Belieben selbst erfunden sein. In der Weiterfolge kann man unter dieser Überschrift z.B. kaeshi kumite (gegenkontern), okuri kumite (nachsetzen) oder zusammengesetzte Methoden als kumite kata (festgelegte Methoden des Kämpfens mit Techniken und Verfahren aus der kata) üben. Aber auch verschiedene andere Verfahren, wie z.B. renzoku waza, sind hier enthalten.

In seinem 18. Spruch in den shōtō nijūkun sagt Meister Funakoshi: kata wa tadashiku, jissen wa betsu mono - „Die Form (kata) muss korrekt geübt werden, im wirklichen Kampf (jissen) ist das anders“. Damit beschreibt er einfach und präzise die Übungsmethoden der henka waza.

3. Komplexes Ōyō (Jiyū ippon kumite)

Kakushi waza - die versteckte Technik

Das komplexe ōyō wird ebenfalls auf der Grundlage des jiyū ippon kumite geübt, integriert aber die Lehre eines sensei über die im Hintergrund (ura) versteckten Anwendungen (kakushi) der Techniken (waza) einer kata. Darüber kann in einem Buch nur wenig gesagt werden, denn diese Anwendungen waren zu allen Zeiten geheim. Sie werden in einer persönlichen Lehre (okuden - hintergründige Lehre) vom Lehrer (sensei) auf den Schüler (deshi) übertragen und hängen ausschließlich davon ab, wie weit der Lehrer in den Hintergründen ausgebildet ist.

Ōyō als kai - Verständnis (Zusammenfügen der Teile zum Ganzen)

Im kombinierten (zusammengefügten) kai des Prinzips bunkai ist es ist es sehr wichtig zu verstehen, dass kai das Folgeresultat eines jahrelangen Studiums des bun ist und nicht spontan oder willkürlich improvisiert werden darf. Im modernen karate wird diese Methode allgemein als bunkai bezeichnet, doch wie bereits dargestellt wurde, ist sie nur ein kleiner Aspekt des im bunkai enthaltenen ōyō. Als Übung hat sie nur einen geringen Wert und ist lediglich eine zu Demonstrationszwecken (hyōen kata) verwendete Möglichkeit, NACHDEM die drei Methoden des bun ausreichend studiert und verstanden wurden. Leider wird diese Methode im Sportkarate häufig dazu missbraucht, eine auf wettkampfspezifische Techniken aufgebaute Kata-Anwendung zu demonstrieren, die mit bunkai oder ōyō nicht das geringste zu tun hat.

Ōyō (Anwendung) im Bereich des kai (Zusammenfügen) gibt es als zwei grundlegende Versionen:

1. Ippon kumite

Man kann auch die Richtungen weglassen und die zusammengestellte Anwendung einer kata gegen nur EINEN Angreifer anwenden. Diese Methode ist im Training effektiver und wird im Budo Studien Kreis (BSK) als kumite kata, goshin kumite, kumi kata, kakie kata u.a. geübt.

  • Kumite kata - der Begriff bezeichnet ein in feststehende Abläufe geliedertes System der Kata-Anwendungen, hauptsächlich bezogen auf atemi waza, und wird gegen einen einzelnen Angreifer angewendet.
  • Goshin kumite - nach dem oben benannten Prinzip standardisiert diese Übung hauptsächlich die Methoden der Selbstverteidigung in den kata. Die Methode umfasst ein komplettes ōyō (Anwendung der kata), wird aber nur gegen einen Angreifer angewendet.
  • Kakie kumite - die Methode der „klebenden Hände“ ist eine in sich geschlossene Wissenschaft und entwickelt über die kakie kata (Grundverständnis der Formen) und renzoku waza (Anwendung der Formen) die Prinzipien des Nahkampfes im karate. Dieses sehr umfangreiche und studienintensive Kapitel des karate sollte dringend von der Lehre eines sensei begleitet werden.
  • Kumi kata - kumi heißt „greifen“ oder „halten“ und lehrt Befreiungstechniken gegen alle möglichen Haltegriffe. Im BSK werden diese Techniken systematisch gegliedert und mittels einer diesbezüglichen kumite kata gelehrt.

2. Hōmen kumite

Nachdem ein Übender alle Einzelteile (bun) mit einem Partner ausreichend geübt und verstanden hat, kann er sie zu einem geschlossenen System zusammenfügen, in dem er die komplexen Verfahren der kata gegen MEHRERE aus verschiedenen Richtungen (hōmen) angreifende Übungspartner auf dem enbusen anwendet. Diese Methode entspricht dem Gesamtverlauf der kata, d.h. man wendet die Einzeltechniken der kata der Reihe nach gegen mehrere Angreifer an, die von vorn, hinten, links, rechts oder diagonal angreifen. Die bezeichneten Richtungen entsprechen dem enbusen (Bodenlinien der kata) und werden stilistisch als Karategramm dargestellt.

Folgende Möglichkeiten gibt es:

  • Happō kumite - acht Richtungen
Die Chinesen bezeichneten China als das „Land der Mitte“ und verstanden sich selbst immer als Mittelpunkt, von dem ausgehend sie in der Welt acht Richtungen feststellten. Dieses Prinzip wurde auch auf die kata übertragen, deren standardisiertes enbusen (Bodenlinien) die acht Richtungen repräsentiert. Dieses Thema wird ausführlich im nächsten Kapitel erläutert.
Die Übung der Kata-Techniken gegen acht aus verschiedenen Richtungen angreifende Gegner nennt man happō kumite (Partnerübung in acht Richtungen). Das ōyō (Anwendung) einer kata kann ebenfalls als happō kumite ausgeführt werden, entspricht aber zumeist nur Vorführzwecken.
  • Shihō kumite - vier Richtungen
Shihō kumite ist eine Ableitung und Vereinfachung des happō kumite und entspricht demselben Sinn. Auch hier wird die Technik - in diesem Fall - gegen Angreifer aus vier Richtungen (als yakusoku kihon kumite oder als yakusoku jiyū ippon kumite) angewendet.
Wird diese Methode von einem sensei zielgerichtet gelehrt, kann sie das räumliche Anpassungsverhalten eines Übenden verbessern.
Auch das ōyō (Anwendung) einer kata kann auf diese Weise ausgeführt werden. Doch ebenso wie im happō kumite gerät diese Übung - wenn kein sensei sie begleitet - leicht außer Kontrolle. Denn auch diese Übung ist an Inhalte gebunden, die nicht willkürlich ersetzt werden dürfen.
  • Ōyō auf dem Enbusen
Als enbusen bezeichnet man die für eine bestimmte kata spezifischen Bodenlinien. Das enbusen ist jedoch nichts anderes als ein auf den Verlauf einer kata abgestimmtes karategramm.
Wie im happō kumite und shihō kumite gibt es auch im enbusen einen Mittel- oder Ausgangspunkt (kiten), von dem ausgehend jede Aktion startet. Die Anwendung (ōyō) einer kata erfolgt nach diesem Schema.

Studien Informationen

Siehe auch: Karate | Kata | Karate-Kata | Kata Bunkai | Studium der Karate-Kata |

Literatur

  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste, BSK-Studien 2010.
  • Werner Lind: Budo - der geistige Weg der Kampfkünste, Scherz 1991.
  • Werner Lind: Okinawa Karate, Sportverlag Berlin 1998.
  • Werner Lind: Karate Grundlagen, BSK 2005.
  • Werner Lind: Karate Kihon, BSK 2007.
  • Werner Lind: Karate Kumite, BSK 2010.
  • Werner Lind: Karate Kata, BSK 2011.
  • Shoshin Nagamine: The Essence of Okinawan Karate, Tuttle 1976.
  • Richard Kim: The Weaponless Warriors, Ohara 1974.
  • Morio Higaonna: Okinawa Goju ryū, Minamoto Research, 1985.
  • Mark Bishop: Okinawan Karate, A&B Black 1989.
  • Pierre Portocarrero: Tode les origines du Karate do, Sedirep.
  • George W. Alexander: Okinawa Island of Karate, Yamazato 1991.
  • Kenji Tokitsu: Histoire du Karate do, SEM 1979.
  • Hokama Tetsuhiro: Timeline of Karate history, 2007.

Weblinks