Konfuzianismus

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Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste, Karate Kumite<br.>Nachbearbeitet von: Benutzer:Stephanie Kaiser

Konfuzianismus bezeichnet eine ethische, weltanschauliche, moralische und gleichzeitig staatspolitische Dialektik Chinas, die auf die Lehren (jap. jukyō und jugaku) des Konfuzius (rūjia) zurückzuführen ist. In seinen Absplitterungen entstanden auch mystische Strömungen, die Geister und Dämonen verehren, Ahnenkult betreiben und den „Herrscher in der Höhe“ (shangdi) anbeten.

Der Begriff Konfuzianismus ist die westliche Bezeichnung für die Lehre des Konfuzius (kǒngjiào 孔教 oder kǒngjiā 孔家) und bezieht sich sowohl auf die philosophische Lehre, wie auch auf den später entstandenen religiösen Kult. Wie unter den Begriffen jiào 教 und jiā 家 erläutert, bildet er Analogien zur Lehre des Buddha (fójiào / fójiā) und zur daoistischen Lehre (dàojiào / dàojiā). Eine weitere Bezeichnung für den Konfuzianismus lautet rújiā 儒家. Die Schriftzeichen bezeichnen den „Sanftmütigen“ (), der in einer Schule (jiā) gelernt hat, sich mit dem Verstand statt mit Gewalt durchzusetzen.

Konfuzius ist die lateinische Form der chinesischen Anrede (Kǒng Fūzǐ), die in Europa üblich wurde, nachdem vier Jesuitenmissionare, mit ihrem Werk „Confucius Sinarum Philosophus“, vor 300 Jahren den chinesischen Philosophen in Europa bekannt gemacht hatten.

Ethik-, Staats- und Soziallehre

Konfuzius (kǒngjiào 孔教), der Gründer des Konfuzianismus lebte im 5. Jh. v. Chr. und war der Initiator einer ethischen Staats- und Gesellschaftslehre, die noch heute große Beachtung findet. Das zentrale Thema seiner Lehre war die Ordnung einer Gesellschaft, die auf fünf grundlegenden menschlichen Beziehungen (wǔlún - 五伦) beruht:

  1. zwischen Vater und Sohn (drzdj ?, 父子有亲)
  2. zwischen Ehemann und Ehefrau (drzdj ?, 夫妇有别)
  3. zwischen älterem und jüngerem Bruder (drzdj ?, 长幼有序)
  4. zwischen Freunden untereinander (drzdj ?, 朋友有信)
  5. zwischen Herrscher und Untertan (drzdj ?, 君臣有义).

Davon hob er die „drei grundlegenden Beziehungen“ (sandang ?) besonders hervor:

  1. Untertanentreue zwischen Herrscher und Untertan (zhōng - 忠)
  2. kindliche Pietät - Verehrung der Eltern und Ahnen (xiào - 孝)
  3. zwischen Ehemann und Ehefrau; Wahrung der Sitten und Riten (lǐ - 礼)

Es handelt sich dabei völlig undemokratisch um hierarchische Über- und Unterordnungsverhältnisse in der Familie und in der Gesellschaft, deren Gleichgewicht in der Achtung vor anderen Menschen und in der Ahnenverehrung besteht. Konfuzius sagt: „Wenn die Familien in Harmonie sind, ist es auch das Dorf; wenn die Dörfer in Harmonie sind, ist es auch die Provinz; wenn die Provinzen in Harmonie sind, ist es auch das Reich; wenn das Reich in Harmonie ist, ist es auch der Kosmos“.

Zur Verwirklichung der Ordnung sind laut Konfuzius auch die Ausbildung der Fünf Tugenden (wǔcháng - 五常) notwendig:

  1. Menschlichkeit und Menschenliebe (rén - 仁)
  2. Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit ( - 義)
  3. Etikette, Sitten und Riten ( - 礼)
  4. Weisheit und Bildung (zhi - 智)
  5. Aufrichtigkeit (xìn - 信).

Mit diesen Moralvorschriften beabsichtigte er, aus dem „ungebildeten“ oder „gemeinen Menschen“ (xiǎorén 小人), den „edlen Menschen“ (jūnzĭ - 君子) zu etablieren, den allein er für gesellschaftstauglich und sozialfähig hielt.

Die Verwirklichung des jūnzĭ sah Konfuzius vornehmlich in der Bildung, daher räumte er dem Lernen eine hohe Priorität ein. Laut dem lùnyǔ muss der jūnzĭ seine eigene Tradition durch Lernen verstehen und die „fünf Tugenden“ verwirklichen, ehe er ein sozialfähiges Wesen wird. Gleichzeitig aber betonte der Meister, dass jedes intellektuelle Wissen auch der Umsetzung ins Denken bedarf, was nur durch die moralische Selbstkultivierung der „fünf Tugenden“ erreicht werden kann.

In diesem Zusammenhang definierte er auch den Begriff Freiheit und war davon überzeugt, dass Freiheit nur in einer harmonischen Ordnung des Selbst und der Gesellschaft erreicht werden kann. So wie die Regeln eines Spiels die Freiheit des Spielens gewährleisten, ermöglicht eine wohlgeordnete Gesellschaft die Strukturen, in denen freies Leben entstehen kann.

Die regelgestaltete Ordnung ist also kein Hindernis zur Freiheit, sondern ihr Garant. Der Edle versteht, dass der Preis jeder Freiheit das Annehmen von Pflichten ist. So wird der jūnzĭ also beide Pole im Gleichgewicht halten.

Konfuzius Vision zu einer geordneten Gesellschaft durch Bildung und Kultur wird auch in der Moderne propagiert, ist aber im materialistischen Kapitalismus nicht umsetzbar. Selbstsucht und Habgier stehen diesem Ziel im Weg. Konfuzius verlangte eine volksdienliche Mentalität der Herrschenden und zugleich die moralische Verpflichtung der Bürger zur Ordnung. Nur wenn beide ihre Pflichten erfüllen kann eine Gesellschaft funktionieren.

Nach seiner Lehre ist der Antrieb zu jeder gesellschaftlichen Harmonie die eigene Kultur. Sie erzieht zur Rechtschaffenheit der Bürger und zum sozialen Frieden in der Gesellschaft. Wird sie zu Gunsten selbstsüchtiger Triebe verlassen, entsteht Unfrieden. Die Haltung zur Moral ist eine ethische Verpflichting, sowohl für die Herrscher als auch für die Untertanen, denn kein gesellschaftliches Gesetz funktioniert ohne persönliche Moral.

Entstehung, Überlieferung und Verbereitung des Konfuzianismus

Konfuzius [1] wurde 551 v.Chr. in der Grafschaft Lu im Südwesten von Shāndōng als zweiter Sohn von Shu Liang He, einem niederadeligen Hofschreiber geboren. Konfuzius ist die lateinische Form der chinesischen Anrede, die in Europa üblich wurde, seit vier Jesuitenmissionare [2] mit ihrem Werk Confucius Sinarum Philosophus vor 300 Jahren den chinesischen Philosophen in Europa bekannt machten.

Der Familientradition folgend schlug der junge Konfuzius ebenfalls eine Beamtenlaufbahn ein, doch er zerwarf sich mit dem Herrscher von Lu und verlor seine Stellung. Daraufhin wanderte er 13 Jahre lang als Wanderprediger durch viele mittlere Ländereien Chinas. Nachdem er seine Ideen mehreren Herrschern erfolglos vorgetragen hatte, legte er seinen Schwerpunkt auf die Ausbildung seiner 72 Jünger, die er in den sechs konfuzianischen Künsten (Riten, Musik, Bogenschießen, Wagenlenken, Schreiben und Rechnen) unterrichtete.

Im Jahr 484 v. Chr. wurde er in seine Heimat (Lu) zurückberufen und erneut in staatspolitischen Ämtern eingesetzt. Doch in den Unruhen der „streitenden Reiche“ [3] verlor er 482 seinen Sohn und viele seiner Schüler. Kurz darauf (479) starb er selbst.

Seine Lehre wurde im Wesentlichen von seinen nachfolgenden Schülern überliefert. Er selbst hat vermutlich keine Schriften hinterlassen. Manche Forscher sind heute der umstrittenen Meinung, dass ihm das chūnqīu [4] (Frühlings- und Herbst-Annalen) zugeschrieben werden kann. Durch die Initiative seiner Schüler entstanden nach seinem Tod zunächst fünf Skripten, die als die „Fünf Klassiker“ (wǔjīng - 五經) des Konfuzianismus bekannt wurden:

  • Yìjīng 易經 oder I Ging - „Buch der Wandlungen“, chinesisches Weisheits- und Orakelbuch.
  • Shījīng 詩經 - „Buch der Lieder“, Sammlung von Volksliedern.
  • Shūjīng 書經 / 书经 oder Shàngshū 尚書 - „Buch der Urkunden“, Sammlung von kommentierten Gesetzestexten und Erlassen.
  • Lǐjì 禮記 / 礼记 oder Lijing 禮經 - „Buch der Riten“, Etikette, Sitten, Bräuche, soziales Verhalten und Umgangsformen am Hof, mit den Ahnen, dem König und der Familie.
  • Chūnqīu 春秋 - „Frühlings- und Herbstannalen“, eine (unbestätigt) von Konfuzius selbst verfasste Chronik der Ereignisse seines Heimatstaates Lu vom 8. bis zum 5. Jh. v. Chr.).

Mit diesen Skripten wurde eine entscheidende Wende in der Kultur Chinas eingeleitet. Die Schrift wurde zum Instrument des Geistes und diente zur Übertragung von Erkenntnissen, die bisher nur empirisch über die Tradition des Priestertums vermittelt wurden. Jeder, der der Schrift mächtig war, konnte nun sein Wissen erweitern.

In den folgenden Jahrhunderten gab es mehrere Klassifizierungen der konfuzianischen Literatur, allesammt angeblich aus seinem Nachlass stammend und von seinen Schülern verfasst oder kommentiert. Bereits in der Han-Dynastie (206 v.Chr. - 220 n.Chr.) wurden die „Fünf Klassiker“ auf „Neun Klassiker“ (jiujing - 九經) erweitert, in der Tang-Dynastie (618-906) entstanden dreizehn Klassiker (shisanjing - 十三經).

Die wohl bedeutendsten Texte aus Konfuzius Lehre wurden erst nach seinem Tod von seinem Schüler Zhèng Xuán (127-200 n.Chr.) zusammengestellt und im „Buch der Gespräche“ (lúnyǔ [5]), verfasst. Weil erst später veröffentlicht, taucht dieses Werk noch nicht in den „Fünf Klassikern“ auf, erhält aber in den „Neun Klassikern“ eine zentrale Bedeutung. Auch in diesem Buch wiederholen sich die konfuzianischen Tugenden der Humanität (rén - 仁), Rechtschaffenheit ( - 義), Kindespietät (xiào - 孝) und Riten ( - 禮). Das lúnyǔ besteht aus 20 Kapiteln, deren Abschnitte jeweils mit „Konfuzius sagt...“ beginnen.

Das philosophische Konzept des Konfuzius (rújiā - 儒家) basiert auf den überlieferten Riten seines Volkes und bezeichnet eine dem chinesischen Volkswesen angepasste Staats- und Ordnungsschule. Bereits in der Han-Dynastie wurde er zum Gott erhoben, seine Lehren waren von weitreichendem Einfluss und galten ab dem 13. Jh. als offizielle Staatsideologie. Seine Schriften wurden zur Grundlage der chinesischen Beamtenprüfung.

Konfuzius Bedeutung für die Kampfkünste

Weder Konfuzius noch seine Schüler hatten zu den Kampfkünsten je eine Verbindung. Doch früh wurde klar, dass die Übung von Kampftechniken ohne die Kultivierung des Geistes zur Verrohung der menschlichen Natur führt. Um diesem Umstand vorzubeugen integrierten die Shǎolín-Mönche bereits seit Bodhidharma (6. Jh.) ethische Elemente aus dem Konfuzianismus in ihre Ausbildung.

Ohne diese Ethik-Lehre wären die Kampfkünste heute kaum denkbar. Sie enthalten entscheidende Elemete aus dem chinesischen Konfuzianismus, die nachfolgend dargestellt werden:

  • Wǔdé (武德) - der Begriff „Kampfkunsttugend“ meint die Regeln für die Schüler der Kampfkünste, aufbauend auf Disziplin, Selbstbeherrschung, Bescheidenheit und Achtung vor dem Leben. Sie wurden als Verhaltensgesetze gelehrt und gleichzeitig als Mittel zur Kontemplation verwendet. Ihr Ursprung ist wahrscheinlich Bodhidharma zuzuschreiben.

Die ersten wǔdé wurden im Shǎolín-Kloster von Jué Yuǎn aufgestellt:

  1. Wer den Weg des quánfǎ geht, muss mit Eifer und Ausdauer an sich arbeiten und darf keine Ablenkungen durch andere Dinge zulassen.
  2. Die Anwendung des quánfǎ dient nur der Selbstverteidigung.
  3. Der Schüler muss sich dem Lehrer gegenüber ehrerbietig und bescheiden erweisen und ihm steht Hochachtung entgegenbringen.
  4. Der Schüler muss seinen Kameraden gegenüber höflich, ehrlich und wohlwollend sein.
  5. Übenden des quánfǎ ist es verboten, ihre Kunst in der Öffentlichkeit zu demonstrieren.
  6. Quánfǎ-Schüler beginnen nie eine Schlägerei.
  7. Quánfǎ-Schüler trinken keinen Wein und essen kein Fleisch.
  8. Quánfǎ-Schüler enthalten sich vom Geschlechtsverkehr.
  9. Das quánfǎ darf nur an Menschen weitergegeben werden, die reinen Herzens sind und aufrichtige Dankbarkeit gegenüber ihrem Lehrer zeigen.
  10. Wer das quánfǎ studiert, muss Bosheit, Gier, Neid und Prahlerei überwinden.

Später beeinflussten sie die Entstehung der japanischen dōjōkun [6].

Studien-Informationen

Siehe auch: Chinesischer Konfuzianismus | Japanischer Konfuzianismus | Koreanischer Konfuzianismus

Anmerkungen

[1] Konfuzius (Kǒng Fūzǐ) 孔夫子 - chinesischer Philosoph (551 - 479) der östlichen Zhou-Dynastie (周朝 zhōu cháo), in der Stadt Qūfù (曲阜市, im Staat Lu, heutige Provinz Shāndōng) unter dem Namen Kǒng Qiu 孔丘 geboren, wo er auch starb.

[2] Vier Jesuitenmissionare - die vier Jesuitenmissionare sind:

[3] Zhànguó shídài (戰國時代) - Begriff für einen chinesischen Geschichtsabschnitt, der als „Zeit der streitenden Reiche“ (475 - 221 v.Chr) bezeichnet wird. In dieser Periode

[4] Chūnqīu 春秋 - „Frühlings- und Herbstannalen“, eines der Fünf Klassiker Chinas (五經 / 五经 - wǔjīng), Pflichtlektüre zur Beamtenprüfung. Das Werk wird Konfuzius zugeschrieben und enthält eine Chronik des Staates Lu in telegrammartigem Stil.

[5] Lúnyǔ 論語 / 论语 - Analekte des Konfuzius (Buch der Gespräche), verfasst von Zheng Xuan (127-200), aus vorausgegangenen Zitaten des Konfuzius im Gespräch mit seinen Schülern. Die Inhalte seiner Texte stammen aus frühen Dokumentierungen aus dem Staat Lu, danach aus des Staat Qi und schließlich aus einem 150 v. Chr. entdeckten Manuskript in seinem Wohnhaus, das in einem alten Stil geschrieben war, den heute kaum noch jemand lesen kann.

[6] Dōjōkun 道場訓 - Dōjō-Regeln, praktische Anleitungen zur Übung der rechten Haltung (shisei) in allen karateähnlichen Künsten. Die dōjōkun schafft die Verbindung zwischen der Philosophie des Weges () und der formalen Technik (shosa) und gewährleistet, dass die Erkenntnisse über den Weg nicht im Intellekt verhaftet bleiben, sondern in der Haltung Inhalt gewinnen. Die dōjōkun ist der vom Budō-Geist geforderte Auftrag, den Weg nicht nur zu verstehen, sondern zu leben und das persönliche Verhalten an seiner übergeordneten Wirklichkeit zu messen. Sie ist das Zentrum der geistigen Wegübungen, und überall dort, wo sie fehlt, wird budō zur Form.

Literatur