Moderne Karate-Kata: Unterschied zwischen den Versionen

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Die ''[[Moderne Karate-Kata|modernen karate kata]]'' der Wettkampfstile sind formal häufig den alten ''[[Kata (Form)|kata]]'' ähnlich, geraten aber durch ihre oberflächliche, auf Äußerlichkeiten abzielende Interpretation zu inhaltslosen Formen, da sie sporttechnisch perfektioniert werden, um Wettkämpfe zu gewinnen. Im sogenannten Breitensport ist die Situation nicht anders, denn die ''kata'' im Breitensport ist auch eine Wettkampfkata, bei der die Bewertungsmaßstäbe (in Bezug auf die Schnelligkeit der Technik, Krafteinsatz usw.) entsprechend nach unten korrigiert werden. Die Wettkämpfer bedürfen nicht der Lehrer, sondern der Trainer, und die Übung der Breitensportler wird häufig ebenfalls von Trainern geleitet, die ihre Schüler nicht auf den Weg (''[[ Dō (Weg)|dō]]'', 道) des ''[[budō]]'' führen können.
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Die ''[[Moderne Karate-Kata|modernen karate kata]]'' der Wettkampfstile sind formal häufig den alten ''[[Kata (Form)|kata]]'' ähnlich, geraten aber durch ihre oberflächliche, auf Äußerlichkeiten abzielende Interpretation zu inhaltslosen Formen, da sie sporttechnisch perfektioniert werden, um Wettkämpfe zu gewinnen. Im sogenannten Breitensport ist die Situation nicht anders, denn die ''kata'' im Breitensport ist auch eine Wettkampfkata, bei der die Bewertungsmaßstäbe (in Bezug auf die Schnelligkeit der Technik, Krafteinsatz usw.) entsprechend nach unten korrigiert werden. Die Wettkämpfer bedürfen nicht der Lehrer, sondern der Trainer, und die Übung der Breitensportler wird häufig ebenfalls von Trainern geleitet, die ihre Schüler nicht auf den Weg (''[[Dō (Weg)|dō]]'', 道) des ''[[budō]]'' (武道) führen können.
  
 
== Wettkampf-Kata (Kyōgi kata) ==
 
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== Neue Kata (Shin kata) ==
 
== Neue Kata (Shin kata) ==
Mit ''[[shin kata]]'' bezeichnet man moderne, selbstgegründete Formen für den Wettkampf, die zwar optisch anschaulich und virtuos sind, aber mit ''karate'' und ''kata'' nicht das Mindeste zu tun haben. Sie enthalten technische Eigenkreationen ihres Gründers, die sich an den sportlichen Maßstäben der Bodengymnastik orientieren.<br.>Die unglückliche Herabsetzung der ''kata'' zu einer eindimensionalen Körpergymnastik ging mit der weltweiten Verbreitung des ''karate'' einher. In China und Okinawa gab es in allen Stilen immer eine straffe  Führung durch den jeweiligen Meister, der die Stilblüten seiner Schüler unterband, wenn sie sich nicht um die Inhalte bemühten. Als ''karate'' aber nach Japan kam und von dort aus in die ganze Welt verbreitet wurde, hatte es keine Eltern und somit keine Wurzeln mehr. Waisenkinder begannen seine Inhalte zu interpretieren und brachten ihre persönlichen, unausgereiften Ansichten mit ein.<br.>Ich selbst kann mich an diese Zeit noch sehr gut erinnern. Anfang der 60er Jahre lernten wir von den japanischen Instruktoren die einzelnen Techniken und Formen der ''kata'' und übten sie mit Begeisterung. Der Spaß am freien Entwickeln und Verwirklichen von spontanen Einfällen, mittels denen man einen Gegner spektakulär besiegen konnte, stand im Vordergrund jeder Übung. Niemand kümmerte sich um Inhalte, denn damals wusste niemand, dass es solche gab. Auch ahnte keiner, dass unsere japanischen Lehrer davon auch nichts wussten.<br.>In dieser Zeit wurden die Inhalte des ''karate'' verwässert, und es entstand weltweit eine oberflächliche Kampfkunstkultur. "Karate bildet den Charakter", "Karate entwickelt die Persönlichkeit" und manch anderer Werbeslogan wird auch heute noch von vielen sportlichen Organisationen gebraucht, doch ihnen fehlen die Lehrer, die den Sinn dieser Sätze als Weglehre (''dō'') von der Theorie in die Praxis übertragen können. Auch im Unterricht der japanischen Instruktoren gab es schon immer eine gute sportliche Ausbildung, aber nur wenig Tiefe. Daher waren und sind Fehlentwicklungen die unausweichliche Folge.<br.>Wird ein Übender von seinem ''sensei'' statt zu den klasischen Inhalten zum Sport hingeführt, wird er die ''kata'' nicht als Wert erkennen können. Er sieht darin lediglich eine Abfolge von gymnastischen Bewegungen, die er nach den sportichen Regeln übt - unabhängig davon, ob er damit auf Wettkämpfe geht oder nicht. Doch es gibt zunehmend mehr hinterfragende Schüler, die wissen wollen, was ''kata'' und ''karate'' wirklich ist. Sie geben sich mit oberflächlichen Erklärungen nicht zufrieden und suchen nach Lehrern, die in der Lage sind, ''karate'' als Wegkunst zu unterrichten.
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Mit ''[[shin kata]]'' bezeichnet man moderne, selbstgegründete Formen für den Wettkampf, die zwar optisch anschaulich und virtuos sind, aber mit ''[[karate]]'' und ''kata'' nicht das Mindeste zu tun haben. Sie enthalten technische Eigenkreationen ihres Gründers, die sich an den sportlichen Maßstäben der Bodengymnastik orientieren.<br.>Die unglückliche Herabsetzung der ''kata'' zu einer eindimensionalen Körpergymnastik ging mit der weltweiten Verbreitung des ''karate'' einher. In [[China]] und [[Okinawa]] gab es in allen Stilen immer eine straffe  Führung durch den jeweiligen Meister, der die Stilblüten seiner Schüler unterband, wenn sie sich nicht um die Inhalte bemühten. Als ''karate'' aber nach Japan kam und von dort aus in die ganze Welt verbreitet wurde, hatte es keine Eltern und somit keine Wurzeln mehr. Waisenkinder begannen seine Inhalte zu interpretieren und brachten ihre persönlichen, unausgereiften Ansichten mit ein.<br.>Ich selbst kann mich an diese Zeit noch sehr gut erinnern. Anfang der 60er Jahre lernten wir von den japanischen Instruktoren die einzelnen Techniken und Formen der ''kata'' und übten sie mit Begeisterung. Der Spaß am freien Entwickeln und Verwirklichen von spontanen Einfällen, mittels denen man einen Gegner spektakulär besiegen konnte, stand im Vordergrund jeder Übung. Niemand kümmerte sich um Inhalte, denn damals wusste niemand, dass es solche gab. Auch ahnte keiner, dass unsere japanischen Lehrer davon auch nichts wussten.<br.>In dieser Zeit wurden die Inhalte des ''karate'' verwässert, und es entstand weltweit eine oberflächliche Kampfkunstkultur. „Karate bildet den Charakter“, „Karate entwickelt die Persönlichkeit“ und manch anderer Werbeslogan wird auch heute noch von vielen sportlichen Organisationen gebraucht, doch ihnen fehlen die Lehrer, die den Sinn dieser Sätze als Weglehre (''[[Dō (Weg)|]]'') von der Theorie in die Praxis übertragen können. Auch im Unterricht der japanischen Instruktoren gab es schon immer eine gute sportliche Ausbildung, aber nur wenig Tiefe. Daher waren und sind Fehlentwicklungen die unausweichliche Folge.<br.>Wird ein Übender von seinem ''[[sensei]]'' statt zu den klasischen Inhalten zum Sport hingeführt, wird er die ''kata'' nicht als Wert erkennen können. Er sieht darin lediglich eine Abfolge von gymnastischen Bewegungen, die er nach den sportichen Regeln übt - unabhängig davon, ob er damit auf Wettkämpfe geht oder nicht. Doch es gibt zunehmend mehr hinterfragende Schüler, die wissen wollen, was ''kata'' und ''karate'' wirklich ist. Sie geben sich mit oberflächlichen Erklärungen nicht zufrieden und suchen nach Lehrern, die in der Lage sind, ''karate'' als Wegkunst zu unterrichten.
  
 
== Studien Informationen ==
 
== Studien Informationen ==

Aktuelle Version vom 9. März 2012, 18:08 Uhr

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Die modernen karate kata der Wettkampfstile sind formal häufig den alten kata ähnlich, geraten aber durch ihre oberflächliche, auf Äußerlichkeiten abzielende Interpretation zu inhaltslosen Formen, da sie sporttechnisch perfektioniert werden, um Wettkämpfe zu gewinnen. Im sogenannten Breitensport ist die Situation nicht anders, denn die kata im Breitensport ist auch eine Wettkampfkata, bei der die Bewertungsmaßstäbe (in Bezug auf die Schnelligkeit der Technik, Krafteinsatz usw.) entsprechend nach unten korrigiert werden. Die Wettkämpfer bedürfen nicht der Lehrer, sondern der Trainer, und die Übung der Breitensportler wird häufig ebenfalls von Trainern geleitet, die ihre Schüler nicht auf den Weg (, 道) des budō (武道) führen können.

Wettkampf-Kata (Kyōgi kata)

Der Begriff kyōgi kata bezeichnet eine kata, die für einen Wettkampf vorbereitet und aus Anlass eines solchen vorgeführt wird. Auch dann, wenn diese kata in Technik und Abfolge einer klassischen kata (koryū kata) entspricht, ist sie dennoch nicht dieselbe. Die Grundlagen ihrer Bewegung erfolgen nach dem Prinzip westlicher Sportwissenschaften und nicht nach dem klassischen Ganzheitsprinzip (shingitai) des budō von Körper und Geist.

Neue Kata (Shin kata)

Mit shin kata bezeichnet man moderne, selbstgegründete Formen für den Wettkampf, die zwar optisch anschaulich und virtuos sind, aber mit karate und kata nicht das Mindeste zu tun haben. Sie enthalten technische Eigenkreationen ihres Gründers, die sich an den sportlichen Maßstäben der Bodengymnastik orientieren.<br.>Die unglückliche Herabsetzung der kata zu einer eindimensionalen Körpergymnastik ging mit der weltweiten Verbreitung des karate einher. In China und Okinawa gab es in allen Stilen immer eine straffe Führung durch den jeweiligen Meister, der die Stilblüten seiner Schüler unterband, wenn sie sich nicht um die Inhalte bemühten. Als karate aber nach Japan kam und von dort aus in die ganze Welt verbreitet wurde, hatte es keine Eltern und somit keine Wurzeln mehr. Waisenkinder begannen seine Inhalte zu interpretieren und brachten ihre persönlichen, unausgereiften Ansichten mit ein.<br.>Ich selbst kann mich an diese Zeit noch sehr gut erinnern. Anfang der 60er Jahre lernten wir von den japanischen Instruktoren die einzelnen Techniken und Formen der kata und übten sie mit Begeisterung. Der Spaß am freien Entwickeln und Verwirklichen von spontanen Einfällen, mittels denen man einen Gegner spektakulär besiegen konnte, stand im Vordergrund jeder Übung. Niemand kümmerte sich um Inhalte, denn damals wusste niemand, dass es solche gab. Auch ahnte keiner, dass unsere japanischen Lehrer davon auch nichts wussten.<br.>In dieser Zeit wurden die Inhalte des karate verwässert, und es entstand weltweit eine oberflächliche Kampfkunstkultur. „Karate bildet den Charakter“, „Karate entwickelt die Persönlichkeit“ und manch anderer Werbeslogan wird auch heute noch von vielen sportlichen Organisationen gebraucht, doch ihnen fehlen die Lehrer, die den Sinn dieser Sätze als Weglehre () von der Theorie in die Praxis übertragen können. Auch im Unterricht der japanischen Instruktoren gab es schon immer eine gute sportliche Ausbildung, aber nur wenig Tiefe. Daher waren und sind Fehlentwicklungen die unausweichliche Folge.<br.>Wird ein Übender von seinem sensei statt zu den klasischen Inhalten zum Sport hingeführt, wird er die kata nicht als Wert erkennen können. Er sieht darin lediglich eine Abfolge von gymnastischen Bewegungen, die er nach den sportichen Regeln übt - unabhängig davon, ob er damit auf Wettkämpfe geht oder nicht. Doch es gibt zunehmend mehr hinterfragende Schüler, die wissen wollen, was kata und karate wirklich ist. Sie geben sich mit oberflächlichen Erklärungen nicht zufrieden und suchen nach Lehrern, die in der Lage sind, karate als Wegkunst zu unterrichten.

Studien Informationen

Siehe auch: Karate-Kata | Methoden der Karate-Kata | Geschichte der Karate-Kata | Studium der Karate-Kata | Bedeutung der Karate-Kata | Prinzipien der Karate-Kata | Philosophie der Karate-Kata | Kata-Liste (Karate) |

Literatur

  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste., BSK-Studien 2010.
  • Werner Lind: Budo - der geistige Weg der Kampfkünste. Scherz 1991.
  • Werner Lind: Karate Grundlagen. BSK 2005.
  • Werner Lind: Karate Kihon. BSK 2007.
  • Werner Lind: Karate Kumite. BSK 2010.
  • Werner Lind: Karate Kata. BSK 2011.
  • Shoshin Nagamine: The Essence of Okinawan Karate. Tuttle 1976.
  • Richard Kim: The Weaponless Warriors. Ohara 1974.
  • Morio Higaonna: Okinawa Goju ryū. Minamoto Research, 1985.
  • Mark Bishop: Okinawan Karate. A & B Black 1989.
  • Pierre Portocarrero: Tode les origines du Karate do. Sedirep.
  • Kenji Tokitsu: Histoire du Karate do. SEM 1979.
  • Hokama Tetsuhiro: Timeline of Karate history. 2007.

Weblinks