Sabaki

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Artikel von: Werner Lind

Der Begriff sabaki (jap.: 裁 / 捌) ist die Bezeichnung für eine spezifische Bewegungslehre in den Kampfkünsten (budō). Die Bewegungslehre eines östlichen Stilkonzeptes entsteht nicht spontan oder von selbst, sondern unterliegt einer genau orientierten Lehre. Die Fähigkeit, sich entspannt und ohne Übertreibung zu bewegen, Energie nur dort zu verbrauchen, wo sie nötig ist und jede überflüssige Bewegung sowie geistige und körperliche Verspannungen zu vermeiden, unterscheidet den Meister vom Schüler.

Allgemeine Bewegungslehre

Das Prinzip der Budō-Bewegung (sabaki) unterscheidet sich wesentlich vom westlichen Bewegungskonzept des Sporttreibens (undō). Der Begriff sabaki meint eine besondere Form der Bewegung, die sich in Anpassung an Zeit und Raum (ma), in Harmonie (ai) zum Ganzen(maai) vollzieht, während die sportliche Bewegung als undō bezeichnet wird.<br.>Im sabaki des budō geht es immer wieder darum, eine psycho-physische Mitte (hara) aufzubauen, aus der heraus jede Aktivität gesteuert werden kann. Dadurch wird hara zum Zentrum des Gleichgewichtes, zum Zentrum des Bewusstseins und zum Zentrum der Energie (ki). Die „Mitte“ muss immer im rechten Verhältnis zu den jeweiligen Situationen bewegt werden. Für dieses Konzept gibt es in den japanischen Kampfkünsten den Begriff sabaki, (Raum-Zeit-Bewegung) während in der japanischen Alltagssprache der Begriff undō (Bewegung, z.B. sportliche Bewegung) dominiert.<br.>Wir stellen in Folge beide Bewegungskonzepte gegenüber, um ihre unterschiedlichen Auswirkungen auf den Übenden festzustellen. Die Art, auf welcher Weise der Kampfkunstunterricht gestaltet wird, ist der entscheidende Unterschied zwischen budō und Sport. Übende des budō trainieren bis ins hohe Alter, während Übende des Sports mit abnehmender Körperkraft meist im Alter zwischen 30 und 40 Jahren mit dem Taining aufhören. Der Grund dafür liegt in der Ausbildung westlicher Vereinstrainer im sportwissenschaftlichen Bewegungskonzept, wodurch budō falsch unterrichtet wird.

Undō - Bewegungslehre im Sport

Die Effizienz der Sportbewegung basiert vornehmlich auf der Konditionierung des Körpers bzw. der Routinierung und Automatisierung zweckgebundener Bewegungsabläufe (Techniken) nach den Lehren westlicher Sportwissenschaften. Das Wirken - nicht wie im budō das Sein - ist das erklärte Ziel der Übung. Die Korrektur von psycho-physischen Missständen im Menschenbild spielt dabei nur eine unwesentliche Rolle. Während im budō durch einen spannungs-, haltungs- und atmungsbedingten Ausgleich ein psycho-physisches Gleichgewicht der Mitte (hara) geschaffen wird, übt der Karate-Sportler vornehmlich Wirkungstechniken mit einem unverändert hochgezogenen Schwerpunkt, übertriebener Spannung und ohne Atemkontrolle, was in verschiedenen Bereichen seiner Existenz negative Folgen hat. Oft äußert sich dies in exaltierten Techniken ohne geistige und körperliche Mitte, die das Ego aufbauen, anstatt es zu überwinden. Das sportliche Leistungsprinzip lässt Werte wie Gesunderhaltung, Energielenkung, Selbsterkenntnis und Persönlichkeitsentwicklung in den Hintergrund treten oder verzichtet darauf ganz.<br.>Wirkung und Leistung in den sportlichen Systemen erfolgen über die Muskeln und über den Willen, wobei der körperliche Schwerpunkt hoch in die Brust gezogen wird (näher zum Ich!). Sie hängen hier in einem hohen Maß von physischer Kraft und Ausdauer ab. Entspricht der alternde Körper diesen Voraussetzungen nicht mehr, hören die meisten Kampfsportler mit der Übung auf. Im budō aber hat der Mensch gerade erst jetzt die nötigen Voraussetzungen geschaffen, um zur gesamtmenschlichen Reife zu gelangen.<br.>Die Bewegungen eines westlichen Sportlers scheinen zunächst kraftvoll, sie wirken aktiv und aggressiv, und können in kurzer Zeit zur sportlichen Wirkung gebracht werden. Sie bauen auf dem Ich-Prinzip moderner Mentalitäten auf, das durch wissenschaftliche Bewegungsoptimierung gesteigert werden kann, aber mit der abnehmender Leistungsfähigkeit des Körpers wieder versiegt. Auch wenn alternden budōka nahegelgt wird, in derselben Auffassung weiter aber langsamer zu üben, ist das aus der Sicht des budō ein falscher Weg.

Sabaki - Bewegungslehre im Budō

Die Grundlage jeder Budō-Bewegung ist die psycho-physische Einheit zwischen Körper (tai) und Geist (shin), die der Übende verwirklicht, indem er durch die ständige Korrektur seiner Haltung, Spannung und Atmung seinen Schwerpunkt in den hara senkt, wo sich allmählich ein intuitives Kontrollzentrum (Geist-Körper - shintai) heranbildet. Um diesen Prozess zu fördern, bedient er sich in allen Wegkünsten eines Mittels zum Zweck. In den Kampfkünsten ist es eine kämpferische Technik (waza), die u.a. Energie (ki) auf ein Ziel übertragen soll.<br.>Das Prinzip soll die Bewegungskontrolle in den Bereich der Intuition zurückführen und sie vom Einfluss des Bewusstseins befreien. Es lehrt, dass bewusst gesteuerte Bewegungen die Energiereserven von Körper und Geist durch unnötige Aktionen verbrauchen und vermieden werden müssen. Die Bewegung eines erfahrenen budōka ist die Bewegung eines Raubtiers. Auch in Momenten der Gefahr ist sie in jeder Hinsicht präzise und ökonomisch.<br.>Mit sabaki bezeichnet man eine Bewegungsauffassung, in der die Prinzipien Raum-Zeit (ma) und Anpassung (ai) zur höchstmöglichen Wirksamkeit zusammengeführt werden. Etymologisch verweist das Schriftzeichen auf einen Schneider, der die Seide zur Herstellung eines Kleidungsstücks ökonomisch zuschneidet, so dass von dem wertvollen Tuch nichts verschwendet wird. Er gewinnt aus einer Seidenbahn all jene Stoffteile, die zur Herstellung des Kleidungsstückes benötigt werden und vergeudet den Stoff nicht planlos.<br.>Das Prinzip sabaki meint im budō die grundlegende Rumpfbewegung (tai sabaki) und schließt die Techniken (waza) der arbeitsverrichtenden Extremitäten (shishi undō) mit ein. Gleich dem Schneider, wird durch dieses Prinzip die höchstmögliche Ökonomie und Wirkung der Bewegung entwickelt.<br.>Im Prinzip sabaki ist die Rumpfbewegung (tai sabaki) die Basis jeder Bewegungsart. Sie dient der Fortbewegung und der Gleichgewichtserhaltung des Körpers. In ihrem Zentrum steht das Verständnis des Übenden, mit seinem körperlichen Mittelpunkt (hara) situationsgetreu und richtig umzugehen. Erst unter dieser Voraussetzung können Techniken (waza) ausgeführt werden.<br.>Meisterliche Technik entsteht, wenn beide Bewegungsformen zur Ganzkörperbewegung (shitai undō) zusammengeführt werden. Darunter versteht man Bewegungsaktionen, die sich aus Rumpfbewegungen (tai sabaki) und Extremitätenbewegungen (shishi undō) zu einer harmonischen Einheit zusammenfügen.

Einteilung des Sabaki

Grafik aus Karate Kumite

Die Rumpfbewegung (tai sabaki) dient der Überwindung der physischen Schwerkraft und lehrt den Übenden sich optimal und angepasst im Raum zu bewegen. Die Extremitätenbewegung (shishi undō, in den Kampfkünsten waza) dient der Arbeitsverrichtung und ist der Rumpfbewegung untergeordnet. Im budō heißt es „Bewege zuerst den hara, dann folgt die Technik“. Falsche Distanzen und falsches Timing mit einem Übermaß an Kraft in der Technik ausgleichen zu wollen, ist nicht das Prinzip von sabaki. Die Bewegung eines budōka ist angepasst, gelassen und erscheint weich. Er ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort und die Wirkung seiner Techniken ist verblüffend.<br.>Sabaki bedeutet also eine Umorientierung, unseres von evolutionären Entwicklungen überlagerten Bewegungsdenkens, bis hin zu tierischen Ursprüngen. Doch die Wirkung muss frei von Absichten sein (mushin - leerer Geist), denn das „Wollen“ ist ein Ausdruck aus dem Ich und verhindert das Reifen. Daher werden alle Wirkungen dem intuitiven Kontrollzentrum im hara unterstellt, aus dem heraus sie „geschehen“: „Der Apfel fällt vom Baum, wenn er reif ist“. Durch kontemplative Selbstschau und Bemühen um philosphisches Verstehen geht diese Übung weit über das Körperliche hinaus und lehrt im Sein zu wirken. Erst eine solche Übung entwickelt Persönlichkeit, Selbsterkenntnis und schließlich auch Leistung. Ohne das Sein lehrt budō keine Wirkung.<br.>Ohne die Lehre über sabaki gibt es kein Verständnis der Kampfkunst. Techniken, Taktiken und Vitalpunktverfahren funktionieren nur, wenn die Anpassung in Zeit und Raum gewährleistet wird. Diese enthält vor allem (aber nicht nur) die richtige Distanz (maai) und den richtigen Winkel (sumi) zur erfolgreichen Anwendung der Verfahren.<br.>Beide werden durch sabaki hergestellt. Weil Kampfkunst ohne sabaki nicht erlernbar ist, werden in den Kampfkünsten des BSK die Übenden bereits früh mit diesen Bewegungsprinzip vertraut gemacht. Entsprechend ihrem Fortschritt werden in ihren Übungen Bewegungsmodelle eingebaut, die zur Anwendung der gelernten Techniken notwendig sind.<br.>Die Bewegung im Raum (sabaki) und die Ausführung der Technik (waza) sind also immer miteinander verbunden, weswegen sich die Rumpfbewegung und die Extremitätenbewegung nicht definitiv voneinander trennen lassen. Die Techniken der Extremitäten (waza) wurden ausführlich im Buch „Karate Kihon“ beschrieben. Hier gehen wir auf das Prinzip der Rumpfbewegung (tai sabaki) ein.

Philosophie des Sabaki

Nur unter der Voraussetzung eines immer aufrecht gehaltenen Oberkörpers (shisei), des richtigen Verhältnisses zwischen Spannung und Entspannung (kinchō) und der richtigen Atmung (kokyū) kann die Mitte (hara) beherrscht werden. Für erfahrene Lehrer ist dies der entscheidende Kontrollpunkt und die einzige Möglichkeit, ganzkörperliche Technik zu unterrichten. Deshalb korrigieren sie im Training eher Haltung, Spannung und Atmung als die Technik selbst.<br.>Auch wenn das Erlernen einer Kampfkunst zunächst von der Logik des Formsystems abhängt, versteht ein Fortgeschrittener irgendwann, dass es in den Kampfkünsten überhaupt kein Formsystem gibt. Stellungen, Deckungen und Techniken sind lediglich Schubladen für das intellektuelle Verstehen. Ihre Klassifizierung dient dem Verständnisprozess im Lernen, doch es gibt sie nur als vom Bewusstsein festgehaltene Momente eines sich in dauerndem Verändern befindenden Ganzen.<br.>Alles, was im budō klassifiziert, systematisiert und benannt wird, ist Teil einer kontinuierlichen Bewegung (sabaki) und bezieht sich immer auf die Entwicklung des ganzen Menschen in seiner Kunst und nicht auf die in Schubladen isolierte Technik.<br.> Standardisierte Stellungen, Deckungen und Techniken bezeichnen lediglich den in der Bewegung festgehaltene Moment, in dem sich der Übende in einem logisch analysierbaren körperlichen Zustand befindet. Deshalb ist eine festgehaltene Stellung oder Technik keine Realität, sondern nur Form. Sie bezeichnen lediglich den statischen Moment der kontinuierlichen Bewegung (sabaki), die für das intellektuelle Verstehen als Schublade gegründet wurden.<br.> Lehrer verwenden sie als Unterrichtsmethode und Schüler begründen damit ihr Kampfkunstverständnis. Der Übende darf sie als Lernmethode verwenden, die Kontinuität der Bewegung muss er intuitiv selbst erfahren. Wenn er sich der Wirklichkeit annähert, versteht er, dass alles im Leben Kontinuität, Veränderung und Bewegung ist (shu ha ri).<br.>Darin spiegelt sich das Wesen aller Künste. Systeme, mit denen eine Kunst unterrichtet wird sind immer mangelhaft. Sie lehren die Schritte, die Fakten, die Techniken..., aber die Zusammenhänge muss jeder selbst verstehen. Will jemand wie Goethe dichten, wie Mozart komponieren oder wie Rembrandt malen, kann er deren Werke in all ihren Raffinessen studieren, die entsprechenden Techniken lernen, und in formalen Aspekten sogar besser werden als das Original. Doch um sich selbst auszudrücken, muss er eigenständig kreativ sein.<br.>Den Idealzuständen der Formen gab man Namen, und es wurden Stellungen, Haltungen und Techniken daraus. Doch sie alle sind nichts weiter als Teile einer kontinuierlichen Veränderung, die sich außen in Bewegung und innen im Werden kundtun. Beides zusammen bedeutet Leben. Das rechte Verhältnis zwischen Innen und Außen im kontinuierlichen Fluss der ewigen Veränderung von Werden und Vergehen bedeutet, sich selbst durch Übung zu verwirklichen.<br.>Kampfkunst ist Bewegung, d. h. dauernde Veränderung, wie alles im natürlichen Rhythmus der Welt. Nur das dem Menschen bewusst werdende System unterbricht diesen Fluss und analysiert einen feststehenden Zustand. Einem Zustand zu vertrauen bedeutet, ein Vorurteil auszubilden, denn Zustände gibt es nur, weil es den Intellekt gibt. Deshalb bezieht sich wahre Übung nie auf Formen, sondern auf Zusammenhänge der Veränderungen. Auf diese Weise ist das „Tun im Nichttun“, die „Leere als Aktivität“, die „Haltung der Nichthaltung" usw. in den Kampfkünsten zu erklären.

Studien Informationen

Siehe auch: Bewegungslehre im Budō | Undō | Shintai | Tai sabaki | Rumpfbewegung | Extremitätenbewegung | Ganzkörperbewegung |

Literatur

Weblinks