Shiatsu

Aus Budopedia
Wechseln zu: Navigation, Suche

Artikel von: Dr. Kai Just<br.>Nachbearbeitet von: Werner Lind, Stephanie Kaiser

Shiatsu (jap.: 指圧) bezeichnet die japanische Fingerdrucktherapie, Anfang des 20. Jahrhunderts aus der ursprünglich chinesischen Ànmó-Massage (jap. anma), dem doin und der Anpuku-Massage entwickelt und gehört in den Bereich Traditionelle Japanische Medizin.<br.>Diese Formen der Massage waren in Japan seit alters her bekannt. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts jedoch erließ die japanische Regierung ein Dekret, dass jeder, der anma, dō in oder anpuku ausüben wollte, dazu eine Zulassung und eine Bescheinigung brauchte. Daraufhin änderten die japanischen Therapeuten ihre Kunst zunächst geringfügig ab und gaben ihr einen anderen Namen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich somit ein völlig eigenständiges System. Es entstand shiatsu, in dem shi „Finger“ und atsu „Druck“ bedeutet. Diese Form der Massage wurde immer beliebter und schließlich in Japan legal anerkannt. So gibt es heute dort drei gesetzlich anerkannte Formen der Therapie: Anma-Massage, westliche Massage und shiatsu.

Geschichte

Die Ursprünge der japanischen Medizin liegen in der chinesischen Ànmó-Massage (jap. anma). Sie kam vor mehr als tausend Jahren von China nach Japan und brachte die Vorstellung der Meridiane (siehe: keiraku, chin. jīng) und Meridianpunkte (siehe: tsubo) im menschlichen Körper mit. Obwohl anma ursprünglich die Prinzipien der Meridianlehre und der damit verbundenen ganzheitlichen Betrachtungsweise beinhaltete, verlor sich im Laufe der Zeit die therapeutische Anwendung und somit die Bedeutung von anma. Die Methode diente bald immer mehr nur noch dazu, Muskelverspannungen zu lösen, bis es irgendwann nur noch den Zweck erfüllte, angenehme Gefühle hervor zu rufen, was dazu führte, dass es nicht mehr als medizinische Therapieform angesehen wurde.

Vor etwa 100 Jahren, als Japan sich dem Westen öffnete, kam die westliche Massage nach Japan. In dieser Zeit entwickelte Tempaku Tamai ein System der manuellen Therapie als Synthese von den traditionellen Methoden anma, dō in und anpuku. Tempaku hatte sich intensiv mit der westlichen Anatomie und Physiologie beschäftigt und ließ diese Einflüsse ebenfalls in sein System einfließen. Der Begriff shiatsu selbst wurde erstmals Anfang des 20. Jahrhunderts in seinem Buch „Shiatsu-Ho“ („Fingerdruck-Methode“) offiziell erwähnt. Während Tempaku jedoch eher als Wegbereiter des shiatsu gesehen wird, gilt als eigentlicher Begründer vielmehr Namikoshi Tokujiro, ein Schüler von Tempaku. Im Jahre 1925 eröffnete er die erste Klinik für Shiatsu-Therapie. Seine Behandlungserfolge führten dazu, dass shiatsu 1957 offiziell vom japanischen Gesundheits­ministerium als eigenständige Massage Methode anerkannt wurde. Namikoshi hatte mehrere hochbegabte Schüler, die im Laufe der Zeit ihre eigenen Stile und Vorstellungen von shiatsu entwickelten.

Heute existieren mehrere Shiatsu-Stile, die sich sowohl in ihrer Technik als auch in Herangehensweise an den Patienten unterscheiden. In Europa und den USA ist das sogenannte Iokai-Shiatsu (auch Zen-Shiatsu) von Masunaga, einem Schüler Namikoshis, am weitesten verbreitet.

Anwendung

Shiatsu ist eine der besten Gesunderhaltungsmethoden im Alltag, es dient nicht nur der langfristigen Heilung bestimmter Krankheitsbilder, sondern wird auch im besonderen Maße als vorbeugende Behandlung eingesetzt. Während in der „Akupressur“ eindeutig der Schwerpunkt auf der gezielten, manuellen Behandlung einzelner Akupunkturpunkte (tsubo) liegt, wird im shiatsu wesentlich mehr Wert auf die Behandlung der gesamten Meridianverläufe gelegt. Einzelne Punkte werden zwar in die Behandlung mit einbezogen, es wird ihnen jedoch nicht zwingend eine besondere Bedeutung beigemessen. Behandelt wird in erster Linie mit dem Daumen, dem Handballen, aber auch mit den Ellbogen und den Knien und nur geringfügig mit den Fingern selbst (wie der japanische Name eigentlich vermuten ließe). Hinzu kommen eine Vielzahl von Dehn- und Strecktechniken für die Meridiane, die der Therapeut gezielt einsetzen kann. Diese Techniken dehnen natürlich gleichzeitig Muskulatur, Bänder und Sehnen. Im Gegensatz zu westlichen Massageformen trägt die zu behandelnde Person in den meisten Shiatsu-Stilen weiterhin ihre Kleidung, da diese einer Behandlung der Meridiane nicht im Wege steht.

In Japan selbst wird heutzutage in erster Linie mit dem Shiatsu-System von Namikoshi behandelt, welches eher körperbetont ist und versucht, auf das zentrale und autonome Nervensystem einzuwirken. Das eher im Westen sehr verbreitete Iokai-Shiatsu beziehungsweise Zen-Shiatsu von Masunaga, einen direkten Schüler von Namikoshi, legt wesentlich mehr Wert auf die energetische Behandlung des Patienten. Masunaga studierte das Meridiansystem sehr ausführlich und erweiterte aufgrund seiner Studien die klassischen Meridian-Verläufe, die in entsprechende Behandlungen mit berücksichtigt werden. Masunaga fügte auch die sogenannte Hara-Diagnose (fukushin) ein, bei welcher der Shiatsu-Therapeut zu Beginn einer Behandlung zunächst dem hara des Patienten besondere Aufmerksamkeit schenkt, um daraus den energetischen „Zustand“ der zu behandelnden Person abzuleiten. Entsprechende Techniken und Diagnosemöglichkeiten waren schon durch die alte Anpuku-Massageform bekannt. Weiterhin existiert eine spezielle Gruppe von Meridian-Dehnübungen (makko ho), die jederzeit eigenständig ausgeübt werden können. Diese Übungen werden häufig von Therapeuten selbst vor Behandlungen ausgeführt, um das eigene Energiesystem anzuregen. Die Reihenfolge der einzelnen Übungen richtet sich u.a. nach dem natürlichen Ki-Fluss im menschlichen Körper. Leicht abgewandelte Formen dieser Übungen lassen sich in nahezu allen klassischen Aufwärmmethoden der traditionellen Kampfkünste (siehe auch jumbi undo) wieder finden. Im Kampfsport werden solche Übungen, obwohl sie nahezu identisch ausgeführt werden, häufig nur als reine Dehnübungen für Muskeln, Sehnen und Bänder verstanden und verlieren somit ihren eigentlichen energetischen Sinn.

Inhalt

Letztendlich verbinden die unterschiedlichen Behandlungsmethoden der östliche Medizin immer ein gleiches Grundprinzip: ki (chin. ) zirkuliert in bestimmten Bahnen (siehe auch keiraku und jingluo) im menschlichen Körper. Diese Bahnen verlaufen sowohl an der Oberfläche als auch im Inneren und verbinden die inneren Organe miteinander. Die Qualität der Lebensenergie (ki), die man in den Meridianen eines Menschen findet, unterteilt man nach chinesischer Vorstellung in yīn und in yáng. Die Organe, die von den Meridianen durchzogen werden, lassen sich somit entweder yīn oder yáng zuordnen (siehe auch zang/fu). Bei einem harmonischen Ki-Fluss herrscht ein ausgeglichenes Verhältnis im dynamischen Kräftespiel, was zu seelischem, geistigem und körperlichem Wohlbefinden führt. Krankheiten gehen immer einher mit einer Disharmonie des Zusammenspiels der Energieflüsse, die sich in der Regel nicht isoliert an einer Stelle des Körpers auswirken. Weiterhin können physische Dysfunktionen auch mit psychischen Leiden einhergehen und umgekehrt. Es ist daher Ziel jeglicher Behandlung, den Energiefluss im Körper anzuregen, beziehungsweise Blockierungen aufzulösen, damit das ki wieder ungehindert fließen kann. Daher ist shiatsu nicht einfach eine „östliche Massage“ für den rein anatomischen Bewegungsapparat, sondern kann sowohl bei physischen und auch psychischen Störungen eingesetzt werden.

Störungen lassen sich entweder direkt am hara oder durch Druck entlang des Meridianverlaufes und den tsubo feststellen, die man durch entsprechende Techniken dann behandeln kann. Wenn eines der Yīn/Yáng-Organe z.B. zu langsam arbeitet, verlangsamt sich der Energiefluss im ganzen Körper. Dies ist etwa vergleichbar, als wenn man auf einen Wasserschlauch tritt. In den tsubo entlang der Meridiane kommt es dann zu Stauungen, beziehungsweise an anderer Stelle zu Mangel. Wenn man diese Stellen massiert, verbessert sich der Durchfluss, und die Symptome verschwinden.

Will man also Krankheiten heilen, muss man herausfinden, wo die Energieunterbrechung sitzt und welcher Natur sie ist (überbetontes yīn oder überbetontes yáng). Letzteres ist sehr wichtig, denn es hängt von der seelischen Verfassung des Kranken ab. Entsprechend gibt es Jitsu-Typen (yáng) und Kyō-Typen (yīn). Im Westen würden wir sagen: Menschen mit zu viel (griech. hyper - „über“) Energie und Menschen mit zu wenig (griech. hypo - „unter“) Energie. Der Energiezustand in den Meridianen kann also „hyper“ (yáng, oder jitsu) oder „hypo“ (yīn oder kyō) sein. Ein gesunder Mensch hat beides im rechten Ausgleich. Zu hohe Energiezustände des jitsu müssen beruhigt (sediert) werden, während man Energiezustände des kyō belebt (tonisiert). Von beiden ist die Tonisierung weit schwieriger als die Sedierung, da sie lange Zeit braucht und viel Wärme in das Innere des Kranken abgeben muss, um seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren.

Shiatsu in Deutschland

In Deutschland gibt es viele Praktikanten des japanischen shiatsu, doch die große Mehrheit ist auf rein therapeutische Verfahren ausgerichtet. In der Kombination mit den Kampfkünsten unterrichtet Bernhard Milner diese Kunst auf Wochenendlehrgängen in verschiedenen dōjō, die ihn zu diesem Zweck engagieren. Er ist einer der diesbezüglich anerkanntesten Experten in Deutschland und praktiziert shiatsu neben karate hauptberuflich.

Studien Informationen

Siehe auch: Fukushin | Anpuku | Hara | Keiraku

Literatur

  • Namikoshi Toru: Das große Buch des Shiatsu. Sphinx-Verlag.
  • Masunage Ohashi: Das große Buch der Heilung durch Shiatsu. Barth (Bei Scherz) Verlag.
  • Rappenecker: Shiatsu für Anfänger. Yu Sen, Sprudelnder Quell, Mosaik/bei Goldmann Verlag.
  • Beresford / Cooke: Shiatsu: Grundlagen und Praxis. Urban & Fischer (Bei Elsevier).

Weblinks