Shingitai: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Shingitai''' (jap.: 心技体), auch '''shin gi tai''', Dreieinheit (''[[san mi ittai]]'') von Geist (''[[shin]]'' / ''[[kokoro]]''), Technik (''[[gi]]'' / ''[[waza]]'') und Körper (''[[tai]]'' / ''[[karada]]''). Das Prinzip bezieht sich auf die Einheit von Geist, Körper und Technik und ist verwandt mit den Regularien (''[[tiáo]]'') des ''[[qìgōng]]'' aus China. In Japan bezeichnet es die Komponenten zur Verwirklichung des ''hara''.
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'''Shingitai''' (jap.: 心技体), Dreieinheit (''[[san mi ittai]]'') von Geist (''[[shin]]'' / ''[[kokoro]]''), Technik (''[[gi]]'' / ''[[waza]]'') und Körper (''[[tai]]'' / ''[[karada]]''). Das Prinzip bezieht sich auf die Ganzwerdung des Menschen durch die Einheit von Geist, Körper und Technik und ist ein Ausdruck der Verwirklichung von ''[[hara]]''.
  
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==Regularien für Shingitai==
  
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Bereits früh erkannte man, dass der Mensch mit dem Geist (''shin'') entscheidet, mit Technik (''gi'') reagiert und mit dem Körper (''tai'') handelt. Gleichzeitig aber erkannte man in dieser Dreiteilung (''[[shingitai]]'') auch eine gravierende Disharmonie, wenn der Mensch - losgelöst vom übergeordneten Verständnis der Zusammenhänge - ständigen Irrtümern und Illusionen unterliegt. Das Ziel jeder Übung in den Wegkünsten wurde daher immer mehr die Dreieinheit (''sanmi ittai''), zunächst zwischen Körper (''tai'' / ''karada'') und Geist (''shin'' / ''kokoro''), wodurch es möglich wurde, den so genannten Geist-Körper 心体 (''[[shintai]]'') zu verwirklichen.
  
  
  
Es ist der Mensch, der sich übt, und alles, was er übt, hat ein Zentrum, aus dem heraus er sich gestaltet und bewährt: hara. Karate ist eine Kunst, in deren Übung und Ausdruck der Mensch nicht äußere, sondern innere Vervollkommnung sucht. Er vollendet seine Technik wie der Künstler sein Werk, er drückt sich durch sie aus, er kehrt sein Inneres nach außen und zeigt in der Technik seine Seele. In einer solchen Übung kann er reifen, darin findet er zunehmend zu seiner „Mitte“ und vervollkommnet sich selbst durch das Ideal des Weges.
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Dazu braucht jeder ''budōka'' die Anleitung zum richtigen Verständnis seiner Technik 技 (''gi'' / ''waza''). Das daraus resultierende Prinzip bezeichnet man als ''shingitai'' (die Einheit von Geist, Technik und Körper).
  
Kunst ist ein Ausdruck der Kultur und seit Alters her ein bewährtes Mittel zur Erhöhung und Vervollkommnung des menschlichen Geistes. Kunst ist der Ausdruck menschlichen Empfindens und Verstehens, spricht jedoch in erster Linie zur Seele und weniger zum Intellekt. Durch sie bildet und vervollkommnet sich der Mensch und gelangt so zu einem höheren Verständnis seiner inneren Zusammenhänge. Die Fähigkeit zum philosophischen Denken, die Intuition und die Vorstellungskraft gehören dazu.
 
  
In den Weg-Künsten beachtet man die Vervollkommnung der Dreieinheit (san mi ittai) von Geist (shin / kokoro), Technik (gi / waza) und Körper (tai / karada) zusammenfassend als shin gi tai. Das Prinzip bezieht sich auf die Einheit von Geist, Körper und Technik  Normal  0  21      false  false  false                        MicrosoftInternetExplorer4           
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* '''Geist:''' Die Kunst ist ein Ausdruck der Kultur und seit Alters her ein bewährtes Mittel zur Erhöhung und Vervollkommnung des menschlichen '''Geistes'''. Kunst ist der Ausdruck menschlichen Empfindens und Verstehens, spricht jedoch in erster Linie zur Seele und weniger zum Intellekt. Durch sie bildet und vervollkommnet sich der Mensch und gelangt so zu einem höheren Verständnis seiner inneren Zusammenhänge. Die Fähigkeit zum philosophischen Denken, die Intuition und die Vorstellungskraft gehören dazu.
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* '''Technik:''' Es ist der Mensch, der sich übt, und alles, was er übt, hat ein Zentrum, aus dem heraus er sich gestaltet und bewährt: ''hara''. ''Karate'' ist eine Kunst, in deren Übung und Ausdruck der Mensch nicht äußere, sondern innere Vervollkommnung sucht. Er vollendet seine '''Technik''' wie der Künstler sein Werk, er drückt sich durch sie aus, er kehrt sein Inneres nach außen und zeigt in der Technik seine Seele. In einer solchen Übung kann er reifen, darin findet er zunehmend zu seiner „Mitte“ und vervollkommnet sich selbst durch das Ideal des Weges.
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* '''Körper:''' sertg
  
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In den Weg-Künsten beachtet man die Vervollkommnung der Dreieinheit (san mi ittai) von Geist (shin / kokoro), Technik (gi / waza) und Körper (tai / karada) zusammenfassend als shin gi tai. Das Prinzip bezieht sich auf die Einheit von Geist, Körper und Technik
  
  
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Das Ziel jeder Übung im ''budō'' ist die Dreieinheit (''sanmi ittai''), zunächst zwischen Körper (''tai'' / ''karada'') und Geist (''shin'' / ''kokoro''), wodurch es möglich wird, den so genannten Geist-Körper 心体 (''[[shintai]]'') zu verwirklichen. Dazu braucht jeder ''budōka'' die Anleitung zum richtigen Verständnis seiner Technik 技 (''gi'' / ''waza''). Das daraus resultierende Prinzip bezeichnet man als ''shingitai'' (die Einheit von Geist, Technik und Körper).
 
  
Bereits früh erkannte man, dass der Mensch mit dem Geist (''[[shin]]'') entscheidet und mit Technik (''[[gi]]'') handelt, die mit dem Körper (''[[tai]]'') umgesetzt werden. Gleichzeitig aber erkannte man in dieser Dreiteilung (''[[shingitai]]'') auch eine gravierende innere Disharmonie, wenn der Mensch - losgelöst vom übergeordneten Verständnis der Zusammenhänge - ständigen Irrtümern und Illusionen unterliegt.<br.>''Hara'' bezeichnet die Organisation des Menschen auf seiner vertikalen Achse in Bezug auf seine Körperhaltung (''[[shisei]]''), Spannung/Entspannung (''[[kinchō/kanwa]]'') und Atmung (''[[kokyū]]''). Auf dieser Basis entstand das „Prinzip der Mitte“, mit dem man ein psycho-physisches Zentrum im Menschen suggerierte, durch dessen Verständnis man das Vermeiden der menschlichen Fehlhaltungen und Falschentscheidungen üben konnte.<br.>Die Verwirklichung von ''hara'' ist in allen japanischen Wegkünsten ein Zeugnis von menschlicher Reife. Jede Wegübung (''[[Dō (Weg)|dō]]'') - also auch ''[[budō]]'' - zielt dementsprechend vor allem auf die Persönlichkeitsbildung und auf die Entwicklung der inneren Werte des Übenden. Nicht durch einseitig hochgezüchtete Technik, sondern erst dadurch lernt er in der Welt zu wirken.<br.>Sich als Selbst zu gestalten und gleichzeitig die natürlichen Bedingungen des „Werdens und Vergehens“ zu akzeptieren, wird in den Wegkünsten als Grundlage zur Entwicklung jeder Persönlichkeit angesehen. Das Wissen, wie man die Philosophie des ''hara'' im Training umsetzen kann, ist nur einem klassischen ''[[sensei]]'' gegeben. Es ist vor allem gebunden an die folgenden Prinzipien:
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Ansatzpunkt zur Verwirklichung von ''shingitai'' ist die Vollendung des ''[[hara]]'' in einer Wegkunst (''[[geidō]]'').<br.>
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''Hara'' bezeichnet die Organisation des Menschen auf seiner vertikalen Achse in Bezug auf seine Körperhaltung (''[[shisei]]''), Spannung/Entspannung (''[[Kinchō/Kanwa]]'') und Atmung (''[[kokyū]]''). Auf dieser Basis entstand das „Prinzip der Mitte“, mit dem man ein psycho-physisches Zentrum im Menschen suggerierte, durch dessen Verständnis man das Vermeiden der menschlichen Fehlhaltungen und Falschentscheidungen üben konnte.<br.>
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Die Verwirklichung von ''hara'' ist in allen japanischen Wegkünsten ein Zeugnis von menschlicher Reife. Jede Wegübung (''[[Dō (Weg)|dō]]'') zielt dementsprechend vor allem auf die Persönlichkeitsbildung und auf die Entwicklung der inneren Werte des Übenden. Nicht durch einseitig hochgezüchtete Technik, sondern erst dadurch lernt er in der Welt zu wirken.<br.>
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Sich als Selbst zu gestalten und gleichzeitig die natürlichen Bedingungen des „Werdens und Vergehens“ zu akzeptieren, wird in den Wegkünsten als Grundlage zur Entwicklung jeder Persönlichkeit angesehen. Das Wissen, wie man die Philosophie des ''hara'' im Training umsetzen kann, ist nur einem klassischen ''[[sensei]]'' gegeben. Es ist vor allem gebunden an die folgenden Prinzipien:
  
 
====Kano====
 
====Kano====
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[[Kategorie: Hara]]
 
[[Kategorie: Hara]]
[[Kategorie: Shingitai]]
 

Version vom 30. August 2014, 01:37 Uhr

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Artikel von: Werner Lind<br.>Nachbearbeitet von:

Shingitai (jap.: 心技体), Dreieinheit (san mi ittai) von Geist (shin / kokoro), Technik (gi / waza) und Körper (tai / karada). Das Prinzip bezieht sich auf die Ganzwerdung des Menschen durch die Einheit von Geist, Körper und Technik und ist ein Ausdruck der Verwirklichung von hara.

Regularien für Shingitai

Bereits früh erkannte man, dass der Mensch mit dem Geist (shin) entscheidet, mit Technik (gi) reagiert und mit dem Körper (tai) handelt. Gleichzeitig aber erkannte man in dieser Dreiteilung (shingitai) auch eine gravierende Disharmonie, wenn der Mensch - losgelöst vom übergeordneten Verständnis der Zusammenhänge - ständigen Irrtümern und Illusionen unterliegt. Das Ziel jeder Übung in den Wegkünsten wurde daher immer mehr die Dreieinheit (sanmi ittai), zunächst zwischen Körper (tai / karada) und Geist (shin / kokoro), wodurch es möglich wurde, den so genannten Geist-Körper 心体 (shintai) zu verwirklichen.


Dazu braucht jeder budōka die Anleitung zum richtigen Verständnis seiner Technik 技 (gi / waza). Das daraus resultierende Prinzip bezeichnet man als shingitai (die Einheit von Geist, Technik und Körper).


Daher galt es, diese Komponente zu verbinden





  • Geist: Die Kunst ist ein Ausdruck der Kultur und seit Alters her ein bewährtes Mittel zur Erhöhung und Vervollkommnung des menschlichen Geistes. Kunst ist der Ausdruck menschlichen Empfindens und Verstehens, spricht jedoch in erster Linie zur Seele und weniger zum Intellekt. Durch sie bildet und vervollkommnet sich der Mensch und gelangt so zu einem höheren Verständnis seiner inneren Zusammenhänge. Die Fähigkeit zum philosophischen Denken, die Intuition und die Vorstellungskraft gehören dazu.
  • Technik: Es ist der Mensch, der sich übt, und alles, was er übt, hat ein Zentrum, aus dem heraus er sich gestaltet und bewährt: hara. Karate ist eine Kunst, in deren Übung und Ausdruck der Mensch nicht äußere, sondern innere Vervollkommnung sucht. Er vollendet seine Technik wie der Künstler sein Werk, er drückt sich durch sie aus, er kehrt sein Inneres nach außen und zeigt in der Technik seine Seele. In einer solchen Übung kann er reifen, darin findet er zunehmend zu seiner „Mitte“ und vervollkommnet sich selbst durch das Ideal des Weges.
  • Körper: sertg

In den Weg-Künsten beachtet man die Vervollkommnung der Dreieinheit (san mi ittai) von Geist (shin / kokoro), Technik (gi / waza) und Körper (tai / karada) zusammenfassend als shin gi tai. Das Prinzip bezieht sich auf die Einheit von Geist, Körper und Technik




Ansatzpunkt zur Verwirklichung von shingitai ist die Vollendung des hara in einer Wegkunst (geidō).<br.>






Hara bezeichnet die Organisation des Menschen auf seiner vertikalen Achse in Bezug auf seine Körperhaltung (shisei), Spannung/Entspannung (Kinchō/Kanwa) und Atmung (kokyū). Auf dieser Basis entstand das „Prinzip der Mitte“, mit dem man ein psycho-physisches Zentrum im Menschen suggerierte, durch dessen Verständnis man das Vermeiden der menschlichen Fehlhaltungen und Falschentscheidungen üben konnte.<br.>

Die Verwirklichung von hara ist in allen japanischen Wegkünsten ein Zeugnis von menschlicher Reife. Jede Wegübung () zielt dementsprechend vor allem auf die Persönlichkeitsbildung und auf die Entwicklung der inneren Werte des Übenden. Nicht durch einseitig hochgezüchtete Technik, sondern erst dadurch lernt er in der Welt zu wirken.<br.>

Sich als Selbst zu gestalten und gleichzeitig die natürlichen Bedingungen des „Werdens und Vergehens“ zu akzeptieren, wird in den Wegkünsten als Grundlage zur Entwicklung jeder Persönlichkeit angesehen. Das Wissen, wie man die Philosophie des hara im Training umsetzen kann, ist nur einem klassischen sensei gegeben. Es ist vor allem gebunden an die folgenden Prinzipien:

Kano

Diese drei Werte sind untrennbar und müssen parallel zu den zwei Grundprinzipien der Kampfkünste beachtet werden: seiryoku zenyō („das wirksame Nutzen der Energie“) und jita kyōei („gegenseitiges Helfen und Anspornen“). Diese Prinzipien stammen ursprünglich aus dem bushidō („Weg des Kriegers“). Die Schwarzgurte (dansha), die shingitai verwirklicht haben, vereinigen auf sich gleichzeitig Himmel (shin), Erde (gi) und Mensch (tai). Sie sind daher „vollständige“ Menschen.


Studien Informationen

Siehe auch: Hara | Naka | Tiáo | Shin | Waza | Tai <br.>Yōi | Yōi shizentai | Yōi dachi | Yōi gamae<br.> Ablage Shingitai

Literatur

  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste. BSK-Studien 2010.
  • Werner Lind: Budo - der geistige Weg der Kampfkünste. Scherz 1991.
  • Werner Lind: Karate Kihon. BSK 2007.
  • Werner Lind: Karate Kata. BSK 2011.