Tōde

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Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste<br.>Nachbearbeitet von: Werner Lind

Tōde auch todi / tōte / tōti (jap.:唐手) bedeutet „China-Hand“ und ist die Bezeichnung für die weiter entwickelte Selbstverteidigung auf Okinawa, die durch die Kombination des okinawanischen te und des chinesischen quánfǎ ca. im 15. Jahrhundert entstand. Hauptsächliche Beeinflussungen aus Kumemura durch die „36 Familien“. Erste okinawanische Erkenntnisse über die kyūsho.

Tōde (1609 - 1724)

So veränderte sich das okinawanische te (Hand, Technik) durch den Einfluss des quánfǎ allmählich zum tōde (China-Hand), eine Bezeichnung, die sich ab ca. 1470 zu entwickeln begann, sich aber erst nach der Satsuma-Invasion (1609) etablierte. Die Bezeichnung verweist darauf, dass es sich um ein okinawanisches Kriegssystem mit chinesischen Einflüssen handelt. Das Schriftzeichen für (唐) bezeichnet „China“, de (手) ist eine phonetische Verzerrung des früheren te und bedeutet „Technik“ oder „Hand“. Dadurch entstand der Begriff tōde (Hand aus China), der die Kombination des te mit dem quánfǎ enthält.

Entstehung des Tōde

Das tōde ist ein Produkt der okinawanischen Selbstverteidigung gegen die japanische Besatzung. Die Okinawaner intensivierten ihre Widerstand und da sie keine Waffen hatten, entwickelten sie die Atemi-Techniken am Schlagpfosten (makiwara) und ihre Arbeitsgeräte (dogū) zu tödlichen Techniken. Das einzige Ziel des tōde war das Töten des Feindes, um selbst zu überleben. <br.>Die Methode wurde strikt geheim gehalten. In den ersten dreißig Jahren der Besatzung war sie so geheim, dass nur nahe Verwandte von einem Meister unterrichtet wurden. Selbst die geschriebene Chronik der okinawanischen Kriegssysteme wurde angehalten und erst um 1700 wieder fortgeführt. So blieb die Zeit von fast 90 Jahren, in der das tōde und kobujutsu definiert wurde, in der Geschichte des Landes praktisch inexistent.<br.>Durch viele Begegnungen der Satsuma-Samurai mit den Tōde-Experten, die oft mit dem Tod des samurai endeten, wusste auch das Volk um die ungeheure Wirkung dieser Kriegskunst. Doch kein Uneingeweihter kannte die Praxis oder die Lehrer. Das tōde wurde innerhalb der Familien weitergegeben und nur engsten Vertrauten unterrichtet. Die einfachen Menschen konnten sich die außergewöhnliche Wirkung des tōde nicht erklären und nannten die Kunst reimyō tōde (wunderbare chinesische Kunst) oder shinpi tōde (unerklärbare mysteriöses Kunst). Es entwickelte einen eigenen Kodex (kikotsu)[1] laut dem es dazu gedacht war, die Heimat zu verteidigen.

Reimyō tōde und Shinpi tōde

Die strenge Geheimhaltung, die jahrhundertlang wie ein undurchdringbarer Schleier über dem okinawanischen tōde lag, schob nicht nur den japanischen Interessen einen Riegel vor, sondern auch der okinawanischen Unterschicht, die zu den geheim gehaltenen dōjō der Tōde-Lehrer keinen Zugang hatte. Vom Tag der Satsuma-Invasion (1609) bis zu dem Tag, als Meister Funakoshi das okinawanische tōde in Japan vorstellte (1921), waren die Japaner erfolglos bemüht, den Schleier des Geheimen um das okinawanische Kampfsystem zu lüften.

Tōdejutsu und Kobujutsu - ein tödliches Kampfsystem (1609 - 1724)

Die meisten Okinawaner waren schwer arbeitende Bauern, aber auch jene, die aus höheren Gesellschaftsschichten stammten (Adel, Palastwachen, Beamte) übten die Kampftechniken lediglich aus praktischen Gründen. Sie entwickelten ihr Können darin ohne jedwedes ethisches Beiwerk, denn sie wollten die ständigen Angriffe der Satsuma-Samurai überleben und ihre Familien und Dienstherren schützen. Obwohl immer zusammengehörend, unterscheidet man aus heutiger Sicht zwei Systeme:

Tōdejutsu (Technik der China-Hand)

Das tōdejutsu wurde bald zu einer tödlichen Waffe. Die Okinawaner, denen das Tragen von Waffen unter Androhung der Todesstrafe verboten war, wurden mit kampferprobten samurai konfrontiert, gegen die sie sich verteidigen mussten. Die einzige Möglichkeit dazu bestand im Gebrauch ihrer Arme und Beine. In intensivem Training wurden die Extremitäten gestählt, so dass sie selbst einen Samurai-Panzer durchdringen konnten.<br.>Das tōde jener Zeit war ein einfaches aber effektives System zum Töten. Es bestand aus einer extrem harten Körperdisziplin und der Ausbildung der Extremitäten zu gefährlichen Körperwaffen. Am makiwara wurden einfache Techniken zu tödlichen Wirkungen gebracht. Das Zentrum des Trainings waren die kata, die sich nach chinesischen Vorgaben, aber mit eigenwilligen okinawanischen Interpretationen entwickelten. Der erste bekannte Meister war Sakugawa Kanga (1733 - 1815), der in der Entwicklung des tōde zum okinawate eine entscheidende Rolle spielen sollte.

Kobujutsu 古武術 (Technik der alten Waffen)=

Die Japaner merkten bald, dass die Okinawaner ihnen durch das tōde gefährlich werden konnten und unternahmen ständig Anstrengungen, die Tōde-Meister ausfindig zu machen. Sie stellten das Training des tōde unter Todesstrafe und kontrollierten die Bürger nach sichtbaren Zeichen von Makiwara-Training. Doch die Okinawaner benutzten zunehmend mehr ihre täglichen Arbeitsgeräte zur Verteidigung und funktionierten ihren Gebrauch in gefährliche Waffen um. Viele dieser Waffen wurden dabei auch von ähnlichen Waffenkünsten in China inspiriert.<br.>Legenden überliefern Berichte über einen Kobujutsu-Experten namens Akahachi Ōyakei[2], der auf der Insel Yaeyama den Umgang mit dem Langstock (bō) lehrte. Ihm folgte Matsu Higa[3], der auf Hamahiga in den Waffen bō, tonfa und sai nachhaltige Überlieferungen hinterließ.

Die Kata des Tōde

Als sicher gilt, dass sich die Okinawaner aus den Quánfǎ-Formen der Chinesen inspirierten, sie aber in ihrem eigenen Verständnis interpretierten. Zwar bewunderten sie die aus China importierten tàolù, doch die darin enthaltenen komplexen Inhalte konnten sie in Anbetracht ihrer politischen Situation nicht verwenden. Daher übernahmen sie die Abläufe der chinesischen tàolù, doch wo sie hochentwickelten chinesischen Vitalstimulationen mit Finger-Techniken begegneten, schlossen sie die Hand und verwendeten Fausttechniken, die sie am makiwara zu tödlichen Waffen perfektionierten. Sie waren noch nicht in der Lage die Komplexität der chinesischen tàolù nachzuvollziehen.<br.>So blieb die kata des tōde zwar das Zentrum der Ausbildung aber nach wie vor eine reine Technikübung. Obwohl inzwischen manche von ihnen zu den in Kumemura angesiedelten Chinesen in die Lehre gingen, änderte sich in ihrem Kampfverständnis nicht viel. Die kata, das Herz des tōde, wurden streng geheim gehalten, und es galt als Landesverrat, sie in der Öffentlichkeit zu zeigen.

[1] Kikotsu 気骨 - wörtlich „Rückgrad“, „Charakterstärke“, „Standfestigkeit“ (kotsu), stand in Japan während der Tokugawa-Zeit (1600) sinngemäß für den Moral- und Ehrenkodex der japanischen Stadtbewohner, entgegen dem Kriegerkodex (bushidō). Auf Okinawa wurde der Begriff entliehen und entwickelte sich zum Kodex des okinawanischen Widerstandes gegen die Satsuma. [2] Akahachi Ōyakei 赤蜂大屋慶 - okinawanischer Experte des bō in der Frühzeit (vor 1600), ein Stammeshäuptling auf einer der Yaeyama-Inseln. Ihm schreibt man die erste systematisierte okinawanische kata für bō (Langstock) und eiku (Ruder) zu. [3] Matsu Higa マチュー ヒジャー - früher okinawanischer Experte des kobujutsu (ca. 1700), besonders in den Waffen bō, tonfa und sai. Man weiß wenig über ihn, der Name ist vielleicht nur eine Symbolfigur für das kobujutsu von Hamahiga. Manche vermuten, dass er der Lehrer von Takahara Peichin war, der danach Sakugawa Kanga, den Lehrer von Matsumura Sōkon unterrichtete.

Studien Informationen

Siehe auch: Okinawanische Kampfsysteme | Okinawanische Kriegskunst | Tegumi | Te | Okinawate | Karate

Literatur

  • Werner Lind: Okinawa Karate. Sport Verlag, Berlin 1997.
  • Werner Lind: Das Lexikon der Kampfkünste. Sport Verlag.
  • Werner Lind: Karate Kumite. BSK-Verlag 2014.
  • Shoshin Nagamine: The Essence of Okinawan Karate. Tuttle 1976.
  • Richard Kim: The Weaponless Warriors. Ohara 1974.
  • Morio Higaonna: Okinawa Goju ryū. Minamoto Research, 1985.
  • Mark Bishop: Okinawan Karate. A & B Black 1989.
  • Pierre Portocarrero: Tode les origines du Karate do. Sedirep.
  • Kenji Tokitsu: Histoire du Karate do. SEM 1979.

Weblinks