Tiáo

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Artikel von: Werner Lind<br.>Nachbearbeitet von:

Tiáo (chin.: 調) bezeichnet die Regulierungen im qìgōng. Unabhängig von seinen Erscheinungsformen arbeiten alle entsprechende Systeme mit dem Prinzip der Regulierung (tiáo). Diesbezüglich haben sich diese Inhalte nie verändert, gleich ob sie als Gesundheitsübung (qìgōng) oder als Kampfkunst (quánfǎ) geübt wird. In den chinesischen Varianten kennt man drei hauptsächliche Regulierungen (sāntiáo). Aus ihnen ergeben sich später tiáoqì und tiáoshén.

Sāntiáo 三調 - Drei Regulierungen

Die drei Regulierungen (sāntiáo) sind im qìgōng und quánfǎ grundlegend und bilden die Basis jeder Bewegungslehre. Diese Konzepte sind jedoch keine Übungen an sich, sondern die Technik begleitende Lehren, durch deren Verwirklichung später eine umfangreiche Kontrolle der Lebensenergie (tiáoqì) und des Geistes (tiáoshén) möglich wird.<br.>Im Japanischen bezeichnet man sie zusammengefasst als san mi ittai (drei Prinzipien in einem Körper) und definiert sie als shingitai: shin (Geist), gi (Technik) und tai (Körper). Diese Regulierungen sind versteckte Prinzipien, die jede technische Übung im Hintergrund begleiten. Sie sind die Grundlage aller Übungen. Echte Lehrer kennen ihre Bedeutung und bauen den Trainingsbetrieb für ihre Schüler auf sie auf. Im Ausdruck eines Fortgeschrittenen werden sie in seinen Gebärden sichtbar.<br.> Die grundlegenden Regulierungen sind folgende:

1. Tiáoshēn 調身 - Den Körper regulieren

Dieser Begriff bezeichnet das physische Übungsprinzip des qìgōng. Die Regulierung des Körpers (shēn) erfolgt über die Korrektur der Haltung, die aufrecht und entspannt sein muss, um den freien Fluss des qì durch den Körper zu ermöglichen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Haltung der Wirbelsäule und die Position der Gelenke. Die aufrechte Wirbelsäule erlaubt den ungehinderten Fluss der Atmung, die entspannten Gelenke fördern den Qì-Kreislauf durch den Körper. Die richtige Haltung und Spannung des Körpers sind Grundvoraussetzungen im qìgōng. Unverändert gelten diese Prinzipien auch für die kämpferischen Techniken des quánfǎ.

2. Tiáoxī 調吸 - Den Atem regulieren

Der Begriff tiáoxī bezeichnet keine spezielle Atemmethode, sondern die allgemeine Regulierung des Atems. Den Atem zu regulieren bedeutet zunächst, den natürlichen Atemfluss zu finden und seinen Rhythmus den Handlungen anzupassen. In den bewegten Übungen des qìgōng und quánfǎ bedeutet tiáoxī, dass der Atem passend zu den körperlichen und energetischen Bewegungen fließt und diese in ihrem jeweiligen Zweck unterstützt. Erst später lernt der Übende verschiedene und stilspezifische Atemtechniken.

In den Kampfkünsten wird zumeist die Bauchatmung verwendet. Diese Methode nennt man auch „zur Kindheit zurückkehren“. Ein Kind verwendet unbewusst die natürliche Bauchatmung, doch mit zunehmender Bewusstwerdung zieht der Erwachsene die Atmung in höhere Regionen der Brust, wo er intuitiv das Zentrum seines Ich empfindet. Dadurch entfernt er sich vom natürlichen Gleichgewicht des Lebens, das ihn naturbedingt in einer zweipoligen Bestimmung verankert: Streben und Achten.

3. Tiáoxīn 調心 - Das Herz regulieren

Das Herz steht für Emotionen. Die „Regulierung des Herzens“ bändigt die ständig schweifenden Gedanken, denn das ewige „an-Anderes-Denken“ zerstreut das qì und stört das Üben. Durch das im Moment gewahr sein - was zwar Emotionen nicht ausschließt, sie aber im qìgōng kaum aufkommen bzw. überhandnehmen lässt - bleibt man ganz im „Hier und Jetzt“ des Übens, anstatt innerlich verzettelt in Zukunft oder Vergangenheit zu verweilen. Hinzu kommt, dass viele Emotionen, die sich nicht auf den Moment beziehen, durchaus nicht heilsam sind. Durch die gerichtete Aufmerksamkeit (yì) werden die „1000 Gedanken“ durch einen ersetzt und der Übende bleibt voll und ganz in seinem Tun.

Weiter folgende Regulierungen

Nachdem die drei oben genannten Regulierungen (sāntiáo) zu einem natürlichen Teil der Übung geworden sind, wird jede Bewegung von ihnen beeinflusst und bestimmt. Zunehmend mehr verwirklicht der Übende eine umfangreiche Kontrolle seiner Lebensenergie (tiáoqì) und seines Geistes (tiáoshén).

4. Tiáoqì 調氣 - Die Energie regulieren

Durch das Zusammenspiel von korrekter Haltung und Bewegung (tiáoshēn), dem passenden Atemfluss (tiáoxī) und der Kontrolle der ablenkenden Gedanken und Emotionen (tiáoxīn) kann das in der Übung natürlich bewegt, genährt und gesammelt werden. Mit der Zeit können so Energiereserven aufgefüllt und Ungleichgewichte harmonisiert werden.

5. Tiáoshén 調神 - Den Geist regulieren

Dieses Prinzip steht erst am Schluss und baut auf die voraus gegangenen Regulierungen auf. Der Begriff verdeutlicht das psychische Übungsprinzip des qìgōng, das alle der Realität widersprechenden Grübel-Gedanken und die daraus folgende emotionale Unausgeglichenheit im menschlichen Geist (shén) harmonisiert. Durch dieses Prinzip lernt der Übende aus seiner psycho-physischen Mitte (dāntián) heraus zu handeln und die Wirklichkeit von selbst suggerierten Illusionen zu trennen. Keine Entscheidung im Leben gelingt, wenn sie auf der Grundlage von Vorurteilen getroffen wird. Situationen des Lebens können nur frei von Vorurteilen entschieden werden, im qìgōng und im quánfǎ werden sie durch eine kombinierte Übung von Atmung, Haltung, Bewegung und Meditation erreicht.

Diese Methoden beginnen mit Übungen zur Lenkung der Aufmerksamkeit (), denn das folgt der Aufmerksamkeit. Wenn dies in einfachen Situationen gelingt, erweitert man das Prinzip und versucht das durch den Körper zu führen. Erst später verbindet man die körperliche Bewegung mit der inneren, geistigen Lenkung.

Werner Lind - Karate Kihon, BSK 2008.

Studien Informationen

Siehe auch: Qìgōng |