BSK-Lehrkonzepte

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Überall dort, wo ein Lehrer (sensei) den Weg () des budō unterrichtet, begründet sich im Laufe der Zeit eine natürliche Hierarchiepyramide (BSK-Graduierungen) der Stufen, die zur Weitergabe der Lehre notwendig und für die Verhaltensübung der Schüler unerlässlich ist. Die Pyramide im Budo Studien Kreis (BSK) wird durch das Bestehen von Prüfungen (BSK-Prüfungsordnung) geregelt und durch das Rangsystem (kyūdan) symbolisiert. Gleich auf welchem Niveau der Übende sich darin befindet, seine Aufgabe ist es immer, den Ansprüchen des bereits Erreichten durch eine entsprechende Haltung gerecht zu werden, beispielgebend für alle unter ihm Stehenden zu sein und eine Herausforderung gegenüber dem nächsthöheren Fortschrittsgrad anzunehmen.

BSK-Lehrkonzept

Das System der Fortschrittsstufen (kyūdan) im Budo Studien Kreis (BSK) ist in seinen Inhalten prinzipiell am Konzept menkyo der koryū (alte Stile) orientiert. Äußerlich steht es durch die numerische Abfolge der Grade (kyū und dan) und die Erlaubnis zum Tragen farbiger Gürtel jedoch auch in der Tradition von Kanō Jigorōs Konzept des dankyū seido.<br.>Die Vergabe von Graden, Titeln und Lizenzen im BSK ist aber nicht an geschichtliche Autoritäten gebunden, sondern ausschließlich an den eigenen Lehrer. Dieser ist einzig dem Ideal des nachfolgend dargestellten Fortschrittskonzepts verpflichtet, das im BSK in dieser Form besteht und von seinen Hauptlehrern (sensei) vertreten und praktiziert wird.<br.>Während in vielen gegenwärtigen Kampfkünsten Fortschritt allein nach technischen Kriterien beurteilt wird und Grade teilweise auch aus rein politischen oder finanziellen Gründen ohne tatsächlichen Fortschritt vergeben werden, liegt dem Fortschrittssystem des BSK ein dreigeteiltes Konzept zu Grunde:

  • Philosophisches Konzept
  • Erzieherisches Konzept
  • Technisches Konzept

Philosophisches Konzept

Hauptartikel: Shuhari

In allen Kampfkünsten, die in der Forschungsgemeinschaft Budo Studien Kreis (BSK) praktiziert werden, stehen der chinesischen und der japanisch-okinawanischen Tradition folgend formale Bewegungsabläufe (kata) im Zentrum der körperlichen und geistigen Übung. Dabei gilt es, zunächst die kata schrittweise zu erlernen, um später das in ihnen enthaltene kampfmethodische und gesundheitsfördernde Potenzial in seiner Komplexität nach und nach verstehen zu können. Ziel der Übung ist es, schließlich zu verinnerlichen, dass der eigentliche - weil persönlichkeitsfördernde - Wert der Kata-Übung nicht im vermeintlichen Beherrschen der Form (genkyo), sondern in der Bemühung um die Form oder metaphorisch gesprochen im Weg (), den man mit der Form geht, liegt. Demzufolge wird im Budo Studien Kreis Fortschritt daran gemessen, ob der Schüler im Verlaufe seiner Beschäftigung mit einer Kampfkunst neue Qualitätsstufen im Verständnis der kata erreicht und ob die Beschäftigung mit den kata die Entfaltung seiner Persönlichkeit voranbringt, nicht aber daran, ob der Schüler immer neue kata formal beherrscht. Die Basis dieses Konzepts ist das philosophische Konzept der drei Verständnisstufen shuhari.

Shu - befolgen, bewahren

Der Begriff shu aus shuhari bedeutet wörtlich „befolgen“, „bewahren“ . Auf dieser ersten Stufe des dreigeteilten Prozesses hat der Übende die Aufgabe, die Formen, die ihm vom Meister vermittelt werden, genau zu erlernen und nachzuahmen. Dies betrifft sowohl die festgelegten kämpferischen Methoden (kata) als auch die vom Meister kodifizierten Regeln für das zwischenmenschliche Verhalten in der Kampfkunstschule (dōjōkun). Sinn und Wert dieser Formen erschließen sich dem Übenden erst nach und nach, weshalb es durchaus zu Missverständnissen und Fehlannahmen kommen kann, die zu klären Aufgabe des sensei ist.<br.>Nicht jede seiner Lehren wird den Schüler auf der Shu-Stufe sofort erreichen. Notwendig für den Fortschritt ist aber ein vom Älteren (senpai) zu etablierendes und vom Jüngeren (kohai) zu erwiderndes Vertrauensverhältnis, dessen Basis die Zuversicht des Schülers ist, dass der Meister aufgrund seiner langen Erfahrung auf dem Weg der Kampkünste das Richtige tut, um ihn auszubilden, auch wenn er als Schüler dies (noch) nicht versteht. Geht ein Unerfahrener den gegenteiligen Weg und bezweifelt den Sinn der Formen und die Lehre des Meisters, ohne sie tatsächlich verstanden zu haben, so wird er aus diesem Unbehagen heraus dem Meister nicht mehr folgen und dadurch die Tradition, in der jener steht, nicht bewahren können.<br.>Die Haltung des Übenden auf der Shu-Stufe muss daher von Geduld, Zurückhaltung und vom Bemühen um rechtes Verständnis geprägt sein. Vorschnelles Urteilen vereitelt weiteren Fortschritt.

Ha - zereißen, zerbrechen

Der Begriff ha aus shuhari wird mit „zerreißen“ oder „zerbrechen“ übersetzt und bezieht sich in erster Linie auf ein Ausbrechen des Übenden aus der Phase des strikten Nachahmens von Formen. Hat der Übende sich über einige Jahre intensiv mit den formalen Abläufen seiner Kampfkunst beschäftigt und ist er in der Lage, die kata auf einem hohen Niveau zu reproduzieren, so besteht die Gefahr, dass er diesen Prozess der Aneignung und Reproduktion nur noch wiederholt und ohne Erkenntnisgewinn, ohne Verständnis und damit ohne tatsächlichen Fortschritt auf der Shu-Stufe verharrt. Das, was in einer frühen Phase des Kampfkunstweges den Übenden am Fortschritt noch hindern kann, ist für dessen weiteres Voranschreiten nun zur notwendigen Bedingung geworden: er muss die Details der Formen auf ihren Sinngehalt hin prüfen, er muss im Geflecht des Formensystems einer Kampfkunstschule Wechselbeziehungen (d.h. wiederkehrende Prinzipien) erkennen und für sich nutzbar machen, er darf die Form schließlich nicht mehr als Eigenwert betrachten, sondern als Mittel zur Verwirklichung übergeordneter Werte. Der Übende auf der Shu-Stufe dient der Form, der Übende auf der Ha-Stufe bedient sich der Form.

Ri - loslösen, ablösen

Der Begriff ri aus shuhari steht für das fortgeschrittenste Stadium der Wegübung und bedeutet „sich los- oder ablösen“, womit das Verhältnis des Übenden zur Form bereits charakterisiert ist. In dieser Phase der Meisterschaft ist es für den Übenden selbst nicht mehr notwendig, die kata seiner Tradition im Ablauf nachzuahmen oder vergleichend zu analysieren, da er die in den Formen enthaltenen Prinzipien und die durch ihre Übung vermittelten Werte verinnerlicht hat und lebt. Gleichwohl weiß er um die gewichtige Funktion der kata im Unterrichtsprozess und vermittelt diese als Methode an seine Schüler weiter. Dazu kann er die Formen seiner Kampfkunsttradition nutzen oder auch - mit den Worten Ōtsuka Hironoris - „etwas noch vortrefflicheres Neues“ erschaffen.

Erzieherisches Konzept

Hauptartikel: Wegübung im BSK

Wenn die Kampfkünste als Weg () gelehrt und geübt werden, haben sie einen erzieherischen Wert für Kinder und Jugendliche und einen selbsterzieherischen Wert für Erwachsene. Jeder Übende entscheidet selbst, wohin er mit seiner Kampfkunstübung gehen möchte. Im Budo Studien Kreis werden die entsprechenden Wege angeboten und in der Praxis unterrichtet - sie zu verwirklichen liegt in der Entscheidung des Einzelnen.

Verantwortungen

Der Fortschritt des Einzelnen, wie auch der Fortschritt der Gruppe lebt nur durch die Übernahme von Verantwortungen jener, die bereit sind, Verantwortungen für andere anzunehmen. Ein Lehrer (sensei) wir daher immer Verantwortungen an seine besten Schüler übertagen und feststellen, wie sie damit umgehen.<br.>Allein dadurch gestaltet sich das nachfolgend beschriebene Prinzip der Pyramide immer wieder neu. Nicht immer die Höchstgraduierten stehen in der Pyramide oben, sondern diejenigen, die ihren Fortschritt immer wieder herausfordern.

Pyramide

Durch die Verantwortungen der Einzelnen entsteht eine natürliche Pyramide. Diese hat nichts mit erreichten Graduierungen zu tun, denn Hochgraduierte können abfallen und Niedergraduierte können aufsteigen. Hochgraduierte, die keine Verantwortung mehr übernehmen, steigen in der Pyramide automatisch ab und werden durch aufstrebende Grade ersetzt.<br.>So wie alle Kampfkunstübende auf der Stufe shu beginnen, aber nur einige die Stufe ha erreichen und lediglich sehr wenige auf die Stufe ri gelangen, gleicht auch die Graduierungsstruktur eines dōjō einer Pyramide. An der Spitze steht der sensei, gefolgt von wenigen, sehr fortgeschrittenen Schülern, denen wiederum weitere erfahrene Schüler folgen bis hin zur in der Regel größten Gruppe der Anfänger. Das Bild der Pyramide versinnbildlicht auch das Lehrprinzip "von oben nach unten", das in der bereits erläuterten Wechselbeziehung der senpai zu den kōhai seinen Ausdruck findet. Erhalten beispielsweise fortgeschrittene Schüler die Erlaubnis, Anfänger eigenverantwortlich zu trainieren, birgt dies für sie zum einen die Chance, sich selbst als Lehrer zu erproben.<br.>Andererseits prüft der Meister, ob jene der übertragenen Verantwortung gerecht werden, und reagiert im Unterricht der Fortgeschrittenen entsprechend. Nach dem gleichen Prinzip übernehmen die senpai auch Verantwortung für den geistigen Fortschritt der kōhai, die sich u.a. darin ausdrückt, dass erstere die Verhaltensregeln der Kampfkunstschule (dōjōkun) durch ihr vorbildhaftes Handeln in die Praxis führen und selbst auf die Einhaltung dieser Normen durch die kōhai achten. In der Umkehrung wendet sich der Meister bei einem Fehlverhalten der Anfänger nicht (nur) an diese selbst, sondern (vor allem) an die Fortgeschrittenen, die für das Versagen eines Anfängers zumindest mit verantwortlich sind.

Technisches Konzept

Hauptartikel: BSK-Graduierungen | BSK-Prüfungsordnung | Lehrplan für shōtōkan kenpō karate

Das technische Konzept des BSK ist stets verbunden mit dem erzieherischen und philosophischen Konzept der Kampfkunstübung. Der technische Fortschritt in der Kampfkunst wird im Budo Studien Kreis als ein Bestandteil einer übergeordneten Idee von Fortschritt aufgefasst und nicht, wie es in der modernen Kampfkunstpraxis häufig geschieht, als alleiniges Kriterium für die technische Weiterentwicklung eines Übenden. Im Verlaufe seiner Beschäftigung mit der Kunst gibt es dabei eine Akzentverlagerung vom primären Bemühen um technischen Fortschritt hin zu einem Hauptaugenmerk auf die geistige Seite der Kunst. Diese Akzentverlagerung korrespondiert mit dem philosophischen Konzept shuhari und der angestrebten Entwicklung vom Schüler zum Lehrer der Kampfkunst innerhalb der Unterrichtspyramide. Deshalb ist die Prüfungsordnung, die das technische Curriculum der jeweiligen Kampfkunst beinhaltet, am wichtigsten für die Übenden der Shu-Stufe, das heißt im Allgemeinen für die mudansha und jungen yūdansha. So müssen diese den Anforderungen, die für die einzelnen Kyū- und Danstufen in der Prüfungsordnung formuliert sind, in Graduierungsprüfungen entsprechen und erhalten zur Bestätigung ihres noch vornehmlich technischen Fortschritts die Erlaubnis, ihrem Rang entsprechende farbige Gürtel zu tragen. Auf den ersten Blick gehorcht der Aufbau der Prüfungsordnungen bzw. Lehrpläne dabei solch elementaren Stufen-Prinzipien wie „vom Leichten zum Schwierigen“ und „vom Einfachen zum Komplexen“.<br.>Das Bild einer linear ansteigenden Treppe genügt jedoch nicht, um die Struktur des Curriculums zu beschreiben. Im Verlaufe seiner Entwicklung muss sich der Übende immer wieder mit den Basis-Techniken und den grundlegenden Formen seiner Kunst beschäftigen, da er nur durch einen Qualitätssprung im Bereich der Grundlagen fortgeschrittene Technikniveaus meistern kann. Der Weg des technischen Fortschritts gleicht somit einer aufsteigenden, sich in ihrem Radius erweiternden Spirale, deren Zentrum die elementaren Prinzipien der Kampfkunst sind. Diese werden von Anfang an geübt, sind jedoch immer wieder auf eine neue Ebene des Verständnisses und der Perfektion zu führen. Beispielsweise taucht in der Karate-Prüfungsordnung des BSK die elementare Form heian shodan mehrfach auf, explizit bei den Maßstäben für den achten (hachikyū) und den dritten (sankyū) Rang vor dem Schwarzgurt sowie für den ersten Schwarzgurtgrad (shodan), wobei die Anforderungen steigen.

Studien Informationen

Siehe auch: Budo Studien Kreis | BSK-Lehrer | Wegübung im BSK | BSK-Kampfkünste | BSK-Prüfungsordnung | BSK-Graduierungen | Lehrplan für shōtōkan kenpō karate

Literatur

  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste. BSK 2010.
  • Werner Lind: Karate Grundlagen. BSK 2005.
  • Werner Lind: Budo, der geistige Weg der Kampfkünste. O. W. Barth 1995.

Weblinks

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