Naihanchi

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Technik aus der naihanchi

Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste

Naihanchi ナイハンチ eventuell 内範 oder 内畔戦 oder 内 oder 内歩, oder 内不安戦 oder 内蹯地 (jap): okinawanische kata des karate, Ursprung der japanischen tekki. Die Bezeichnung lässt keine eindeutige Schreibung der kanji zu, da auch die Japaner sich unsicher sind. Deshalb wird der Begriff oben zunächst in hiragana angeben, und erst danach die möglichen Schreibungen in kanji.

Geschichte und Ursprung

Naihanchi ist die okinawanische Bezeichnung für die von Meister Ason aus China eingeführte naihanchin. Sie war seinerzeit die wichtigste kata der ersten Naha te-Linie, die mit Ason begann und über Tomoyose zu Gushi zu Sakiyama und zu Tomigusuku fortführte. Mit Meister Tomigusuku endete diese Linie jedoch und hat ihre ursprünglichen kämpferischen Charakteristiken nicht mehr weitergegeben. Manche Geschichtsforscher sehen in der überlieferten Linie Chōki Motobu (motobu ryū kenpō karate) eine originale Weitergabe. Sicher hatte auch Yabu Kentsu diese kata im Original gemeistert, doch seine Überlieferungen sind heute nicht mehr bekannt. Die alte naihanchi enthielt in ihrem Kampfsystem Nahkampftechniken der atemi (Teffen), kyūsho (Vitapunktstimmulation), tuite (Greifen) und tegumi (okinawanisches Ringen). Im Ablauf war sie darauf bedacht, die Kontrolle der vitalen Energie (ki) zu lehren und präventive Gesundheitsgymnastik zu gewährleisten. Sie bestand aus über 100 Bewegungen. Diese alte kata (die es ebenfalls in verschiedenen Versionen gab), konnten wir (Budo Studien Kreis - BSK) nur teilweise recherchieren.

Nach 1900 tauchte im shuri te die dreigeteilte Version der naihanchi von Itosu Yasutsune auf. Nach Iwai (1992), Kinjo (1991) und Murakami (1991) übernahm Itosu die alte naihanchi als naihanchi shodan und gründete noch zwei Varianten dazu (naihanchi nidan und naihanchi sandan). Laut unseren Forschungen stimmt diese Theorie jedoch nicht: Itosu teilte lediglich die alte naihanchi in drei Teile, indem er nach demselben Schrittmuster auf jeden Part verschiedene Techniken legte (u.a. Aragaki, 2000). Kinjo (1991) behauptet ebenfalls, dass die seitlichen Bewegungen dazu gedacht waren, das Gleichgewicht des Körpers so aufzubauen, dass schnelle Bewegungen der Füße und des Körper entwickelt werden konnten. Auch diese Interpretation erachten wir (BSK) als vage. Nach unseren Forschungen enthält die naihanchi ausschließlich Nahkampftechniken (daher die Seitwärtsstellung, die nichts anders als Nahkampf zulässt) und reagiert überwiegend mit Kontertechniken des Greifens (tuite) und mit Vitalpunktstimmulationen (kyūsho). Obwohl in verschiedenen Interpretationen abgelehnt, kann die naihanchi sehr wohl mit dem Rücken zur Wand angewendet werden, denn ihre Techniken entsprechen explizit dem Prinzip der Nahdistanz. Selbstverständlich können in ihrer Anwendung dazu auch freie Vorwärtsstellungen eingenommen werden. Das Bunkai-Prinzip der naihanchi konnten wir (BSK) am besten über die Versionen von Chōki Motobu erforschen. Nach allen uns bekannten Naihanchi-Versionen trifft Motobus Anwendung das Original der naihanchi am besten. Choki Motobu lernte diese Kata von Matsumora Kosaku aus Tomari und interpretierte ihr bunkai weitgehend nach den Prinzipien seines eigenen Familienstils (motobu udun te), den er von seinem Bruder Choju Motobu gelernt hatte und der nachfolgend von Sekichi Uehara vertreten wurde.

Im Ablauf der naihanchi gibt es verschiedene Versionen. Die meisten bekannten naihanchi kata beginnen zur rechten Seite, vor allem diejenigen, die von Itosu, Matsumura und Kyan beeinflusst wurden. Es gibt aber auch Versionen die nach links beginnen, darunter die Ableitungen von Soko Kishimoto (wie z.B. gensei ryū oder bugeikan) oder die Tomari Überlieferungen mancher von Matsumora Kosaku beeinflussten Schulen (z.B. Gohakukai oder die Version von Chōki Motobu. Wahrscheinlich leitete sich aus letzteren auch die Version von Shimabukuro Tatsuo (isshin ryū) ab, die ebenfalls nach links beginnt. Itosu Yasutsune (Yabus Lehrer) veränderte diese Form auf seine Weise und lehrte sie seinen Schülern als naihanchi shodan, naihanchi nidan und naihanchi sandan. Wahrscheinlich ist Itosus Kreation eine Dreiteilung der ursprünglichen Form und nicht eine neue Gründung. Yabu Kentsu war damit nie einverstanden und plädierte immer dafür, Itosus Version in den okinawanischen Schulen zu unterrichten und die originale Version nur den persönlichen Schülern zugänglich zu machen. In Japan wurde die Itosu-Version übernommen und als tekki bezeichnet. Auch auf Okinawa wurden Itosus Naihanchi-Versionen weitgehend akzeptiert, obwohl es viel Widerstand von den klassischen Lehrern gab. Heute wird fast nur noch Itosus Variante (in leicht unterschiedlichen Versionen) geübt.

Die Ason naihanchi

Die Linie über Ason konstituierte die erste Kampfkunstschule in Naha, denn sie bestand bereits als Meister Higashionna aus China zurückkehrte. Sie war wie Higashionnas Schule ebenfalls von den südlichen chinesischen Stilen beeinflusst. Deshalb ist es verwunderlich, dass sich die naihanchi zwar in die Higashionna-Schule übertrug, aber dort nicht erhielt, und nur in die Richtungen des shuri te (Hand aus Shuri) vererbte, obwohl die Ason-Schule mit der Matsumura- und Itosu-Schule aus Shuri in einer scharfen Konkurrenz stand (Meister Itosu bestritt auf Herausforderungen der Naha-Schule sogar einmal einen Kampf gegen Tomoyose, bei dem er ihm mit shutō den Arm brach). Das kämpferische Grundkonzept der ursprünglichen Ason naihanchi bestand in einer Form des Kämpfen, die auf einen eingeengten Bewegungsraum beschränkt war. Deshalb übte man sie auf schmalen Brücken, Waldwegen und auf den Klippen der Felsen. Auch übte man die naihanchi früher am Flussufer, auf Steinen, die mit Algen bedeckt waren und daher den Stand erschwerten. Diese Übung vermittelte eine besondere Art sich zu bewegen, die in der heutigen tekki nicht mehr vorkommt. Die Techniken der kata enthielten viele Griffe (tuite) und zielten auf Vitalpunkte.

Die Shōrei naihanchi

Anfangs überlieferte sich die naihanchi ins naha te (Hand aus Naha), wo sie auch von Meister Higashionna Kanryō gelehrt wurde. Er nannte sie koshiki naifanchi (alte Nafanchi) und übte sie noch als typische kata der Shōrei-Schule. Ihre ursprüngliche Grundstellung, naihanchi dachi, ist verwandt mit dem heutigen sanchin dachi des shōrei ryū. In ihr ist die Stellung der Hüfte und die Zusammenarbeit der Gelenke und der Muskulatur gleich wie in sanchin dachi. Die Füße stehen etwa schulterbreit auseinander, die Fersen werden nach außen gedrückt, die Zehenspitzen zeigen nach innen. Man spannt die Knie, drückt sie nach innen und atmet tief in den Bauch. Die Hüften sind gesenkt, das Gesäß wird auf dieselbe Weise gespannt, wie in sanchin dachi. Das Körpergewicht ruht gleichmäßig in der Mitte.

Die Itosu naihanchi

Die Form gelangte schließlich in die Itosu-Schule nach Shuri, es ist jedoch sicher, dass sie auch in der Matsumora-Schule aus Tomari geübt wurde (Matsumora Kosaku lehrte diese kata den okinawanischen kumite Experten Choki Motobu). Itosu Yasutsune nahm sie auseinander und teilte sie in drei voneinander unabhängige kata auf, die er naihanchi shodan, naihanchi nidan und naihanchi sandan nannte (Ursprünglich bestand die Ason naihanchi aus über 100 Bewegungen. Die beiden letzten Naihanchi Varianten wurden von Meister Itosu nicht erfunden, sondern er trennte lediglich die ursprüngliche Variante und ließ sie in drei abgeschlossenen Kata üben). Über Meister Funakoshi Gichin gelangte diese Kata nach Japan und wurde in den dreißiger Jahren in tekki umbenannt. Im shōtōkan ryū übt man alle drei Tekki-Varianten. Das kiba dachi des shōrin ryū und ganz besonders das Konzept der Seitwärtsstellungen und Seitwärtsbewegungen aus der Itosu Schule, das typisch für die shōrin ryū naihanchi wurde, hat das Wesen dieser alten kata sehr verändert. Die Art der shōrin Stellung öffnete den unteren Körper und verlagerte die Spannungen in einen höheren Bereich. Dies wurde noch mehr intensiviert, als in Japan das kiba dachi breiter und die Knie noch mehr nach außen gedrückt wurden. Die Folge war ein veränderter Energiefluss und eine stärkere Betonung auf reine Körperausbildung. Heute haben die tekki Varianten bezüglich ihrer direkten Übersetzung in den Kampf nur eine geringe Bedeutung, da sie zusätzlich von Itosu auch technisch verändert wurden. Der Grund dafür ist die bereits seit der Ason Schule verlorengegangene kämpferische Interpretation dieser kata, die direkt mit dem shōrei-typischen Energie Konzept (ki, und qìgōng) und den Techniken der tuite zusammenhing. Im shōrin ryū gewann die tekki einen neuen Inhalt in der Körperausbildung. Es gibt Meister, die den wie sie die Tekki vorführen. Gleichzeitig sagen sie, dass man die tekki nicht vorführen sollte, ehe man sie nicht 10.000 mal wiederholt hat. Dies belegt Meister Funakoshi Gichin, der in seiner Jugend 10 Jahre lang nichts anderes als die tekki-kata geübt hat.

Studien Informationen

Siehe auch: tekki | Karate-Kata |

Literatur

  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste. BSK-Studien 2010.