Okinawanische Geschichte

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Artikel von: Werner Lind<br.>Nachbearbeitet von:

Okinawanische Geschichte

Die okinawanische Geschichte ist von der Geschichte Japans und Chinas getrennt zu betrachten obwohl es mit beiden Ländern intensive Kontakte und Beeinflussungen gab.

Frühgeschichte, Altertum und Mittelalter

Der Ursprung der Einwohner Okinawas ist ungeklärt. Es deutet viel darauf hin, dass die ersten Bewohner Überlebende eines gestrandeten Schiffes waren. Dazu kamen gelegentliche Einwanderer aus dem Norden, die Haushaltsgegenstände, Haustiere, Werkzeuge und Kulturgegenstände mitbrachten. Da es auf Okinawa eine Mischung verschiedener Völkerrassen gibt, glaubt man, dass zu diesen früheren Rassen Malayen, Mongolen und die japanischen Ainu gehörten. In den letzten zweitausend Jahren hat es auf Okinawa jedoch keinen größeren Einwandererstrom mehr gegeben, der gravierende Einflüsse auf die Mentalität der Bewohner gehabt hätte. Die hauptsächlichen Verhaltensmuster der Ryūkyū-Kultur wurden bereits vor 2000 Jahren wesentlich durch den Shintōismus geprägt.<br.>Bereits im 3. Jahrhundert v.Chr. gab es Kontakte mit dem Festland, wodurch einige Einflüsse, besonders aus Südostasien, stattfanden. Die okinawanische Kultur ist dementsprechend eine bunte Mischung aus mehreren Elementen. Die äußere Erscheinung der Menschen ähnelt jedoch am meisten den Japanern.

Früher Einfluss aus China (ab 605)

Die ersten Kontakte mit China fanden während der Zeit der Sui-Dynastie (560-618) statt. Dies geschah auf Veranlassung des chinesischen Kaisers Yang Chien, der die Geheimnisse des ewigen Lebens und die Verwandlung von Metall in Gold ergründen wollte. Zu diesem Zweck entsandte er im Jahre 605 eine Expedition auf die Suche nach dem Land der „glücklichen Unsterblichen“, das der Sage nach irgendwo im Osten liegen sollte. Daraufhin gelangten die Chinesen auf die Ryūkyū Inseln. In chinesischen Dokumenten wird danach von den Inseln Liu Ch'iu berichtet, wobei Ideogramme verwendet wurden, die im Japanischen als Ryūkyū ausgesprochen werden. Okinawa - die größte Insel des Archipels - spielte dabei eine zentrale Rolle.<br.>698 und 743 wurde Okinawa von japanischen Expeditionen besucht, woraufhin es an Japan Tribut zahlen musste. Im 7. Jahrhundert gestand China den Japanern offiziell ihre politische Unabhängigkeit zu, und in der Folge entstand ein reger Handelsverkehr zwischen den beiden Ländern. Häufig fuhren Schiffe zwischen Japan und China hin und her, und viele wurden im Laufe der Jahre als vermisst gemeldet. Auf ihnen befanden sich auch oft Gesandtschaften, bestehend aus Priestern, Soldaten und Beamten, und es liegt nahe, dass zumindest einige von ihnen auf Okinawa strandeten und damit einen erheblichen Einfluss auf die primitive Kultur der Insel nahmen.

Einflüsse aus Japan (ab 1165)

Im 7. und 8. Jahrhundert entstand aufgrund des Konfliktes zwischen den rivalisierenden Taira und Minamoto ein reger Reiseverkehr zwischen Japan und Okinawa. Viele dieser Reisenden waren Mitglieder der japanischen Kriegerkaste (samurai), kampfgewandte buddhistische Wanderpriester und Gelehrte. Es kamen auch chinesische Mönche, die in Okinawa blieben. 1165 hielt sich Minamoto no Tametomo mit seinen Truppen auf Okinawa auf. Er etablierte dort eine Armee und bildete die Soldaten in verschiedenen japanischen Kriegstechniken aus. Man vermutet, dass in diesem Zusammenhang das tegumi entstand, das auf die spätere Entwicklung der okinawanischen Kampfkünste Einfluss nehmen sollte. Es ist anzunehmen, dass auch das chinesische quánfǎ bereits in dieser Zeit seinen Weg nach Okinawa fand.<br.>In der Vorzeit gab es auf Okinawa keine Regierung oder herrschende Klasse. Minamoto no Tametomo, der sich zu einem erneuten Angriff auf die Taira wappnete, heiratete ein okinawanisches Mädchen, und sie bekamen einen Sohn, den sie Shunten (Sonton oder Shyun, 1186-1237) nannten. Dieser Sohn sollte ab 1187 der erste einer neuen und fähigen Linie von Herrschern (tensonshi) über die Ryūkyū werden. Zunächst hatte er viele Rivalen, gegen die er sich in kriegerischen Auseinandersetzungen behaupten musste. Zur Verteidigung erbaute er nach dem Vorbild entsprechender japanischer Kriegsführung chikujōjutsu mehrere befestigte Burgen, unter anderen das Schloss von Shuri. Schließlich aber etablierten sich drei hauptsächliche Provinzen, die voneinander unabhängig die Gunst und Anerkennung Chinas suchten.

Drei okinawanische Staaten (ab 1350)

Im 14. Jahrhundert entstanden aus örtlichen Zusammenschlüssen vieler kleinerer Gebiete drei okinawanische Staaten: Chuzan (Gebirge in der Mitte), Nanzan (Gebirge im Süden) und Hokuzan (Gebirge im Norden). Diese Periode nennt man daher sanzan jidai (Zeitalter der drei Gebirge). Die Herrscher Sato (1350-1395) von Chuzan, Ugusato von Nanzan und Hanaji von Hokuzan versuchten voneinander getrennt Kontakt mit China aufzunehmen und durch dessen Unterstützung den gegenseitigen Konkurrenzkampf zu gewinnen.

Gründung des Ryūkyū-Königreiches (1372)

Sato war der erste, dem dies gelang. Ab 1372 verlieh ihm der chinesische Kaiser die Königswürde und die Regierungserlaubnis über das Inselreich der Ryūkyū. 1389 etablierte er als neu ernannter okinawanischer König auch Handelsbeziehungen zu Korea.<br.>Im Jahre 1392, noch während der Regierungszeit von König Sato, veranlasste der chinesische Kaiser, dass eine größere Anzahl von Chinesen dauerhaft auf Okinawa wohnen sollte. Diese Gruppe von Chinesen aus Fuzhou (Fukien), bekannt unter der Bezeichnung „36 Familien“, siedelte sich in der Ortschaft Kumemura, in der Nähe von Naha an. Unter ihnen befanden sich viele Experten des chinesischen quánfǎ, die das okinawanische tegumi und te nachhaltig beeinflussen sollten.<br.>Der Ming-Kaiser Zhu Yuan Zhang beabsichtigte bereits seit 1372 einen intensiven Kulturaustasch mit den Ryūkyū. König Sato akzeptierte 1392 die feste Verbindung zu China und stimmte dem Plan zu, eine chinesische Niederlassung in der okinawanischen Siedlung Kumemura (Kuninda) zu bauen. Mit dem Einzug der chinesischen Delegationen (bestehend aus Diplomaten, Kaufleuten und Kampfkunstexperten aller Art) in Kumemura begann die Geschichte der legendären „36 Familien“, die die okinawanische Kultur, Gesellschaft und Politik nachhaltig beeinflussen sollte.<br.>Im Laufe der Jahre entwickelte sich Kumemura zur bedeutendsten chinesischen Bildungsstätte für aristokratische Okinawaner und galt gleichzeitig als Anlaufstelle für die chinesischen Gesandten und Diplomaten. Zugleich war die Siedlung der wichtigste Ausbildungsort für hochgestellte Okinawaner, die dort die chinesische Sprache und praktische Künste wie Schiffsbau, Navigation, chinesische Verwaltung und auch die chinesischen Kampfkünste quánfǎ lernten.

Chinesische Gesandte und Herrscher auf Okinawa
Chinesische Gesandte - Könige von Okinawa
Kein Gesandter - Shunten (1186-1237)
Kein Gesandter - Shun Bujanki (1238-1248)
Kein Gesandter - Gihon (1249-1259)
Kein Gesandter - Eiso (1260-1299)
Kein Gesandter - Taisei (1300-1308)
Kein Gesandter - Eiji (1309-1313)
Kein Gesandter - Tamagusuku (1314-1336)
Kein Gesandter - Seiji (1337-1349)
Ryūkyū-Königreich (1372-1879)
1392 "36 Familien" - Sato (1350-1395)
1404 Shi Zhong - Bunei (1396-1405)
Erste Shō-Dynastie (1406-1468)
1421 Unbekannt - Shō Shishō (1406-1421)
1425 Cai Shan - Shō Hashi (1422-1439)
1443 Yu Bian - Shō Chu (1440-1444)
1447 Cheng Fu - Shō Shiken (1445-1449)
1452 Giao Yi - Shō Kinfuku (1450-1453)
1456 Yu Cheng - Shō Taikyū (1454-1460)
1463 Pan Yong - Shō Toku (1461-1468)
Zweite Shō-Dynastie (1470-1879)
1473 Guan Rong - Shō En (1470-1476)
1476 Unbekannt -Shō Seni (1477)
1479 Dong Wong - Shō Shin (1477-1526)
1534 Chen Kann - Shō Sei (1527-1555)
1561 Guo Ru Ling - Shō Gen (1556-1572)
1579 Xia Zi Yong - Shō Ei (1573-1588)
Satsuma-Herrschaft (1609-1879)
1606 Xia Zi Yong - Shō Nei (1589-1620)
1633 Du Shan Ce - Shō Ho (1621-1640)
1640 Unbekannt - Shō Ken (1641-1647)
1663 Zhang Xue Li - Shō Shitsu (1648-1668)
1683 Wang Ji - Shō Tei (1669-1709)
1709 Unbekannt - Shō Eki (1710-1712)
1719 Hai Bao - Shō Kei (1713-1751)
1756 Guan Kui - Shō Boku (1752-1794)
1800 Zhao Wen Kai - Shō On (1795-1802)
1421 Unbekannt - Shō Sei (1803)
1803 Gi Kun - Shō Ko (1804-1834)
1838 Lin Hong Nian - Shō Iku (1835-1847)
1866 Zhao Xin - Shō Tai (1848-1879)

Erste Shō-Dynastie (1406-1468)

König Shō Hashi (1422-1439)

Im Jahre 1429 wurde Okinawa zum vereinten Königreich unter der Führung des Königs Shō Hashi (1422-1439). Vor seiner Zeit regierte sein Vater Shō Shisho aus Chuzan. Shō Hashi, damals noch ein unwichtiger Regierungsbeamter, verhalf zunächst seinem Vater zum Sieg über König Bunei und mit Unterstützung der Chinesen zur Königswürde über ganz Okinawa.<br.>Als Shō Hashi selbst an die Macht kam, ernannte er die Mitglieder seiner Familie zu Fürsten (aji) in den drei Regionen Okinawas und änderte deren Namen: Chuzan in Nakagami, Hokuzan in Kunigami und Nanzan in Shimajiri. Der neue König verbot in ganz Okinawa den Besitz von Waffen, denn er wollte die Rivalitäten beenden, um die okinawanische Bevölkerung aus ihrem existenzbedrohenden Elendszustand zu erlösen. Er lud erneut chinesische Beamte ein und begann von ihnen Staatsangelegenheiten zu lernen. Sein erster Schritt war, Okinawas Handelsbeziehungen mit den umliegenden Ländern zu verbessern. Shuri wurde zur Hauptstadt, und bald darauf entwickelten sich Shuri und Naha (die größten Städte des Landes) zu Verkehrszentren im Pazifik und begannen sehr gewinnbringend zu arbeiten. Die Wirkung des ausgedehnten Handels auf die Entwicklung des Karate blieb nicht aus, denn ganz plötzlich hatten die Menschen Okinawas Kontakt zu Arabern, Malayen, Indonesiern und Thailändern, die sich häufig in den Handelszentren aufhielten. Von dort wurden einige Kampftechniken importiert.

Zweite Shō-Dynastie (1469-1879)

König Shō En (1470-1476)

Doch während der Regierungszeit des Königs Shō Toku (1461-1468) kam es zu einem schweren Konflikt in der Shō-Familie und im ganzen Land zu Unruhen. Der Finanzminister des Königs, Kanamaru, konnte sich gegen seine Widersacher durchsetzen und erreichte 1469 die Macht. Er stürzte 1476 die erste Shō-Dynastie, errichtete die zweite Shō-Dynastie und regierte unter dem Namen Shō En (1470-1476). Diese zweite Shō-Dynastie hielt sich über 19 Generationen und bestand bis 1879.

König Shō Shin (1477-1526)

1477 kam König Shō Shin an die Macht. Das erste, was der neue König unternahm, war ein striktes Verbot des Tragens von Schwertern, sowohl für Adelige als auch für Bauern. Er ordnete die Beschlagnahmung aller Waffen an und ließ sie in sein Schloß nach Shuri bringen. Durch seine Verordnung mussten ab sofort auch alle Mitglieder des okinawanischen Adels zusammen mit ihren Familien in der Hauptsstadt Shuri leben. Dadurch erhoffte er sich eine bessere Kontrolle bei Aufständen.<br.>Nachdem König Shō Shin sein Volk entwaffnet hatte, entstand als Konsequenz neben dem te ein zweites Kampfsystem, Ryūkyū-Kobujutsu (Waffenkunst der Ryūkyū), das von Bauern und Fischern entwickelt wurde und landwirtschaftliche Geräte als Waffen gebrauchte. Sowohl das te als auch das kobujutsu standen unter strengster Geheimhaltung. Viele Geschichtsforscher sehen den Anlass zur enormen Entwicklung und Akzentuierung der okinawanischen Kampfkünste in diesem Waffenverbot, das später durch japanische Herrscher erneuert wurde.

Japanische Frühmoderne (Kinsei, 1603-1868)

Hauptartikel: Japanische Geschichte | Japanische Frühmoderne | Japanische Zeitalter

Im Jahre 1603 besiegte Tokugawa Ieyasu den Nachfolger von Toyotomi Hideyoshi (seinen Sohn Toyotomi Hideori) und seine Verbündeten in der Schlacht von Sekigahara, erwarb den Titel des shōgun und errichtete erneut einen zentralistischen Militärstaat. Damit begann die japanische Frühmoderne kinsei und gleichzeitig das edo jidai oder tokugawa jidai.

Satsuma-Herrschaft auf Okinawa (1609-1879)

Okinawa erblühte bis zum 16. Jahrhundert sowohl kulturell als auch wirtschaftlich vor allem durch den Einflus der Chinesen. Das verhängnisvolle Datum der Insel war das Jahr 1609. Damals befand sich der bedeutende Satsuma-Clan von Kyūshū (Japan), der von der Shimazu-Familie angeführt wurde, im japanischen Bürgerkrieg von 1600 auf der Seite der Verlierer. Der Tokugawa-Clan, der die Schlacht von Sekigahara gewonnen hatte, erlaubte den unterlegenen Satsuma, ihre Fürstengebiete zu behalten (als tozama daimyō - Fürst von außerhalb). Wegen der möglichen Bedrohung jedoch, die von den tozama daimyō immer ausging, behielt man die Satsuma im Auge. Eines Tages erließ die Regierung das sogenannte „Tokugawa-Dekret“ (Tokugawa), in dem den Satsuma erlaubt wurde, Okinawa zu erobern. 1609 beendete die Invasion der Satsuma die Unabhängigkeit Okinawas.<br.>Japans allgemeines Interesse an Okinawa geht auf das 12. Jahrhundert zurück und begründet sich zum Teil darin, dass der erste König Okinawas, Shunten, japanischer Abstammung war. Doch Japan begann in der Geschichte Okinawas erst ab 1451 eine Rolle zu spielen. Ab diesem Zeitpunkt mussten die Okinawaner den Japanern und den Chinesen Tribut zahlen. Okinawa, ohne militärische Macht, unterwarf sich den Forderungen beider Länder. Zwischen China und Japan gab es diesbezüglich kaum Konflikte, obgleich zwischen diesen Ländern eine alte Rivalität bestand.<br.>Erst im Jahre 1609, 158 Jahre nach Beginn der Tributzahlungen, richtete Japan zum ersten Mal militärische Streitkräfte gegen Okinawa. Der Grund dafür war nicht nur, dass die Tokugawa-Regierung dem Satsuma-Clan die Möglichkeit geben wollte, die Schande des verlorenen Krieges abzuwaschen, sondern Japan wollte die Okinawaner dafür bestrafen, dass diese im vorausgegangenen China-Krieg Japan nicht unterstützt hatten. Die Invasion des Satsuma-Clans auf Okinawa störte die Chinesen jedoch nur wenig. China wusste, dass es zur Zeit nicht in der Lage war, einen Krieg gegen Japan zu gewinnen, zumal es in der vorausgegangenen Schlacht den Großteil seiner Flotte verloren hatte.<br.>Nachdem der Satsuma-Clan Okinawa besetzt und unterworfen hatte, beanspruchte er gleichzeitig auch die Vorherrschaft über alle Ryūkyū-Inseln. Der okinawanische König Shō Nei (1589-1620) wurde festgenommen und als Geisel nach Japan gebracht. Die Einwohner Okinawas arbeiteten jedoch nur im allergeringsten Maß mit den Japanern zusammen, was zu harten Einschränkungen ihrer Freiheiten führte.<br.>

Zusammenstöße von Bauern und Satsuma Samurai

Eine ganze Reihe von beschränkenden Verordnungen, die von Shimazu Iehisa verkündet wurden, beinhalteten auch eine Erneuerung des alten Waffenverbotes. Dennoch gab es zahlreiche Zusammenstöße zwischen den japanischen samurai und den Inselbewohnern. In jener Zeit fanden die Kampfkünste einen enormen Aufschwung. Verschiedene Quanfa- und Te-Gemeinschaften trafen sich in geheimen Konferenzen, und schließlich wurden die Stile 1629 zu einer gemeinsamen Front gegen den Feind mobilisiert. Dies hatte zur Folge, dass sich aus der Kombination zwischen te und quánfǎ ein neuer Kampfstil entwickelte, der tōde genannt wurde. Es war ein chinesisch beeinflusster Kampfstil, dessen Ansatz auf der „echten“ Anwendung der Techniken beruhte. Das tōde verwendete tödlich effektive Methoden, die gegen die japanischen Unterdrücker angewendet wurden. Auch begann man den Gebrauch verschiedener Werkzeuge als Waffen zu studieren, und damit nahm auch die Weiterentwicklung des kobujutsu einen ungeheuren Aufschwung. Diese Entwicklung im 17. Jahrhundert ist der erste überlieferte Beweis für die okinawanische Selbstverteidigung te, die von den chinesischen Systemen quánfǎ beeinflusst wurde und später zum tōde und okinawate, den Vorläufern des modernen karate führen sollte.<br.>Alle Systeme waren geheim und natürlich gab es Konzepte, die ihre Schwerpunkte mehr im te hatten, und andere, die stärker vom quánfǎ beeinflusst wurden. Die Kampfkunstmeister übten sich entsprechend dem alten okinawanischen Kodex (kikotsu), laut dem sie ihre Kampfkraft zur Verteidigung ihrer Heimat einsetzen mussten. Sie bildeten geheime Widerstandsgruppen und bekämpften die japanischen samurai mit allen Mitteln. Viele starben in diesen Auseinandersetzungen, da die unbewaffneten Okinawaner nur wenige Chancen gegen die Waffen der samurai (buki) hatten. Manche entwickelten auch unscheinbare Waffen (, nunchaku, tonfa, sai, kama, usw.), die sie als Landwirtschaftsgeräte mit sich trugen und im Kampf gegen die samurai einsetzen konnten. Sie überfielen die samurai überall wo sie sie trafen, töteten sie und zogen sich unbemerkt zurück.<br.>Bald wurde der Satsuma-Regierung klar, dass die okinawanische Kampfkunst eine starke Beeinträchtigung ihrer Macht bedeutete. Daher wurde jeder Okinawaner, der sich in den bewaffneten oder unbewaffneten Künsten übte, gefangengenommen oder getötet. Die samurai untersuchten die Bauern nach Zeichen von Makiwara-Training an den Fäusten, nach waffenverdächtigen Arbeitsgeräten, kontrollierten ihre Häuser und versuchten ihre geheimen Treffpunkte aufzuspüren. Sie blieben immer in größeren Gruppen zusammen, um die beständigen Angriffe der Okinawaner abzuschwächen. Doch viele von ihnen starben im Kampf gegen okinawanische Bauern, die im tōde und kobujutsu ausgebildet waren.

Als die japanischen Besatzer merkten, dass sie durch Kontrollmaßnahmen die Entwicklung nicht stoppen konnten, belegten sie das ganze Land mit schweren Strafen. Zuerst wurden die Steuern erhöht. Die japanischen Beamten fanden immer neue Wege, von der Bevölkerung enorme Produktionsleistungen zu erzwingen, so dass für die Menschen kaum noch etwas zum Leben übrig blieb. Die Okinawaner wurden im wahrsten Sinne des Wortes terrorisiert. Auf Yonaguni (Nebeninsel im Südwesten Japans) z.B. gab es inmitten der Insel einen Gong, den die Satsuma-Samurai schlugen, wenn sie alle Inselbewohner zum Rapport antreten lassen wollten. Dann mußten die Bewohner so schnell es ging übers Feld zur Sammelstelle laufen, die man isshōda nannte. Die Älteren und Kranken, die dies nicht mehr konnten, wurden getötet.<br.>Am Strand von Kubuwari (Nebeninsel) gab es einen 3,60 m breiten Spalt in einem Felsen. Alle schwangeren Frauen mußten auf Anordnung der Satsuma darüberspringen. Diejenigen, die dies nicht schafften, stürzten sich dabei in den Tod. Die Bewohner waren gezwungen, äußerste Härten zu ertragen, um erhöhte Produktionen an Reis, Korn und anderen Waren zu erbringen, die die Satsuma forderten. Gleichzeitig mussten sie auch noch den Chinesen Tribut zahlen. Solche und viele andere Begebenheiten fanden zu jener Zeit auf der Insel statt.<br.>Die Geheimgruppen hatten das Ziel, ihren gefangenen okinawanischen König zu befreien. Erst zwei Jahre nach der Invasion kam dieser wieder nach Okinawa zurück, nachdem ein Vertrag mit der Tokugawa Regierung geschlossen wurde, der Okinawa als das Alleineigentum der Satsuma garantierte. Der König wurde erneut in sein Amt eingesetzt, blieb jedoch unter ständiger Aufsicht und war eine Marionette der Satsuma.<br.>

König Sho Tei (1669-1709)

So hatten die Okinawaner auch weiterhin allen Grund, ihren Widerstand gegen die japanischen Satsuma aufrechtzuerhalten. Ihr bestes Mittel dazu waren die Kampfkünste. Obwohl es niemals zu einem organisierten Aufstand kam, gab es überall auf der Insel tätliche Auseinandersetzungen. Das tōde, das in diesen Auseinandersetzungen angewendet wurde, blieb bis ca. 1900 von äußerster Geheimhaltung umgeben. In den ersten dreißig Jahren der Besetzung wurden die Kampfkünste so geheim gehalten, dass es nur nahen Verwandten gelang, von einem Meister unterrichtet zu werden. Wären diese Meister bekannt geworden, hätte man sie mit dem Tod bestraft. In dieser Zeit wurde auch die geschriebene Chronik der okinawanischen Kampfkünste angehalten und erst um 1700 wieder aufgenommen. So blieb diese Zeit von fast 90 Jahren, in der der Grundstein des okinawanischen tōde und kobujutsu gelegt wurde, in der Geschichte des Landes praktisch inexistent.<br.> Erst ab 1724 gibt es erneute Informationen über die Geschichte der okinawanischen Kampfkünste. Es hatte sich viel von der anfänglichen Spannung gelegt, wofür besonders König Shō Tei (1669-1709) sorgte, obwohl auch er nur eine Marionette der Satsuma war. Doch er setzte es durch, dass höhere Stellungen im Staat wieder für Okinawaner zugänglich wurden und dass Okinawaner nach China reisen durften. Außerdem hatten viele der Satsuma-Samurai okinawanische Frauen geheiratet, was zu einer Annäherung der beiden Völker führte. Keineswegs jedoch gab es Freundschaft, sondern bestenfalls einen Waffenstillstand.

Japanische Moderne - (Kindai, 1868-1989)

Hauptartikel: Japanische Geschichte | Japanische Moderne | Japanische Zeitalter

Die japanische Moderne beginnt 1886 mit der Entmachtung des letzten shōgun zugunsten der Reinstallation der Kaiser-Regierung der Familie Meiji. Den Vorgang nennt man meiji isshin, das Zeitalter ihrer Regierung nennt man meiji jidai. Für Okinawa und die Ryūkyū-Inseln kennzeichnet dieses Datum die vollständige Integration ins japanische Kaiserreich.<br.>Nach dem verlorenen Weltkrieg wurden die Ryūkyū-Inseln jedoch von den USA besetzt, ein Zustand, der bis heute anhält.

Angliederung an Japan (ab 1879)

In der Mitte des 19. Jahrhunderts erreichten verschiedene Expeditionen aus dem Westen (Britannien, Frankreich, Niederlande) Okinawa und seine umliegenden Inseln, die nach wie vor vom Satsuma-Klan beherrscht wurde. 1853 landete der amerikanische Flottenkommendant Perry Calbraith Matthew, auch bekannt als „Kommodore Perry“ mit seiner Flotte in der okinawanischen Hafenstadt Tomari und bot Freundschaft, Handel und Hilfe an, was die Satsuma erstmals gewährten.<br.>Doch 1868 trat Japan im Zuge der Meiji-Restauration (meiji isshin) in ein neues Zeitalter ein meiji jidai in dem der shōgun (Militärdiktator) entmachtet wurde und der tennō (Kaiser) erneut die Regierungsgewalt erhielt. Gleichzeitig wurde der Gesellschaftsstand der samurai aufgehoben und und eine neue Klassenstruktur (Japanische Verwaltugsgliederung) gegründet.<br.>Bereits 1871 gab es Versuche, die Ryūkyū vollständig an Japan anzugegliedern. Doch diese Bemühungen ergaben zunächst Schwierigkeiten, denn auch die Chinesen beanspruchten Einflüsse auf die Inseln (siehe dazu Ryūkyū-Königreich).Schließlich wurde der Ryūkyū-König 1879 von den Japanern abgesetzt und nach Tokyo gebracht, wo man ihm eine hohe Beamtenstellung und eine beträchtliche Pension gewährte. Gleichzeitig unterbanden die Japaner auch die Tributzahlungen an China. Der japanische Kaiser wurde 1879 zum alleinigen Herrscher auf Okinawa ausgerufen. Damit endete die 259jährige Herrschaft der Satsuma, und Okinawa wurde 1895 offiziell zur 47. Präfektur Japans (Präfektur Okinawa) erklärt. Zwar blieben die wichtigsten Regierungsposten in den Händen der Satsuma, aber all ihre früheren Edikte wurden durch den Kaiser aufgehoben.<br.>Die japanische Regierung schickte nun Unterstützung nach Okinawa, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Ein umfassendes Programm der Erziehung und des Unterrichtes in japanischer Sprache wurde eingeleitet. Das Land wurde industrialisiert und viele Einrichtungen modernisiert.

USA-Besatzung (ab 1945)

Japan verlor den Zweiten Weltkrieg (Zweiter Weltkrieg) in dessen Folge die Ryūkyū-Inseln von den Amerikanern besetzt wurden. Die USA errichteten auf den Inseln amerikanische Militärbasen, die bis heute bestehen.

Studien Informationen

Siehe auch: Okinawa | Uchina | Ryūkyū-Königreich | Präfektur Okinawa | Okinawanische Kampfsysteme |

Literatur

  • George H. Kerr: Okinawa - The Hisory of an Island People, Tuttle 2000.
  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste, BSK-Studien 2009.
  • Werner Lind: Okinawa Karate, Sportverlag Berlin 1998.
  • Werner Lind: Karate Kumite, BSK-Verlag 2014.
  • Shoshin Nagamine: The Essence of Okinawan Karate, Tuttle 1976.
  • Richard Kim:The Weaponless Warriors, Ohara 1974.
  • Morio Higaonna: Okinawa Goju ryū, Minamoto Research, 1985.
  • Mark Bishop: Okinawan Karate, A & B Black 1989.
  • Pierre Portocarrero: Tode les origines du Karate do, Sedirep.
  • George W. Alexander: Okinawa Island of Karate, Yamazato 1991.
  • Kenji Tokitsu: Histoire du Karate do, SEM 1979.
  • Hokama Tetsuhiro: Timeline of Karate history, 2007.