Kokushu

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Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste<br.>Nachbearbeitet von: Werner Lind

Mit kokushu (国主, koku - Land, Provinz shu - Herr) bezeichnet man den Verwaltungsvorstand einer japanischen Provinz, die Verwaltung heißt kokushi (国司, koku - Land, Provinz shi - Amt, Behörde). Die Familien der kokushu wurden vom tennō (Kaiser) selbst aus den Reihen der adeligen Hofbeamten kuge ausgewählt und als kaiserliche Gouverneure in die Länder geschickt. Ihre wichtigste Aufgabe war es, die kaiserlichen Interessen in den auswärtigen Provinzen wahrzunehmen.

Geschichte der kokushu

In der frühen Geschichte des nara jidai (710-794) und heian jidai (794-1192) waren die kokushu die unumstrittenen Kriegerfürsten der Provinzen (kuni) und standen diesen als Landesherrn im Auftrag des tennō übergeordnet vor. Sie sollten die Provinzen verwalten und Steuern eintreiben. Doch im kamakura jidai (1192-1333) veränderte sich Japan in eine Militärdiktatur. Der amtierende shōgun entsendete eigene Gefolgsleute (shugo - Militärverwalter und jitō - Zivilverwalter) in die Provinzen, die den Einfluss der kokushu brechen und die Steuereinnahmen dem bakufu (Militärzentrum) zuleiten sollten. Dadurch entstand ein erbitterter Machkampf zwischen den Anhängern der beiden Parteien (kuge und buke), der im sengoku jidai (1482-1568) in einem erbitterten Krieg der Landesfürsten (daimyō) gipfeln sollte. Erst im edo jidai (1603-1868) wurde das Land von Tokugawa Ieyasu befriedet.

Nara jidai (710-794)

Im nara jidai waren die kokushu / kokushyu (Provinzgouverneure) oder kokushi / kokugaryō (Provinzregierung) die vom Kaiser in die Provinzen (kuni) eingesetzten allmächtigen Lehensfürsten, die in jener Zeit alle dortigen Aktivitäten kontrollieren und dem tennō die daraus resultierenden Steuern eintreiben sollten. Sie entstammten dem klassischen Geschlecht des Hofadels (kuge) und wurden stets vom tennō selbst ernannt. Zu jener Zeit war Japan in Provinzen (kuni) aufgeteilt, denen je ein kokushu vorstand. Einzelne Ländereien (shōen) wurden an Bauern gegen Zins verpachtet.

Heian jidai (794-1192)

Als Gouverneur (kokushu) in eine abgelegene Provinz ausgegliedert zu werden, galt bei den verwöhnten Höflingen (kuge) des japanischen Kaiserhofes (kōzoku) zunächst als Strafe und wurde nur ungern angenommen. Das Leben am Hof war stets angenehm und bequem, doch der Hofstaat des Kaisers vergrößerte sich immer mehr und musste aus finanziellen Gründen dringend entlastet werden. Die ausgelagerten Familien zogen im Auftrag des tennō in die ihnen zugedachten Gebiete und entwickelten sich gegen Ende des heian jidai zu mächtigen Kriegerfürsten, mit eigener militärischer Macht. Sie betrachteten die ihnen zugewiesenen Lehen zunehmend mehr als Eigentum, gründeten eigene Armeen (bushidan), die von ihren nächsten Angehörigen (rōtō) angeführt wurden. Der Kaiser bediente sich ihrer Armeen, um die nördlichen Ainu zu besiegen. Manche ihrer Anführer wurden als hohe Generäle ausgezeichnet. Einer von ihnen, Sakanoue Tamuramaro, unterwarf im Jahr 804 die Ainu und drängte sie auf die nördliche Insel Hokkaidō zurück. Dafür erhielt er den Titel seii taishōgun (征夷大将軍, großer General zur Unterdrückung der Barbaren). Damit geriet das Machtverhältnis zwischen den kaisertreuen kuge (Hofadelige) und den aufstrebenden buke (Kriegerfamilien) ins Wanken.

Kamakura jidai (1192-1333)

Nachdem sich Japan im kamakura jidai als Militärdiktatur etablierte, erhielten die kokushu (kuge - Hofbeamte des Kaisers) starke Konkurrenz von den designierten Amtsinhabern des shōgun (buke - Kriegerfamilien). Um den Einfluss des Kaisers (tennō) zu reduzieren entsandte der erste Militärdiktator (Minamote Yoritomo) eigene Vertreter (shugo und jitō) in die Provinzen, die die kaiserlichen kokushu kontrollieren und ihre Macht brechen sollten. Dadurch entstanden in den Provinzen erbitterte Kämpfe zwischen den kaiserlichen kokushu (kuge) und den militärischen shugo und jitō (buke). Je nachdem, wer aus diesen Auseinanderstzungen als Sieger hervorging, sollte später die sich verselbständigende Macht der daimyō verkörpern, die im sengoku jidai zu blutigen Kriegen im ganzen Land führte.<br.>Das vom Kaiser etablierte Verwaltungssystem der Provinzen blieb bis zum sengoku jidai (1482-1568) nominell erhalten, verlor jedoch bereits 1192 durch die Gegenreaktion aus dem bakufu einen Großteil seiner Wirkung. Der erste shōgun Minamoto Yoritomo setzte den kaiserlichen kokushu einen Machtforum vor, das aus Militärgouverneuren (shugo) und Bezirkskommandanten (jitō) bestand. Dadurch entbrannte in den Ländern ein erbitterter Machtkampf zwischen den Anhängern des tennō und den Getreuen des shōgun, der stellvertretend für den Machtkrieg zwischen Kaiser (tennō) und Militärdiktator (shōgun) stand.

Ashikaga-Muromachi jidai (1333-1568)

Im beginnenden (Ashikaga-Muromachi jidai) wechselten die Machtkompetenzen des tennō mit denen des shōgun. Im kenmu irai tsuika (1333-1336) konnte die Regierungsgewalt des tennō zeitweise wieder hergestellt werden. Das Reich teilte sich jedoch (1336-1392) in eine nördliche und eine südliche Kaiserdynastie (nanbokuchō) in der sich Kaiser, Militärdiktator und Landesfürsten unaufhaltsam bekämpften. Durch die Schwäche der Staatsmacht erstarkten die daimyō (Landesfürsten, hervorgegangen aus kokushu, shugo und jitō) und führten im sengoku jidai („Zeit der streitenden Reiche“, 1482-1568) nicht endende Eroberungskriege untereinander. Diese Zeit begann mit dem Ōnin-Krieg (ōnin no ran) und endete in einem totalen Kollaps der kaiserlichen und militärischen Regierungen zugunsten der Landesfürsten (daimyō). Im Jahr 1568 kam (Oda Nobunaga) an die Macht und leitete das Zeitalter der Militärdiktaturen der daimyō ein.

Azuchi-Momoyama jidai (1568-1603)

Im Azuchi-Momoyama jidai besiegte der mächtige Landesfürst Oda Nobunaga nacheinander alle kriegerischen daimyō und einigte sie unter seiner Herrschaft. Sein Nachfolger Hideyoshi Toyotomi herrschte als zentraler Kriegerfürst (taikō) über die daimyō und bescherte dem Land Einheit, Frieden und Aufschwung. Doch nach seinem Tod entbrannte ein erbitterter Streit um seine Nachfolge, den der emporstrebende daimyō Tokugawa Ieyasu in der Schlacht von Sekigahara (1600) für sich entscheiden konnte. Dadurch wurde das edo jidai eingeleitet.

Edo jidai (1603-1868)

Die Tokugawa waren entfernte Verwandte der Minamoto. Anfangs unbedeutende daimyō aus der Provinz Mikawa, gelang es Tokugawa Ieyasu (Lebensdaten 1543-1616) anfangs durch geschickte Bündnisse und schließlich durch die entscheidende Schlacht von Sekigahara gegen die Erben von Hideyoshi den Titel des shōgun zu erreichen. Er etablierte seine Militärhauptstadt (bakufu) in Edo (heute Tōkyō) und leitete das edo jidai (auch tokugawa jidai) ein. Durch eine Reihe neuer Gesetze und Verordnungen (shinōkōshō und ken’yakurei) festigte er seine Macht, die seiner Familie bis 1868 erhalten bleiben sollte.<br.>Sein größtes Problem blieben die mächtigen daimyō in den auswärtigen Provinzen (inzwischen han), die sich dem bakufu nur scheinbar unterordneten und aufgrund ihrer militärischen Stärke eine ewige Gefahr darstellten. Tokugawa bezeichnete sie als tozama daimyō und verhängte gegen sie strenge Restriktionen. Die Gruppe der tozama daimyō bestand aus 18 Familien, die in ihren Ländereien gleich Souveränen herrschten und das shōgunat ständig bedrohten. Von den gaijin (Ausländer) wurden sie als „Könige“ bezeichnet und mehr als das bakufu selbst gefürchtet. Die wichtigsten dieser Klans waren die Maeda aus Kaga, die Date aus Mutsu, die Asano aus Aiki, die Mōri aus Nagato und die Shimazu aus Satsuma. 1868 gelang es ihnen den Militärdiktator (shōgun) zu stürzen und den Kaiser (tennō) wieder an die Macht zu bringen.

Meiji jidai

Im meiji jidai (ab 1868) kam erneut der Kaiser (tennō) an die Macht. Die Gesellschaft wurde neu organisiert, die früher in kuge (Hofadel) und buke (Kriegeradel) geteilten Adelsstände vereinigten sich nach dem Beispiel des britischen Peer-Systems zunächst unter dem Begriff der sogenannten "Blütensippen" (kazoku). Dieses System wurde jedoch von den japanischen Adeligen nie akzeptiert. Sie verlangten nach einer deutlicheren Ausweisung ihrer Abstammungen. Im Jahr 1947 wurde das System aufgehoben und alle Bürger (heimin) in der Geselschaft gleichgestellt.

Analyse

Die japanische Gesellschaft etablierte seit frühester Zeit adelige Hofbeamte (kuge) in den Stand der Krieger (buke). Die Bezeichnungen kokushu, shugo und jitō sind heute schwierig zu unterscheiden und beziehen sich vor allem auf Gruppierungen mit machtpolitische Interessen ihrer Zeit, die entweder dem tennō oder dem shōgun angehörten. Die ersten Kriegerfamilien (buke), wie z.B. Minamoto oder Ashikaga, entstammen aus der ersten Generation der kaiserlichen Verwandtschaft, die späteren daimyō, (z.B. Tokugawa) leiten sich von ihnen ab und sind ebenfalls mit dem Kaiser verwandt.

Studien Informationen

Siehe auch: Kuge | Shugo | Jitō | Japanische Provinzen | Kuni | Kokushi

Literatur

  • Oscar Ratti & Adele Westbrook: Secrets of the Samurai. Tuttle 1973.
  • Mitsuo Kure: Samurai, der Weg des Kriegers. Stocker-Schmid AG, Zürich 2006.
  • Thurnbull Stephen: Geschichte der Samurai. Stocker-Schmid AG, Zürich 2005.
  • Hans A. Dettmer: Grundzüge der Geschichte Japans. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt.
  • Reinhard Zöllner: Die Ludowinger und die Takeda. Verlag Dieter Born.
  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste. BSK 2010.

Weblinks