Naka

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Artikel von: Werner Lind<br.>Nachbearbeitet von:

Naka (jap.: 中), das „Prinzip der Mitte“ steht für „Raumauffassung“, „Richtungsverständnis“ und „Wirkungskraft“ und bestimmt weitgehend das gesamte ostasiatische Leben sowie weiterführend alle Bereiche der asiatischen Kampfkünste. Bereits im alten China, das man als „Land der Mitte“ bezeichnet, empfand sich der Mensch selbst als Mittelpunkt und organisierte sein Leben ausgehend aus seiner persönlichen Mitte (zhong), die er in seinem dāntián lokalisierte.

Ursprung in China

So verstand man seit Anbeginn das chinesische Reich als Zentrum der Welt und orientierte sich von ihm ausgehend in die vier hauptsächlichen Himmelsrichtungen. Der Mensch als Individuum begriff sich darin immer selbst als das Zentrum seiner Wirkungskreise, musste aber durch eine zusätzliche energetische Übung (qìgōng) seine persönliche Mitte (hara) finden, wahrnehmen und kontrollieren lernen, um in der Welt wirkungsvoll handeln zu können.<br.>Auf dieser Philosophie baut das chinesische qìgōng (Kultur der vitalen Energie) auf. Schreitet ein Mensch in dieser Übung fort, kann er sich zunehmend in „alle Richtungen“ der Welt bewähren und stets wirkungsvoll handeln: „Der Mensch kann vor, zurück, nach links oder nach rechts gehen“ - der Erfolg seiner Handlungen bleibt nicht aus, solange er „alles mit hara tut“.

Hōmen - Die Richtungen

Ausgehend von der Mitte (naka), werden in Asien die Richtungen (hōmen) entwickelt. Man kennt zunächst shihō (vier Richtungen), die durch ein Kreuz dargestellt werden. Die Steigerung davon ist happō (acht Richtungen), dargestellt durch ein Kreuz mit Diagonalen.<br.>Auf der Basis dieser Theorie beruhen die enbusen (Bodenlinien der kata) und das karategramm, das im Training des karate kihon verwendet wird.

Shihō 四方 - vier Pole

Einfache Grundlage zur Entwicklung des enbusen in den kata

Das Symbol des Prinzips shihō ist ein einfaches Kreuz. Auf dem Schnittpunkt der Linien (kiten) steht der Mensch, mit beiden Beinen verwurzelt im Boden, aber mit aufstrebender Gestalt. Dadurch bezeugt er das durch eine Übung erreichte Verständnis seiner zweipoligen Lebensbestimmung: das Unterworfensein gegenüber der Natur und das Streben nach unabhängiger Individualität. Über sein psycho-physisches Zentrum (hara) verdeutlicht er durch Haltung (shisei), Spannung (kinchō) und Atmung (kokyū) sein Verständnis in der Gleichgewichterhaltung seiner Lebensführung. In den Kampfkünsten steht dafür sein Ausdruck in der natürlichen Bereitschaftshaltung (yōi shizentai). Darin ist er bereit (yōi), sein Leben anzunehmen und auf die rechte Weise zu bewältigen.<br.>Deshalb ist yōi shizentai nicht bloß eine traditionelle Floskel, sondern die alles entscheidende Verbindung zwischen Form und Weg (). Ein erfahrener Lehrer kann aus dem yōi eines Übenden dessen Fortschritt auf dem Weg herauslesen.

  • Shihō: Verbindet man die vier Pole mit Linien, entsteht ein Kreuz, das die vier elementaren Bewegungsmöglichkeiten beschreibt: A - nach vorn (Norden); E - zurück (Süden); C - nach rechts (Osten); G - nach links (Westen). In Japan bezeichnet man sie als shihō (vier Richtungen) oder yonshinden (vier Ecken). Den Begriff finden wir heute in den Kampfkünsten als shihō wari (Bruchtest in vier Richtungen), shihō waza (Techniken in vier Richtungen), shihō kumite (Kämpfen in vier Richtungen), usw.

Happō 八方 - acht Pole

Erweiterte Grundlage zur Entwicklung des enbusen in den kata

Fügt man dem Kreuz zwei Diagonalen hinzu, ergeben sich vier weitere Bewegungsrichtungen, die sich aus den erstbeschriebenen grundlegenden Richtungen ableiten: B - schräg vor nach rechts (Nordosten); H - schräg vor nach links (Nordwesten); D - schräg zurück nach rechts (Südosten); F - schräg zurück nach links (Südwesten). Die sich so ergebenden Möglichkeiten werden im Japanischen als happō (acht Richtungen) oder hasshinden (acht Ecken) bezeichnet. Der Begriff happō symbolisiert gleichermaßen ALLE möglichen Bewegungsrichtungen und steht in der kata für ALLE möglichen Angreifer. Aussagen wie, „... die kata lehrt den Kampf gegen acht Gegner“, bedeuten also „... gegen beliebig viele Gegner“.<br.>Eine weitere numerische Differenzierung für die in der Praxis des kihon, der kata und vor allem im kumite durchaus existierenden weiteren Zwischenrichtungen wird nicht standardisiert - ihre Verwendung liegt im systemunabhängigen intuitiven Anpassen des Übenden an die real existierenden Gegebenheiten.<br.>In den Kampfkünsten entwickelten sich viele Prinzipien, die erst durch die Betrachtung dieser alten ostasiatischen Lebensauffassung zu verstehen sind. Das im karate verwendete Karategramm ist in seiner einfachen Form ein Bewegungssymbol für vier Richtungen (shihō) und in seiner erweiterten Form für acht Richtungen (happō). Beide stehen symbolisch für die Möglichkeiten der Orientierungen und Richtungsänderungen im Raum.

  • Happō: verbindet also die vier Hauptlinien (A - Norden, vor; E - Süden, zurück; G - Westen, links; C - Osten, rechts) mit zusätzlich vier Nebenlinien (H - Nordwesten, schräg vor links; B - Nordosten, schräg vor rechts, F - Südwesten, schräg zurück links, D - Südosten, schräg rechts zurück). Die Buchstaben L (links) und R (rechts) bezeichnen die Position der Füße in der natürlichen Bereitschaftsstellung (yōi shizentai). LH bedeutet dementsprechend, mit links auf der Achse H schräg vorzugehen, RE besagt, mit rechts auf der Achse E gerade zurückzugehen.

Die natürliche Bereitschaftshaltung (yōi shizentai), die auf dem Punkt kiten des Karategramm eingenommen wird, beinhaltet sowohl den im Boden verwurzelten Stand (Akzeptanz der Unterwerfung unter die natürlichen Gesetze des „Werdens und Vergehens“) als auch die individuelle Bemühung zur unabhängigen Individualität (Streben nach Selbstverwirklichung). Beides lässt sich aus der im yōi gezeigten Bereitschaft eines Übenden herauszulesen.

Studien Informationen

Siehe auch: Hōmen | Karategramm | Enbusen | Hara | Tanden |

Literatur

  • Werner Lind: BSK-Datenbank.
  • Werner Lind: Karate Kihon. BSK 2007.
  • Werner Lind: Karate Kumite. BSK 2010.
  • Werner Lind: Karate Kata. Projekt.

Weblinks