Nèijiā

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Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste, Karate Kumite<br.>Nachbearbeitet von: Stephanie Kaiser

Das innere quánfǎ (auch: „Innere Schulen des quánfǎ“) bezeichnet die daoistisch geprägten Schulen der nèijiā (chin.: 内家). Die nèijiā bestehen aus daoistischen Konzepten des quánfǎ, die sich bereits im 13. Jh. auf der Grundlage des wǔdāngpai entwickelten. Als Gründungsvater wird Zhāng Sān Fēng (1279 - 1368) genannt, dessen Konzept in allen späteren Stilen der nèijiā wieder zu finden ist.<br.>Es ist umstritten, ob sie aus dem shǎolín quánfǎ stammen oder ob sie sich aus eigener Kraft entwickelten, um die daoistischen Werte neu zu beleben. Jedenfalls griffen diese Systeme die daoistischen Philosophien auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Ihre Formen (tàolù) enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes, auf dessen Grundlage der Zugang zur vitalen Energie () möglich wird.<br.>Ihre traditionelle Entstehungsgeschichte gründet sich auf einer Legende, laut der der daoistischer Eremit Zhāng Sān Fēng in den Bergen von Wǔdāng (chin.: 武當山 / 武当山 - Wǔdāngshān) den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtet haben soll. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels ausweichen konnte, erkannte er, dass das Ausweichen der rohen Körperkraft überlegen ist. Die weiche Kraft des Ausweichens kombinierte er mit den Grundlagen der daoistischen Philosophie und gründete den Kampfstil wǔdāngpai, den Ursprung aller inneren Systeme. Später entwickelte das wǔdāngpai örtliche Stile und beeinflusste in Folge die Entstehung mehrerer großer Systeme, die sich im ganzen Land verbreiteten.

Allgemeines zur nèijiā

Obwohl der Einfluss des Daoismus auf die frühen Kampfkünste Chinas gewaltig war, gewannen im 6. Jahrhundert die buddhistischen Richtungen überhand und gründeten im Shǎolín-Kloster (Shǎolínsì) eine eigene große Kampfkunsttradition, die die Grundlage für die wàijiā (äußere Schule) bildete. Doch diese war nicht von allem bereits Bestehenden getrennt, sondern übernahm viele der daoistischen Ideen. Ob die daoistischen Systeme (nèijiā) neben den buddhistischen weiterexistierten, ob sie für einige Jahrhunderte miteinander verschmolzen, um später wieder neu aufzuerstehen, oder ob sie aus der buddhistischen Tradition erwuchsen, um die alten daoistischen Werte wieder neu zu entdecken und sich dadurch von den Shǎolín-Richtungen zu unterscheiden, kann heute nicht geklärt werden. Sicher ist, dass sie einen großen Einfluss auf die Shǎolín-Systeme ausübten.

Die Entstehung der Stile

Die erste Erwähnung der wieder auferstandenen daoistischen Kampfkunst, die sich zur Unterscheidung vom bereits bestehenden shaolin quanfa als nèijiā (innere Schule) bezeichnete, finden wir im 13. Jahrhundert n.Chr., als der Eremit Zhāng Sān Fēng im Wǔdāng-Gebirge (Bergregion südlich von Beijing in der Provinz Hubei) eines Tages während seiner Meditation den Kampf zwischen einer Schlange und einem Kranich beobachtete. Man glaubt, dass dieser Mann vorher in einem der Shǎolín-Klöster lebte und sich zumindest intensiv mit dem shǎolín quánfǎ auseinandersetzte. Als die Schlange siegte, weil sie den Angriffen des Vogels, der allmählich ermüdete, beständig auswich, soll Zhāng Sān Fēng erkannt haben, dass das Ausweichen der Schnelligkeit überlegen ist. Auf den Grundlagen der daoistischen Philosophie gründete er den Kampfstil wǔdāngpai, den Vorfahren aller Stile der inneren Richtungen. Später zerfiel dieser Stil in mehrere Zweige, die jedoch als Oberbegriff die Bezeichnung wǔdāngpai (Stil vom Wǔdāng-Gebirge) beibehielten.<br.>Zhāng Sān Fēngs System betonte in der Ausführung die daoistische Lehre von der Harmonie, von der Einheit zwischen Körper und Geist und vom beständigen Wandel (dào, yīn/yáng und ) und war im Vergleich zum Shǎolín-System weniger körperbetont. Zhāng Sān Fēngs Kampfkunst drückte damit eine jahrtausendealte Idee aus, und selbst wenn es stimmt, dass sie zuerst im Shǎolín-Kloster geübt wurde, liegt hier sicherlich nicht der Ursprung der inneren Systeme, sondern nur ein Berührungspunkt.

Das Prinzip der inneren Kraft

Daher bleibt die heute vielverbreitete Theorie, dass die inneren (weichen) Systeme (nèijiā) sich aus dem shǎolín quánfǎ abgeleitet hätten, nach wie vor unbestätigt und unwahrscheinlich. Vielmehr griffen sie die alte daoistische Philosophie auf und versuchten sie in Körperbewegungen auszudrücken. Die dào ( und kata) dieser Systeme enthalten eine Art Meditation in Bewegung und zielen auf die Heranformung des inneren Gleichgewichtes ab, auf dessen Grundlagen der Zugang zum (vitale Energie) möglich wird. Die Bewegungen zeichnen sich durch ausgewogene Stellungen und weniger Dynamik aus. Ihr höchstes Prinzip ist die Entwicklung von , das durch den Einklang zwischen Geist und Körper zugelassen werden kann. Es gibt mehrere große Schulen, die sich im Laufe ihrer Entwicklung gegenseitig beeinflusst haben: Wǔdāngpai, aus dem sich das tàijíquán, das bāguàquán, das xíngyìquán, das ziyanmen und das Liuhe Bafa entwickelten. Ihr Ursprung begründet sich in der daoistischen Philosophie. Über die Meister Yara Chatan, Higashionna Kanryō, Miyagi Chōjun und Uechi Kanbun beeinflussten sie die okinawanischen Schulen des shōrei ryū.

Prinzipien der nèijiā

Kraftübertragung, die nicht der Verbesserung der Effektivität der Technik dient, ist nutzlos. Die fünf Sinne werden so weit verfeinert, bis der 6. Sinn entsteht. Alle Übungen werden mit extremer Konzentration durchgeführt. Nachgiebigkeit und Gewandtheit besiegen immer die rohe Kraft. Alle Bewegungen verschmelzen zu einer einzigen, unendlichen Bewegung. Es gibt keinen Bruch im Denken und Handeln. Die Bewegungen sind flüssig und rund. Höchstmögliche Entspannung und Qì-Kontrolle. Harmonie des Menschen durch Kontrolle von Atmung und Geist. Kombination von Sanftheit und Härte.

Der Einfluss der Tierformen

Bereits seit Huá Tuó existiert die Idee der Beobachtung von Tierbewegungen (wǔqínxì und wǔxíngxì) in den daoistischen Richtungen (dàojiā 道家 - „Schule (jiā) des Weges (dào)“ und dàojiào 道教 - „Lehre (jiào) des Weges (dào)“), die sich neben einer Vielzahl von anderen Übungen des Qigong in den verschiedenen Kampfkunstkonzepten fortsetzte. Auf jeden Fall ist die Beobachtung von Tieren sowohl in den inneren als auch in den äußeren Richtungen zum Nährboden zahlreicher Techniken geworden, die sich auch in den heutigen dào (kata) wiederfinden. Viele chinesische Stile imitieren nur ein bestimmtes Tier, andere verbinden die Bewegungen verschiedener Tiere. Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Im xíngyìquán z.B. sind die Tierformen in 12 verschiedene Tierstile (shíèrxíngquán) eingeteilt, die als dào geübt werden: Drache, Tiger, Affe, Pferd, Falke, Schwalbe, Adler, Bär, Schildkröte, Schlange, Leopard, und Küken. Darüberhinaus werden in den verschiedenen Stilen auch noch andere Tierverfahren geübt wie Leguan, Hahn, Habicht, Lerche, Auster, Kamel und der mythische Vogel Tai.

Systeme der nèijiā

Heute sagen manche, die Systeme der nèijiā hätten sich allesamt aus dem shǎolín quánfǎ abgeleitet. Doch diese Theorie ist nicht bestätigt. Im Shǎolín-Kloster verbanden sich daoistische und buddhistische Ideologien zu einem gemeinsamen Konzept und entwickelten viele Ausdrucksformen. Einige davon sind unten dargestellt:

Aus der oberen Liste etablierten sich die Hauptsysteme der nèijiā. Wir wollen sie hier noch einmal aufführen und kurz erläutern:

  • Tàijíquán (太極拳) - basierend auf dem Prinzip des tàijí. Innerhalb dieses Prinzips gibt es viele Konzepte, aus denen vor allem fünf Stile gewonnen werden: chén tàijíquán, yáng tàijíquán, wú tàijíquán, wǔ tàijíquán und sūn tàijíquán.
  • Xíngyìquán (形意拳) - das xíngyìquán baut auf den fünf Wandlungsphasen (wǔxíng) der chinesischen Kosmologie (Holz (木 - ), Feuer (火 - huŏ), Erde (土 - tŭ), Metall (金 - jīn), Wasser 水 - shuĭ), auf und begründet seine Formen (xíng) auf dem Verhaltensstudium von zwölf Tieren (shíèrxíngquán: Drache (lóng - 龍), Tiger ( - 虍), Affe (hóu - 猴), Pferd ( - 马) , Leguan, Hahn (gōngjī - 公鸡), Falke, Schwalbe (yàn - 燕), Schlange (shé - 蛇), Kranich ( - 鶴), Adler (yīng - 鹰) und Bär (xióng - 熊)). Jedes Tier symbolisiert einen eigenen Kampfstil und bestimmte Tugenden. Das System hat seine Wurzeln im Yìjīng (I Ging- „Buch der Wandlungen“) und beeinflusste die Gründung des späteren bāguàquán.
  • Bāguàquán (八卦拳) - das bāguàquán ist eines der größten Systeme des daoistischen chinesischen Boxens, als Folge von Beeinflussungen aus dem älteren xíngyìquán. Es begründet seine esoterischen Wurzeln auf dem Prinzip der bāguà („acht Orakelzeichen“) aus dem yìjīng. Sein kämpferisches Konzept ist vom tàijíquán abgeleitet. Bāguàquán wurde erst um 1790 entwickelt. Es enthält sehr schnelle Kreis- und Drehbewegungen und ebenso schnelle Fußtechniken. Bevorzugt wird jedoch die offene Hand.

Studien Informationen

Siehe auch: Quánfǎ | Nánquán | Wàijiā |

Literatur

  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste. BSK-Studien 2010.
  • Werner Lind: Karate Kumite. BSK 2014.