Methoden der Karate-Kata

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Artikel aus: Lexikon der Kampfkünste<br.>Nachbearbeitet von: Werner Lind

Die Karate-Kata erfuhr im Laufe ihrer Geschichte viele Veränderungen. Im Wesentlichen veränderte sich aber das Studium der Karate-Kata und etablierte aus einer ehemals wetvollen Schulungsmethode für Körper und Geist (shingitai) eine bloße Wettkampfform. Auch wenn sich dadurch die formalen Aspekte nicht wesentlich änderten, änderte sich jedoch ihr Inhalt und ihr Sinn. Die Unterschiede zwischen der klassischen kata und der modernen kata sind gravierend und beeinflussen heute den Weg, das Übungskonzept und die Kompetenz eines dōjō. Nicht der Stil ist entscheidend, sondern einzig die Kompetenz des Lehrers.

Die klassische Karate-Kata

Das Konzept der klassischen karate kata ist die Grundlage für die Entwicklung der Grundschule (kihon) und der Partnerübungen (kumite) im karate. Im ersten Fall werden essentielle Grundlagen des qìgōng (Kultur der vitalen Energie) in Bewegung umgesetzt, im zweiten Fall werden technische und taktische Methoden der Selbstverteidigung (goshin) abgeleitet.<br.>Alle klassischen kata aus dem okinawanischen karate haben ihren Ursprung, ihren Sinn und ihre Anwendungsprinzipien im chinesischen quánfǎ. Es gibt keine andere Möglichkeit, die okinawanischen kata wirklich zu verstehen, außer durch ein intensives Studium der chinesischen Kampfkünste, aus denen sie abgeleitet wurden. Tradition, Geschichte und Philosophie spielen dabei eine wesentliche Rolle. Versucht man dennoch, sich einer kata nur über ihre äußere Form zu nähern, entstehen jene Missverständnisse, die seit vielen Jahren das moderne karate begleiten: naive Anwendungen oder improvisierte virtuose Technik-Kombinationen. Beides ist im sportlichen Bereich richtig, aber aus der Sicht des budō falsch.

Alte Kata (Koryū Kata)

Mit dem Begriff koryū kata bezeichnet man das „alte System der kata“ im okinawanischen karate (koryū uchinādi - alte Schule des okinawate). Dieses wurde über Jahrhunderte in einer Weise verwirklicht, in der persönliche Erkenntnisse und Forschungen der Meister weitgehend in ein stilunabhängiges „Neutrum“ zurückgefügt wurden, aus dem folgend sich weitere Entwicklungen etablieren konnten. Die Verteilung der okinawanischen kata auf die sich heranbildenden Stile (ryū) erfolgte z.B. nach diesem Muster. Auf Okinawa gab es lange Zeit nur „ein“ von allen Stilen unabhängiges karate (Funakoshi Gichin beharrte noch in Japan darauf), das, ohne definiert zu sein, als „zentrales Neutrum“ die persönlichen Interpretationen der Meister speiste, lenkte und orientierte.<br.>Zu jener Zeit gab es keine Bücher und keine Videos. Die Meister waren auf ihre persönlichen Kontakte unterreinander angewiesen, und nur dort, wo diese funktionierten, entstanden gegenseitige Beeinflussungen. Erst dadurch öffnete sich das stets anonyme „Zentralarchiv“, und nur dadurch konnten sich die verschiedenen kata in den Meisterlehren verbreiten.<br.>Entsprechend ihren Möglichkeiten und Absichten stellten die Meister ihr persönliches Programm für kata zusammen. So geschah es manchmal, dass eine kata aus ihrem Ursprungsstil verschwand, in einem neuen Stil aufgegriffen und inhaltlich verändert wurde (z.B. seisan oder naihanchi). Falsche Interpretationen endeten in früheren Zeiten stets mit dem Tod des Initiators.

Übungskata (Renshūhō Kata)

Mit renshūhō kata bezeichnet man verschiedene festgelegte Übungsmethoden, die in den jeweiligen Stilen dem Lehrer helfen sollen, den Schüler nach seiner persönlichen Art und Weise zu unterrichten. Renshūhō (renshū - Übung, - Methode) sind keine im klassischen karate festgelegten formalen Übungen, sondern vom sensei zur gezielten Ausbildung seiner Schüler übernommene, von ihm selbst gegründete oder veränderte Formen und können entsprechend den Trainingsaufgaben auch variieren. Alle Methoden der renshūhō dienen vorwiegend dem Sichtbarmachen verschiedener vom sensei angestrebter Kampfkunstinhalte, die er unterrichten will.<br.>Seit jeher wurden von den sensei solche Übungsmethoden verwendet, mittels derer sie versuchten, ihren Schülern die Lehre des karatedō zu vermitteln. Die Methoden der renshūhō können als einzelne Übungssequenzen (z.B. renraku waza) oder auch als komplexe formale kata (z.B. taikyoku kata oder jiyū ippon kumite) angelegt werden. In vielen Stilen werden sie den Übenden anfangs als feste Form vermittelt, doch danach vom sensei in ihren eigentlichen Sinngehalt geführt. Keine dieser Methoden darf in ihrem anfänglichen Formzustand verbleiben (dieser ist nur Mittel zum Zweck), sondern muss letztendlich vom sensei zum Fortschritt geführt werden. Die Fähigkeit zu Letzterem hängt aber vom sensei ab. Auch hier ist nicht der Stil und nicht die Form entscheidend, sondern die Weitsicht des Lehrers.

Die moderne Kata

Die modernen karate kata der Wettkampfstile sind formal häufig den alten kata ähnlich, geraten aber durch ihre oberflächliche, auf Äußerlichkeiten abzielende Interpretation zu inhaltslosen Formen, denn sie werden sporttechnisch perfektioniert, um Wettkämpfe zu gewinnen. Im sogenannten Breitensport ist die Situation nicht anders, denn die kata im Breitensport ist auch eine Wettkampfkata, bei der die Bewertungsmaßstäbe (in Bezug auf die Schnelligkeit der Technik, Krafteinsatz usw.) entsprechend nach unten korrigiert werden. Die Wettkämpfer bedürfen nicht der Lehrer, sondern der Trainer, und die Übung der Breitensportler wird häufig ebenfalls von Trainern geleitet, die ihre Schüler nicht auf den Weg () des budō führen können.

Wettkampf-Kata (Kyōgi kata)

Der Begriff kyōgi kata bezeichnet eine kata, die für einen Wettkampf vorbereitet und aus Anlass eines solchen vorgeführt wird. Auch dann, wenn diese kata in Technik und Abfolge einer klassischen kata (koryū kata) entspricht, ist sie dennoch nicht dieselbe. Die Grundlagen ihrer Bewegung erfolgen nach dem Prinzip westlicher Sportwissenschaften und nicht nach dem klassischen Ganzheitsprinzip (shingitai) des budō von Körper und Geist.

Neue Kata (Shin kata)

Mit shin kata bezeichnet man moderne, selbstgegründete Formen für den Wettkampf, die zwar optisch anschaulich und virtuos sind, aber mit karate und kata nicht das Mindeste zu tun haben. Sie enthalten technische Eigenkreationen ihres Gründers, die sich an den sportlichen Maßstäben der Bodengymnastik orientieren.<br.>Die unglückliche Herabsetzung der kata zu einer eindimensionalen Körpergymnastik ging mit der weltweiten Verbreitung des karate einher. In China und Okinawa gab es in allen Stilen immer eine straffe Führung durch den jeweiligen Meister, der die Stilblüten seiner Schüler unterband, wenn sie sich nicht um die Inhalte bemühten. Als karate aber nach Japan kam und von dort aus in die ganze Welt verbreitet wurde, hatte es keine Eltern und somit keine Wurzeln mehr. Waisenkinder begannen seine Inhalte zu interpretieren und brachten ihre persönlichen, unausgereiften Ansichten mit ein.<br.>Ich selbst kann mich an diese Zeit noch sehr gut erinnern. Anfang der 60er Jahre lernten wir von den japanischen Instruktoren die einzelnen Techniken und Formen der kata und übten sie mit Begeisterung. Der Spaß am freien Entwickeln und Verwirklichen von spontanen Einfällen, mittels denen man einen Gegner spektakulär besiegen konnte, stand im Vordergrund jeder Übung. Niemand kümmerte sich um Inhalte, denn damals wusste niemand, dass es solche gab. Auch ahnte keiner, dass unsere japanischen Lehrer davon auch nichts wussten.<br.>In dieser Zeit wurden die Inhalte des karate verwässert, und es entstand weltweit eine oberflächliche Kampfkunstkultur. „Karate bildet den Charakter“, „Karate entwickelt die Persönlichkeit“ und manch anderer Werbeslogan wird auch heute noch von vielen sportlichen Organisationen gebraucht, doch ihnen fehlen die Lehrer, die den Sinn dieser Sätze als Weglehre () von der Theorie in die Praxis übertragen können. Auch im Unterricht der japanischen Instruktoren gab es schon immer eine gute sportliche Ausbildung, aber nur wenig Tiefe. Daher waren und sind Fehlentwicklungen die unausweichliche Folge.<br.>Wird ein Übender von seinem sensei statt zu den klassischen Inhalten zum Sport hingeführt, wird er die kata nicht als Wert erkennen können. Er sieht darin lediglich eine Abfolge von gymnastischen Bewegungen, die er nach den sportichen Regeln übt - unabhängig davon, ob er damit auf Wettkämpfe geht oder nicht. Doch es gibt zunehmend mehr hinterfragende Schüler, die wissen wollen, was kata und karate wirklich ist. Sie geben sich mit oberflächlichen Erklärungen nicht zufrieden und suchen nach Lehrern, die in der Lage sind, karate als Wegkunst zu unterrichten.

Studien Informationen

Siehe auch: Karate-Kata | Geschichte der Karate-Kata | Studium der Karate-Kata | Bedeutung der Karate-Kata | Prinzipien der Karate-Kata | Philosophie der Karate-Kata | Kata-Liste (Karate) |

Literatur

  • Werner Lind: Lexikon der Kampfkünste, BSK-Studien 2010.
  • Werner Lind: Budo - der geistige Weg der Kampfkünste, Scherz 1991.
  • Werner Lind: Okinawa Karate, Sportverlag Berlin 1998.
  • Werner Lind: Karate Grundlagen, BSK 2005.
  • Werner Lind: Karate Kihon, BSK 2007.
  • Werner Lind: Karate Kumite, BSK 2010.
  • Werner Lind: Karate Kata, BSK 2011.
  • Shoshin Nagamine: The Essence of Okinawan Karate, Tuttle 1976.
  • Richard Kim: The Weaponless Warriors, Ohara 1974.
  • Morio Higaonna: Okinawa Goju ryū, Minamoto Research, 1985.
  • Mark Bishop: Okinawan Karate, A & B Black 1989.
  • Pierre Portocarrero: Tode les origines du Karate do, Sedirep.
  • George W. Alexander: Okinawa Island of Karate, Yamazato 1991.
  • Kenji Tokitsu: Histoire du Karate do, SEM 1979.
  • Hokama Tetsuhiro: Timeline of Karate history, 2007.

Weblinks